Fritz Reuter
Montecchi un Capuletti oder De Reis' nah Konstantinopel
Fritz Reuter

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Kapittel 15.

Athen, un wat de Piräus oder Warnemünn' schöner is. – Worüm de olle Dam' en Dolch tau sick steckt, un Herr Beier un Unkel Bors nich an 't Land willen. – De olle Dam' hofft up 'ne lütte Revolutschon, un Jochen Klæhn schellt up de Sniders in Athen. – Woans sick Sparta von 't Schipp ut utnimmt. – Methone. – Was war's mit diesem Pythagoras? – Anton vertürnt sick mit Herr Nemlichen dägern æwer de Seelenwanderung. – Herr Nemlich sall sick tau Abend de Harmonie der Sphären up 't Botterbrod smeren un en scharfen Kæm dorup drinken. – Corfu tau 'm annern Mal. – Jochen wünscht, dat sine olle Mutter bi em in 't Gras leg'. – Venedig. – De meckelnbörgsche Gesellschaft will sick hir verpusten, ok Herr Gumpert bliwwt hir.

Also wedder up dat Schipp, dörch dat ägäische Meer, hen nah Athen!

Ja, wenn ick nu so 'n uterwählten, klassischen Dichter wir, denn stellte ick nu den einen oder den annern ollen Bekannten, as Herr Gumperten oder ok minentwegen ok Unkel Borßen, oder wenn 't ok man Jochen Klæhn wir, achter dat Stüerrad von dat Schipp un gew' em 'ne Lyra in de Hand, dat hei sin Vergnäugen doran hadd: ›Arion war der Töne Meister, &c.‹, – ›Delphine waren nachgezogen‹, æwer mine ganze klassische Bildung is mi mit dat sure Kommißbrod up de preußschen Festungen so versurt worden, dat ut säutes Smolt ranzig Fett worden is, un so was 't denn woll ut jichtens einen annern Grund bi de ganze Gesellschaft, denn wenn ok en ganzen Hümpel von ›Delphinen‹ üm dat Schipp herümmer spillunkten – de de Matterosen up klassisches Dütsch ›Meerswin‹ benäumen, so hadd doch Keiner up dat ganze Schipp – sülwst Paul nich – dat irnstliche Verlangen, sick up den nattkollen Puckel von so 'n wateriges Sänger-Roß tau setten un dor Lyra up tau spelen. – Annere Tiden – annere Lüden! – Aewer nich blot annere Lüden, ne, ok anner Bedüden. – Dit kunn de Gesellschaft recht seihn, as sei an Euböa vörbi führte – wat hadd de Tid un de verkamenen Minschen in dese Tid ut de Kurnkamer von Athen makt! –Ick heww all mal den Verglik mit de Lünebörger Haid' makt, bi Gelegenheit von den Karst, æwer so wenig as de Verglik dor paßte, paßt hei hir. Dor, in de glückseligen Gefilden von Gifhorn un Celle, bläuht frilich ok nich vel wat Anners, as Haid'krut, æwer de Minsch kann sick doch an de roden Bläumen freu'n, un wer en beten von Inbildungskraft is, kann sick mit sine Minona dorinne leggen un von Finghal un Vater Ossian drömen; hir sall hei 't woll bliwen laten, denn dat durntackige Tüg von Akazienstrüpp giwwt en slicht Lager för den Drom un för de Leiw' af. – Un nu wider! dor liggt Sunium, dat heit, dor stahn söß verlatene Säulen, de trurig herunner kiken in dat ewige Meer, as wiren sei Likenstein', unner de eine ganze Geschicht begrawen liggt. – Man wider! – Dor is Ägina, dor 's de Piräus! – »Paul,« säd Jochen Klæhn, »dit, seggt jo de oll Dam', sall jo woll nu noch ganz wat Besonders sin; kann ick just nich finnen: Warnemünn' is mi leiwer. – Un nu kik dit Volk an, wo sick dat hir mit de Kahns üm dat Schipp drängt! – Wo? dat is jo grad', as wenn wi hir enzeln up de Aukschon bröcht warden sælen.« – Un nu man 'rin in den Kahn, un denn man 'rin in den Wagen! – »»Tanten Line, was stecken Sie da zu sich?«« frog Helene. – »Blot en lütten Dolch, min leiw' Dochter.« – »»Warum das?«« – »Mi tau wehren, min leiw' Dochter. – As ick in Konstantinopel lesen heww, hewwen de braven Nahkamen von Aristidessen hir tüschen den Piräus un Athen vör acht Dag' en französchen Kaptain un twei Mann gefangen namen un in de Barg' slept, und ich will mich nicht gefangen geben; irst will 'ck mi wehren.« – »»Herr Beier,«« rep de olle Jahn, »»willen Sei nich mit?«« – »Ne. – De verdammte Kirl von Unnernemer hett uns all so oft bedragen, un nu hett hei dat wedder so inricht't, dat hei dat Middageten sporen will, dat schenk ick em nich.« – »»Ick ok nich,«« säd Unkel Bors. – De Herr Baron dacht jo woll ebenso, un en Stückener dörtig Annere ok; sei wullen irst morgen an 't Land.

