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Elftes Kapitel.
Das letzte Echo.

Gleichwie der Baum nur festern Stand gewinnt und seine Wurzeln immer weiter treibt, wenn starke Stürme ihn zu beugen suchen, so war's auch in der ehrenfesten Stadt, die, oft gebeugt, sich mächtiger erhob und hielt zu dem, was sie für gut und recht befand. Der Zeiten Stürme machten sie nur fester, denn ihres Strebens Wurzel war der Fleiß, Betriebsamkeit und Lauterkeit in Gott.

So hart und oft die Stadt Zittau auch geprüft worden war – sie erholte sich von selbst durch eigene gesunde Säfte. Das Wiedererworbene begann von neuem Zinsen zu tragen an Geist und Wohlstand. Schulen wurden vermehrt, neue Besitztümer gepachtet und so lange weise gespart, bis sich die Pacht zu festem Erwerbe wandelte. Zwei Jahre nach Gottschalks Tode übernahm die Stadt sämtliche Oybinische Güter pfandweise; Oybin-Chronik von Dr. A. Moschkau S. 260. im Jahre 1574 errang sie diese durch den Kauf, dazu den Väterhof, C. A. Peschek: Geschichte der Cölestiner des Oybin's S. 84 – Oybin-Chronik von Dr. A. Moschkau S. 203. so im Laufe der Jahre bis auf die Neuzeit abwechselnd als Bierhof, Ratsbücherei, Schule, sowie nach dem teilweisen Abbruch und Neubau als Waisenhaus, Gefängnis und Kaserne benutzt worden ist. Am 2. Dezember genannten Jahres huldigten die neuen Untertanen dem Magistrate der Stadt, vertreten durch die Ratsherren von Dornspach, Scherffing und Krolaust. Oybin-Chronik von Dr. A. Moschkau S. 262. Von nun an erfolgte eine solide, betriebsame Verwaltung der wertvollen, weit ausgedehnten Güter. Nur die Elemente waren es, die hier und da zu zerstören begannen. –

Das Jahr 1577 hatte zeitigen Lenz gebracht. Schon am 24. März trat ein Gewitter auf wie im Sommer. Auf die Stadt fiel nur ein fünfter Regen, der sich bald wieder verlor. Aber eine derbe Stunde davon, drin in den Bergen, gab es ein fürchterlich Blitzen und Donnergebrüll, also daß manch ein Olbersdorfer die dem Westen Zuwandernden warnte, da hinein zu dringen.

Einer von diesen ließ sich nicht abhalten, wenngleich er ein Greis mit silberweißem Haar war. Ein junger kräftiger Bursche geleitete ihn; er war etwas zaghaft, denn er kannte die Gefährlichkeit der Blitze im Gebirge. Doch als der Alte ihm zusprach: »Fürchte dich nicht vor Gottes Blitzen. Ich muß hin!« da schämte sich der Begleiter und führte ohne Zögern den noch immer rüstigen Greis weiter. Das Gewitter verzog allmählich und versackte sich in dem Berggewirre zwischen der Lausche und dem Tollenstein. Nur in der sechsten Abendstunde zuckte noch ein Blitz, C. A. Peschek: Geschichte der Cölestiner des Oybin's S. 88. darauf ward keiner mehr gesehen. Aber über den Bergen zeigte sich bald darauf ein greller Feuerschein. Beim Austritte aus der Talverengerung hinter der Einsiedelmühle sahen die beiden Wanderer den Herd des Feuers. Droben auf dem Oybin loderten helle Flammen. C. A. Peschek: Geschichte der Cölestiner des Oybin's S. 88.

