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Zwölftes Buch

Die Gräfin von Montespan wird mir immer verdächtiger.

»Man wundert sich,« sagte sie mir heute, »daß Ihr keine Miene macht, nach Paris zu gehen. Warum tut Ihr es denn nicht? Niemand wird etwas dagegen sagen können. Im Gegenteil, man findet es affektiert, daß Ihr Euch nicht nach Herrn von Lauzun umseht.«

Ich glaube schon lange nicht mehr, daß sie mir aus Freundschaft solche Reden hält, und fast fürchte ich, es würde sie nichts so freuen, als wenn ich eine rechte Unvorsichtigkeit beginge.

 

Choisy, 16. September.

Ich blieb noch vier Tage in Saint-Germain, übernachtete vorgestern im Luxemburg und ging gestern früh hier heraus, wo ich Lauzun erwartete. Er kam erst heute, zusammen mit Baraille.

Ein scheinbar gleichgültiges Wort von ihm verstimmte mich für den ganzen Tag.

»Ich war sehr erstaunt, zu sehen,« sagte er, »daß die Königin noch farbige Bänder in den Haaren trägt.«

»So verwundert Ihr Euch also wahrscheinlich noch mehr,« antwortete ich, »sie auch an mir zu sehen, denn ich bin sogar älter als die Königin.«

Er schwieg. Ich fuhr fort, mich zu verteidigen. »Frauen von unserem Range hätten länger ein Recht zu hellen Farben als andere; doch trüge ich sie nur auf dem Lande und im Hausgewand.«

Je länger ich sprach, desto mehr ärgerte ich mich, daß ich mich überhaupt verteidigte.

Im Punkt der Rücksichtslosigkeit und Kritik hat er sich also wenigstens nicht geändert.

Es war das schönste Wetter von der Welt, ich zeigte ihm meinen Park in allen Einzelheiten.

Gegen fünf Uhr entschuldigte er sich, er müsse Herrn Colbert, den er noch nicht gesehen habe, notwendig einen Besuch machen.

Ich wunderte mich – Frau von Montespan hatte mir das Gegenteil gesagt – doch schwieg ich.

»Wie schmerzlich, daß ich so früh gehen muß,« sagte er noch zuletzt, »ich bin ganz bezaubert von Eurem Choisy. Aber ich werde die Ehre haben, Euch heute abend zu sehen, ich werde um acht Uhr zurück sein.«

Gegen acht Uhr kam Baraille und entschuldigte ihn. »Der Graf sei nicht mehr gewöhnt, so viel zu gehen, er habe sich kaum mehr auf den Beinen halten können.«

Er, Baraille, habe ihn bei Rollinde verlassen, wo er im Begriffe stand, zu Bett zu gehen.

Ich wagte einige Zweifel, doch Baraille redete sie mir aus. Er war fest überzeugt, daß Herr von Lauzun todmüde war und das äußerste Bedürfnis nach Ruhe hatte.

 

Luxemburgpalast, 17. September.

Da ich Lauzun gestern in Choisy nicht erwartete, ging ich hierher. Er kam heute früh auf einen Augenblick, entschuldigte sich abermals mit Besuchen.

Und er sprach die ganze Zeit fast nur von seiner Müdigkeit am gestrigen Abend und daß er schon um sieben Uhr zu Bett gegangen. Ein gewisser Eifer, den er dabei an den Tag legte, mich zu überzeugen, machte mir seine Beteuerungen erst verdächtig.

Gegen Mittag besuchte mich die Marquise von Humières. Ich hätte gern auf ihre Gegenwart verzichtet. Aber was ist zu machen? Die Leute erlauben uns, daß wir sie hassen, aber wir dürfen nicht unhöflich gegen sie sein.

»Nun,« sagte ich, »Ihr werdet sehr glücklich sein, Herrn von Lauzun wieder hier zu wissen.«

»Ja,« antwortete sie, »er war gestern abend bei mir. Ich hatte bereits gespeist, ich mußte frisch für ihn decken lassen. Er beteuerte, daß er sterbe vor Hunger. Und über Euch hat er sich auch beschwert. ›Königliche Hoheit wird mich umbringen,‹ sagte er, ›wenn Sie vorhat, mich jeden Tag so lang auf den Beinen zu halten und kreuz und quer in ihrem Park hin und her zu schleppen‹.

