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Zweiter Akt

Bei den Vorposten. Ferne die ungeheure sandige Ebene mit spärlichen zwerghaften Bäumen, die sich mit breiten Erdwellen und hohem Gras wie die römische Campagna hinstreckt. Die Szene spielt auf der Höhe eines solchen Erdwalls, einer Kopje, die aus der Ansammlung von Erzlagern gebildet ist, zwischen denen spärliche Farne und Silberdisteln sprossen. Von dieser Höhe übersehen die Schildwachen eine für die Zuschauer unsichtbare Talmulde, in der sich das Lager der Frauen und der Gefangenen befindet. Am Horizont wie zu Dünen geschwellte Hügel. Am Posten rechts sprechen Owen und der junge Soldat Alan mitsammen und essen ihr Brot. Offiziere und Reporter kommen, um von der Höhe der Kopje auszulugen. Soldaten stoßen einen Trupp Gefangener auf dem Weg von der Höhe zum Lager hinab nach vorne.

Die Soldaten (die Gefangenen vorwärtsstoßend): Also, marsch vorwärts! Nichts kann sie in Trab bringen, dieses stupide Vieh!

Owen: Schon wieder Gefangene! Wohin führt Ihr sie denn?

Soldat: Wohin? Ins Hungerlager natürlich.

Owen: Das ist ja schon übervoll.

Soldat: Es sterben jeden Tag so viele als hineinkommen.

Alan: Woher sind die?

Soldat: Von den Gehöften nördlich der Stadt. Man hat die Umgebung gereinigt. Diese Kerle verständigten den Feind von allem und verpflegten ihn, abgesehen davon, daß sie an den Schienen Unfug machten. Die Kröte da habe ich gefangen, wie sie an einer Telegraphenstange emporkletterte, um den Draht abzuschneiden. Man hat ihre Gehöfte verbrannt. Jetzt werden sie sich ruhiger verhalten.

Alan: Ah, das war es also, was man dort brennen sah!

Ein Postensoldat: Warum erschießt man sie nicht? Das wär' doch einfacher.

Soldaten (gefangene Soldaten vor sich herstoßend): Vorwärts!

Eine Frau (ihr Kind hochhebend und ihm die Soldaten zeigend): Merk dir's!

Ein Kind von 10 Jahren: Ein Gewehr und ich schieß Euch zusammen.

Alan (von einer plötzlichen Mitleidserregung ergriffen, geht auf die Frau zu und gibt ihr das Brot, von dem er aß) : Wollen Sie es nicht nehmen, Frau?

Die Frau (voll Haß das Brot auf die Erde werfend): Ich will dein Brot nicht!

Soldat (zu Alan): Bist du toll, dein Brot diesem Bettelvolk geben!

Owen: Es ist nicht verboten. Wenn er keinen Hunger hat!

Soldat: Wenn er keinen Hunger hat, soll er es mir geben und ich werde es essen. Eine Blödheit, den Feinden sein Brot zu geben, statt den Kameraden. Man schnürt sich ohnedies schon den Riemen um den Bauch. Die Hälfte von allem fressen die Gefangenen. Mein Gott, ging's nach mir, ich möchte ihnen schon zu fressen geben.

Alan (zu Owen): Ich habe an meine alte Mutter denken müssen, wie ich sie sah. Sie hat vielleicht heute auch nichts zu essen.

Owen: Wie verbittert sie gegen uns sind!

Alan: Ich habe ihnen doch nichts getan!

Der Soldat (der das Brot aufgehoben hat): Du ißt es nicht?

Alan: Nein!

Der Soldat: Danke.

Er wischt es ab und schlingt es hinunter. Lawrence und Clodds kommen und schauen von der Höhe der Kopje hinunter.

Lawrence: Sie sind ganz außer sich. Seit den Proklamationen ist das ganze Land im Aufstand.

Clodds (auf das Lager weisend): Hier werden sie sich beruhigen.

Lawrence: Was für ein Schweigen! Was tun sie denn eigentlich?

Clodds: Sie beten, sie schlafen, sie sterben.

Lawrence: Sterben viele?

Clodds: Fragen Sie den Arzt.

Miles (der eben dazugetreten ist): Hm! Die Nahrung ist unzureichend, die sanitären Maßnahmen jämmerlich, Unterkünfte kaum vorhanden. Der eisige Regen sickert durch und sammelt sich in diesem Loch. Wie sollte daraus nicht ein Epidemienherd werden?

Lawrence: Hat man denn daran nicht gedacht?

Miles: Es war provisorisch gedacht. Die Gefangenen sollten hier nur einen oder zwei Tage bleiben, ehe man sie in eine Stadt weiter weg vom Operationsgebiet senden wollte. Aber man ließ uns wissen, daß dort die Gefängnisse und Krankenhäuser überfüllt seien. Außerdem sind die Straßen unsicher durch feindliche Reiter. So muß man eben zuwarten.

Lawrence: Man hätte sie doch gut noch einige Tage in ihren Häusern lassen können.

Clodds: Kaum daß man ihnen den Rücken wendet, sind sie im Verkehr mit dem Feind.

Lawrence: Das weiß ich. Aber man hätte sie überwachen können.

Clodds: Da müßte man das ganze Land überwachen. Bei den Distanzen zwischen den einzelnen Gehöften wäre die Armee auf Meilen verstreut und der Feind hätte es leicht, uns zu überraschen.

Lawrence: Das ist wahr.

Miles: Ich tue mein Möglichstes. Meinen ganzen Nachmittag habe ich dort verbracht. Man nährt sie, so gut man kann, man pflegt sie genau wie die unsern. Nur freilich fehlt es an allem.

Simpson (dazutretend): Beunruhigen Sie sich nicht! Sie haben es viel besser als zu Hause. Wissen Sie, daß jeder dieser Burschen uns 20 Schilling per Woche kostet? In sechs Monaten haben wir 480.000 Pfund für 40.000 Frauen und Kinder ausgegeben, die wir in alle Lager verteilten und mit allem versorgten, mit Nahrung, Wohnung, Kleidung, Decken, Aerzten, Schulen! Mrs. Simpson hat heute mit einem englischen Kurs begonnen. Und da beklagen sie sich noch! Diese erbärmlichen Lügner! Wir tun unser Letztes, um sie zu unterstützen, wir geben mehr für die Frauen und Kinder unserer Feinde aus, als für unsere guten, loyalen Engländer. Diese Leute fressen sich an auf unsere Kosten.

Clodds: Es ist eine Tatsache, daß England als erstes Land die Frauen und Kinder seiner Feinde ernährt hat. Nie im Lauf der Weltgeschichte ist etwas Aehnliches geschehen.

Simpson: Wir sind zu bescheiden. Die ganze Welt findet uns zu mäßig. Unsere Güte macht uns lächerlich. Chamberlains Rede vom 24. August 1899.

Lawrence: Aber sie sterben doch zu Hunderten.

Simpson: Oh, Sie übertreiben. Uebrigens hatten sie immer eine hohe Sterblichkeitsziffer. Sie sind ja so schmutzig. Die Bettler bei uns sind Gentlemen im Vergleich mit ihnen. Die Kinder ersticken im Schmutz; man muß sie mit Gewalt baden wie die Hunde.

Miles: Hygiene mit Kanonaden!

Clodds: Gott, es ist schließlich der Krieg! Wenn es ihnen nicht paßt, können sie ja Frieden machen: wir haben wirklich nichts dagegen. So kommts zu einem Ende.

