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VI.

Montagvormittag ruft Hunt den Anwalt in seinem Büro an: »Eben habe ich ein Telegramm von meinem Mann bekommen, den ich den Indern auf die Spur gesetzt hatte, Sir. Er meldet, daß die beiden nach Deutschland weitergefahren sind. Das Pärchen hat leider einen ziemlich großen Vorsprung, aber mein Mann ist ihnen auf den Hacken.«

»Ach, Sie haben noch einen Gehilfen zugezogen?« fragt Walford erfreut.

»Ja, Sir, ich kann doch nicht auf dem Festland und in London zugleich arbeiten. Habe auch hier in London noch einen Mann angesetzt, der hinter dem grauen Lieferwagen her ist. Das macht viel Lauferei und auch sonst noch eine Menge Arbeit, von der Sie sich wahrscheinlich wenig träumen lassen. Wäre mir übrigens ganz angenehm, wenn Sie mir einen Scheck über fünfzig Pfund geben wollten, Sir. Habe schon eine Menge Spesen gehabt und konnte auch meinen Mann nicht mit ein paar Schillingen in der Tasche auf Reisen schicken.«

»Wird sofort gemacht,« antwortet Walford bereitwilligst. »Wohin soll ich Ihnen den Scheck schicken, in Ihre Wohnung?«

»No Sir, brennt nicht so damit. Wollte sowieso heute abend zu einer Besprechung zu Ihrem Freund, dem Arzt, kommen, wenn es Ihnen recht ist.«

Walford ist das sehr recht, die Freunde warten sowieso gespannt auf genaueren Bericht des Detektivs.

*

Als Hunt nach dem Mittagessen in seine Wohnung in Westend zurückkommt, sitzt in dem amerikanischen Lehnstuhl im Wohnzimmer der Ire O'Flanagan. »Ihre Fee hat mich eingelassen,« erklärt er. »Verdammt feine Zigarre gefällig, Chef? Habe eben fünf Pfund von einer gewissen Wäscherei eingesackt.« O'Flanagan hält dem Detektiv grinsend eine dicke Importe mit Bauchbinde hin, »Nehmen Sie ruhig, Chef! Sehr zu empfehlen nach dem Essen, wo Sie doch vermutlich gerade herkommen.«

Hunt nimmt dankend die vornehme Zigarre, der Ire steckt sich eine gleich an. »Ging leichter, als ich dachte, Chef. Fand den grauen Wagen heute vormittag auf dem Hof einer stilliegenden Fabrik in Chelsea. Er stand da ganz mutterseelenallein, und kam keiner, ihn abzuholen, obwohl ich geschlagene drei Stunden in einem Torweg lauerte. Hätte doch gar zu gern die Kerls kommen sehen, die den Wagen geklaut hatten und als Leichenauto benutzen. Taten mir aber nicht den Gefallen.

Da rief ich einen Polizisten an, der gerade vorbeikam, und ließ mir von ihm bescheinigen, daß ich den Kasten gefunden hatte. Habe gut daran getan, denn als ich mich draufsetzte und losgondelte, hat mich doch die Polizei wahrhaftig viermal angehalten, bis ich den Wagen glücklich bei den Edelweißleuten abliefern konnte. Freuten sich mächtig, ihren feinen Wagen gesund wiederzusehen, und zahlten mir glatt die ausgesetzten fünf Pfund.

Versteht sich am Rande, Chef, daß ich meine Nase vorher auch in den Wagen gesteckt hatte, es war aber nichts darin zu finden, was von unseren Freunden herrühren konnte. Hatten anscheinend innen alles ausgekehrt und außen sogar abgewaschen. Verdammt vorsichtige Leute.«

»Hm,« sagt Hunt. »Das hast du ja sehr schnell erledigt, mein Sohn, aber das hilft uns noch nicht viel. Hast du nichts von den Leuten ausmachen können, die den Wagen für ihre Schurkereien benutzt hatten?«

»Auch das, Chef. War vorher bei meiner Freundin, der roten Mary, die eine Kneipe in Chelsea hat. Lasse mich da manchmal blicken, weil sie auch eine Tochter der grünen Insel ist, und Landsleute müssen zusammenhalten. Well, und die meinte, so einen Mann mit einem breiten, roten Gesicht hätte sie die letzten vierzehn Tage zwei- oder dreimal in ihrem Saloon gesehen. Sie erinnert sich daran, weil er jedesmal eine feine Zeche machte, will sagen, er soff wie ein Loch. Sie meint auch, ein anderer, der die ganze Fratze voller Pockennarben hatte, wäre einmal dabeigewesen und hätte den Süffel rausgeholt.«