Ich muß gestehen, daß mich diese Rede ein wenig verblüffte, nachdem er mir noch kurz vorher versichert, er sei um sieben Uhr zu Bett gegangen.

Er kam nach Tisch wieder. Ich erklärte ihm, daß ich mich nicht ganz wohl fühle, daß ich erst morgen nachmittag nach Saint-Germain ginge.

»Wie,« fuhr er heraus, »man erwartet Euch heut bei Hofe; wenn Ihr hierbleibt, das wird ein Gerede geben.«

»Mögen sie sagen, was sie wollen,« erwiderte ich, »ich habe mir genug Zwang angetan in meinem Leben, um es einmal satt zu haben. Was ich deutlich sehe, ist das, daß man sich über die Leute lustig macht, die alles für uns getan haben, daß man sich mit ihnen langweilt, daß man ihnen aus dem Wege geht. Nun, mag es sein. Nur soll man mir aber auch keine Vorschriften machen wollen.«

Er wurde in hohem Grade verlegen.

»Sagt doch,« fuhr ich fort, »wie war das gestern abend, Ihr seid um sieben Uhr zu Bett gegangen; also seid Ihr später wieder aufgestanden, da Ihr bei der Marquise von Humières soupiert habt.«

»Was für ein Märchen,« entgegnete er achselzuckend.

»So müßt Ihr dieser Dame eben sagen, daß sie den Leuten keine solchen Märchen erzähle. Sie war vor zwei Stunden da; sie hat mir auch gesagt, daß ich Euch zu Tode hetze und wie froh Ihr wäret, daß ich wieder nach Saint-Germain ginge.«

»Soll das noch lange so weiter gehen?« fragte er scheinbar scherzend, um seine Verlegenheit zu verbergen.

»So lang ich Vergnügen daran finde« antwortete ich; »die Miene, die Ihr dazu macht, fängt an mich zu belustigen.«

Wahrlich, ich hatte ein Recht zur Grausamkeit. Zweimal hatte er mir also ins Gesicht gelogen.

Nach einer Weile kam die Gräfin von Fiesque. Ich merkte wohl, er war wie auf Kohlen. Er wäre gern gegangen und wagte es nicht. Die Gräfin von Fiesque verlangte meine Steine zu sehen. Wir kramten zusammen alles aus und ich tat, als ob er nicht da wäre.

 

Saint-Germain, 22. September.

Ich traf heute zum erstenmal den Grafen von Maupertuis seit seiner Rückkehr von Bourbon. Er erzählte mir wenig Schmeichelhaftes über Herrn von Lauzun, der ihm fortwährend dieselben Stänkereien zu machen gesucht wie früher dem Herrn von Saint-Mars.

Herr von Maupertuis hat davon nichts an den König berichtet, wofür ich ihm aufrichtig und herzlich danke.

Ist Lauzun wirklich ein anderer geworden als er früher war? Ich kann es kaum noch glauben.

Ich muß ihn schlecht gekannt haben. Das hat mir ja auch jener anonyme Briefschreiber gesagt.

Wenn ich diesen Brief heut wieder lese (und es ist nur gut, daß ich ihn kopiert habe), wie anders kommt er mir vor als damals.

Überhaupt hat mir dieser Brief schon viel Kopfzerbrechens gemacht.

Manchmal dünkt es mich, als ob die Gräfin von Montespan dahinter stecken könnte, die vielleicht wirklich mein Bestes damit wollte, die vielleicht wirklich damals die ehrliche Freundin war, wofür ich sie hielt. Heute ist sie's aber gewiß nicht mehr.

Seitdem sie auf den Gedanken geriet, meine Freundschaft für Lauzun zugunsten ihres Sohnes auszunützen, hat die Gewinnsucht ihr den ehrlichen Sinn verdreht.