Miles (der Carnby kommen sieht): Falls wir nicht lieber zum Prinzip unseres Freundes Carnby greifen wollen: der restlosen Ausrottung.

Richard Carnby (mit einem Reporter kommend): Gewiß, das wäre das Alttestamentarische: die Männer töten, die Frauen schänden.

Miles: Wirklich, für den nächsten Krieg sollte man ein eigenes Dichterregiment rekrutieren. Sie wären die Einzigen, heute Attilas Taten zu wiederholen.

Carnby: Ich war jetzt zwei Stunden im Lager. Man glaubt sich in Dantes Hölle. Sehen Sie, Flag und ich haben einige Aufnahmen gemacht.

Miles: Senden Sie sie an Ihre Zeitung?

Flag: Das will ich meinen! Die stellen ein Vermögen dar! (Er sieht die Platten durch.) Die ist ausgezeichnet!

Lawrence (abgestoßen): Kommen Sie, gehen wir, Clodds. Ich kann keinen Geschmack an diesen Schmutzereien finden. Sie wirken auf mich wie die Raben, die sich auf die Leichen setzen.

Clodds: Dieser kleine rachitische, kurzsichtige, hysterische Kahlkopf, der von Schänden und Massakern spricht.

Lawrence: Es wäre scheußlich, wenn es nicht zugleich lächerlich wäre.

Clodds: Sagen Sie, Lawrence, wie wärs, um sich recht durchzuschütteln, mit einem Galopp durch die Steppe?

Lawrence: Verboten.

Clodds: Ich weiß. Aber trotzdem! Wir sollten eigentlich ein rallie-paper organisieren.

Lawrence: Unsere Gäule können sich kaum auf den Beinen halten.

Clodds: Bah, wollen Sie wetten?

Lawrence: Gut, besprechen wir's mit den Damen.

Clodds: À propos, wissen Sie, daß der arme Parker von seiner Verwundung nicht aufkommen wird?

Lawrence: Haben Sie ihn gesehen?

Clodds: Nein, ich habe keine Zeit. Aber Miles sagte mir, er sei verloren.

Lawrence: Wer wird an seiner Stelle ernannt werden?

Clodds: Ich weiß nicht! Ach, wenn es draußen nur einmal losginge!

Simpson (geheimnisvoll): Geduld, meine Jungens! Euer Wunsch wird bald erfüllt sein.

Clodds: Geht's wieder los?

Simpson: Der Marschall bereitet ihnen ein Abendessen auf seine Weise zu.

Lawrence: Darf man Näheres wissen?

Simpson: Ihr werdet schon sehen!

Clodds: Endlich eine gute Nachricht. (Sie schütteln sich alle drei die Hände, Rufe von draußen.)

Lawrence (ins Lager hinabschauend): Sehen Sie, Clodds! All diese Sterbenden, die auferstehen, diese Gespenster! Wohin schauen sie alle?

Clodds (der zu Lawrence getreten ist, hinabblickend): Der Marschall kommt. Er schreitet durch das Lager!

Getöse von Stimmen draußen.

Stimmen (aus dem Lager): Herodes! Herodes!

Lawrence: Sie beschimpfen ihn!

Simpson (unzufrieden): Er sollte sich dort nicht zeigen!

Clodds: Er geht ganz langsam durch das Geschrei und die erhobenen Fäuste.

Lawrence: Wie mitleidslos er ist!

Simpson (unzufrieden): Das gehört sich nicht! Dort ist nicht sein Platz.

Miles: Sie werden ihn zerreißen.

Carnby: Oh, die Canaille! Sie hat ihn mit Kot beworfen.

Die Soldaten: Gesindel!

Ein Soldat legt das Gewehr an.

Carnby: Pfeffert doch hinein!

Inmitten der Beschimpfungen erscheint Clifford auf der Höhe der Kopje. Er schlägt mit seinem Stock den Lauf des Gewehres nieder. Unerschütterlich in seiner Ruhe, wischt er sich das vom Kot beschmutzte Gesicht und die Aermel ab. Die Soldaten präsentieren das Gewehr, er grüßt zurück.

Clifford (auf Miles zugehend): Sie haben das Lager gesehen? Was wäre dort zu tun?

Miles: Nur allzuviel.

Clifford: Das Allernötigste wenigstens.

Miles: Alles ist dort nötig!

Clifford (zu Lawrence): Lassen Sie Abläufe graben, um das Wasser unter den Zelten zu kanalisieren. Nehmen Sie dazu wehrhafte Leute unter den Gefangenen.

Simpson: Wie wird man sie dazu bringen, für uns zu arbeiten? Auch nicht für ihr eigenes Volk. Sie setzen einen Ehrgeiz darein, zu leiden.

Clifford: Dann nehmen Sie eine Abteilung Soldaten. Verstehen Sie mich? (Zeichen der Unzufriedenheit unter den Soldaten.) Auch die Rationen sind unzulänglich. Ich habe schon einmal Auftrag gegeben, für mein eigenes Geld alles Erhältliche aufzukaufen.

Die Soldaten (unzufrieden): Alles für sie!

Miles: Das Hauptunglück ist die Anhäufung solcher Massen!

Clifford: Immer wieder die verkehrte Ausführung meiner Anordnung. Wer hat diesen neuen Convoi mit Kindern hierhergeschickt?

Simpson: General Graham!

Clifford (unterdrückt mühsam eine zornige Bewegung): Ich habe befohlen, nur die herzubringen, die offensichtlich gegen uns vorgegangen sind.

Simpson: Sie sind alle unsere Feinde. Sie verbergen's auch gar nicht mehr. Im Gegenteil. Sie legen es seit der Proklamation darauf an, uns zu provozieren.

Clifford: Ja, sie opfern sich alle auf, um mich hassenswert zu machen! Ich habe es im Voraus gewußt. Nun gut! Was tut's! (Ein neuer Trupp Gefangener wird vorbeigeführt.) Wieder welche! (Er zuckt die Achseln und sieht die Gefangenen an, die herausfordernd zurückblicken.) Die hier sind nicht aus dem Lande. (Zu einem jungen dunkelhaarigen Burschen mit bartlosem Gesicht und intelligenten heißen Augen): Was bist du?

Der Gefangene: Italiener ... Von Riciottis Legion.

Clifford: Was macht Ihr hier? Warum bleibt Ihr nicht zu Hause?

Der Gefangene (frech): Und Ihr?

Clifford: Was mengt Ihr Euch ein? Italien steht nicht in Feindschaft mit England!

Der Gefangene: Jede Ungerechtigkeit ist mein Feind.

Clifford: Dann hast du zu Hause gerade genug zu tun.

Der Gefangene: Ich habe sie auch zu Hause bekämpft. Aus meiner Heimat vertrieben, diene ich hier, indem ich die Unterdrückten verteidige. Mein Vaterland ist überall, wo die Freiheit bedroht ist.

Clifford: Woher bist du?

Der Gefangene: Aus Sizilien, von Caltanisetta.

Clifford: Ich kenne dein Land. Ich war dort vor Jahren mit Eurem Garibaldi.

Der Gefangene: Sie? ... Sie waren mit uns? ... Und jetzt ...