»Hm, wäre nicht unmöglich, daß das unsere Leute sein sollten; daß ein Narbiger auch dabei gewesen sein soll, läßt mir die Sache fast sicher erscheinen. Du läßt doch die Spur nicht kalt werden, Patrik?«

»Denke gar nicht daran, Chef. Bin nur eben hier in Ihre feine Gegend gekommen, um Ihnen die freudige Nachricht zu bringen. Will jetzt gleich nach meiner Bude tippeln, meinen Koffer packen und mich dann bei Mary auf die Lauer legen. Sie will mir eine Dachkammer einräumen, und ich werde dann bei ihr den Barmixer mimen. Vor den Spesen brauchen Sie keine Sorge zu haben, Chef, ich arbeite fürs Essen und Schlafen.«

»Und fürs Trinken,« wirft Hunt ein.

»Hm, versteht sich, man kann doch nicht den ganzen Tag nur zusehen, wie andere Leute sich den Whisky in den Hals laufen lassen. Denke mir, daß der Mann mit dem roten und der mit dem pockigen Gesicht eines schönen Tages mir schon über den Weg laufen wird. Wird wahrscheinlich nicht mal sehr lange dauern, denn die Mary hat den feinsten Whisky in ganz Chelsea. So was spricht sich immer herum.«

»Gut, dann halte deine Augen offen und schlucke nicht zuviel von dem feinen Whisky deiner Mary. Paß übrigens auf, daß du nicht bei ihr kleben bleibst, Patrik! Du hattest mich vergangenes Jahr doch mal mit in die Spelunke genommen. Soviel ich mich erinnere, ist deine Mary gut zehn Jahre älter als du und wasserscheu, will sagen, sie ist eine schmierige alte Schlampe.«

»Sie haben ein verdammt gutes Gedächtnis, Chef,« antwortet der Ire grinsend. »Habe übrigens da auch weiter keine Absichten, tue das nur für unser Geschäft.«

*

Hunt nimmt dankend seinen Scheck und den ersten Brandy mit Zucker entgegen. Dann berichtet er den Freunden von der Entdeckung des grauen Lieferwagens durch den Iren Patrik O'Flanagan. »Er ist ein tüchtiger Bursche, dieser Patrik, ich kenne ihn schon von drüben aus den Staaten. Er machte eine Erbschaft und fuhr über den großen Teich zurück nach seiner geliebten grünen Insel. Mit der Erbschaft scheint aber nicht viel losgewesen zu sein, denn als ich vor drei Jahren nach London übersiedelte, gabelte ich meinen Patrik eines schönen Tages wieder auf. Er lungerte herum und wußte nicht, wie er einen Whisky bezahlen sollte, bis er mich erkannte und mit Freudengeheul auf mich losstürzte. Er ist ebenso liederlich wie alle Iren, aber doch ein smarter Junge, ist jetzt anscheinend schon den Helfershelfern des Inders auf der Spur.«

»Hoffentlich gelingt es ihm,« sagt Walford. »Und Sie, Mr. Hunt, haben die Güte und erklären uns noch einmal genauer, wie das eigentlich alles zusammenhängt!«

»Well, meine Herren, will das gerne tun. Die Sache kam erst richtig ins Rollen, als die Inderin hier bei Dr. Lively auftauchte und ihn warnen wollte.

Aus dem Tagebuch des Majors wissen wir, daß er und Morris zusammen in Indien gewesen sind, eine Zeitlang wenigstens. Sie hatten aber in dieser Zeit ihren Zusammenstoß mit dem Yogi bei dem Opferfest. Als nun erst der Major und dann auch der Oberst verschwanden, war ein Zusammenhang zwischen beiden Ereignissen an sich schon naheliegend. Und wie dann die Inderin auftauchte und Sie, Sirs, mir von dem Yogi in der Landwirtschaftshalle erzählten, da war ich meiner Sache sicher, zumal noch unser Doktor beschwört, daß der Yogi Bairab nur sein rechtes Auge besaß. Allein hätte das nichts bedeutet, es gibt im Morgenland eine Menge Augenkrankheiten, was an der Schmierigkeit der Farbigen liegen muß. Aber zusammen mit dem anderen wird es fast zur Gewißheit, denn Morris hat dem Yogi in Indien das linke Auge mit seiner Reitpeitsche ausgeschlagen.«