Un nu Athen! Un nu de Akropolis! – Un hir hadd sick nu Fru Jeannette Groterjahn up dat Popoläum in ehre Kreolin' hensetten un as nimod'sche Niobe dat Höwt verdecken künnt, un sei hadd Recht dahn: dor wiren de Fauttappen tau seihn von de groten Grichen, von Perikles bet up Demosthenes, un dor stunn dat Parthenon, as 'ne blasse Jungfru, de von eine schändliche Hand üm ehre Kleder un ehre Zierathen berowt is. – Nich de Tid hadd ehre dristen Hänn' doranner leggt; 't was de freche Hand von de Minschen, un von de wedder nich so sihr de Hänn' von de willen Gothen un Türken, ne, de von de gebildetste Utgeburt von unsere hütige Tid, von de Kunstsammlers, von den schottschen Lord Elgin un sine annere Röwerbann'. – Un hir kann Einer dat verstahn, wenn Lord Byron seggt: › quod non fecerunt Gothi, hoc fecerunt Scoti!« –

Un nu dat Volk! – Gaude Lüd' un ok so 'n, de 't weiten kænen, wil dat sei lang' dorunner wahnt hewwen, hewwen mi seggt, dat de gemeine Mann ebenso gaud as annerswo ihrlich un tru is; æwer wat sick hir vörnehm schellen lett, dat 's denn so 'ne Raß', an de sick Einer Hänn' un Fäut warmen kann, de de Düwel ut Afgunst un Raffigkeit tau einen Klump tausam backte un nahsten mit 'ne Sauß von Niederträchtigkeit begaten hett. – Mit so 'n Ministerium in Athen hett dat ungefihr de sülwige Bewandtniß, as vördem bi uns Jungs up den Turnplatz: Einer stiggt up den Swew'bom, denn kümmt de Anner un sleiht em stracks herunner, denn kümmt de Drüdde un sleiht den Annern 'runner un so geiht dat Spill ümmer wider, recht fix un mit en forschen Grats. Blot mit den Unnerscheid, dat wi Jungs uns vorher nicks in de Tasch steken kunnen, ihre wi von den Swew'bom slagen würden. – Na, mit de Königs schint jo dat ok all so 'n förfötschen Anfang tau nemen. –

