Ernst Raupach
Die Schleichhändler
Ernst Raupach

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Dritter Aufzug.

Scene: die Wohnung des Fräulein von Kiekebusch. Ein Zimmer mit einer Mittel- und zwei Seitenthüren. Abend.

Erster Auftritt.

Fräulein Kiekebusch, Minna und Till sitzen beim Thee.

Fräulein (zu Till). Sie haben Recht, Norna von Filful-Head ist, wenn schon keine Meg Merrilies, doch auch ein hohes Götterbild.

Till. Ja, sie macht auf mich den Eindruck des Erhabenen, wenn ich sie mir vorstelle in ihrem kurzen Wamse von dunkelblauem Sammet, in der Unterweste von karmosinrother Farbe.

Fräulein. Von hochrother Farbe, wollen Sie sagen.

Till. Bitte um Entschuldigung, meine Gnädigste, Sie verwechseln die Unterweste mit den Röcken; die sind von hochrother Farbe.

Fräulein. Sie irren, auch die Unterweste ist hochroth.

Till. Verzeihen Sie, gnädiges Fräulein – –

Fräulein. Nun, den Streit können wir ja gleich entscheiden. (Sie geht in das Seitenzimmer rechts.)

Till. Nun aufgehorcht, schönes Fräulein! Sobald ich weggegangen bin, erscheint der Herr Lieutenant verkleidet hier. Aber erschrecken Sie nicht, schreien Sie nicht, verrathen Sie sich nicht!

Minna. O Himmel! ich zittere und bebe.

Till. Zittern und beben Sie bei besserer Muße.

Minna. Ohne meine Einwilligung! Solch ein Wagestück! Das ist nicht schön. (Das Fräulein kommt mit einem Buche zurück, und hört die letzten Worte.)

Fräulein. Was ist nicht schön?

Till. Das Fräulein behauptet, die Schilderung der Norna von Filful-Head sei nicht schön.

Fräulein. Unterfängt sich die Kleine über den großen Unbekannten zu urtheilen? 32

Till (zu Minna). Ja, mein liebes Fräulein, Sie nehmen es mir nicht übel, so weit geht wohl Ihre Philosophie noch nicht. Wer sich selbst für schön hält, gilt mit Recht für einen eitlen Narren, das geben Sie mir gewiß zu. Also wären wir Deutsche eitle Narren, wenn wir etwas Deutsches für schön hielten. Wo können wir mithin das Schöne suchen? Im Auslande. Also ist alles Ausländische schön.

Fräulein. Welch ein Glück für uns, daß es ein Ausland giebt.

Till. Ja, wie schrecklich, wenn rings um die Erde herum alles Deutschland wäre!

Fräulein. Es wäre entsetzlich! (Sie zeigt ihm eine Stelle in dem mitgebrachten Buche.) Aber sehen Sie: »die Unterweste, die dazu gehörte, war von hochrother Farbe.«

Till. Ich bitte tausendmal um Vergebung. Sie hatten Recht.

Fräulein. Sie fühlen auch wohl, daß es nicht anders sein kann. Alle Unterkleider müssen hochroth sein, wie die Oberkleider dunkelblau sind; denn hochroth ist das Gewand des Bösen, wenn er auf der Erde erscheint, und dunkelblau ist die Farbe des Mystischen. Diese Kleidung ist also das Symbol des Bösen unter der Hülle des Mystischen.

Till. Das nenne ich eindringen. Aber diese poetische Ansicht von Wämsern und Westen, von Röcken und Schürzen ist nur Ihrem fein fühlenden Geschlechte eigen: unter uns erhebt sich höchstens ein Genius wie Walter Scott dazu.

Fräulein. Und dieser Genius offenbart sich gerade am herrlichsten in seinen Beschreibungen. Alles lebt darin.

Till. Ja wohl sogar die Knöpfe.

Fräulein. Auf die Knöpfe kommt viel an, wenn – –

Till (aufstehend). Was war das? Flintenschüsse in der Ferne. (Die Frauenzimmer stehen auch auf.)