Hunt berichtet weiter, daß er in der verlassenen Wohnung des Yogi gewesen ist. Sehen Sie, Sirs, als ich da den blutigen Verband liegen sah und mir die Vermieterin erklärte, der Yogi sei Freitagnacht außer dem Hause gewesen, da wußte ich Bescheid. Freitagnacht ist der Überfall auf den Oberst gewesen. Der Oberst hat einen Schuß aus seiner Pistole abgegeben. Auf wen? Auf den Eindringling natürlich, denn mit einer schweren Heerespistole schießt doch kein vernünftiger Mensch zum Vergnügen in seinem Zimmer herum. Also hat er dem Indienmann eins auf sein braunes Fell gebrannt, und der brauchte wegen seiner Verwundung einen Verband.«

Hunt nimmt einen Schluck aus seinem Brandyglas und sieht mit halbgeschlossenen Augen vor sich hin. »Ach so, ja, Sirs. Kennen Sie vielleicht die Bilder hier?« Hunt zieht den goldenen Anhänger, den er bei der Untersuchung im Bett der Inderin gefunden hat, vor und öffnet ihn. In den beiden Verschlußdeckeln liegen innen zwei kleine Fotos. Das eine stellt eine auffallend hübsche junge Frau, das andere einen etwa dreißigjährigen Mann dar. Beides sind helläugige und hellhaarige, ausgesprochen englische Gesichter.

Zuerst betrachtet der Arzt die Bilder und schüttelt den Kopf, er kennt keinen von beiden. Walford sieht sich dann die Bilder an und meint: »Den Mann kenne ich nicht, aber die Dame kommt mir entschieden bekannt vor.«

Hunt horcht auf und fragt gespannt, wer es denn sei.

Walford sieht sich das Bild nochmals genau an und sagt dann langsam: »Well, die Dame muß ich kennen. Es muß ganz kürzlich gewesen sein, daß ich ihr begegnet bin, aber ich kann nicht auf ihren Namen kommen. Komisch, ich habe doch sonst ein ausgezeichnetes Gedächtnis für Menschen, wenn auch ein schauderhaft schlechtes für Zahlen. Hm, vorgestellt kann sie mir demnach kaum sein, ich muß sie irgendwo so beiläufig gesehen haben.«

»Dann denken Sie bitte in Ruhe darüber nach, Mr. Walford, und sagen Sie mir Bescheid, wenn Sie darauf gekommen sind!« Hunt nimmt den Anhänger wieder an sich und steckt ihn ein, ohne Erklärungen über seine Herkunft abzugeben. Das ist keine Geheimniskrämerei des Detektivs. Er hat aber die peinliche Erfahrung gemacht, daß Leute ohne kriminalistische Schulung – und in dem Punkt mißtraut er sogar dem Anwalt, denn er macht zwischen Jurist und Kriminalist einen großen Unterschied – wenn man ihnen auf die Sprünge helfen will, sehr leicht in den Fehler verfallen, sich dann in bestem Glauben etwas zusammenreimen, was mit der Wirklichkeit nichts mehr zu tun hat. Hunt ist einmal durch eine solche Aussage derart in die Enge geleitet worden, daß er von der richtigen Spur abkam; bis er den Irrtum erkannte, war der Verbrecher längst über alle Berge.

Walford verspricht nachzudenken und fragt: »Es gibt da noch eine ganze Menge Unklarheiten, könnten Sie mir die vielleicht aufklären, Mr. Hunt?«

»Bitte, Sir, fragen Sie! Ich kann Ihnen wenigstens meine Meinung zu allem sagen, und ich darf wohl behaupten, daß sie immerhin auch etwas wert ist. Ich bin schließlich jetzt schon fast dreißig Jahre im Fach, habe eine Masse erlebt und allerhand dabei gelernt. Also fangen Sie mal an zu fragen, Sir!«

»Schön, Sir. Ich würde es weiter nicht verwunderlich finden, wenn der Inder festgestellt hat, daß die beiden Offiziere, an denen er sich rächen wollte, in London waren. Er brauchte ja nur in den Ranglisten nachzusehen oder einen anderen, der Englisch kann, für sich nachsehen zu lassen. Ebenso leicht konnte man dann die Wohnung von Morris und Neston im Londoner Einwohnerbuch ermitteln. Daß schließlich die Inderin wußte, wo John wohnt, ist auch erklärlich. Der Megafonmann brüllte meinen Namen laut durch die Halle, und Lively kennen auch genug Leute. Erste Frage aber: Woher hat der Inder das Geld zur Überfahrt für sich und seine Maid genommen?«