* * *

Frau von Nogent weicht mir jetzt aus. Ich weiß recht gut warum. Ich habe sie bei meiner Schenkung an ihren Bruder mit allem Vorbedacht ausgeschlossen, indem ich die Bestimmung getroffen, daß die in Frage stehenden Besitztümer nur auf die Brüder übergehen könnten, nicht auf die Schwestern.

* * *

Herr Colbert hat all diese Tage her daran gearbeitet, die Geschäfte des Herrn von Lauzun zu ordnen. Der König scheint den Wunsch ausgesprochen zu haben, ihn in dieser Geldangelegenheit mit der erdenklichsten Großmut zu behandeln. Colbert legte mir heute die Papiere vor. Herr von Lauzun erhält für seine Charge als Hauptmann der Königlichen Leibwache und an rückständigem Salär die runde Summe von achtzigtausend Livres.

* * *

Fast schäme ich mich niederzuschreiben, was mir mein Kanzler Rollinde erzählte.

Herr von Lauzun hat ihm die heftigsten Vorwürfe gemacht, daß er mich nicht verhindert, für Choisy Geld auszugeben. Diese Summe hätte man besser verwenden können. Ein kleines Sommerhäuschen da außen hätte auch genügt. Man brauchte es ja nicht zum Schlafen einzurichten. Meine Verschwendungssucht werde mich überhaupt noch zugrunde richten.

Rollinde, der mir von Lauzun selber empfohlen worden, war aufs höchste empört über dessen Zumutung, mir nicht nach meinen Wünschen, sondern nach dem Gefallen des Herrn Grafen dienen zu sollen.

* * *

Als Lauzun von Bourbon zurückkam, machte er mich glauben, er habe sich zu Pignerol mit der Frau von Fouquet und deren Tochter vollständig verfeindet. Unterdessen hörte ich, daß er sie zu Paris täglich besucht. Der Tochter soll er die Heirat versprochen haben, sobald ihn der König zum Herzog erhoben.

Die Mutter ist aber, scheint es, nicht auf diesen Leim gegangen: Sie hat vor einigen Tagen ihre Tochter zu Chaillon ins Kloster gesteckt.

* * *

Man findet es lächerlich, daß sich Lauzun seit seiner Rückkehr ausschließlich einer Mietskarosse bedient, da er doch imstande wäre, eine glänzende Equipage zu haben. Er erklärt dann immer, er wolle sich nicht eher equipieren, als bis er sich sein Wappen mit dem Herzogsmantel auf den Wagenschlag malen lassen könne.

Ich fürchte, er erreicht mit diesem kindischen Trotz das Gegenteil von dem was er bezweckt.

 

Luxemburgpalast, 4. Okt.

Ich übergab Herrn von Lauzun heute die ministeriellen Ausfertigungen über seine Guthaben, womit sich Colbert soviel Mühe gemacht. »Ihr werdet zugeben,« bemerkte ich, »daß man Euch generös behandelt hat.«

Er geriet aber wie außer sich. In einem solchen Wutanfall habe ich ihn überhaupt noch nicht gesehen.

»Er habe gute Lust,« schrie er, »den ganzen papierenen Kram zum Fenster hinaus oder gleich in den Kamin zu schmeißen. Was er damit solle? Er habe kein Geld gewollt. Seine Charge sei es, die ihm am Herzen gelegen.«

Und nun erfuhr ich, daß er von Pignerol aus, wenigstens behauptete er es jetzt, wegen seiner Charge Verhandlungen gepflegt, infolge deren ihm bestimmt zugesagt worden, daß er sie bei seiner Freilassung wieder erhalten werde.

»Er habe sich damals auf den Standpunkt gestellt, lieber keine Freiheit als die Freiheit ohne seine Charge. Und er wäre auch sicher zum Ziele gelangt,« behauptete er; »ich allein habe ihm durch mein Eingreifen alles verdorben. Ich allein sei schuld, daß man ihm seine Charge genommen. Ich hätte mich von der Montespan ins Bockshorn jagen lassen.«

Empört hielt ich ihm entgegen, daß man sich auf sein Wort nicht mehr verlassen könne, daß er einmal so und einmal so rede. Und warum er mir denn jene Verhandlungen verschwiegen habe?