Fräulein. Ich habe nichts gehört.

Till. Gewiß, es waren Schüsse. (Zu Minna.) Nicht wahr, Fräulein, Sie haben es auch gehört?

Minna (verlegen). Ja, ich habe es auch gehört. 33

Fräulein. Wer sollte jetzt schießen? es ist Nacht.

Till (indem er seinen Hut holt). Unsere Grenzjäger sind vielleicht mit Schleichhändlern ins Handgemenge gerathen.

Fräulein. Das wäre höchst romantisch.

Till. Und gäbe, hätten wir einen Walter Scott, eine treffliche Beschreibung.

Fräulein. Sie würde herrlich sein, wie alles von ihm herrlich ist.

Till. Ja wohl, selbst die Namen.

Fräulein. In der That, seine Namen klingen romantisch und erhaben, wie z. B. Dunroßneß und Drumshourloch.

Till. Oder Mucklebakit und Knockwinnock!

Fräulein. Zum Entzücken! Mucklebakit und Knockwinnock!

Till. Oder gar Kippletringan.

Fräulein. Ja! Kipple–

Till. O! Kipple–

Beide (in Ekstase). Kippletringan! (Till küßt ihr die Hand und geht durch die Mitte ab.)

Zweiter Auftritt.

Fräulein und Minna.

Fräulein. Ein herrlicher Mensch, voller Gefühl für das Romantische. Hätte er nur nicht ein so abscheuliches Amt. (Zu Minna.) Du kannst dich in dein Zimmer zurück ziehen; ich will noch einen Spaziergang machen. (Beiseite.) Zu dem Fuchse und dem Birkhahn.

Minna. So spät noch, liebe Tante? Es ist sehr finster.

Fräulein. Das ist meine Sache. Gehe! gehe! Gute Nacht! (Sie reicht ihr die Hand zum Kusse; Minna küßt sie und geht dann in das Seitenzimmer zur Linken ab.) Bald wird die Zunge der Zeit neunmal die eherne Lippe küssen; ich muß aufbrechen zur romantischen Vermählung. O wie verlangt mich, die Nachfolgerin der erhabenen Meg Merrilies von Angesicht zu Angesicht – (Hannchen stürzt zur Mittelthüre herein.) 34

 
Dritter Auftritt.

Fräulein Kiekebusch. Hannchen.

Hannchen. Gnädiges Fräulein – ach! wir sind verloren – ein Räuber und Mörder ist in das Haus gedrungen!

Fräulein. Bist du von Sinnen?

Hannchen. Nein! nein! Als ich Herrn Till hinaus gelassen hatte, kam er herein. Ach! ach! er fragt nach Ihnen.

Fräulein. Einfältige! Wenn er nach mir fragt, ist es gewiß kein Räuber.

Hannchen. Ach! da ist er.

 
Vierter Auftritt.

Die Vorigen. Eduard.

Eduard (tritt hastig zur Mittelthüre herein; er ist durch fremdartige Kleidung, Bart und Schminke unkenntlich; trägt einen Degen und eine kurze Flinte; in heftiger Bewegung). Sie sind die Frau vom Hause?

Fräulein. Ich bin es.

Eduard (sich ihr zu Füßen werfend). Retten Sie mich! Gönnen Sie mir eine Freistatt in Ihrem Hause!

Fräulein. Wer sind Sie?

Eduard. Ein Bedrängter, ein Verfolgter.

Fräulein (freudig). Sie sind ein – Schleichhändler.

Eduard. Ja, – die Großmuth leuchtet aus allen Ihren Zügen, Sie sind unfähig, mich zu verrathen – ja, ich bin, was Sie sagen. (Hannchen schlägt leise vor Verwunderung die Hände zusammen und geht durch die Mittelthüre ab.)

