Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

I.

. Es war im Frühlinge des Jahres 1476. Die Fluren um die Reichsstadt Nürnberg, welche von der Natur nicht grade mit besonderer Üppigkeit gesegnet worden sind, begannen sich neu zu begrünen. Zwar die Nadelwaldungen, welche die Gemarkung im weiten Umkreise umgaben, zeigten noch keinen jungen Baumtrieb, sondern nur zwitschernde Vögel bei emsiger Arbeit, ihre Sommerwohnung für das bevorstehende Familienglück auszubessern, zu putzen oder neu zu erbauen. Doch auf den näher gelegenen Fruchtfeldern schossen die Saaten schon ziemlich kräftig auf, und über ihnen stiegen die Lerchen mit frohem Getriller in den milden Lüften zum Himmel empor. – Drinnen in der hochgetürmten, festummauerten und stark bewehrten Stadt schien man auf den freundlichen Gast, dessen blumenbekränzter Zauberstab die Macht des griesgrämigen Winters gebrochen, nicht gerade viel zu achten. Statt jubelnd hinaus vor die Thore ihm entgegen zu eilen und sich mit seinen ersten Gaben voll Farbenpracht und Duft dankbar zu schmücken, waren sie wie sonst bei der werktägigen Arbeit, die hier und da ziemlich laut aus Häusern und Höfen hervortönte, besonders da, wo Böttcher, Schlosser und Schmiede ihrer Berufsthätigkeit nachgingen. Etwas ruhiger, aber nicht minder emsig ging es in den Häusern der Kaufherren zu, in welchen sie selber nebst zahlreichen Gehilfen über großen Contobüchern und eingelaufenen Briefen saßen, während auf Speichern und Magazinen Eingänge und Ausgänge ihre zweckdienliche Erledigung fanden. Mancherlei Häuser waren auch vorhanden, nicht gerade die größten und behaglichsten der gewerkreichen Stadt, in deren nicht sehr lichtreichen Hintergemächern Goldschmiede, Maler oder Bildhauer mit ihren Gesellen kunstreichen Aufgaben oblagen; denn seitdem Nürnberg an Macht und Reichtum die meisten Städte im römischen Reiche zu überflügeln begann, war der Ehrgeiz seiner hervorragendsten Bürger darauf gerichtet, ihre Häuser und öffentlichen Plätze, und nicht am wenigsten auch ihre zahlreichen Kirchen mit Werken zu schmücken, an denen sich das Auge weiden, das Herz erheben konnte.

An jenem Frühlingsmorgen, mit welchem unsere Erzählung anhebt, saß ein ältlicher Mann im behaglichen Hauskleide auf seiner Schreibstube, welche rechts von dem geräumigen Flur seines im Nordwesten des alten Nürnberg befindlichen stattlichen Gebäudes lag. Sein stark ergrautes Haar war über der hochgewölbten Stirn schon ziemlich gelichtet, sein Antlitz bleich und eingefallen. Vor ihm lag auf dem großen eichenen Tische ein dickes Rechnungsbuch, und während er, einen Federkiel in der rechten Hand, hin und wieder eine Zahl unterstrich oder abänderte, fuhr er mit den langen, mageren Fingern der linken bisweilen in nervöser Beweglichkeit durch seinen bis zur Brust herabwallenden Greisenbart. So waren ihm etliche Stunden vergangen, als sich die Thür des Seitengemaches öffnete und eine behäbige Frauengestalt mit freundlich blickendem Antlitz sichtbar wurde, welche etwa zehn Jahre jünger sein mochte als der arbeitende Mann. Dieser hatte ihr Kommen nicht bemerkt; erst als sie ihn anredete, schaute er, wie aus dem Traume erwachend, zu ihr empor.

»Martin,« sprach sie mit dem Ausdrucke leisen Vorwurfes, »Du scheinst ganz vergessen zu haben, daß Du vor wenigen Tagen noch das Bett hüten mußtest und mit uns Gott und den Heiligen dafür danken solltest, aus schwerster Krankheit wieder genesen zu sein!«

Er lächelte mild: »Leicht könnte ich Dir beweisen, Barbara, daß ich gerade deshalb hier so andauernd sitze! Ich möchte ja etwas Rechtes vollführen lassen, um dem Herrn für meine Genesung zu danken!«

Sie zeigte ein sehr verwundertes Gesicht, und unter Kopfschütteln sagte sie: »Indem Du über den Zahlen da sitzest und das Rechnungsbuch durchstöberst?«

»Barbara, welcher Baumeister, so er ein Haus bauen will, sitzet nicht zuvor und überschlägt genau, ob er es habe hinauszuführen?«