Clifford: Die Zeiten sind vorbei. Es war ein toller Glaube an die Erneuerung der Welt. Aber die Welt ändert sich nicht, und wird sich niemals ändern. Ihr seid ein halbes Jahrhundert zurück. Jetzt kämpfen die Nationen um die Erde. Weh' dem, der jetzt abrüstet und der Sentimentalität nachgibt!

Der Gefangene: Was gehen mich die Nationen an? Ich bin Weltbürger. Krieg Eurem hinfälligen und blutigen Europa! Lieber Tod der Zivilisation als ihre Verbrechen hinnehmen!

Clifford: Man hält diese ungeheure Maschine nicht dadurch auf, daß man sich ihr unter die Räder wirft.

Der Gefangene: So möge sie mich zermalmen! Aber nie wird man mich als Renegaten sehen, wie Sie, der die Waffen gegen seine Überzeugung trägt.

Clifford: Sprich ruhiger, du bist noch ein Kind. Da wird einem alles leicht. Du hast keine Bindung, erkennst kein Gesetz an, kümmerst dich weder um die Konsequenzen deiner Handlungsweise, noch ob dein Tun für die Sache, der du zu dienen glaubst, von Nutzen ist. Ich war auch einmal so, wie du jetzt bist. Und du wirst einmal so wie ich sein.

Der Gefangene: Niemals!

Clifford: Die Zeit macht alles gleich. Sie nützt ab, löscht aus, sie nivelliert alle. – Gib mir dein Wort, daß du nicht flüchtest, dann kannst du in Freiheit bleiben.

Der Gefangene: Ich gebe mein Wort, daß ich jede Gelegenheit zur Flucht benützen werde.

Clifford: Man wird dich zum Cap führen, dort wird weiter über dich verfügt werden. (Er grüßt ihn, man führt den Gefangenen ab.)

Simpson: Was diese Ausländer hier zu suchen haben! Unglaublich, diese Manie, sich in fremde Angelegenheiten zu mischen!

Clifford (zu Miles): Er ist glücklich. Ich war auch einmal so, Miles. Das war mir ganz gleichgültig, eins zu sein mit den Interessen meiner Nation oder auch der Vernunft. Ich hörte nur auf meinen Instinkt. Aber es ist so leicht, nur auf sein Herz zu hören. Schwer ist es, ohne Leidenschaft doch tätig zu sein. Wie hassen, ohne jung zu sein? Und wie Krieg führen, ohne Haß?

Miles: Es ist ein Beruf wie jeder andere.

Clifford: Dann müßte man eben als Beamtenseele geboren sein.

Debora mit ihrem Kind erscheint vor dem Marschall.

Clifford: Was tun Sie hier, Madame?

Debora: Ich bitte Sie, mir meinen Platz inmitten meines Volkes anzuweisen, ich will wie die Andern im Lager interniert werden.

Clifford: Ich habe keine Ursache, Ihren Wunsch zu erfüllen.

Debora: Ich habe ein Recht darauf, so wie die Andern behandelt zu werden.

Clifford: Gott behüte, ich bin Ihr Gast! Soweit es in meiner Macht steht, werde ich Sie vor jeder Unbill des Krieges schützen.

Debora: Ich will keine Sonderrechte. Es ist eine Schande, in Sicherheit zu sein, wenn die Andern leiden.

Clifford: Es wäre eine Schande für mich, wenn ich Ihrem Wunsche willfahrte. Sie wissen nicht, was Sie verlangen. Lockt es Sie, das Leben Ihres Kindes aufs Spiel zu setzen!

Debora: Damit geben Sie also zu, daß Sie all diese Unschuldigen in einen sicheren Tod treiben.

Clifford: Ich habe Ihnen keine Aufschlüsse über meine Handlungsweise zu geben. Begünstigung oder Nichtbegünstigung – ich will es, das genügt ... Der Wille des Siegers ist das Gesetz des Besiegten.

Debora: Möge sich dieses eiserne Gesetz eines Tages gegen Sie wenden!

Clifford: Wir sind alle den Schwankungen des Geschickes ausgesetzt. Ertragen Sie deshalb das Ihre, solange Sie es nicht ändern können.

Debora: Niemals werden wir die verfluchte Gewalt anerkennen, die uns unsere Rechte nimmt.

Clifford: Haben Sie sie nicht ebenso genützt, diese Gewalt? Gehört Euch diese Erde? Als Ihr kamt, gehörte sie da nicht Anderen? Habt Ihr die Rechte Eurer Vorgänger geachtet?

Debora: Welcher Vorgänger?

Clifford: Der Schwarzen, die Ihr ausgerottet oder unterjocht habt!

Debora: Was gehen mich die Sklaven an? Was haben wir mit ihnen zu tun?

Clifford: Sie sind auch Menschen!

Debora (die Achseln zuckend): Wie einfältig.

Clifford: Sie haben auch gelitten.

Debora: Was gehts mich an, was Andere leiden. Es handelt sich darum, was wir leiden.

Clifford: Alles kommt von Gott. Schicken Sie sich drein!

Debora: Auf ihn setze ich meine Hoffnung. Er wird uns rächen.

Clifford: Er hat Euch geschlagen.

Debora: Niemals! Gott ist mit uns.

Clifford: Auch mit uns! Sein Name steht auf unseren Bannern geschrieben.

Debora: Er ist nicht unser Gott. Und der Eure ist nicht Gott. Ihr habt Gott verfolgt. Aber er ist der Stärkere. Er wird Euch zerknicken wie Stroh unter den Rädern.

Clifford: Und wenn Ihr Glaube Sie trügt? Wenn Gott Euch preisgibt?

Debora: Unmöglich. Dann gibt es keinen Gott.

Clifford: Wer weiß es?

Debora: Und dann bleiben noch wir! Bombardiert unsere Städte, verwüstet unsere Felder, rottet, wenn Ihr es könnt, alle Männer aus, schändet die Frauen und die Mädchen. Ihre, unsere Kinder werden Werkzeuge der Rache sein.

Clifford: Ich bitte Sie, Madame, mengen Sie um Gotteswillen nicht diese unschuldigen Wesen in Ihren Haß! Halten Sie ihre Herzen weg von unseren Schlechtigkeiten, sie werden sie früh genug selbst kennen lernen. (Er neigt sich zum Kinde nieder, das, schon vertraut mit ihm, ihn ansieht und mit der Quaste seines Säbels spielt.)

Debora: Rühren Sie ihn nicht an! Sie haben seinen Vater getötet.

Clifford: Seien Sie nicht so hart, ein Unglücklicher umarmt einen andern Unglücklichen. (Er setzt sich auf die Böschung und nimmt das Kind auf den Schoß. Ihr Gespräch ist abseits von den Andern.)

Debora (nach einer Pause, mit leiserer Stimme): Woran starb Ihr Kind?

Clifford: An Diphtherie.

Debora: Ihre Frau auch? (Clifford nickt.) Sie starb zuerst?

Clifford: Sie hat es überlebt.

Debora: Arme Frau. (Clifford küßt das Kind.) Sie haben selbst Schmerz gekannt. Wie können Sie ihn dann Andern zufügen.

Clifford: Wir tun nicht das, was wir wollen. Man schiebt uns alle Geschehnisse zu, weil wir die Führer sind. Aber je höher wir im Rang der Befehlenden sind, umso mehr sind wir dem Dienst unterworfen.

Debora: Eine traurige Ausflucht! Jeder ist verantwortlich für seine Handlungsweise. Sie haben das selbst gesagt. Ich ziehe vor, Sie zu hassen, anstatt Sie zu verachten.