Fräulein. Stehen Sie auf! Beruhigen Sie sich! In meinem Hause sind Sie sicher. (Eduard steht auf.) Ihr Name ist Macklot.

Eduard. Wie? – Sie kennen –?

Fräulein. Sollte ein Name unbekannt bleiben, den Heldenthaten berühmt gemacht haben. (Minna erscheint horchend an der Thüre links.)

Eduard. Nein! unsere Thaten sind keine Heldenthaten, unser Ruhm ist kein Ruhm, denn jene sind nicht vollbracht. Dieser ist nicht geerntet auf dem Felde der Ehre.

Fräulein. Vortrefflich! Ich mache diesen Unterschied nicht. 35

Eduard. Ich weiß es, meine großmüthige Beschützerin. Habe ich Sie auch nie gesehen, so hat mir doch der Ruf Ihre hohen Gesinnungen kund gethan. Das machte mich auch so kühn, hier Schutz zu suchen.

Fräulein Den Sie auch finden sollen. Aber wie kam es? –

Eduard. Ich und zwei meiner Gefährten wurden im Walde von einem Dutzend Grenzjäger angegriffen. Eine Zeitlang hielten wir uns gegen sie; aber endlich wurden wir im Handgemenge von einander getrennt, und ich sah mich allein gegen fünf bis sechs. Doch wir sind an solche ungleiche Kämpfe gewöhnt: zwei davon streckte ich zu Boden.

Fräulein. Herrlich! herrlich!

Eduard. Aber in der Vertheidigung gegen die Uebrigen wurde ich aus dem Walde auf das Blachfeld gedrängt. Hier nun, wo ich umringt werden konnte, stand der Sieg nicht mehr zu hoffen; ich floh, wurde verfolgt, hinter mir das Halloh der Jäger, um mich her das Pfeifen der Kugeln – –

Fräulein. Zum Entzücken! Wir hörten das Schießen!

Eduard. Endlich warf ich mich in das Gehölz hinter dem Dorfe, gelangte an die Mauer Ihres Gartens, übersprang sie –

Fräulein. Wie? die zwanzig Fuß hohe Mauer?

Eduard. O wir sind gewohnt, Felsen und Abgründe zu überspringen. In Ihrem Garten erkannte ich wo ich war, und entschloß mich, Schutz bei Ihnen zu suchen.

Fräulein. Und haben ihn gefunden, mein edler Cleveland. So lange Sie es bedürfen, soll Ihnen mein Haus eine Freistatt gewähren. (Die Uhr schlägt neun.) Ich habe noch einen unerläßlichen Krankenbesuch zu machen; Sie bedürfen gewiß der Erholung; dort in jenen Zimmern wird Sie niemand stören; (indem sie ihn nach der Seitenthüre rechts hinführt) ich werde die gemessensten Befehle geben. Auf Wiedersehen!

Eduard. Im Voraus meinen glühendsten Dank, großmüthige Beschützerin. (Er küßt ihr die Hand und geht in das Seitenzimmer.) 36

Fräulein. Ich muß fort; es ist die höchste Zeit. Welche Fülle von Romantik drängt sich in diese glückselige Nacht! Hier Cleveland, dort Meg Merrilies. Nein! unsere Zeit ist noch nicht so arm an Erhabenem, wie ich dachte. (Sie geht zur Mittelthüre hinaus.)


Verwandlung

Scene: Ein Platz im Walde. Auf der rechten Seite ein hoher Felsen und daneben eine große hohle Eiche.

Fünfter Auftritt

Zwei Schmuggler, Packete tragend, kommen von der Rechten.

Erster. Da wären wir ja wieder einmal glücklich durch. Hier ist die hohle Eiche. Nun schnell unsere Waaren abgelegt.

Zweiter. Aber wir wollen die Packete nur recht genau zählen, daß die Besenberger, die sie abholen, nicht wieder eins abläugnen, wie neulich.

[Erster. Hast ganz Recht, das wollen wir. (Sie verbergen die Packete in die Höhlung der Eiche.)