»Min leiw' Herr Jahn,« säd Tanten Line tau den ollen Mann, as sei 's Abends unner einen swartblagen Hewen un grote Stirn', de vel schöner lüchten, as bi uns in den Nurden, dörch de Äolusstrat gungen, »ick bün mäud', wat hir in den einen Dag tau seihn was, dat heww ick seihn; wat meinen Sei? Will'n wi nich in uns' Gasthus taurügg gahn? – Sei sticken sick 'ne Zigar an, un wi setten uns en beten mit Helening up den Balkong, un wenn uns' Herrgott uns günstig is, denn günnt hei uns 'ne lütte Revolutschon; dat Weder is dortau andahn, un nah de Zeitungen hett dit Ministerium all gaud acht Dag' æwer de Tid regirt, för 'n jedes virteihn Dag' in 'n pohlschen Bogen berekent.« – »»Herr,«« säd Jochen, de bedächtig un tru achter den ollen Jahn herpeddte, »»dit 's en snaksches Lock. – Ick lat mi hir in den einen Kraug en Glas Win gewen wegen den Stohm, de mi up de Bost follen was, weiten S', wo dat smeckt? – As Bramwin un Tarpentinöl, wo wi in Lütten-Barkow bi de Klabensük de Ossen mit insmerten.«« – »Ih, Jochen, sei hewwen sick villicht in de Buddel vergrepen.« – »»Dor strid ick gor nich gegen, Herr; æwer mit de Sniders hir!«« – »Wat hest denn mit de?« – »»Ick för min Part nicks nich, Herr; æwer dat oll lütt Wormtüg von wrampige Rekruten, wat dor in de hellblage Mondirung 'rümmer exiren müßt – Gott bewohr uns! wo sach dat jämmerlich Volk ut: 'ne Matt Achterdeil un en Schepel Büx. – Herr, wenn 'ck dorgegen uns' Ort anseih, de will'n jo all dörch de Nath dörchplatzen, as 'ne Kastann' tau Frühjohrstid. – Ne, wenn ick hir so König wir – de verfluchten Sniders!«« – »Na, Tanten Line« lachte de oll Jahn, »Sei weiten so tämlich Allens, dit weiten S' doch nich; dit weit ick.« – »»Oh, ick weit 't ok,«« lachte de oll Dam' em entgegen, »»dat sünd de Uniformen von de ollen, groten, dicken Bayern, die haben sie nun den kleinen Nachkommen der Helden von Marathon und Salamis angezogen.«« – »Gott bewohre! – Sei weit Allens,« säd de oll Jahn. – »»Je, dei!«« säd Jochen. –