Clifford: Ich übernehme die Verantwortung für meine Handlungsweise. Aber den Befehl gebe nicht ich, sondern mein Vaterland. Ich bin Soldat und gehorche.

Debora: Sie haben also auf Ihr Recht als Mensch Verzicht geleistet dadurch, daß Sie Soldat wurden. Man hat es mir gesagt, wie es um Eure Armeen bestellt ist: der Wille ihres Gebieters ist ihr einziges Gesetz. Wenn es ihm genehm ist, ihre Brüder schlachten zu lassen, so zögert, sagt man, der europäische Soldat nicht. Und Sie geben vor, uns die Zivilisation zu bringen? Wir sind freier als Ihr. Wir erkennen nur einen Herrn an: unser Gewissen.

Clifford: Die Welt ist nicht so einfach, wie Sie meinen. Ihr Blick ist auf dies verlassene Gebiet beschränkt, wo der Einzelne noch Herr ist und niemand Zeuge seiner Taten. Aber Sie kennen nicht die großen Ameisenhaufen der europäischen Staaten, wo der Mensch inmitten der Menschen verschwindet. Über dem Gesetz des Einzelnen gibt es dort das Gesetz der Nationen: vergeblich, dagegen anzukämpfen. Man würde zermalmt werden und ein Anderer übernähme den Platz und wäre vielleicht unbarmherziger, als ich es sein muß.

Debora: Das soll also alle Erbärmlichkeiten decken, dieser Vorwand, daß man ein wenig Gutes tut. Diese mittelmäßige Güte ist das gefährlichste Laster, denn es verdirbt die Schwachen. Alles oder nichts. Feind oder Freund. Es gibt Stufen des Verbrechens, aber auch die geringste ist noch Verbrechen.

Clifford (sich kalt verabschiedend): Adieu, Madame!

Debora: Nein, es ist nicht möglich. Sie sind besser als Ihre Handlungsweise. Sie zwingen sich zur Härte. Nein, bei Gott, vollenden Sie nicht das niedrige Geschäft, zerstören Sie nicht ein gerechtes Volk. Bedenken Sie, daß es in Ihrer Macht steht, die letzten Stimmen, die um Gerechtigkeit schreien, zu ersticken, die letzte freie Armee hinzuschlachten.

Clifford: Glauben Sie, daß ich es bin, der diese Masse in ihrer Bewegung beseelt? Ich lenke sie, aber sie ziehen mich mit sich. Wäre ich so unvernünftig, wie Sie zu denken, so gäbe es nur einen Soldaten, der anders ist, als die Andern in der Armee, nichts weiter.

Debora: Wenn Sie dieses Verbrechen nicht verhindern können, so seien Sie zu mindest nicht sein Vollstrecker!

Clifford: Genug, Madame. Wir können einander nicht verstehen.

Debora: Oh ja ... Sie verstehen mich ... Sie verstehen mich ... (Sie faßt ihn an der Hand.) Im Namen Ihrer Toten ! (Clifford wendet sich schweigend ab.)

Debora (Ihr Kind aufhebend, daß sein Gesicht an das Cliffords heranreicht): Sieh ihn an, sieh ihn an, den Mörder der Deinen! Sieh ihn an, damit du dich seiner erinnerst, wenn du tot bist und gegen sein Kind vor Gott Rache schreien kannst mit den tausend Unschuldigen, die wie du ausgerottet werden.

Clifford (zu Clodds): Führt sie zurück!

Debora (hartnäckig): Laßt mich zu meinen Brüdern!

Clifford, der sich gesetzt hat, macht Clodds ein Zeichen.

Debora: Hüten Sie sich! Es wäre besser für Sie, wenn ich in diesem Lager gefangen wäre. Sperrt mich ein!

Clifford sieht in eine andere Richtung, die Soldaten treten an Debora heran.

Debora (plötzlich ruhig): Gottes Wille geschehe!

Lewis-Brown (erregt hereinstürmend): Wo ist der Marschall? Ich muß ihn sprechen. Ah ... (Er sieht Clifford und geht auf ihn zu): Marschall.

Clifford (sich brüsk erhebend und Lewis mit kaltem Zorn ansehend): Ah, Sie, Sie? Nun, was wollen Sie?

Lewis-Brown (ohne Cliffords Ton zu bemerken): Marschall, es ist eilig. Das Wasser überschwemmt die Stollen. Guld Fontein ist bedroht. Ich brauche 100 Mann, um dem Einbruch Halt zu gebieten. Bitte, geben Sie die Befehle.

Clifford (mit verbissenen Lippen): Ich gebe keinerlei Befehle.

Lewis-Brown (überrascht): Ich glaube, Sie haben mich nicht recht verstanden.

Clifford: Ich glaube, Sie werden mich verstanden haben. Ich gebe keinerlei Befehl.

Lewis-Brown (verdutzt): Aber warum nicht?

Clifford: Weil meine Soldaten abgemüdet sind und ich ihre Kräfte für andere Aufgaben spare.

Lewis-Brown (gereizt): Marschall ... ich sehe, daß ich mich schlecht ausgedrückt habe. Ich bitte nicht – ich fordere.

Clifford: So! Sie fordern! Sind Sie hier der Herr? Ist Ihnen die Armee unterstellt? Glauben Sie, daß meine Soldaten sich aus Liebe für Sie und Ihr Geld töten lassen, glauben Sie, daß ich dafür meine Ehre beschmutze – ich spreche nicht von meinem Leben ... Genug, daß die Welt es glaubt, genug, daß Sie mit Ihren Lügen das Land in diesen unglückseligen Krieg gerissen haben, daß Sie das Vaterland in Ihre Spekulationen eingemengt haben, daß Sie Tausende bewußt in den Tod schickten, indem Sie den Sieg für ein bestimmtes Datum verlangten. Genug, daß Sie die Erde ausbeuten werden, die mit unserem Blute getränkt ist. Möge Ihnen die Erde und das Gold gehören: unser Blut gehört Ihnen nicht. Wir sterben, um den Schmutzfleck zu tilgen, den die Börsenspekulation auf die Ehre der Nation geworfen hat.

Lewis-Brown: Marschall ... Solche Worte ... ich kann es nicht dulden.

Clifford: Sie werden sie dulden. Was gesagt ist, bleibt gesagt.

Lewis-Brown: Aber, das wäre ja der Ruin ... ich bitte ... bedenken Sie ... überlegen Sie ruhig ... ohne Erregung ... die Minen sind überschwemmt ... wenn man nicht sofort eingreift, braucht man ein Jahr, sie wieder in Gang zu bringen ... Was soll ich denn tun!

Clifford: Das geht mich nichts an.

Lewis-Brown: Das ist unzulässig. Sie vergessen, daß die Interessen der Gesellschaft, die ich vertrete, auch die der Regierung sind ... Auch das Gold hat Teil an der Größe des Landes ... Das hieße widersetzlich handeln ... Hüten Sie sich, ich werde mich beschweren ...

Clifford: Bitte. Der Telegraph ist da. Schreiben Sie der Regierung. Wiederholen Sie meine Worte. Sagen Sie, daß solange ich hier zu befehlen habe, ich allein befehle und daß, sobald ein Börsengeneral versuchen wird, mir Anordnungen zu geben, ich ihn mit einer Eskorte abführen lasse – und wenn es ihr nicht paßt, gebe ich meine Demission.