Hunt zuckte die Achseln. »Ich wollte schon hier zu den Künstleragenten gehen, um zu ermitteln, wer das Auftreten Bairabs in der Hall vermittelt hat. Es wäre denkbar, daß der Agent dem Inder die Überfahrt bevorschußt hätte. Ich hatte dann aber Wichtigeres zu tun und sparte mir das langweilige Herumfragen bei all den Agenten. Sollte diese Vermutung nicht zutreffen, dann müßte schon irgendein Geheimbund oder so etwas in Indien dem Yogi Geld vorgestreckt haben; um ihre Rache zu stillen, bringen die Morgenländer jedes Opfer. Weiß also nicht genau, Sir, woher der Indienmann Geld bekommen hat, als Fakir hat er selbst sicher in Indien kein Vermögen erworben, die Kerle betteln sich doch alle ihren Lebensunterhalt bei frommen Leuten zusammen.

Hier in London hat der Indienmann dann von der Landwirtschaftshalle Geld genug für seine Vorstellungen bekommen, die immer überfüllt und sicher ein Bombengeschäft waren. Sehr viel wird er davon aber kaum noch übrighaben, denn er mußte leben, seine Wohnung und vor allen Dingen die Halunken bezahlen, die ihm bei seinen Schurkereien geholfen haben. Hoffe deshalb auch, daß er nicht nach Indien zurückfährt, sondern irgendwo auf dem Festland unterschlüpfen wird.«

*

Walford gab sich mit der Erklärung zufrieden. »Sie sagten immer ›entführt‹, ›verschwunden‹ aber nicht ›ermordet‹, Mr. Hunt. Glauben Sie denn, daß der Yogi unsern Freund nicht ermordet hat?«

»Das glaube ich allerdings, Sir! Wir haben jedenfalls nicht den geringsten Beweis dafür, daß Neston ermordet worden ist, umgekehrt sprechen aber eine Menge Dinge dafür, daß es nicht geschehen ist, oder richtiger, noch nicht. Sie brauchen aber deswegen nicht zu erschrecken, daß ich sage ›noch nicht‹.

Wir haben allen Grund dazu, anzunehmen, daß die Leute des Yogi sowohl den Major wie auch den Obersten in dem grauen Lieferwagen in irgendein Versteck gebracht haben. Die Kerle werden aber weiter nichts tun, als ihre beiden Gefangenen sorgfältig bewachen. Und das aus zwei Gründen. Einmal haben sie selbst ja nichts mit den beiden Offizieren zu tun und werden sich deshalb hüten, diese umzubringen, weil sie dadurch ihren Hals grundlos in Gefahr bringen. Sie werden also ruhig abwarten, bis sie Weisungen von ihrem braunen Räuberhauptmann bekommen, oder noch wahrscheinlicher, bis der selbst wieder bei ihnen auftaucht. Da hoffe ich ihm aber mit Sicherheit zuvorzukommen und ihm einen schönen dicken Strich durch seine Rechnung zu machen.«

Die Freunde lassen sich sehr gern von dem Detektiv Gründe dafür angeben, daß der Major noch lebe und auch keine Gefahr für ihn bestünde.

»Hm, ja,« meint Walford. »Wenn nun aber der Inder nichts mehr von sich hören läßt, dann beisteht doch die Gefahr, daß die Kerle ihre Gefangenen ermorden, damit sie nichts gegen sie aussagen können.«

Hunt lächelt. »Ich glaube vielmehr, daß die Kerle es vorziehen werden, in diesem Falle mit ihren Gefangenen zu verhandeln. Sie werden sich gegen das Versprechen, nicht gegen sie auszusagen, den Rücken decken und sich obendrein noch ein hübsches Lösegeld ausbedingen. Das dürfte eine viel erfreulichere Aussicht sein als ein Hanfstrick.