Un as de Gesellschaft des Abends an den annern Dag wedder up dat Schipp stunn, un de Fohrt unner de groten Stirn' un den swartblagen Hewen üm Ägina herüm an de Küst von Argolis entlanke gung, dunn was 't, as wenn ok up den Unbedüdensten von ehr de Erinnerung 'ne lütte Slipp vull Weihmaud utschüddt hadd, un Allens kek rüggwarts, Keiner nah vör, Allens wull dat Land noch einmal seihn, wat in sine lütten, engen Scheiden un Grenzen mal so grot un so schön west was. Un villicht de Unbedüdenste von dat Ganze, wat Kunst un Wissenschaft bedröppt, was Unkel Bors; æwer hei hadd eben so gaud 'ne Erinnerung an Athen, as de Annern, un hei säd tau sine Swesterdochter: »Hanning, ick denk noch ümmer an den Dag, as ick hir tau 'm irsten Mal von den Piräus nah de Stadt as Handwarksburß mit den Ränzel up den Puckel 'rinner wannern ded. – Leiwer Gott! – Ick was dunn ok man noch so 'n lütten Setter un was ok nich gröter, as ick up Stunns bün; æwer ick hadd doch den Grats un de Drift, vörwarts tau kamen; æwer – Du leiwer Gott! – dor schaff mal Einer wat vör sick, wenn dat Volk sick nich wascht un kein Seep brukt un nicks brennt as Oel. – Ne, ick gung unner de Türken nah Konstantinopel, un dor is 't mi gaud gahn.« – Arme Unkel! – Nich, wil Du mal en verkihrten Trumpf utspelt hest, ne, wil Du Dinen letzten Trumpf utspelt hest, Din beten Türksch, wat hir nich mihr gelt. – Dine Swesterdochter hett Di, as 'ne utgedrückte Citteron', bi Sid smeten, denn sei hett den Baron fat't oder de ehr, un sei kiken Di Beid' an, as wirst Du so 'n lütten, fetten Schampinjon-Poggenstaul, de æwer Nacht upschaten is, in den æwer des Abends de Maden all kamen sünd. – Ne, Du gah hen un denk an Dinen Smerkram tau Swerin, un wenn Du Di en Vergnäugen maken willst, denn kannst Du ok an all de fetten Ossen von den Herrn Baron denken. – Ne, wi Drei, Mutter, de Herr Baron un ick, hewwen wat Anners up dat Tapet, wi wollen weisen Rath æwer den Herrn Baron sinen endlichen Andrag: wat hei nich . . . . un worüm hei nich . . . . dat heit in de negsten Dagen . . . . villicht in Venedig . . . . auf die Erfüllung seiner Wünsche . . . . das heißt, ohne Zwang auszuüben . . . . hoffen dürfte. – Un Mutter seggt: wat Sei dortau dauhn künn . . . . æwer ehr Kind wir tau indolent, un Anton tau obsternat un . . . . æwer wat Sei dortau dauhn künn . . . . æwer Venedig? . . . . Sei hadd den Bodden unner de Fäut verluren, sei müßte irst, as de berühmte Ries' Antonius – so näumte sei em –, vaterländisch-meckelnbörgschen Grund unner ehre Beinen fäuhlen, ihre sei ehren eigenen Antonius, de sick up de Letzt as 'ne Ort von Herkules upsmeten hadd, besiegen kunn. – Un ick, as de Drüdde in den Rath, segg: Essig! – Kikt Jug doch mal üm: dor steiht Helene un hett den Kopp an de olle Dam' ehre Bost leggt un klagt ehr ehr Led, dat sei nu den letzten Notanker, Herr Nemlichen, verluren hett, un de olle Dam' seggt, sei süll ehren Haken in ehr Holt anslagen, dat wir olt un tag un höll wat. – Un dicht dorbi steiht Groterjahn mit Jahnen, un Groterjahn seggt tau Jahnen: »Wo is Dich, Jahn?« – Un Jahn seggt: »»Mi is, Groterjahn, as hadd des' Reis' ut min en ganz annern Kirl makt.«« – Un Groterjahn seggt tau Jahnen: »Mich ist es auch so, Jahn.« – So, Fru Jeannette, dor stek Din Fingern mal tüschen! – Un achter up de Bänk seten noch Twei, dat wiren de beiden Verswurenen von dat Bucksprit, un Jochen Klæhn säd tau Paulen: »Paul, dor in Barlin, in den Apenkasten, in den Goren, dor heww ick bemarkt, dat de ein' Ap den annern ümmer an den Start fast höll un em gor nich los let, so dat sei ümmer tausam wiren, un so kümmt mi dat ümmer mit Din Mutter un den Baron vör.« – »»Du, Schapskopp, Du! Wo kannst Du min Mutter mit en Apen in en Verglik stellen!«« – »Paul, ick möt mi doch wunnern, dat Du so dumm büst! Du büst doch süs so klauk! – Mein' ick Din Mutter mit den Apen? – Ick mein jo blot den Baron.« – Un gegen all Dese willst Du Di upbömen, Jeannette Groterjahn? – Armes, swackes Gefäß! – Sei werden Di den Bodden inslagen, dat Du lack wardst, un Dine Macht un Herrlichkeit druppwis' in den Sand löppt, bet Du in den Sünnenschin von annere Lüd' Glück knakendrög dorsteihst, bet Du röppst: »Kinnings, üm Gottes willen, füllt mi en beten wedder up, ick müggt ok girn min beten Plesir hewwen!« –

Un nu gung de Vullmand up, un sin Licht läd sick so vull un so weik up Meer un up Inseln un up de Küst un up den Wald von Argolis, wo mal in ollen Tiden Agamemnon, ›Haupt der Coalition,‹ tau Mykene, wat dunnemals Paris was, de trojanische Frag' studirte. – Aewer – ›doch des Kummers schwarze Wolke trübte seinen Herrscherblick, von dem hergeführten Volke bracht er Wenige zurück,‹ womit Schiller nah minen dummen Verstand woll Mexiko meint hett. – Ja, so weik un so vull schinte de Man', dat uns' braven Meckelnbörger sick ankeken un mit Koppschüddeln sick frogen: wat dit woll ehr eigen olle Stirnbarger Mæningder liebe Sternberger Mond; ein Reisender aus der meckl. Landtagsstadt Sternberg soll sich, so erzählt man, in der Fremde darüber gefreut haben, auch dort den »lieben Sternberger Mond« zu erblicken. wir, unner den sinen Schin sei sick mal verleiwt un verlawt hadden. Un in desen Twifel gungen sei tau Bedd.