Lewis-Brown (niedergeschmettert): Marschall ...

Die Andern hören verdutzt zu. Der Doktor macht Lewis- Brown ein Zeichen, zu schweigen und den Andern, zur Seite zu treten. Niedergeschmettertes Schweigen. Lewis-Brown, auf den der Doktor einspricht, entfernt sich wütend und verwirrt. Miles nähert sich Clifford, dessen Überreiztheit sofort nach dem Abgang Lewis-Browns sich legt.

Miles: Ich sehe, daß Ihr Zustand sich verschlechtert, mein armer Freund! Was ist denn geschehen? Ich habe Sie nie so gekannt, Sie, der sich so zu bemeistern wissen. So viele Jahre leben wir schon beisammen und sind durch manche arge Stunde gegangen. In Indien, in Afghanistan, in Ägypten hat es böse Tage gegeben, immer blieben Sie kaltblütig. Und dieser unglückselige Lewis soll den Vorzug haben, Sie außer sich zu bringen! Was geht Sie der Dummkopf an? Nehmen Sie sich doch zusammen!

Clifford: Ja, ich fühle es ja, daß es lächerlich ist. Man sollte solchen Canaillen nicht die Ehre antun, sich über ihre Worte zu erregen. Aber ich ersticke schon. Ich konnte nicht länger an mich halten. Es ist genug, Miles, es ist genug.

Miles: Was gibt es denn Neues? Nichts hat sich verändert. Alles ist heute so, wie es gestern war.

Clifford: Das ist es ja eben.

Miles: Sehen Sie, Clifford, das Übel kommt zum Teil davon, daß Sie seit einiger Zeit die Manier haben, sich zu analysieren, die Menschen und die Dinge verstehen zu wollen. Ich habe Sie eben beobachtet, Sie fragen einen Gefangenen aus und diese Frau, Sie diskutieren mit ihnen. Das ist schlecht für die Tatkraft, schlecht für die seelische Ruhe. Man soll nie versuchen, in die Gedanken der Andern einzudringen, das mag gut sein für einen Literaten, der immer nur redet und nichts tut, wie dieser arme Carnby. Aber wir haben Arbeit zu tun. Was hilft es uns? Wir verlieren nur unsere Zeit und wenn man den Kopf nicht ganz frei hat, wie Sie – Sie verzeihen doch – in der letzten Zeit, so ist das geradezu gefährlich. Was für Vorteil hat man, die Beweggründe seiner Feinde zu kennen. Mein Gott, man weiß doch, daß auch sie ihre guten Gründe haben. Wollte man darauf eingehen, so käme man dazu, daß man keinen Finger mehr rühren könnte. Ich weiß nur eine Kur für Sie: nicht nachdenken.

Clifford: Nicht nachdenken: das ist leicht gesagt. Übrigens mein Lieber, Sie irren. Nicht ihre Gründe sind es, die mich verwirren. Alle Beweggründe halten einander die Wage, die ihren und die unsern, beide sind sie nicht viel wert. Etwas anderes ist es, was ich nicht ertragen kann. Das Übrige, Sie sehen ja, überwinde ich. Aber dies eine, dies eine ist mir zu viel.

Miles: Was denn, mein Freund?

Clifford: Irgend etwas, was eben geschah.

Miles: Eben geschah ... am Ende ... warten Sie, ich hatte jüngst einen Verdacht, ich verfiel nur nicht darauf ... hat Ihnen diese Frau ... den Kopf verdreht?

Clifford: Welche Frau?

Miles: Eine Frage! Die eben hier war.

Clifford (nach einer Sekunde Nachdenkens): Sie sind einfältig, lieber Miles. Nein, die Dinge sind vorbei. Gott möge verhüten, daß ich meine arme Maud vergesse, die in dieser Erde schläft. Pfui, wie können Sie so etwas glauben.

Miles: Pah, weder der Tod, noch die Pietät, noch die Vernunft haben je diese Art Dinge verhindert. Warum wäre es so unmöglich? Sie hat gewiß eine Neigung für Sie.

Clifford: Sie sind toll. Sie, die mich mit ihrem Haß und ihren Drohungen überschüttet!

Miles: Ja, ja, so sind sie! Was eine Frau ausspricht, hat nichts zu sagen. Glauben Sie mir, ich kenne mich da aus. Ich habe sie gut beobachtet. Sie ist zu leidenschaftlich in ihrem Haß.

Clifford (trocken): Umso schlechter für sie. Was gehts mich an! – Nein, ich habe Mitleid mit ihr, das ist alles, Mitleid, und nicht einmal für sie.

Miles: Für wen denn?

Clifford: Haben Sie das Kind gesehen?

Miles: Den Kleinen, den sie mit sich herumführt?

Clifford: Haben Sie bemerkt ...

Miles: Was denn?

Clifford: Genug ... ich kann es nicht ertragen ...

Miles: Was denn ... das Kind ... Ich verstehe Sie nicht.

Clifford: Alles, sehen Sie, alles nur das nicht! – Genug davon! Ich habe lange genug mit mir gekämpft. Jetzt wird mir's zu viel.

Miles: Will das sagen, daß Sie ...

Clifford: Das Kommando abgebe ... Ja.

Miles: Warten Sie doch noch damit!

Clifford: Warten! Immer warten! Von Tag zu Tag – das Wort zerrt mich immer weiter mit. Ich habe mein Leben damit verbracht, es immer auf den nächsten Tag zu verschieben und einmal zu leben.

Miles: Aber wir sind ja am Vorabend des Endes.

Clifford: Nein, ich weiß besser als Sie, wieviel Leiden und Blut dieser Krieg noch kosten wird. Und wenn es auch das Ende wäre, so lasse ich diese Ehre den Andern.

Miles: Man sieht, daß Sie nicht ganz in guter Verfassung sind, wenn Sie einen Weg nicht bis zu Ende gehen wollen, den Sie zu durchschreiten übernahmen.

Clifford: Also gut, Miles, so bin ich krank. Wirklich krank. Sie wissen es ja, Miles. Möge ein Anderer meine Stellung übernehmen. Bin ich denn unentbehrlich für die Armee? Kann man mich nicht ersetzen?

Miles: Gewiß, der Nachfolger ist ja schon bestimmt, Graham!

Clifford: Er oder ein Anderer. Es gibt genug gute Offiziere in England.

Miles: Ehe man die Wahl trifft, wird er Ihr Werk vollendet haben.

Clifford: Möge er den traurigen Ruhm haben, seinen Namen daran zu knüpfen.

Ein Adjutant (bringt eine Botschaft): Marschall!

Clifford (lesend voll Triumph): Ich habe sie! – Simpson! Lawrence! Nun, ich hätte darauf gewettet. Sie schließen sich selber in die Falle.

Miles: Was haben Sie schon wieder ausgesonnen?

Clifford (im gleichen Tone): Sehen Sie, es ist nutzlos, wenn man siegen will, dem Feind seine Pläne aufzuzwingen. Man muß so machen, als ob man auf die seinen eingehen würde, seiner List sich bedienen und seine eigenen Waffen gegen ihn wenden. Ja, Doktor, manchmal ist es doch gut, wenn man, wie Sie eben sagten, in den Gedanken der Andern liest.

Er schreibt auf seinen Knieen Befehle und gibt sie Lawrence.