Sollte mich daher gar nicht wundern, wenn plötzlich bei einem von Ihnen ein Briefchen ankommen sollte, in dem etwas von Lösegeld geschrieben wäre. Dann sagen Sie mir aber um Himmels willen sofort Bescheid, damit ich die Sache richtig erledigen kann.«

Lively, der bisher aufmerksam zugehört hat, wendet sich jetzt auch an den Detektiv. »Mir leuchtet so ziemlich alles ein, was Sie da sagen, Mr. Hunt. Nun möchte ich aber auch eine Frage an Sie stellen. Sie bezweifeln, daß Neston ermordet worden sei, und wir hoffen alle, daß Sie recht haben möchten. Aber Morris jedenfalls war doch tot! Und warum soll der Inder die Leiche haben stehlen lassen? Dafür finde ich keine Erklärung.«

»Nun, Doktor,« antwortete Hunt lächelnd. »Dafür gibt es nur eine einzige vernünftige Erklärung, und das ist eben die, daß der Oberst keine Leiche war!«

Lively schüttelt den Kopf. »Morris war tot.«

»Stop, Sir!« sagt Hunt rasch. »Sie haben mir gesagt, daß Sie keine Todesursache hätten feststellen können. Ebenso muß es aber dem Polizeiarzt gegangen sein, denn sonst hätte er doch nicht angeordnet, daß die ›Leiche‹ zur Öffnung und genauen Untersuchung abgeholt werden sollte. Na, und bevor Scotland Yard soweit war, hat der Indienmann sich die falsche Leiche eben gesichert.«

»Dann nehmen Sie also an, daß Morris nur scheintot gewesen sei?« fragt Lively.

»Allright, genau so meine ich. Wie das zugegangen ist, das kann ich allerdings nur vermuten, es gibt aber eine sehr naheliegende Vermutung dafür. Überfallen hat ihn der Yogi, wie wir aus dessen Verwundung ruhig schließen können. Ich kannte drüben in den Staaten verschiedene Leute, die künstlichen Starrkrampf hervorrufen konnten, einen derartigen Starrkrampf, daß alle Ärzte glatt den Tod feststellten, und vor Verwunderung nachher beinahe selber umfielen, wenn der Tote wieder auflebte.

Diese Leute konnten das allerdings nur bei sich selber machen, einer davon ist übrigens bei dem Kunststück einmal auch richtig gestorben, die Sache scheint also ihre Haken zu haben. Unser Yogi versteht von solchen Teufelskünsten sicher noch eine Menge mehr als die Amerikaner, von denen ich meine Kenntnisse habe. Ich bin daher überzeugt, daß das mit dem Obersten auch so etwas gewesen ist, womit auch gleich erklärt ist, weshalb zwei Ärzte keine Todesursache feststellen konnten.«

Hunt trinkt den Rest aus seinem Glas und schiebt es dem Anwalt mit einem liebenswürdigen Lächeln zum Nachfüllen hin. »Und jetzt möchte ich mal eine Frage stellen, Mr. Lively. Wie sah die Verwundung des Obersten aus, beschreiben Sie mir das bitte ganz genau!«

»Nun, es war nur ein Streifschuß, der in der rechten Schläfe oberhalb des Ohres durch den Haaransatz ging. Es war ein ziemlich tiefer Riß, der Schädelknochen war auch angeschrammt. Die Wunde hatte stark geblutet, infolgedessen sah es, oberflächlich betrachtet, recht übel aus. Aber es war trotzdem nur eine ungefährliche Fleischwunde, die nichts zu bedeuten hatte. Auf keinen Fall konnte sie tödlich sein.«

»Hm, aber hätte Morris durch den Streifschuß, und sei es auch nur für kurze Zeit, das Bewußtsein verlieren können?« fragt Hunt.

»Das könnte sehr gut geschehen sein, die Schläfengegend ist eine sehr empfindliche Stelle, weil die Knochen da sehr dünn sind,« erklärte Lively.

Hunt nickt. »Dann bestände also auch noch die zweite Möglichkeit, daß der Yogi seinem bewußtlosen Opfer irgendein Teufelszeug eingeflößt hat. Hm, dann bleibt mir eins verwunderlich, daß nämlich der Yogi so gut hat schießen können. Knallen können sehr viele Leute, aber wirklich treffen, das verstehen nur sehr wenige, und die Indienleute sind meist alles andere als Kunstschützen.

Darauf kann ich mir eigentlich noch keinen Vers machen. Man könnte ja annehmen, daß einer der Leute des Inders dabei gewesen ist und den Schuß abgegeben hat. Für wahrscheinlich halte ich das aber nicht, denn wenn sie zu zweien gewesen wären, hätten sie Morris doch vermutlich auch gleich fortgeschafft. Weil das nicht geschehen ist, vermute ich, daß der Yogi allein war und sich drückte, da er wegen seiner eigenen Verwundung schlappmachte.«


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