De annern Morgen, as de Dag gragte, stunn de olle, tapfere, grise Dam' all wedder up 't Deck un kek linksch nah de Venusinsel, Cythere, 'ræwer un säd tau sick: »mit Di heww ick nicks tau schaffen, ick will mal rechtsch nah Sparta 'ræwer kiken, wat ick dor woll wat gewohr ward, wat mi an de olle Tid erinnert.« – Un langsam kamm en fasten, sworen Tritt de Kajütentrepp tau Höchten, un licht un behend' folgte en annere, un de olle Jahn un Helening treden an de olle Dam' heran, un Jahn säd: »Segg ick 't nich? Dor is sei all wedder!« – »»Worüm nich? – As wi hir dunn vörbi führten, was 't düstere Nacht, un ick heww nicks tau seihn kregen; na, vel ward 't ok ditmal woll nich warden, gewiß noch weniger as tau Athen. – Hir, Herr Jahn,«« un dormit gaww sei den Ollen ehr Kikglas, »»kiken S' mal dörch – wat seihn Sei?«« – »Wat ick seih?« frog de Oll un schüddelte mit Lachen den Kopp. – »En ollen Thorm seih ick, den sei bi uns ›Fangelthorm‹Gefängnißthurm oder Warte, Fanalthurm, d. i. mittelalterlich, um von dort Fanale oder Feuerzeichen bei drohender Gefahr zu geben. näumen, en por olle, hölterne Schuppen, un üm de herum en swacken Hümpel Schap', un wenn ick doræwer von hir ut mine Meinung afgewen sall, denn kann ick sei ok nich höger taxiren, as de in de Lünebörger Haid'.« – »»Peuple sauvage, nommé Haidsnuck,«« säd Tanten. – »»Leiwer Gott, wat is ut dit Land worden! – Sollte Einer wohl denken, daß die Menschen aus einem Lande, worüber Gott hier im schönen Süden seinen Segen mit vollen Händen ausgeschüttet hat, ein solches gemacht haben, wie wir's nur im hohen Norden, in den schottischen Hochlanden wieder finden?«« – »Na, dor sünd Sei doch nich west?« frog de oll Jahn. – »»Ne, min leiw' Herr Jahn, aber ich habe einen Lieblingsdichter, dat is Walter Scott, de hett mi vel von dat Hochland vertellt, un nu weit ick dor ganz gaud Bescheid.«« – »Und de ist Ihr Lieblingsdichter? – Meiner auch,« rep Helene, un de Ogen lücht'ten ehr, »und wenn Sie die beiden Länder mit einander vergleichen, dann können Sie' s mit den Völkern ebenso: Räuber sind hier und Räuber waren da, und – wie ich gelesen habe – giebt's hier auch Clane, wie im Hochland.« Un as sei dit seggt hadd, würd sei füerroth, as hadd sei unbescheiden ehre Weisheit tau Mark bröcht, un wendte sick af un gung up de annere Sid von den Schippsburt un kek 'ræwer nah Cythere. – »»Sei hett Recht,«« säd Tanten Line. – De oll Jahn stunn en Ogenblick in Gedanken un dreihte sick dunn snubbs üm un säd: »Tanten Line, Sei weiten, wovel ick von dit lütt Mäten holl, un worüm ick so vel von ehr holl; æwer ick müggt, dat sei ein einfach Kind blew', dat sei nich alltauvel wüßte, un dat sei mi nich in de Fauttappen von ehre Mutter peddte, denn de is hei denn doch tau klauk.« – »»Hm,«« hauste de olle Dam', »»ja, de Mutter weit von velen Dingen tau reden, æwer sei weit Alles halw, un wenn de junge Minsch – Nemlich heit hei jo woll? – sick en Frugensrock antrecken wull, un sei sick Hosen, denn süllen Sei lang' raden, wen Sei vör sick hadden. – Ne, min leiw' Herr Jahn, Ehr Helening weit vel mihr, as sei seggt, un dorup kümmt dat an. – Bi 'n Mann kann dat all recht verdreitlich warden, wenn hei æwer Allens in 't Blage 'rinner redt; aber bei einer Frau wird es geradezu scheußlich, wenn sie die halbverdauete Speise wieder von sich giebt. – Ne, min leiw' Herr Jahn, bi dat lütt Lening is dat nich so; sie war angeregt durch die Erinnerung an ihren Lieblingsdichter und platzte mit einer richtigen Bemerkung heraus, un nu, dat sei 't dahn hett, is ehr dat schanirlich, un sei wendt sick von uns af. – Twintig Johr un sæbentig Johr is en Unnerscheid: wi ollen Jumfern kænen mit Allens tau Rum' kamen, ahn dat wi nödig hewwen, uns de Mäuh tau gewen, roth tau warden.«« – De olle Jahn gung von ehr furt tau sin Helening un sprok sachte, fründliche Würd' tau ehr. –