Graham (hereineilend): Der Feind rückt an!

Clifford (sehr kühl): Ich weiß.

Graham: Er hat plötzlich Kehrt gemacht und marschiert auf die Division Harcourts. Ich wußte immer, daß das die schwache Stelle war und es gefährlich sei, sie dadurch zu entblößen, daß man die Kavallerie den Flüchtigen auf Verfolgung nachsandte.

Clifford: Schon gut. Lassen Sie sie's nur tun.

Graham: Harcourt bittet um Verstärkung.

Clifford: Er soll zurückweichen.

Graham: Dann beherrschen sie den Zugang.

Clifford: Mögen sie nur zugehen.

Graham: Sie müssen überall Spione haben. Wer konnte sie verständigen, daß die Straße ungedeckt war?

Clifford: Ich.

Graham: Sie? Das ist etwas anderes.

Clifford: Sie wollen den Zugang erzwingen. Ganz nach ihrem Belieben. Ich will es auch. – Sie sollen nur hereinkommen. Aber dann werden sie hier bleiben.

Graham: Ihre Rückzugslinie ...

Clifford: Ist abgeschnitten. Ich wußte, daß sie heute nachts hier sein würden. Die Kavallerie Harcourts hat Ordre, nach einer Scheinverfolgung in Eilmärschen hinter ihnen in Aktion zu treten. Sie selbst, Graham, werden sofort über Utrecht und Nazareth sich auf den Übergang entwickeln und ihnen folgen. Die Hügelzüge sind besetzt. Wir haben nichts zu tun, als auf dem Anstand zu warten. Der Vogel kommt schon von selbst.

Die Offiziere: Hurrah, diesmal kommen sie nicht aus.

Simpson: Man sagt, der Präsident sei mit ihnen.

Lawrence: Das wird der Gnadenstoß für dies elende Volk.

Clodds: Sie werden sich nicht ergeben.

Simpson: Dann werden sie eben vernichtet.

Graham (gedrückt): Ich sehe mit Freude, daß Sie immer wissen, wenn es not tut, großzügig zu handeln. Meinen Respekt!

Clifford: An die Arbeit! (Er schauert zusammen.)

Miles: Sie klappern mit den Zähnen. Nehmen Sie doch einen Mantel. Der Regen ist eiskalt. Dieses verdammte Land atmet überall Fieber aus.

Graham: Sie scheinen angegriffen.

Clifford: Es geht mir gut, mein Herr, es geht mir gut! Vorwärts!

Sie gehen alle ab.

Miles (ihnen folgend): Deine Demission geben? Der Schwur eines Trinkers oder Wilddiebs! Wer getrunken hat, trinkt weiter. Wer getötet hat, tötet weiter. Man beklagt das Wild, aber davon wird ihm nicht wohler.

Er geht ab. Die Wachsoldaten bleiben allein zurück. Es wird Nacht. Owen und Alan sitzen beim Feuer. Schweigen.

Alan: Wann wird das einmal zu Ende sein?

Owen: Ich glaube, sie werden heute Nacht diesen armen Teufeln noch irgendeine böse Sache aufspielen.

Alan: Wenn's nur dann bald aus wäre! Muß man schon töten, dann wenigstens rasch.

Owen: Gewiß, wenn man ein Tier schlachtet, läßt man's nicht lange leiden.

Alan: Wie der Marschall aufgeregt war!

Owen: Seit die Frau und der Kleine gestorben sind, ist er ganz verändert. Bei Tag merkt man's nicht so sehr, da hat er zu tun und denkt nicht nach. Aber wenn er abends allein ist, bleibt er stundenlang ohne sich zu rühren oder spricht mit sich selbst. Er schläft nicht. Wegen der kleinsten Sache gerät er jetzt gegen mich in Wut, er, der sonst immer so sanft und höflich war. Jüngst habe ich ihm nachts zugehört. Er sprach von seinem Kleinen.

Alan: Armer Kerl. Wozu gibt einem Gott Kinder, wenn er sie einem wieder nimmt?

Owen: Ach, es ist immer gut, die lieben Dinger ein paar Jahre gehabt zu haben.

Alan: Umso ärger, wenn man sie dann verliert.

Owen: Man weiß doch, daß alles am Ende arg ist. Man muß die Welt nehmen wie sie ist.

Alan: Hätte man seine Not nur für sich! Aber man schafft sie auch Andern.

Owen: Besser leiden und gelebt haben – nicht wahr!

Alan: Vielleicht. Ich weiß nur nicht warum.

Owen: Ich auch nicht. Aber ich fühle es so.

Alan: Wie schwer das alles zu verstehen ist!

Er deutet auf den Himmel und die Ebene hin. Schweigen.

Owen: Man darf das Feuer nicht verlöschen lassen. (Er wühlt in den Scheiten.) Den ganzen Tag über ist man vom Regen durchnäßt und kaum daß die Sonne untergeht, friert einem das Gebein zu Eis.

Alan: Schau hinauf, Owen!

Owen: Die Feuer auf den Hügeln. Das ist der Feind.

Alan: Feuer auf den Hügeln wie bei uns zu Hause, wenn man sich Zeichen gibt von Berg zu Berg.

Owen: Und die Dudelsackpfeifer sich Antwort sandten durch die Nacht.

Alan: Und die Kuhglocken, erinnerst du dich, Owen?

Owen: Man glaubt, sie über sich hinklingen zu hören. Sie kamen von den Seen! Die Sterne glänzten wie weiße Fische darin!

Owen: Oh, wie weit ist das! Wozu kamen wir hierher!

Alan: Ja, wozu?

Ein Unteroffizier (rufend): Alan!

Alan steht auf, ohne zu antworten.

Owen: Du gehst?

Alan: Meine Runde.

Owen: Glücklicherweise hat der Regen aufgehört.

Alan: Ich weiß nicht, was mir ist. Ich bin so traurig.

Owen: Ich auch. Es ist auch nicht zum Lustigsein.

Alan: Na ... gehn wir. (Er geht ab.)

Owen: Gib gut acht. Der Feind ist weit. Aber hier ist man ja nie sicher.

Man schließt sich einer Patrouille an, andere Soldaten kommen von der Runde, setzen sich ans Feuer, wärmen sich, essen und rauchen.

Die Soldaten: Ich bin durchfroren bis aufs Mark. Sauwetter das ... Schau mich an. (Er zeigt seine Stiefel.) Die Sohlen durch ... Alles zerfällt ... Und abends, um wieder zu Kräften zu kommen, das da als Fraß ... Gerade genug, um nicht zu krepieren ... und dann als Bettstatt den Dreck oder das Wasser ... eigentlich wärs besser, man wäre schon hin ... Ah, Ihr seid zu empfindlich. Ihr alle seid verwöhnte Burschen! Wärt ihr gewohnt wie ich, seit meiner Kindheit im Londoner Dock zu schlafen, so würdet Ihr das da appetitlich finden. Man hat nicht genug zu essen, aber doch etwas. Man kann sich wärmen und braucht an nichts zu denken. Ich finde es nicht so arg. Ob es schön ist oder schlecht, ich pfeif darauf, dafür sind wir ja Soldaten ... Ja Soldaten, wenn's wenigstens zum Losschlagen käme! Aber kaum hat man sie, reißen sie aus. Man hat sie von vorn, sie schlüpfen hinten durch. Man faßt sie von hinten, sie brennen vorne durch. Nie sieht man sie, selbst wenn sie da sind. Man geht spazieren und hat plötzlich seinen Schuß, keiner weiß, woher er kommt. Sie schleichen im hohen Gras wie die Schlangen. Das sind gar keine Menschen. Das sind böse Geister ... Aber diesmal scheint mir, hat man sie ... Ja, ja, ich kenne das Lied schon. Zwanzigmal schon hat man sie so gehabt ... Nun vielleicht diesmal.