»Allmächtiger Gott! das Kloster brennt!« rief der Alte und lief, was die alten Beine konnten, dem Meierhofe zu. Dort traf er dessen Bewohner, die entsetzt hinaufschauten in die Gluten. Der Greis schien großen Anteil an des Klosters Schicksal zu nehmen. Er rief den Gaffenden zu:

»Was stehet ihr hier müßig und schauet? Kommt, Männer! schnell vorwärts! laßt uns retten und löschen! droben in der Zisterne Noch heute vorhanden, am Fuße eines überhangenden Felsens nahe dem Friedhofe. ist Wassers genug.«

Mit diesen Worten eilte er hinauf. Er war so erregt, daß er der Leute Zuruf nicht hörte:

»Um Gottes willen, Mann! geht nit hinauf! der Pulverturm, der Pulverturm!«

Keiner wagte dem fremden Alten zu folgen; auch dessen Begleiter blieb zurück, von den Untenstehenden gewarnt. Die aber hatten wohl recht. Es währte nicht allzulange, da stiegen neue mächtige Feuergarben empor und streuten brennende Stücke allenthalben umher. Plötzlich ertönte ein furchtbarer Knall, als ob tausend Kanonenschüsse zugleich gelöst worden wären. Eine einzige hohe Flammensäule stieg empor und erhellte auf Augenblicke grellrot das Dunkel des Tales. Massen von Mauertrümmern und Gebälkstücken stürzten herab bis in den Kreis der Untenstehenden, die sich in die Häuser flüchteten und beteten.

Das war das Ende des Klosters St. Paraklets.

Erst am folgenden Morgen wagten sich die Talbewohner hinauf zu den noch immer hell brennenden Gebäuden. Am Schneiderstübel fanden sie den Alten regungslos hingestreckt und mit Blut überströmt. Es war noch Leben in ihm. Mitleidig hoben sie ihn auf und trugen ihn hinab zum Meierhof; dort stand Gertrude. Als sie des verwundeten Alten mit dem Silberhaare gewahr ward, erschrak sie über dessen traurig Aussehen. Ihr Leben war dem Wohltun und Mitteilen gewidmet und obgleich ihr, der Sechzigjährigen, durch körperlich Leiden manch eine Handreichung sauer ward, so sagte sie doch voll Erbarmen:

»Ihr Leute! tragt mir den armen Greis in meines Hauses Krankenstübel; dort will ich sein pflegen. Und Ihr, Schaffner, verdienet Euch Gotteslohn! fahrt flugs zur Stadt und bringet einen Bader mit.«

So geschah es auch. Der Verwundete lag in Gertrudes Krankengemach und erhielt kühlende Umschläge auf die fieberheiße Stirn. Darauf kam der Bader; der untersuchte ihn genau. Am Körper entdeckte er nur Hautschurfungen und blaue Flecke; aber eine Wunde am Kopfe war schlimm. Er verband sie und ordnete manches an; auch sollte der Kranke in ein Zimmer zu liegen kommen, das sich heizen lasse; die Morgen und Abende waren im Tale noch kalt. Willig opferte Gertrude ein Gemach, das einen Ofen enthielt. Es war ein neben dem Wohnzimmer still gelegen Stüblein, das sie nur betrat, wann sie ungestört alter Zeiten süßer und bitterer Stunden gedachte, wann sie ihr eigen und doch auch der Maria Antlitz im Bild betrachtete und sich dabei in die Vergangenheit verlor.

Des Greises früherer Begleiter blieb im Tale und half Gertruden bei der Pflege. Nur auf kurze Zeit ging er in sein Olbersdorfer Heim zurück, zu schauen, ob Vater Zeisig, der ihn dereinst als Waisenknaben wie ein Kind bei sich aufgenommen, in guter Hut sei. »Es hat alles seinen guten Gang, Friedlieb!« sagte Zeisigs Haushälterin; »geh getrost zu dem armen Alten zurück.«

Bei dem aber währte es lange, ehe er ein Wort bewußt sprach. Die Kraftbrühen, so ihm zur Stärkung eingeflößt wurden, schluckten des Gaumens Organe willig hinunter. Sonst saß er tagelang ohne etwelch Zeichen von des Geistes Regsamkeit mit und ohne Fieber still im behaglichen Bette.