»Caffè nero! Caffè Bombay!« rep dat, un dormit würd dat gewöhnliche, dägliche Lewen von Berlin un Wien up dat Schipp versett't. – »Methone!« rep de tweite Kaptain, as sei an 'ne lütte Festung vörbi führten, de wid in de See 'rinner schawen was. – »»Was?«« dreihte sick Anton kort üm un wull sick an den Kaptain wennen, æwer den hadden all Annere mit Beslag beleggt, denn de armen Schippsoffizirers un Matterosen, de Dütsch künnen, wiren tau keine Stunn' ehres Lewens seker, sei würden von de Schipps-Gesellschaft as Maikäwers traktirt un würden Stück för Stück un Bein för Bein allmählich tau Dod' quält. Denn dat, woför wi as Jungs en rechten, gehürigen Puckel vull von uns' Öllern kregen, nämlich för de Dirquäleri, wenn wi Fleigen un Maikäwers de Beinen utreten, dat näumen sei up Stunns ›Forschungstrieb‹ un Wißbegierde‹, un de Ollen freuen sick doræwer un seihn in so 'n fiwjöhrigen Slüngel all den lütten Humboldt. –

Antonen föll nu in, dat hei gor nich nödig hadd, frömde Lüd' tau fragen, hei hadd jo sinen Provat-Erklärer, Herr Nemlichen, de dorför betahlt würd. – Aewer, wo was Herr Nemlich? – Herr Nemlich hadd sick in de letzten Dagen bi sine Prinzipalität gornich seihn laten: Anton hadd em nich verlangt, Paul ok nich; vör de Fru Groterjahnen ehre Klaukheit hadd hei en heimlichen Grugel, un de, de un süs noch ümmer de Stang' hollen hadd, Helene, gung em ogenschinlich ut den Weg'. – Anton drop em denn tauletzt up dat Vörschipp, wo hei sick mang Tau- un Segel-Wark 'rinner pusselt hadd, as wir hei nu mit sin vergangenes, lichtfariges Bottervagel-Lewen affunnen un wull sick nu för en niges Lewen verpuppen. – »Sagen Sie mich mal,« frog de Prinzipal, »was is das mit diesem Ding da?« – Herr Nemlich wickelte sick ut sine anfungene Verpuppung 'rute un säd: »Methone, eine kleine, unbedeutende Festung, die kein Wasser hat, berühmt als Geburtsstadt des Pythagoras.« – »»Py . . . .? Py . . . .? – Wie heißt der Kerl? und was war's mit diesem Kerl?«« – »Pythagoras war ein berühmter Schulmeister im Alterthum, der eine eigene Schule gestiftet hat.« – »»Also 'ne Provatschule,«« säd Anton. – »Ja, und er verbot seinen Schülern, große Bohnen zu essen.« – »»Also was wir Saubohnen nennen. – Na, hören Sie, es ist doch markwürdig, sehr markwürdig, daß die Schulmeister in alter Zeit justement solche Grappen gehabt haben, als unsere auch. – Na, Art läßt nicht von Art.«« – »Ja,« säd Herr Nemlich en beten verlegen, »und denn hat er auch einen Lehrsatz gemacht, und als er den ausfündig gemacht hatte, da opferte er hundert Ochsen.« – »»Was? – En Provat-Schulmeister hundert Ochsen? – Herr, glauben Sie, daß ich dumm bin? – Sie fangen schon schön wieder an: da mit das Pferd und hier mit die Ochsen!«« – »Herr Groterjahn, ich sage bloß, was ich weiß, und mit dem Lehrsatz hat das seine Richtigkeit.« – »»Na, das will ich mich denn auch gefallen lassen, denn Sätze machen die ßackermentschen Schulmeister auch heut und diesen Tag noch. – Was machen die verfluchten Kerls so 'n Rittergutsbesitzer for Ärger! – Sie wollen sogar klüger sein als ihr Herr.«« – Herr Nemlich säd nicks dorgegen, hei treckte blot mit de Schuller un säd: »Und denn hat dieser berühmte Pythagoras noch zwei Dinge erfunden: erstens die Seelenwanderung, und zweitens die Harmonie der Sphären.« – »»Na nu halten Sie man an!«« rep Anton un kek in de blage Luft un ret dat Mul up, grad' as en Karpen, de tidlewens unnen up den Grund in den Slamm 'rümmer wäuhlt hett, un nu tau 'm irsten Mal ut den Dik in de frische Luft 'rinne snappt, »»Seelenwanderung – Was meinen Sie mit dieser Seelenwanderung?«« – »Je,« säd Herr Nemlich un würd ut natürliche Bescheidenheit ümmer lütter, »es ist ein sehr schwieriges Thema; aber es heißt ungefähr: wenn zum Exempel ein Thier stirbt, so fährt die Seele von dem Thier in ein neugeborenes Kind.« – »»Also, so herum! – Na, nu will ich Ihnen sagen, das ist wieder nichts als die niederträchtigste Demokraterie. – Also, wenn ich zu einem Ochsen von Tagelöhner sage, der Allens verkehrt macht: Kerl, Du bist en Ochs; denn stellt er sich vör mir hin, nimmt gar keinen Hut ab und sagt: dafor kann ich nicht, in mir ist mal eine Ochsenseele hineingefahren, und will der Kerl niederträchtig sein, denn sagt er: und die Seele von meinem Kammeraden auf der Hott-Seite, der is in Ihnen hineingefahren. – Und un prügel mal Einer so 'n Kerl! denn nimmt sich so 'n Kerl en Avkaten an, und dieser Kerl von Avkat beweis't am Ende, daß die beiden Ochsenseelen in uns hineingefahren sind. – Herr, Sie . . . . Sie frag' ich nicht mehr. – Ihre Harmonie – wie heißt's noch? – Spähren, die schmieren Sie sich heut Abend auf's Butterbrod und da trinken Sie en scharfen Kümmel drauf. – Mit Ihnen bin ich nu auch fertig.«« – –