»Ihr habt über Eure Charge«, erlaubte ich mir ihn zu erinnern, »einmal schon ganz anders geredet: als ob Ihr es gründlich satt hättet, immer zu Pferd zu sitzen, immer hinter der Kalesche des Königs her zu sein; Ihr habt Euch noch viel wegwerfenderer Ausdrücke bedient.«

»Ein Schuft, wer so etwas behauptet,« rief er rot vor Zorn.

»So bin ich der Schuft, ich habe aber nur Eure eigenen Worte wiederholt.«

Darüber brach er in eine wahre Flut von Vorwürfen aus, denen ich ein hartnäckiges und verächtliches Schweigen entgegenhielt.

Er brachte die unglaublichsten Dinge vor. Und immer wieder beschuldigte er mich der leichtfertigen Übereilung. »Sich so überrumpeln zu lassen.« Mehr wie zehnmal wiederholte er das Wort.

Der Vorwurf war ja zum Teil begründet. Aber warum hatte ich so gehandelt? Doch allein aus allzu großer Liebe, aus allzu großer Besorgtheit für ihn. Hatte er da ein Recht, mir daraus ein Verbrechen zu machen?

Aber es kam schlimmer. Mit brutalen Worten sprach er von meiner Schenkung an den Herzog von Maine als einer unerhörten und unverzeihlichen Dummheit. Ich merkte, diese Schenkung bildete das Hauptmotiv seiner Unzufriedenheit.

Und doch war allein er es und seine Freiheit, wofür ich die großen Opfer gebracht habe. Statt Dank dafür erntete ich Vorwürfe. Von meiner Liebe war keine Rede, nur von meiner Dummheit.

»Sich so einschüchtern zu lassen. Sich so das Fell über die Ohren ziehen zu lassen!«

Ich war starr vor Entsetzen.

Als er bemerkte, wie mein Gesicht sich immer mehr versteinerte, erkannte er seinen Fehler und suchte einzulenken. Und wie immer entschuldigte er sich mit seiner übergroßen Anhänglichkeit an den König. Ob es ein Wunder sei, daß er den Kopf verliere und außer sich gerate, indem er daran denke, daß ihn Seine Majestät nun, und vielleicht für immer, von sich entfernt halte.

»Eure Wutausbrüche«, erwiderte ich, »sind ein schlechtes Mittel, die Gunst des Königs von neuem zu erlangen.«

Ich hielt ihm dann meinerseits eine Standrede. Ich sagte ihm in sanften und liebevollen Worten von Grund auf die Meinung, die er für diesmal gut aufnahm, wozu er denn auch allen Grund hatte.

Seine Heftigkeit und Launenhaftigkeit haben sich in seiner Gefangenschaft leider nicht gemildert. Er läßt sich im Gegenteil jetzt mehr gehen als früher. Es gereicht ihm aber nicht zum Vorteil, daß er sich keinen Zwang antut.

Er hat sich selber früher viel besser beurteilt als jetzt. Wenn damals der böse Geist über ihn kam, verschloß er sich in seine vier Wände und zeigte sich vor den Menschen nur in seinen guten Momenten. Durch diese Methode hat er fast jedermann getäuscht. Ich selber kannte ihn nur von seinen glänzenden Seiten.

Ich war eben doch ein wenig blind. Ich hielt alles für gehässige Verleumdung, was mir Bedenkliches über ihn zu Ohren kam. Einmal – auf der flandrischen Expedition – hat mir Graf Ayen seinen Charakter geschildert; ich habe ihm leider kein Wort geglaubt.

 

5. Oktober.

Schon vor Wochen habe ich mich entschlossen, für die letzte Herbstzeit nach meinem Schloß Eu zu gehen.

Als ich Lauzun neulich davon sprach, konnte er sich nicht genugtun in Ausdrücken seines Schmerzes darüber, daß ihm der König verboten habe, mit mir zu kommen. Ich schrieb an die Gräfin von Montespan, ob sie etwas davon wisse und erhielt umgehend die Antwort, daß über diese Angelegenheit nie ein Wort gesprochen worden, daß der König nicht im geringsten etwas dagegen habe, wenn Herr von Lauzun mich in Eu besuchen wolle.