Eines Morgens schlug er zum ersten Male die Augen auf. Die Brühen hatten ihre Schuldigkeit getan: die Sprache kam und das Bewußtsein. Lange ließ er die Augen im Gemache umherschweifen; es war ihm alles wie ein Traum; traumverloren betrachtete er das Marienbild an der Wand. Friedlieb nahm ihm den Verband ab, wusch ihn und legte einen neuen an mit einer Sorgfalt, der man ansah, daß er wieder gutmachen wollte, was er durch sein zaghaftes Zurückbleiben verschuldet. Da fragte ihn der Greis, wo er wäre; sein Helfer sagte ihm: »In Oybin bei einer gar guten alten Frau, die Euch in ihr Haus zur Pflege aufgenommen.« Der Kranke verlangte nach ihr, um ihr zu danken; dann sah er unverwandt wieder das Bild an. Gertrude kam auf Friedliebs Bericht herzu; sie fand den schönen Greis so versunken im Betrachten der Maria-Züge, daß er Gertrudes Eintreten nicht bemerkte.

»Bei Gott!« sagte er vernehmbar vor sich hin, »das Bild ist mir bekannt – aber wo hab ich – – mein Gedächtnis ist schwach – die Steine flogen allzuderb an den Kopf – – – Ja, ja! – das ist – – – Ach jetzt weiß ich's!« fügte er mit einem tiefen Atemzuge hinzu und deckte die Hand über die Augen; dort fing es an, feucht zu werden.

Da zuckte blitzartig eine Ahnung durch Gertrudes Kopf. Der trug wohl auch schon graues Haar, aber drin im Herzen lag noch der ganze unvergebene Vorrat dreißigjährigen Harmes und Schmerzes, und als sie den Kranken aufmerksam betrachtete, fand sie die Ahnung bestätigt. Gleichwie der lang verhaltene Dampf durch grellen Pfiff seines Druckes Gewalt bekundet, so ergötz sich der ganze Schmerz in den einzigen Schrei: »Markus« –

Darauf kniete sie vor seinem Lager und hielt seine Hand an ihre Wange. So hörte sie ihn »Gertrude!« flüstern.

Des Menschen Tränenvorrat nimmt im Alter ab, aber ganz versiegt er nie. Erst droben, wo Gott seinen Gläubigen abwischen wird alle Tränen, wo kein Geschrei, kein Schmerz mehr sein wird, ist des Fäßleins bittersalziger Inhalt ausgeschüttet.

Es verging geraume Zeit, ehe sich des Schmerzes lauter Ausbruch in ein sanft ausklingendes Echo verlor. Dann fand Markus die Sprache wieder. Wehmütig sanft flüsterte er dem teuren Wesen zu: »O Gertrude! warum hattest du mir das getan!?«

Gertrude konnt des Vorwurfs Inhalt nicht verstehen. Da faßte er ihre Hand und sagte ihr alles: Von Wünschs Brief, wie er danach gelitten und daß er nimmer mehr begehrt, ein Ehgemahl zu haben. Und als auch Gertrude gesprochen, als sie ihm das schmerzliche Schicksal entwirrt und ihm gesagt, daß ihr Herz immer und immer nur für ihn geschlagen – da verklang sein letzter Schmerzensschrei: »O! wie hätte ich glücklich sein können!« gleich einem letzten Echo aus fernem weiten Zauberlande.

Markus war ermattet; er konnte nur noch kurz erzählen, wie er neben dem Dienste als evangelischer Pfarrer im Anhaltischen in der Heranbildung seines jungen Verwandten Johannes Arnd gar manchen Trost gefunden, gleich dem Freunde Gottschalk, so immer auf die Kinder verwiesen; wie ihn aber nach Aufgeben seines Amtes die Sehnsucht mächtig ergriffen habe, vor seinem Ende noch einmal das Haus zu sehen, wo Gertrude geweilt, und auch die Stätte, wo er die Maria dereinst so andachtsvoll, dann aber mit weltlichen Gedanken angebetet. Die Stätte, in welcher Johannes Mantel so manches Samenkorn in ihn gestreut, in welcher ihn gar treue Freundschaft mit Tilgenfaß, Martin von Jauer und Gottschalk verbunden, die nun längst dahingeschieden. – Dann schloß er die Augen und schlummerte sanft. Auf seinem Antlitze lag der tiefste Frieden.