Gegen Abend kamm Zante in Sicht un den annern Morgen steg de Gesellschaft tau 'm tweiten Mal tau Corfu an 't Land, un Allens gung nu dörch de Stadt tau Höcht up de Barg'. Dor lagg dat blage Meer, un tackige Halwinseln un Spitzen un Felskanten un olle venetianische Muren un Thörm sprüngen dorinner vör, as wenn dit oll Gewes' wedder jung worden wir un müßt mal as jung Mäten in den Speigel kiken, wo 't ehr laten ded; un dor lagg de schöne Goren, wo sick mal de junge, leiwliche Kaiserin von Oestreich Freden un Gesundheit halt hett, un wat wi in den Nurden mit Mäuh un Noth in heite, dunstige Driwhüser tau halwe Kræpel upfäuden, dat wuß hir fri un frank ut Gottes Hand tau Höchten in den blagen Hewen un gaww sinen Dank as Wollgeruch an de weike, warme Luft af. – »Tanten Line,« rep Helene, »dies ist ein Stück Himmel auf Erden.« – »»Ja, min leiw' Dochter, hett sick baben loslös't un is hir in 't Water follen.«« – »Paul,« rep Jochen Klæhn un rekelte sick mang Zinthen un Akzischen, »rönn mi nich ümmer vör de Ogen 'rümmer, Du verdarwst mi de ganze Utsicht, legg Di hir bi mi dal un kik Di dat mal an. – Dit 's en annern Snack, as dunn, as wi hir in den deipen Leim 'rümmer knedten, as de Fleigen in den Honnig. – Ick glöw', so wat hewwen sei in Barlin nich mal. – Kik, süs hest Du ümmer de Appelsinen in en Korw seihn, un dor bammelte en oll Wiw an, un hir sitten s' natürlich an de Böm. – Paul, dit schriw in Din Dag'bauk un dor mak drei Krüzen bi. – Gott bewohr uns! wat min Mutter woll säd, wenn sei hir bi mi up den Rüggen leg': de Ollsch let jo woll Doden upstahn.« – –