»Mag wohl sein, Martin; aber ich meine doch, daß es Gott und den Heiligen auf die Höhe der Summe, die man ihnen spendet, nicht ankommt, sondern auf des Herzens Gesinnung. – Ich denke, wenn Du zu St. Lorenz oder St. Sebald, meinetwegen auch bei Unserer Lieben Frauen am Markt, sobald Du kannst, Deine Dankgebete thätest und ein erkleckliches Almosen hinzufügtest …«

Der Alte hatte sich lebhaft erhoben: »Barbara, das reicht mir nimmer aus! Nicht umsonst habe ich die Nähe des Grabes – fast möchte ich sagen: den eigenen Verwesungsgeruch – verspürt; nachdem ich durch ein sichtbarlich Wunder zu neuem Leben erwacht bin, will ich's meinem Herrgott vergelten, soviel ich immer kann …«

»Martin, ich mag nicht denken, daß Du noch einmal ins heilige Land ziehen willst, welches unter den Ungläubigen seufzet, so daß allen, die dorten den erhabenen Spuren des Erlösers nachwandeln, schwere Gefahren bereit sind. Von den Schrecknissen der langen Land- und Meerfahrt dahin will ich nicht noch reden. Nein, nein, Martin, eine zweite Pilgerfahrt zum heiligen Grabe wirst Du nicht vorhaben, – und Du hast ja auch bis heute noch nicht davon gesprochen, daß ein Gelübde vom Krankenbett her Dich dazu verpflichtet.«

Sie hatte diese Worte mit größter Lebhaftigkeit hervorgestoßen, während ihr Gemahl in augenscheinlicher Ungeduld erwartete, daß sie enden werde.

»Ihr Weiber,« hob er jetzt an, »schießet, so gut ihr es meinen mögt, allzu leicht an dem Ziele vorbei! Wer hat denn von einer neuen Pilgerfahrt gen Jerusalem gesprochen? Heilbringend und verdienstlich gilt sie mir zwar noch heute; aber ich hoffe, daß ich sie nicht nötig haben werde, um das Werk vollführen zu können, welches meiner dankbaren Seele vorschwebt! Barbara, sollte es nicht etwas Großes, etwas Erhabenes sein, wenn ich in unserer Vaterstadt die heiligen Stätten, die ich einst mit aufrichtiger Andacht in Jerusalem geschaut habe, zur frommen Verehrung für viele tausend Mitbürger nachbilden könnte? Noch schwebt mir das Kleinste selbst, das dazu nötig wäre, fast greifbar vor Augen; die erforderlichen Mittel stehen mir, wie ich soeben berechnet habe, zur Verfügung – und auch eine geschickte Künstlerhand wird sich finden!«

Mit Spannung hatte Barbara den Ausführungen ihres Mannes gelauscht; aus ihren Blicken sprach volle Befriedigung.

»Du willst also einen ›Ölberg‹ oder ein ›heiliges Grab‹ aufrichten lassen? – Das kann ich wohl billigen – oder sinnest Du auf etwas anderes ähnlicher Art?«

»Die ›sieben Fälle Jesu‹, Barbara, sind es, die ich nachbilden will; draußen vor dem Tiergärtnerthore, Das Thor selbst wurde freilich erst später (1517) erbaut. wo unser Garten liegt, sollen sie beginnen und weiter hinunterführen zu dem kleinen Begräbnisplatz, der die zum Siechkobel gehörige Kapelle umgiebt. Von dem bezeichneten Garten Martin Ketzels die jetzige Burgschmiet- und Johannisstraße hinunter zu dem jetzigen allgemeinen Johanniskirchhofe, welcher als solcher damals noch nicht bestand. Und nun will ich mein Rechnungsbuch zuschlagen, um hinaus zu wandern, damit ich das Bild, so mir vor Augen schwebt, dorten nochmals erwägen kann.«

»Thue das, Martin,« sagte Barbara in freudiger Zustimmung, »aber bleib' nicht zu lange und hüte Dich vor Erkältung; denn noch gehen die Winde rauh und kalt, ob zwar die Sonne vom wolkenlosen Himmel hell leuchten mag!«