Ebenezzer: Wär's nur wahr! ... Ah, die Schweine! Was haben sie uns zu schaffen gegeben. Mein Gott, wenn man sie diesmal kriegte, da könnte man einmal sich revanchieren und ihnen die Glieder brechen und den Schädel einschlagen. Kamele, das!

Die Soldaten: Pah, ich hasse sie gar nicht so ... Ja du, ich kenn dich, du würdest keinen laufen lassen ... Gewiß nicht, aber, ohne daß ich's besonders auf sie hätte ... Ja, so wie die Köchin das Huhn nicht haßt und ihm doch den Hals umdreht.

Ebenezzer: Nun, ich habe einen gesunden Haß auf sie und verstecke ihn nicht, bei Gott ... Laß doch das Feuer nicht ausgehen ... Ach, wenn ich sie lebendig rösten könnte und ihnen mit dem Bratspieß in den Hintern fahren ... diese Canaillen, die den Krieg mit ihrer blödsinnigen Halsstarrigkeit verlängern ... da muß man ja toll sein, toller als ein toller Hund ... England Widerstand leisten zu wollen, England ... diese Schufte ...

Ein Soldat: Aber sieh doch, das ist doch ganz natürlich, was sie tun.

Ebenezzer: Was ... was ist natürlich?

Der Soldat: Daß ein Volk sich wehrt, wenn es angegriffen wird.

Ebenezzer: Das ist kein Volk. Das sind Rebellen. Um ein Volk zu sein, darf man nicht eine Handvoll sein, eine Lausebande.

Ein Soldat: Sie haben nicht einmal Uniformen. Das ist keine Armee.

Ein Anderer: Menschenfresser sind das, Kannibalen ... Weißt du nicht, daß dieses alte Ungeheuer, der Krüger, eine Frau nackt zwischen Hölzer hat tun lassen und lebend zerreißen, weil sie ein Geheimnis nicht verraten wollte.

Soldaten: Aber lächerlich. Der Reverend Alsopp Reverend John Alsopp (I. A. Hobson. The Psychologie of Jingoism.) hat es gesagt ... Ah, der Verbrecher, wenn ich ihn erwische ... Ja, gerade der Kerl ist mit seinem Geldsack durchgebrannt ... Was mich am meisten ärgert, ist ihre Heuchelei, die Lumpen haben immer die Bibel in einer Hand und ihr Mausergewehr in der andern. Donnerwetter ... was ist denn ... ich habe meine Bibel verloren ... ich leih dir die meine ... aber ich will meine eigene haben ... laß dir von Mrs. Simpson eine geben, die hat ganze Kisten davon mit ... Ja, ich gehe morgen zu ihr ... es ist verdammt schön zu lesen ... ja sehr schön geschrieben ... mir ist das Liebste daran die Vorrede des Lord Wolseley Jeder englische Soldat erhielt ein Exemplar der Bibel mit einer Vorrede des Lord Wolseley und mit dem Union Jack auf dem Einband ... und der Union Jack auf dem Deckel.

Ebenezzer (ganz in seine Idee verrannt): Mit welchem Recht wehren sie sich. Das ist eine Niedertracht. Man muß sie töten wie Pestratten.

Owen: Aber hör doch mal, wenn man so zu uns ins Land ...

Ebenezzer: Ich will nichts hören. Man muß ein verdammter Narr sein, um den Soldaten des Königs Widerstand leisten zu wollen. Wenn England ein Land auffordert, sich zu unterwerfen, soll es froh sein, dem ruhmreichsten Königreich der Welt anzugehören.

Ein Soldat: Aber vielleicht verstehen sie's nicht recht. Man müßte es ihnen erklären.

Ebenezzer: Man bringt sich ja um, damit sie's verstehen. Aber sie machen so, als begriffen sie's nicht. Sie sind halsstarrig wie die Maulesel. – Und dann, es bedarf gar keiner Erklärungen, England hat ein Recht auf die Weltherrschaft. Wenn es andern Nationen zu existieren erlaubt, ist es die reine Mäßigung. Aber ich sehe schon, es wird nicht anders gehen. Man wird in Gottes Namen alles nehmen müssen und weil schließlich die Stärkeren eben den Schwachen zu gebieten haben. So fordert es das Recht.

Großes Schweigen.

Ein Soldat (halblaut, auf die Ferne um sie zeigend): Wie groß das alles ist, man verliert sich ganz darin.

Schweigen.

Owen (ernst): Die Stärkeren, Kameraden! Wer ist denn der Stärkere? ... Man soll so etwas nicht sagen ... irgendwo ist man immer der Schwächere.

Schweigen, keiner spricht, sie starren ins Feuer. Von Ferne hört man die Wache zweimal rufen: »Wer da?« Man hört rennen, dann zweimal einen Schuß. Eine Stimme ruft um Hilfe. Beim ersten Schrei haben die Soldaten ihre Gewehre ergriffen und springen unter Fluchen auf. Von außen ein Ruf »Hieher, Kameraden« – Wie sie zurückkommen, bringen sie Alan verwundet mit.

Soldaten: Ah, zum Donnerwetter!

Alan (schwach): Er ist auch verwundet. Ich habe ihn hinfallen sehen.

Einige Soldaten kehren zurück und bringen den italienischen verwundeten Gefangenen.

Ein Soldat: Er lebt noch.

Ebenezzer: Hundskerl! (Er will ihm mit dem Kolben den Schädel einschlagen.)

Alan: Nein!

Owen: Laß doch. (Er hält Ebenezzer beim Arm zurück. Man bringt die Verwundeten zum Feuer hin.)

Der junge Italiener (frech): Ein bißchen Geduld bitte noch. Ich bin ohnehin gleich weg. Zeit, Urlaub zu nehmen. Ich empfehle mich nicht auf englisch.

Soldaten: Der kleine Italiener ist es, der mit dem Marschall sprach ... Er wollte durchbrennen ...

Sie beschäftigen sich nur mit Alan.

Alan (zu Owen): Siehst du, ich hatte ein Vorgefühl. Ah, mein Gott!

Soldaten: Wo ist die Wunde ... tragen wir ihn zur Ambulanz.

Alan: Ah, um Christi willen, rührt mich nicht an!

Der Soldat: Er würde unterwegs sterben.

Owen (zu den Soldaten): Laß ihn doch! Faß ihn nicht so fest an!

Alan: Nein, nicht ins Hospital ... laßt mich bei Euch ...

Owen: Ja, du bleibst hier. Reg dich nicht auf. Es wird nichts sein.

Alan: Nein, ich weiß es, es geht zu Ende.

Owen: Aber nein!

Alan (weint dann plötzlich): Und er?

Der Italiener: Ich auch! Wart noch einen Augenblick, dann gehen wir zusammen. Wir haben den gleichen Weg.

Alan: Wo ist er verletzt?