Aewer dat Schipp gung wedder furt, un de tücksche Adria kihrte sick nich an den sehnsüchtigen Blick, den Männigein taurügg smet up dat Stückschen Himmel; sei bröchte wedder Storm un Ungemack, un as tauletzt de Gesellschaft halw rädert un ganz seekrank in Venedig ankamm, säd Anton: »Jahn, wo is es mit Dich? – Unsereins hat doch Rücksichten. – Meine Frau will hier mit Helenen 'ne Zeit lang Akademie studiren und die Baukunst betrachten, und ich mich en bischen verpusten, un Unkel Bors will das Nämliche, denn, wie er sagt, ist er von unten auf rädert.« – »»Je, Groterjahn, ick heww ok kein Lust, mit dat Schipp wedder nah Triest taurügg tau führen un de sülwige Tur taurügg tau maken; ick bliw ok 'ne Tidlang hir, un min olle Fründin bliwwt ok hir.«« – »Is woll 'ne alte, plesirliche Dam'?« – »»Ja, Groterjahn, plesirlich is sei, för mi is sei æwer mihr, ick heww noch meindag' nich en Minschenkind kennen lihrt, wat so 'ne Gewalt up mi utäuwt hett, as dit olle, einfache Frugenstimmer.«« – »Denn is sie woll Eine von Die, die Romanen machen, as Burmeister Füllern seine Tochter aus Neubrandenburg,Louise Mühlbach (Clara Mundt, geb. Müller) [1814-73, Autorin von 290 Romanen im Geschmack ihrer Zeit] die sich ja, wie meine Frau sagt, ganz und gar auf diesem Fache gesmissen hat.« – »»Dat glöw ick nich, Groterjahn, dortau is sei vel tau bescheiden. – Ick glöw' sogar, sei les't nich mal en Roman.«« – »Denn laß Dir sagen, Jahn, denn ist sie auch man ungebildt. – Meine Frau sagt, wer nicht mit der Zeit vorangeht und die neuesten Produkte lies't, verdient gar nicht mal den Namen ›Mensch‹, womit sie mir eigentlich meint; aber – Du lieber Gott! – bei meinen vielen Geschäften, ich kann nicht dazu kommen. – Aber – Apropoh – wo wohnst Du?« – »»Ick wahn mit de oll Dam' bi einen Dütschen mit Namen ›Schwarznagel‹.«« – »Hm,« säd Anton, »Swarznagel, ja, das scheint mich en deutscher Namen zu sein; wir wohnen in einem italjenischen, entweder heißt er ›Lina‹ oder ›Luna‹; so herum ist es, ich muß mich aber genauer darnach befragen.« – »»Wahnt de Baron ok dor?«« frog de oll Jahn. – »Hm,« hauste Anton un kek den Ollen so en beten unseker an, »warum fragst Du darnach? – Hat er Dich auch angepumpt?« – »»Dat nich, Groterjahn, ick frog blot üm Din lütt Helening ehrentwegen.«« – »Das nehm ich Dich gut, Jahn, und – siehst Du – bloß um ihn los zu werden, habe ich ihm Geld gepumpt, denn er steckt mit meiner Frau immer unter einer Decke, und ich habe das so in's Gefühl, da kann ein großes Malheur aus entstehen, wenn sie zusammen was ausbrüten. Hat mich aber nich geholfen, denn der Kerl sitzt hellschen klew'an. – Unkel Borßen ist er auch mit allerlei Aussichten auf fette Ossen unter die Augen gegangen und hat ihn auch über'n Löffel balbirt.« – »»Weit ick,«« säd de Oll. – »»Wo wahnt Herr Bors?«« – »Wohnt auch bei einem Deutschen, mit Namen Bauer, und da wohnt auch unser Tischnachbar, der Herr Gumpert, der ümmer ›schauderhaft‹ sagt.« – »»Na, gu'n Abend, Groterjahn.«« – »Gu'n Abend, Jahn. – Na, wir reden noch mit einander.« – Un Jeder gung in sin Quartir. – –


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