Lebhafter waren die Straßen geworden, als Martin Ketzel dem Tiergärtnerthore zuschritt; denn es war eine Stunde vor Mittag, eine Zeit, zu welcher mancher Bürger seine häuslichen Geschäfte zu unterbrechen pflegte, um dringende Besorgungen zu erledigen, Besuche zu machen, vielleicht auch in einer Schenke den gewohnten Frühtrunk zu thun. Viele von den Vorüberkommenden grüßten den langsam dahingehenden Alten; einige auch hielten ihn auf, um ihm ihre Freude darüber auszusprechen, daß er wieder genesen. Das war Ketzel wenig angenehm; denn es drängte ihn, vor das Thor zu gelangen, und das Werk, welches er vorhatte, schien ihm wichtiger als alle Beweise der Teilnahme. Als ihm aber von ungefähr Michael Wolgemut in den Weg kam, dessen Malerwerkstatt damals einen Mittelpunkt künstlerischen Lebens darstellte, also daß er nicht allein zahlreiche Gesellen beschäftigte, um die Aufträge von Gemälden, die ihm von allen Orten her wurden, auszuführen, sondern auch begabte Bildhauer und Bildschnitzer zu Mitarbeitern heranziehen mußte, da machte der Alte unwillkürlich Halt, erwiderte freundlich das ›Grüß Gott‹ und sagte: »Könnt Ihr mir, Meister Michael, nicht einen tüchtigen Künstler empfehlen, der das große Bildwerk, welches ich vorhabe, schaffen könnte?«

»Soll's ein Gemäld' sein oder was sonst?«

Martin Ketzel setzte seinen Plan auseinander, worauf Wohlgemut sagte: »Was Ihr da vorhabt, schlägt in mein eigen Fach nicht grad' hinein. Ja, wenn's in der Hauptsach' gemalt und beiher etwas geschnitzt oder gehauen sollt' sein, würd' ich Euch aus alter Freundschaft selber gern dienen mögen; aber was so immerdar draußen stehen und dem Wetter trotzen soll, muß wohl, wie Ihr selbst vorhabt, in Stein gehauen werden. Das macht ein anderer Bildner wohl in seiner Werkstatt besser. Wenn Veit Stoß sich gewinnen ließe! Der schnitzt zwar lieber in Holz, doch auch in Stein kann er meisterlich arbeiten. Versucht's mit ihm, lieber Ketzel, und wenn er sich nicht anwerben sollt' lassen, so möcht' ich Euch einen jüngeren Gesellen empfehlen, den ich schon einigemal mit Arbeiten betraut hab' und der einer der Besten zu werden verspricht von denen, so den Meißel zu führen und einen harten Stoff zu bearbeiten suchen. Adam Krafft heißt er. Auch Meister Veit hat gute Meinung von ihm; den mögt Ihr näher darüber befragen.«

Mit einem Händedrucke schied Ketzel von dem Maler. »Das will ich im Gedächtnisse behalten!« sagte er und setzte mit dem Ausdrucke der Befriedigung seinen Weg fort. Nun hatte er das Tiergärtnerthor hinter sich; dort lag sein Garten. Dieser war mehr für Gemüse- als für Blumenbau bestimmt, ein Teil bereits für die neue Frühjahrsbestellung vorbereitet, ein andrer noch wüst. Hier und da drängten einige Frühlingsblumen, die ohne Pflege emporgesprossen waren, ihre Köpflein dem allbelebenden Sonnenlichte entgegen; es waren besonders Maßliebchen und Veilchen.

Unwillkürlich wendete Ketzel seinen Blick ihnen zu. »Wunderbar, daß in derselben Zeit, da die Christenheit zur Osterfeier sich anschickt, auch die Natur ihr Auferstehungsfest feiert, selbst da, wo keine Menschenhand mit sorglicher Pflege zu Hilfe kommt! Doch jeglicher Auferstehung geht ein Sterben vorauf: daß der Gottessohn für uns litt und starb, ist doch die Hauptsach' für aller Menschen Auferstehung! Ja, ich hab' das Rechte erwählt, die ›sieben Fälle Jesu‹ hier aufzurichten! …«

Er bückte sich nach einigen Veilchen, sog ihren Duft ein und blickte sie einige Augenblicke an, dann warf er sie fort und sagte: »Mein Gefallen ist nicht mehr groß an irdischer Schönheit! …«

Aus dem Garten hinaus lenkte er seinen Weg vorwärts, dem Kirchlein des Siechkobels entgegen. Hin und wieder blieb er stehen und sprach einige Worte vor sich hin. Man konnte leicht merken, wie das geplante Werk ihn beschäftigte, wie er sich die einzelnen Fälle des Kreuzweges Jesu vor Augen stellte und die Orte zu bestimmen suchte, an denen sie wohl ihre Aufstellung finden möchten. Mitten auf dem Wege jedoch schüttelte er bedenklich das Haupt und sagte: »Vorschnell war mein Beginnen; wie kann es also zu stande kommen? Die Maße – die Maße! … Was kann die beste Künstlerhand schaffen, wenn ihr kein Anhalt gegeben wird? … Ja, ich brauche die Maße dazu – und nicht ohne Vorahnung dessen, was ich meiner Vaterstadt hinterlassen wollte, hab' ich im fernen Lande einst des Erlösers Leidensgang sorgfältig beobachtet!«

