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Der Oybin vom Hausgrund aus. »Die Gartenlaube«, 1859
Bildquelle: de.wikisource.org

Droben auf dem mächtigen Oybinfelsen der Oberlausitz habe ich oft bewundernd gestanden, bald auf die nicht ferne alte Stadt Zittau schauend, bald auf die malerische Schönheit der den Felsen krönenden Burg- und Kloster-Ruinen. Dort: in altem Gewande eine regsame Bevölkerung voll Leben und Betriebsamkeit, mit immer frisch pulsierendem Blute. Hier: das stumme uralte Gemäuer, verödet und verlassen. Die es bewohnt, schlummern schon seit vielen Jahrhunderten. Stumm ist es nur, sagte ich mir, aber nicht schweigend; denn der hehre Dom mit Kaiser Karls Kapelle, der heimliche Kreuzgang, das Kaiserhaus und Refektorium haben viel zu erzählen. Sie können nicht sprechen und sagen doch Bedeutendes; sogar ihre einzelnen Steine. Rauh und unregelmäßig sind diese, soweit sie der früheren Burg angehören; rauh und unregelmäßig wie das Leben der alten Kämpen, so dereinst darin gehaust haben. Glatt und wohlgeformt zu zierlichem Quader zeigen sie sich, soweit Milde und Gesittung die Veste nach ihrem Verfalle zu einer klösterlichen Friedensstätte umwandelten. Hierin hat alles Bedeutung. Schauet auf die Symmetrie der aufstrebenden Gewölbrippen und sie verkünden uns: die höchste Symmetrie ist Gott. Betrachtet ihre Stützpunkte, die einzelnen Konsole mit dem verschiedenartigsten Gezier –: das ist der symbolische Ausdruck der Gebote Gottes, uns und auch den ehemaligen Cölestinermönchen vor Augen gestellt. Hatten diese die Gebote auch im Herzen? Wie war ihr Leben und Wirken, ihre Freude und ihr Leid? Wie stellten sie sich zur Außenwelt und zu Andersglaubenden? – Das Fragen in diesen Hallen hört nicht auf. Und ich bin gewiß, daß manch einer von den Tausenden, die alljährlich die ehrwürdigen Reste dieser Menschenschöpfungen wieder und immer wieder aufsuchen und die Bewunderung derselben teilen mit der für die noch ältere Gottesschöpfung der wildromantischen Schluchten und Berge ringsumher – daß manch einer von ihnen auch viel gefragt und sich darauf versenkt hat in den Wunsch, aus der Gemäuer Vorzeit etwas zu hören, was ihm Leben und Weben derer einstigen Bewohner schildert und ihn das noch Bestehende ausbauen läßt zu ursprünglicher, reizvoller Gestaltung der Formen und der Ereignisse. Darin liegt ja eben der Reiz der Betrachtung, daß man nicht bloß sieht, sondern schaut, sich an der Hand der Geschichte zurückversetzend in alte Zeit. Wir vergleichen deren Bewegtheit mit der Bewegung im eignen Innern, um uns sodann die letzte Frage vorzulegen: haben wir es weiter gebracht in dem einen, was not tut?

Mit vielen anderen verlangte auch mich noch mehr zu hören, als was die Steine predigen. Ich stieg hinein in die Chroniken der Stadt und des Oybins selbst auf die Gefahr hin, durch sie einen schreienden Kontrast mit dem zu finden, was die Phantasie sich im Voraus edel und ideal ausgemalt hatte. Aber je tiefer ich mich in der Urkunden Berichte versenkte, desto klarer trat die Überzeugung zutage: Hier ist nicht allein ein fesselnd Stück Weltgeschichte; hier verkünden die Chroniken vor allem eine schöne Harmonie des edlen Baustiles mit der Mönche Sein und Wesen. Alle sind sie darin einig: die oybiner Cölestiner seien Männer gewesen »von Gelehrsamkeit und Bildung, von religiösem Geiste, unbescholtnem Wandel und preiswürdiger Humanität«. Einfach auch war ihre Lebensweise. Darum begegnen wir in unsrer Geschichte auch nicht dem wüsten, ränkevollen und genußsüchtigen Leben, wie es so oft in Klostergeschichten ausgemalt ist mit möglichst grellen Farben, damit die »Spannung« des Lesers der zehn Pfennige Lesegebühr wohl verlohne. Hier haben wir es mit Männern zu tun, welche dem Christen – gleichviel welcher Glaubensgemeinschaft – so überaus wohltuend empfinden lassen, daß es wohl möglich ist, was die Bibel preist: »Siehe, wie fein und lieblich ist es, wenn Brüder einträchtig beieinander wohnen.« Jene »preiswürdige Humanität« und die nur selten gestörten gutnachbarlichen Beziehungen sind aber um so gewichtiger, als unsere Geschichte in der Zeit scharfer Gegensätze und Befeindung, in die große Epoche der Reformation fällt und der Friede zwischen der protestantisch gewordenen Stadt Zittau mit den oybiner Mönchen bis auf wenige Differenzen dennoch bewahrt blieb.

Soweit mir Chroniken vonnöten und zugänglich waren, habe ich sie benutzt und sowohl die Quellen, als auch speziellere Angaben derselben nebst sonstigen Erläuterungen in einem besonderen Anhange mitgeteilt, die Geschichte selbst in chronistischem Sinne ausgebaut. Einzelheiten hierin, die vielleicht manchem der verehrten Leser als wenig wesentlich erscheinen, habe ich aus den Chroniken mit aufgenommen, weil sie zur Kennzeichnung damaliger Zeitverhältnisse und Denkweise dienen und andernteils dem Altertumsfreunde Interesse bieten könnten. Die Namen der urkundlich genannten Mönche sind anfangs gesperrt gedruckt.

Diese Vorbemerkungen kann ich nicht schließen, ohne den Herren: Bürgermeister Haberkorn in Zittau, Ratsbibliothekar Kantor Fischer ebenda, sowie Herrn Dr. A. Moschkau in Oybin, dessen »Oybinchronik« mir mannigfache Dienste geleistet, den wärmsten Dank darzubringen für die liebenswürdig und bereitwillig gewährte Unterstützung in Beschaffung und Darleihung chronistischer Unterlagen, bezüglich für Aufdecken und Erklären so vieler, die denkwürdigen Ruinen besonders interessant machender Details. Trotz häufigen Besuches des Oybins waren sie mir unbekannt geblieben, wie gewiß auch manch anderen Beschauern, denen außerdem das sehr sehenswerte Altertumsmuseum des Herrn Dr. Moschkau auf dem Oybin In dem ursprungsgetreu aufgebauten, früheren Refektorium. reiches Material zur Geschichte von Burg und Kloster darbietet.

Der Verfasser.

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