Zweiter. Nun, wie viel Packete hast du?

Erster. Sieben Stück.

Zweiter. Und ich achte. Das macht zusammen fünfzehn Stück.

Erster. Richtig: sieben und achte macht fünfzehn, denn zweimal sieben ist vierzehn, und noch eins dazu macht fünfzehn; und nun komm.]

Zweiter. Höre, der liebe Gott verleiht doch recht sichtbar unserm Handwerk Segen. Trotz der vielen Grenzjäger ist es uns doch noch nicht ein einziges Mal schief gegangen.

Erster. Ich was Grenzjäger! So lange sie nicht Tag und Nacht Mann an Mann auf der ganzen Grenze stehen, oder so lange man nicht eine Mauer baut, die wenigstens hundert Ellen hoch ist, wird immer tüchtig geschmuggelt werden. (Sie gehen dahin ab, wo sie hergekommen sind. Darauf erscheint von der Linken Schelle und vier bis fünf Schritte hinter ihm Waldau.) 37

 
Sechster Auftritt.

Schelle und Waldau.

Schelle (bleibt stehen und horcht).

Waldau (bleibt ebenfalls stehen).

Schelle. Weiß der Himmel – seit ich im Walde bin, kommt es mir vor, als schliche mir etwas nach – und wenn ich stehen bleibe, höre ich nichts. (Er geht wieder einige Schritte nach vorn, Waldau folgt ihm, dann bleibt er abermals stehen, Waldau ebenfalls.)

Schelle (sehr ängstlich). Da war es wieder. (Er horcht.) Hilf Himmel! ich höre athmen – ein reißendes Thier – – Nein! es ist nichts. Es war wohl nur der Wiederhall meines eignen Athmens – denn ich leide zuweilen an Brustbeklemmungen. – Ach! nun merke ich erst, in welche Gefahr mich meine Tollkühnheit gestürzt hat. – Ich will lieber umkehren. Aber das Umkehren ist am Ende eben so gefährlich, als das Hierbleiben, denn ist wirklich ein Ding hinter mir, so laufe ich ihm beim Umkehren gerade in den Rachen. O ich schändlicher Wagehals!

Waldau (ohne Heftigkeit). Guten Abend!

Schelle. Ach! ich bin des Todes. (Er will davon laufen, Waldau faßt ihn.)

Waldau. Bleiben Sie.

Schelle. Um Gottes willen, ermordet mich nicht! Ihr findet nichts bei mir, als eine tombackene Uhr und etwa acht Groschen Geld.

Waldau. Herr, sein Sie kein Narr! Niemand will Sie ermorden.

Schelle. Nicht! Nun, das ist sehr christlich. Aber wie kann man einen so erschrecken?

Waldau. Warum erschrecken Sie vor einem guten Abend?

Schelle. Nun wahrhaftig! so ein guter Abend, der in stockfinsterer Nacht hier zwischen den Bergen wie Donner rollt, ist wohl gräßlich genug. (Sich immer mehr von seinem Schreck erholend.) Aber mit wem habe ich die Ehre –

Waldau. Ich bin ein Mensch wie Sie.

Schelle. Weiter nichts? 38

Waldau. Nein, wie wenig das auch zu sein scheint.

Schelle. Ich hielt Sie für eine Räuberbande, und insofern ich Sie dafür hielt, durfte ich wohl erschrecken, denn eine Räuberbande, das sind hundert gegen einen; wären es nur zehn, es sollte mir nicht darauf ankommen.

Waldau. Das glaube ich gern. Ihr Muth liegt am Tage.

Schelle (für sich). Der thut mir nichts. (Laut.) Aber was wollen Sie von mir?

Waldau. Sie sollen mir einen wichtigen Dienst leisten.

Schelle. Jetzt ist keine Zeit dazu.

Waldau. Doch, eben jetzt. Sie warten hier auf Fräulein Julie.

Schelle. Das wird Sie wohl wenig angehen.