Der Bader aus Zittau kam öfter: er schüttelte bedenklich den Kopf und sagte: »Ja, wenn er 57 und nicht schon 75 Jahre alt wäre; getraut ich mir wohl, ihn durchzubringen. Die Wunde am Kopfe geht aufs Gehirn.«

Noch zwei Wochen hatte Markus auf dem Krankenlager zugebracht. In dieser Zeit fanden sich hie und da wieder lichte Augenblicke, während deren Gertrude nicht von ihm weichen durfte. In solchen bat er um Benachrichtigung an seine Verwandten, vor allen an Johannes Arnd. Dann sagte er:

»Unter Donner und Blitz zog ich vor 55 Jahren hier ein ins Kloster. Unter Donner und Blitz sah ich dessen Ende! – – Gertrude, wir sind beide alt: der jugendliche Herzschlag irdischer Liebe ist vorbei. Aber es ist das geblieben, was in keiner Ehe fehlen darf: die religiöse Harmonie! Darum sage ich: Du bist dennoch meine Braut! – Droben, wenn mich der Herr gnädig zu sich einläßt, harre ich dein!« – Und als Gertrude weinend seine Hand faßte, drückte er die ihrige und sagte: »Maria, was weinest du? – Ist unsre Liebe nicht eine im Herrn verklärte geworden? Nun wir innig vereinigt sind in unsrem Herrn und Heilande Jesus Christus, ist sie erst die rechte.« Darauf überkam Gertruden eine geheiligte Freude. Markus sah ihre nach oben gerichteten Augen und sagte: »O diese lieben guten Augen! gerad so blickten sie auf, als du als junge Maid mir von der neuen Lehre erzähltest – – – Nein! schäme dich der Tränen nicht; die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten.« –

Vier Tage vor seinem Tode begehrte er, Zeisig zu sehen. Der war ein Jahr älter als Markus, und obgleich sein Irrsinn sich in ein stumpfes, kindisches Wesen aufgelöst hatte, ließ Gertrude doch Markus' Wunsch erfüllen. Nachdem Friedlieb seinen Pflegevater aus dem Wagen gehoben und an Markus' Lager geleitet, fragte ihn dieser: »Zeisig! kennst du mich?« Der Gefragte blieb teilnahmlos stumm. Darauf sagte Friedlieb zu Markus, er möge ihn mit »du lieber guter Kaspar« anreden, daraufhin sei es hin und wieder etwas licht in ihm geworden.

»Du lieber guter Kaspar! kennst du mich?« fragte Markus nochmals. Da suchte Zeisig mit den Augen im Gemache umher nach der Stelle, von welcher die Stimme gekommen, sah Markus lange an und sagte langsam:

»Du bist – – – zu dir hat sie nit gesagt: »Du lieber guter« – – – du bist – – hätt's vielleicht getan – aber – da starb sie! –«

Mit einem lauten Schrei brach er zusammen, also, daß Friedlieb ihn halten mute. Gertrude stärkte ihn mit Wein.

Am andern Morgen verkündete Friedlieb mit verweinten Augen, er könne heut nicht zur Pflege kommen, sein Pflegevater sei gestern abend gestorben. »An gebrochnem Herzen!« sagte Markus mitleidig und Gertrude teilte ihm mit, was sie erfahren: die Ursache zu Sabines Tode. Darauf blieb Markus lange still. Dann mußte ihm Gertrude noch von dem und jenem erzählen, so sie dereinst als Cölestiner gekannt, und als er erfuhr, daß sie alle, alle abgeschieden seien, sagte er: »So bin ich wohl der Letzte.«

Desselbigen Abends hielt er Gertrudes Hand noch einmal fest, sah sie an und sagte:

»Harre des Herrn! sei getrost und unverzagt und harre des Herrn!« – und als Gertrude darauf voll Inbrunst erwiderte:

»Es ist in keinem andren Heil, ist auch kein andrer Name den Menschen gegeben, darinnen sie sollen selig werden, denn allein der Name unsers Herrn und Heilands Jesu Christi – da wurde sein Blick wie verklärt und mit den Worten Pauli: »Ich habe Lust abzuscheiden und bei Christo zu sein,« faßte er Gertrudes Hand und sagte innig: »Auf Wiedersehen!«

Darauf schlief er ein, schlief noch drei Tage lang; dann zog seine Seele hinauf in jenes Reich, nach welchem er im Dunkeln und Hellen, in Stürmen und Ruhe immerdar gekämpft als wackerer männlicher Streiter.