Also gedachte er seine Wanderung rückwärts zu kehren. Von den Türmen der Stadt hatten die Uhren soeben die Mittagsstunde verkündet, und nun mahnten die Glocken der vielen Gotteshäuser zu andächtigem Gebete. Martin Ketzel faltete still die Hände und erfüllte, wie er gewohnt war, die fromme Pflicht.

Da klangen Worte eines lebhaften Gespräches zu seinen Ohren, und, unwillig, in seinem Gebete gestört zu werden, wendete er die Blicke dem Orte zu, von welchem sie kamen. Ein Gärtchen war's, das abseits von dem seinigen an die Stadtmauern lehnte, und die Plaudernden würden anderen Leuten wie Ketzel wohl der Beachtung wert gewesen sein. An einer Hecke, welche zwei Nachbargrundstücke voneinander trennte, lehnten zwei blühende Gestalten, eine Jungfrau, die wohl soeben ihr zwanzigstes Lebensjahr vollendet haben mochte, und ein kräftiger junger Mann im Alter von etwa achtundzwanzig Jahren, in dem man trotz seines Arbeitskittels eine bedeutende Persönlichkeit, einen Träger idealer Bestrebungen erkennen konnte. Die Mittagspause hatte ihn, wie man leicht erkannte, statt dem stärkenden Mahle seinem Mädchen zugeführt, und, wie immer im gleichen Falle, fehlte es beiden keineswegs an Stoff zu reger Unterhaltung, die andere Leute nichts anging und deshalb keines Lauschers bedurfte. Wenn sich Martin Ketzel ziemlich schnell abwendete, so geschah es wohl nicht aus diesem Gesichtspunkte; denn mit verächtlichem Ausdrucke sprach er vor sich hin: »Ein Liebespaar!« wodurch er zu verstehen gab, wie wenig er irdische Minne zu schätzen wußte, namentlich in diesem Augenblicke, da die ehernen Stimmen der Glocken alle Herzen zu einer höheren Welt emporlenken sollten. Halten wir ihm dies mit Rücksicht auf die Verhältnisse, welche wir kennen gelernt haben, zu gute, doch zeigen wir uns ausnahmsweise etwas neugieriger als der gottesfürchtige Alte. – Nicht ein süßes Liebesgeflüster nur war es, zu welchem das Pärchen zusammengekommen, – das ließ sich unschwer bemerken – wenn auch die Herzen der beiden jungen Leute harmonisch zusammenklangen.

»Magdalena, Du wolltest mir heute Nachricht geben,« – sprach der junge Mann – »ob der strenge Sinn Deines Vaters endlich nachgiebiger zu werden verspricht! Ich konnte kaum die Mittagspause erwarten, um Dich wiederzusehen und an diesem einsamen Orte die Entscheidung über unser Schicksal zu vernehmen …«

»Adam, ich wagte viel, wenn ich mich unter einem Vorwande aus der Küche fortschlich,« – sagte die Jungfrau dagegen – »denn mein Vater hat ein scharfes Auge, und wer weiß, ob wir unbeobachtet sind!«

Sie hielt plötzlich inne und wies auf Martin Ketzel, welcher in der Nähe vorüberschritt. Doch Adam beruhigte sie schnell: »Der da hat kaum einen Blick uns geschenkt, und ich kenne ihn wohl: es ist ein ernster Mann, der, wie mein Meister mir sagte, frommen Werken nachgeht und sich daher wenig um die Sorgen unserer Herzen kümmern wird! … Also halte, Magdalena, was Du mir sagen willst, seinetwegen nicht zurück!«