Ich zeigte ihm den Brief und er tat, als ob er sehr entzückt davon wäre, obwohl er seinen Ärger kaum verbergen konnte. Dann sprach er davon, daß es ihm leider an einem Wagen fehle, wie an tausend andern Dingen, die zu einer Reise erforderlich sind.

Als ob man sich in Paris nicht von heut auf morgen alles anschaffen könnte, wenn man nur das Geld hat, woran es ihm allerdings manchmal fehlen mag, da er die Gewohnheit angenommen zu haben scheint, jeden Abend außergewöhnlich hoch zu spielen.

 

Auf meinem Schloß zu Eu, 10. Oktober.

Bei meiner Abreise von Paris hatte Lauzun noch einmal in lebhaften Ausdrücken bedauert, mich nicht begleiten zu können. Er habe noch Geschäfte zu erledigen, aber er werde mir folgen vom ersten Augenblick an, wo er frei sei.

Er schrieb mir heute von Schloß Lauzun aus, seine Mutter sei erkrankt, er sei zu ihr geeilt, der Bischof von Lompez habe ihn rufen lassen. Er sei ganz glücklich, daß seine Mutter (die der hugenottischen Religion angehört) seit ihrer Krankheit große Neigung zeige, vor ihrem Tod in die katholische Kirche zurückzukehren. Er getraue sich darum nicht, sich von ihr zu entfernen, da er hoffe, sie durch seine Gegenwart in ihren Vorsätzen zu erhalten und zu bestärken.

 

15. Oktober.

Die Gräfin von Montespan schreibt mir, Herr von Lauzun sei nach Paris zurückgekehrt und man treffe ihn bei allen möglichen Festen. Noch den Abend vorher sei sie ihm bei Herrn Colbert begegnet, wo er nicht einmal eingeladen war. Sie habe ihm gesagt, er solle sich schämen, nicht in Eu zu sein. Seine Antwort sei gewesen, daß er keinen Wagen habe. Das könne aber doch nur eine faule Ausrede sein.

Die gute Gräfin schreibt mir damit nichts Neues.

* * *

Er ist seit drei Tagen hier. Ich sehe ihn dennoch nur wenig. Er galoppiert gewöhnlich in der Frühe davon und läßt sich den ganzen Tag nicht mehr sehen. Da ich noch den Brunnen gebrauche (ich habe mir wieder den nötigen Vorrat von Wasser hierher schaffen lassen), stehe ich sehr früh auf, und während ich mein Wasser trinke, promeniere ich auf der Terrasse, um mir Bewegung zu machen. Jedermann bemüht sich, ebenfalls rechtzeitig auf zu sein, und wer nur hier wohnt, macht mir zu dieser Stunde den Hof.

Nur Herrn von Lauzun sehe ich nicht.

* * *

Ich kann nicht mehr.

Wir haben uns noch einmal versöhnt, aber der neue Frieden wird, fürchte ich, nicht lange andauern.

Lauzun ist in der letzten Zeit öfter gegen Abend in die Stadt gegangen, von wo er immer erst spät in der Nacht zurückkehrte.

Was für häßliche Sachen das sind. Ich weiß auch gar nicht, warum ich mich überwinde (denn Überwindung kostet es mich), Dinge niederzuschreiben, bei deren Gedanken mir die Schamröte ins Gesicht tritt.

Meine Leute hatten mir berichtet, Herr von Lauzun verkehre in der Stadt in einem Hause, zu dem ich ihn doch in keinerlei Beziehungen wußte. Das schien mir verdächtig und ich ließ Erkundigungen anstellen über das Haus. Kurz, ich habe entdeckt, daß gewisse Pariser Freundinnen den Grafen auf seiner Reise begleitet haben, die er in jenem Hause untergebracht hat.

Soll ich von der häßlichen Szene sprechen von gestern nacht? Ich war weniger empört über die Sache an sich, als über den Zynismus seiner Reden und die Verachtung meiner, die ich aus seinen Antworten heraushörte.