Gertrude begrub ihn in ihrem Gärtlein, still und im Beisein von nur wenigen. Just-Florian, der Teichwärter, war der einzige, der den Dahingeschiedenen gekannt, als dieser noch Cölestiner gewesen. Just war katholisch geblieben, aber er hielt es nicht für Raub an seinem Glauben, Markus die letzte Ehre zu erweisen; galt es doch zugleich Gertruden, der Wohltäterin. Daß er dies tat, war eine Frucht der letzten Mönche, voran Gottschalks; von ihnen hatte er wie oft gehört, daß die Nächstenliebe nicht aufhören solle, wenngleich des Bekenntnisses Unterschied die Menschen in vielem trenne. Manchem Gelehrten und Klugen ist das nicht gelungen. Der schlichte und einfache Teichwärter hatte es zustande gebracht.

Als Gertrude am Abend des Begräbnistages ihr Lager aufgesucht, rannen der Alten noch der Tränen viele über die Wangen. Der Gedanke aber, daß die kurze Lebensspanne hier auf Erden doch nur eine Vorbereitung für droben ist, daß alle Leiden dieser Zeit nicht wert sind der ewigen Herrlichkeit, so den zu Gott Strebenden erwartet, ließ in ihr eine unsägliche Freude entstehen, eine verklärte Freude, die sich in ihren Träumen noch fortsetzte. Sie sah darin ihren Vater, Markus, Gottschalk, Uttmann und Christinen Hand in Hand in weißen Gewändern durch lichtblauen Äther dahinschweben und hörte, wie sie einträchtig anstimmten: »An einen Gott nur glauben wir.« Und zwei Männer standen dabei in Lichtgestalt, traulich nebeneinander und sangen zu Harfenklang dasselbe Lied. Der eine war Luther; den anderen kannte sie nicht; aber sie hörte, wie Markus ihm zurief: »Bruder Wenscher! hole Zeisig und den gekrönten Maximilian, Sabinen und Nesen, daß sie uns helfen lobsingen und preisen unsern Allvater, den Herrn Herrn, der in Christo über alles so herrlich ist.« Dazu sausten die unzähligen Weltkörper durch den unendlichen Raum und jeder erzeugte einen himmlischen Ton, daß es eine Musik gab, wie sie wonniger nicht gedacht werden kann. Und wann der Mond an dieser Gruppe vorüberzog, so lächelte er vergnügt, und wann er wieder fortwanderte, wurde er traurig und sagte: »Ach, wenn doch die unten ebenso dächten!«

Dieses Traumes Erscheinungen waren nichts anderes, als die Fortsetzung der Geistestätigkeit Gertrudes am Tage; der Geist ruht nimmer. Wohl brachte der Traum auch Verworrenes, dunkle Bilder von Betrügern, aber der Flug jener lieben Gestalten durch Himmels Bläue war so beseligend, daß Gertrude der Gebilde und Gesänge Tag für Tag gedachte und voll Sehnsucht – nicht mehr nach dem Kloster – sondern zum Himmel schaute um der Nachfolge willen.

Nur ein Jahr noch dauerte dieses Sehnen; dann ging auch sie, zu sterben. Nach ihrem Verlangen begrub man sie neben Markus und wand um beide Gräber viel Efeu, den die kranken, Hilflosen und die, so an Gütern und Gottvertrauen durch Gertrude waren wohlhabend geworden, aus dem nahen Walde zusammengesucht und eingepflanzt zu dauerndem Gedächtnis. – –

Jetzt, wo mehr als 300 Jahre seither vergangen, sind die beiden kleinen Hügel längst geebnet; frisches Gebirgsgras wächst darüber. Aber über das Andenken an die edlen Menschen, so auf'm Oybin und in der alten Stadt Zittau ihren Mitmenschen so schön vorgewandelt, soll kein Gras wachsen; derhalb ich denn versucht habe, hierzu ein Scherflein beizutragen. –


Anmerkungen: eingearbeitet. joe_ebc für Gutenberg.

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Manuldruck von F. Ullmann G. m. b. H., Zwickau Sa.

 


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