Der Italiener: Wo's am ärgsten ist. Am Rücken! Dieses Zeug setzt mir tüchtig zu. Kein Glück. Na, schließlich, es ist vorbei. Wenn das Leben es einem schwer macht, soll man darüber lachen, das ist die einzige Rache. Dann ist man ihm über, trotzdem man unten liegt. (Alan stöhnt.) Tut's dir weh?

Alan: Ja! Und dir?

Der Italiener: Das glaub ich!

Alan: Warum hast du mich hin gemacht?

Der Italiener: Schöne Frage. Du hast zuerst geschossen. Ich habe mich nur verteidigt. Ich wollte durchbrennen. Warum hast du mich nicht leben lassen?

Alan: Ich weiß nicht, warum ich's tat. Sie haben mich gezwungen ... Ah, ich ... mir ist kalt ... Owen, wo liegt unser Land ... ah, das sind nicht meine Sterne ... oh, Ihr geht heim und laßt mich in dieser Erde allein.

Der Italiener: Ich bleibe bei dir, ich bin ja auch aus unserm alten Europa. Übrigens haben wir Gesellschaft, tausende Kameraden, die da vielleicht auch noch! Durch Jahre noch werden wir von unten den Marschschritt unserer europäischen Brüder hören.

Alan: Wie hast du's dort gehabt? Warten dort deine Eltern auf dich?

Der Italiener: Eine alte Mutter habe ich zu Caltanisetta, aber sie wartet nicht auf mich. Ich habe auch einen Haufen Schwestern, Brüder, groß, klein, das lauft, weiß Gott wo, in der Welt herum. War nicht leicht, das Leben. Die Mutter sagte uns: »Schaut, wie Ihr fertig werdet, das Leben ist trotz allem eine gute Sache. Und wenn Ihr nicht leben könnt, seht, daß Ihr anständig sterbt, der Tod ist auch gut, wenn man den richtigen findet!« Ich hab's getan. Gut leben konnt ich nicht, so hab ich wenigstens den guten Tod gefunden. Ich bin's zufrieden. Es ist gut zu sterben, wenn man recht behält.

Alan: Und ich, wozu bin ich gekommen? Was hatte ich hier zu suchen?

Der Italiener: Das ist wahr. Keine schöne Sache, die Ihr führt, Kameraden. Daher zu kommen, um Andern ihr Land wegzunehmen!

Die Soldaten (sich allmählich am Gespräch beteiligend): War nicht unsere Schuld, ist das Schicksal.

Der Italiener: Dummheit! Es gibt kein Schicksal. Es gibt nur uns. Ihr seid Kinder und glaubt an einen Herrn. Nichts ist da. Nur wir sind da. Tun wir das, was wir müssen, und alles steht gut.

Owen: Nein, die Welt ist schlecht. Alles ist schlecht.

Der Italiener: Wenn die Welt schlecht ist, so ist sie's, weil wir sie dazu machen.

Owen: Ach, alles ist so schwer zu begreifen!

Der Italiener: Was ist da schwer daran? Hättet Ihr doch gesehen, wie einfach das alles bei uns drüben ist. Da sind Hunderte wie ich von überall hergekommen, aus Frankreich, Deutschland, Österreich, Amerika, aus Staaten, die einander bekämpft haben. Man ist nicht gleicher Rasse oder gleicher Religion, alles kunterbunt, Arme, Reiche, Aristokraten und Gesindel, man versteht sich schlecht untereinander und die, für die wir kämpfen, haben nichts Gewinnendes: sie behandeln uns eher als Feinde, wie als Freunde. Aber sie haben unrecht, weiter nichts. Und das beweist, daß wir recht haben, wenn wir sie verteidigen, weil sie um der Gerechtigkeit willen leiden. Das tut uns wohl. Jeder weiß, daß er des andern Bruder ist und daß es da keine Rasse, keine Religion, keinen Unterschied in der Hautfarbe und in der Gesinnung gibt. Wir sind nur Menschen, die einander helfen und die sich lieben und das ist das Paradies auf Erden.

Owen: Aber Bruder, auch Ihr tut ja das Böse! ... Ihr tötet uns.

Der Italiener: Man kann nicht auf den ersten Hieb die Welt ändern. Unser kleines Europa muß sich erst wehren. Geduld, wird alles schon kommen.

Alan: Oh, ich habe Böses, viel Böses getan.

Ebenezzer (losbrechend): Oh, diese Schweine, diese Schweine von Bankiers, Ministern, Generalen, Diebskerlen, die die armen Leute für ihren Ehrgeiz und ihr Geld in Tod und Verdammnis schicken.

Alan: Ah, mein Gott, wird er mir vergeben!

Der Italiener: Laß Gott in Frieden und vergib dir selbst. Es war nicht deine Schuld. Du hast das Böse getan, eben weil du's gut meintest.

Alan (weint still).

Owen: Hast du Schmerzen?

Alan (antwortet lange nicht, dann mit leiser Stimme): Craigie, spiel mir noch einmal »Auld lang syne«.

Schweigend nimmt ein schottischer Soldat seinen Dudelsack und beginnt das klagende Lied zu spielen. Alle singen nach und nach mit gedämpfter Stimme die leise anschwellende, traurige Melodie mit. Sie sitzen mit ihren Pfeifen rings um das Feuer und starren in die Flammen. Alan macht eine Anstrengung, sich zu erheben.

Owen (sich zu ihm neigend und ihm helfend): Was willst du?

Alan versucht, ohne zu antworten, dem Italiener die Hand zu reichen, der sich bewegt, aufrichtet, sich zu ihm neigt und ihn umarmt. Sie sinken sterbend hin. Von ferne Trommelgerassel. Die Stimmen stocken plötzlich im Gesang. Der Dudelsack gibt einen langgezogenen Laut, ohne die Melodie zu enden.

Ebenezzer (auf die Toten blickend): Vorbei! (Er will sie voneinander legen.)

Owen: Laß sie zusammen!

Die Soldaten bleiben nachdenklich und schweigend sitzen. Mondlicht über der Ebene. Ein Unteroffizier kommt.

Unteroffizier: Sammeln!

(Sie stehen alle mechanisch auf, außer Owen.)

Ein Soldat: Geht's wieder los?

Der Unteroffizier: Er kommt!

Die Soldaten richten sich zusammen, ohne Haß, ohne Wort. Owen bleibt nachdenklich sitzen. Ein Kamerad rührt ihn an der Schulter.

Owen: Was ist's?

Der Soldat: Wir gehn.

Owen: Wohin?

Der Soldat: Ins Gefecht.

Owen: Noch einmal!

Der Soldat: Was kann man tun? Man muß gehorchen.

Owen steht auf. Die Soldaten stellen sich in Reih und Glied. Im Augenblick des Abmarsches ballt Ebenezzer plötzlich inmitten der allgemeinen Stille die Faust, man weiß nicht gegen wen, und schreit:

Ebenezzer: Canaillen! Canaillen!

Der Unteroffizier (streng): Was hast du? (Schweigen.) Vorwärts!

Alle beginnen auszuschreiten. Owen bleibt stehen, tritt aus der Reihe, legt ruhig sein Gewehr hin und setzt sich zu den beiden Toten an das Feuer.

Der Unteroffizier: Und du da? Bist du krank?

Owen (schüttelt verneinend den Kopf).

Der Unteroffizier: Dann auf und vorwärts!

Owen: Ich morde nicht mehr.

Ende des zweiten Aktes.


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