Heute morgen in Gegenwart der Gräfin Fiesque, warf er sich mir zu Füßen und schwur, sich nicht eher erheben zu wollen, als bis ich ihm verziehen habe. Ich wandte mich kalt von ihm ab. Er folgte mir, immer auf den Knien, von einem Ende der Galerie bis zum andern. Seine Demut überwältigte mich endlich, die Tränen kamen mir, er hatte noch einmal gewonnen.

Wir haben uns versöhnt; aber wie lange wird er dauern, der neue Frieden?

 

In meinem Hause zu Choisy, Donnerstag, 5. Mai.

Er hat mir eben für immer Lebewohl gesagt. Wird es dabei bleiben? Im Zorn, im Grimm ist er von mir gegangen.

Das ist so gekommen: Er machte sich Hoffnung, in der Armee des Königs zu dienen und Flügeladjutant bei Seiner Majestät zu werden. »Wenn ich den König nur recht darum bäte,« hatte er gemeint, »würde Seine Majestät es mir gewiß nicht verweigern.«

Und der König wäre vielleicht nicht abgeneigt gewesen, wenn ich ihn persönlich um diese Gnade angefleht hätte. Er hat es mir durch die Gräfin von Montespan sogar nahlegen lassen.

Aber ich wollte diesmal nicht.

Vor drei Tagen ist der König zur Armee nach dem Elsaß abgegangen, und heute früh besuchte mich Herr von Lauzun. Ich kam ihm heiter entgegen.

»Da Seine Majestät nicht wollte, daß Ihr Sie in den Krieg begleitet,« sagte ich scherzend (aber es war mir bitter Ernst), »bleibt Euch nichts übrig, als unverweilt nach Lauzun oder Saint-Fargeau zu gehen. Hier in Paris zu bleiben, würde ein Gerede geben. Es wäre mir ärgerlich, wenn man erzählte, daß ich Euch hier zurückhielte.«

»Darum bin ich gekommen,« antwortete er schroff. »Ich will mich verabschieden, und ich werde Euch in meinem Leben nicht mehr sehen.«

»Mein Leben wäre glücklicher gewesen,« entgegnete ich, »wenn wir uns nie gesehen hätten.«

»Und Ihr habt das meine zerstört,« rief er mit bitterem Grimm, »Ihr allein seid die Ursache, warum mich der König nicht mehr sehen will. Ihr wolltet ihn ja nicht darum bitten.«

»Wie falsch, wie grundfalsch,« rief ich aus.

Er bekam seinen Zornanfall. Ich weiß wahrhaftig nicht mehr, was er mir Unangenehmes sagte. Das Vergessen ist auch das beste. Ich blieb ganz kaltblütig dabei.

Als er fertig war mit seiner Rede, sagte ich ihm Lebewohl und trat in mein Kabinett, das ich hinter mir verschloß.

 

Auf meinem Schloß zu Eu. Zwei Jahre später. 30. September.

Der König hat vermieden, mir wieder von Herrn von Lauzun zu reden. Aber es kam mir doch manches über ihn zu Ohren, und ich wußte, daß man Nachricht von ihm habe und daß der König mit seiner Führung in England, wohin er unter Zustimmung Seiner Majestät gegangen ist, zufrieden sei.

Er hat mich nun schön überrascht. Einer seiner Edelleute meldete sich heute in aller Frühe bei mir; er kam von Abbeville, von wo ihn Herr von Lauzun, auf seiner Rückreise von England begriffen, an mich abgeschickt hat mit der Anfrage, ob er mir seine Aufwartung machen dürfe. Der Bote hatte zugleich einen großen Pack indischer und chinesischer Stoffe mitgebracht und man sagte mir, daß die Sachen in meinem Saal ausgelegt seien.

Ich konnte mich nicht enthalten, sie einen Augenblick zu betrachten.

Noch selten habe ich etwas so Schönes gesehen. Alles war von größter Auserlesenheit und Kostbarkeit.

Aber ich hütete mich, das Geschenk anzunehmen, und ich ließ dem Herzog von Lauzun – denn der König hat ihm endlich diesen Rang wirklich verliehen – keine Antwort sagen.


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