Da schüttete das Mädchen sein Herz aus: »Nichts Gutes, mein Adam, vermag ich Dir zu vermelden! Zwar ist mein Vater Dir nicht grade feindlich gesinnt, doch bleibt er bei dem Grundsatze stehen, daß wir uns einander nicht verloben können, bevor Du Dein Brot gefunden hast und selbständig geworden bist. Als ich Dich nach Verdienst rühmte und Deine Bitte mit warmen Worten unterstützte, zuckte er nur die Achsel und erwiderte: ›Noch hat man in unserm Nürnberg den Fall nicht erlebt, daß eines alten Meisters ehrbare Tochter einen Gesellen geheiratet, der für sich selber kaum zu beißen hat! Ist also das Beste, daß Du aufhörst, für diesen Burschen zu schwärmen, und Dir einen andern nimmst, der Deiner Liebe würdiger ist!‹ Und da ich mit heißen Thränen versicherte, daß ich niemand unter dem Himmel derselben für würdiger hielte, auch die Mutter mit milden Worten Deine kunstfertige Hand und Deinen rechtschaffenen Sinn hervorhob, wendete er uns den Rücken und rief: ›Kurzsichtige Weiber, die sich nicht belehren lassen und mit sehenden Augen ins Unglück hineinlaufen wollen.‹ So, lieber Adam, steht nun die Sach', und ich weiß gar nicht, wie's besser möcht' werden!«

Ernsten Blickes, aber keineswegs verzweifelt, schaute der junge Mann zu ihr hinüber: »Die Hauptsach' ist's, daß Du Dein Herz mir treu wie bisher bewahrst! Mannigfach ist der Wechsel in irdischen Dingen; wie das Glück sich schnell zum Unglück verwandeln kann, fällt oft auch ganz unvermutet in dunkle Umnachtung der Sonnenstrahl heller Freude hinein! – Wirst Du stark genug sein, dem Willen Deines Vaters zu widerstehen?«

Er strich ihr mit den Fingern der arbeitsgewöhnten, aber schön geformten Rechten sanft über die blühenden Wangen, indem er die Linke auf ihre Schulter legte. Es gewann den Ausdruck, als sei er entschlossen, sie auf jeden Fall festzuhalten und durch keine Macht der Welt sich rauben zu lassen. Da richtete sie ihr blaues Augenpaar, welches sie bei ihrem traurigen Berichte unter heimlichen Thränen schmerzlich gesenkt hatte, voll warmen Glanzes zu ihm empor: »Weißt Du nicht, Adam, daß ich Dich mehr als alle anderen Menschen liebe? Daß ich eher des Himmels Braut werde und allen Erdenfreuden entsage, als in eines andern Mannes Armen mein Glück suche?«

Als Antwort drückte er ihre weiße Hand an die Lippen, indem ein seliges Entzücken über sein Antlitz zog. Dann sagte er lebhaft: »Magdalena, ich hoffe fest, daß die Kunst uns'rer Liebe förderlich sein wird! Wenn mir noch einige Werke gelingen, müssen mir kunstsinnige Männer ihre Gunst zuwenden, denn in Nürnberg fehlt es an solchen nicht! Meister Michael, der Maler, und Veit Stoß, der Bildschnitzer, wollen mir jetzt schon wohl, und mit eig'nen Ohren vernahm ich, daß sie mich vor einigen Kaufherren, die über reiche Mittel verfügen, rühmten – mehr, als ich verdient zu haben meinte … Und daß ich Dir es sage: An einer Madonna meißle ich jetzt, die – fast scheint mir's, als ob eine unsichtbare, eine höhere Hand meinen Meißel führe – Deine reinen, milden Züge gewinnt!«

Die Jungfrau schüttelte abwehrend ihren prächtigen Blondkopf: »Adam, Adam, ist's wohl recht, daß Du die reine Magd, welche den Gottessohn gebar und nun als ›Himmelskönigin‹ in den Kirchen verehrt wird, mir, einem armen, thörichten Geschöpfe, nachbilden willst?«

Doch das ließ der junge Künstler nicht gelten. »Wenn uns're Hand sich vermessen darf,« rief er »himmlische Gestalten nachzuschaffen, so müssen wir uns Abbilder suchen, die doch nur auf Erden zu finden sind; – und ich nehme nur die edelsten und reinsten dazu – solche, wie Du eins bist, Magdalena!«

Und er küßte wieder der Jungfrau weiße Hand. Da riß Magdalena sich los. »Adam, ich kann nicht länger bleiben! Und wenn's unserm Glücke förderlich sein könnt', will ich nichts dawider haben, daß Du mich im Sinne hast bei Deiner Arbeit. Ich selber denk' bei der meinigen, die freilich nur das Hauswerk betrifft, auch oftmals an Dich!«

Schon war sie davongehüpft, während Adam Krafft, der junge Bildhauer, ihr liebevoll nachschaute. So oft sie sich nach ihm umwendete, winkte er ihr mit der Hand freundlich zu. Bald war sie verschwunden. Da erhob er sich wie aus einem Traume und lenkte gleichfalls zur Stadt und an die Arbeit zurück.


 << zurück weiter >>