Waldau (scharf). Herr, wenn Sie aus diesem Tone sprechen –

Schelle. Bewahre Gott! Bin ich der Mensch, der aus einem Tone spricht? Ich bin ein ganz tonloser Mensch.

Waldau (von nun an immer heftiger). Noch einmal, Sie erwarten Julie?

Schelle. Ja, gnädiger Herr – allerdings.

Waldau. Und die Losung ist?

Schelle. Die Eul' ist ausgeflogen, die Kön'gin eingezogen.

Waldau. Also doch, doch, doch! Ich habe meinen Verstand gemartert, um Gründe zum Zweifeln zu finden –

Schelle (mit steigender Angst). Das bedaure ich.

Waldau. Und nun steht die ruchlose Wahrheit vor mir – ich kann nicht mehr zweifeln. Meine heiße, treue Liebe wird verrathen, verhöhnt. (Schelle wieder fassend.) Elender! der du mir das Glück des Lebens gestohlen hast –

Schelle. Allergnädigster Herr, erbarmen Sie sich. Ich habe nichts gestohlen; sie hat mir alles selbst gegeben. Meine Seele hat nicht an sie gedacht; sie hat zuerst an mich geschrieben, mir ihre Liebe gestanden, sich mir an den Hals geworfen.

Waldau. Elender! Und einem solchen Feiglinge werde ich aufgeopfert? Es ist nicht möglich.

Schelle. Ganz unglaublich.

Waldau. Und ist doch. Wohl, daß sie so gewählt, ist mein Trost! es beweist, wie verächtlich sie ist. 39

Schelle. Höchst verächtlich.

Waldau. Und Sie, Nichtswürdiger, wer hält mich ab, Sie wie einen Wilddieb nieder zu schießen?

Schelle. Gnädigster Herr, ich will ja alles thun, was Sie befehlen, befehlen Sie nur! Ich will gleich nach Hause gehen, ins Bett kriechen, nicht mehr an die verächtliche Person denken; denn es ist himmelschreiend, einem so großmüthigen und tapfern Herrn meinetwegen den Korb zu geben.

Waldau. Still! Sie bleiben hier, erwarten das Fräulein, und bieten alles auf, um ihr ein ausdrückliches Liebesgeständnis zu entlocken.

Schelle. Das wird nicht schwer sein.

Waldau (wieder aufbrausend). Nicht schwer?

Schelle. Befehlen Sie, daß es schwer sein soll?

Waldau. Leicht oder schwer; ich will dies schimpfliche Geständnis aus ihrem Munde hören. Ich werde beiseite treten. Suchen Sie nicht zu entfliehen; meine Kugel würde Sie ereilen. Geben Sie ihr auch keinen Wink, daß ein Dritter zugegen ist; meine Kugel würde den Wink beantworten.

Schelle (für sich). Guter Gott! der hat alle Taschen voll Kugeln.

Waldau. Ich höre Geräusch; wahrscheinlich ist sie es. Thun Sie, was ich befohlen habe, und vergessen Sie nicht, daß mein Hahn immer gespannt ist. (Er zieht sich nach der rechten Seite zurück.)

Schelle (für sich). Könnte ich doch diesem Hahne den Hals umdrehen! Warum ließ ich, Tollkühner, mich auf ein Liebesabenteuer ein? Aber wer hätte auch gedacht, daß an einer ausgebrannten Kohle sich solche Glut entzünden könnte? (Unterdessen ist Fräulein Kiekebusch von der Linken gekommen und schon einige Schritte vorgegangen.)

 
Siebenter Auftritt.

Die Vorigen. Fräulein Kiekebusch.

Fräulein (für sich). Da ist eine Gestalt; es scheint ein Mann. (Sie hustet.) 40

Schelle (für sich). Himmel! nun geht es los. (Er antwortet mit Husten.)

Fräulein. Die Losung?

Schelle. Die Eul' ist ausgeflogen, die Kön'gin eingezogen.

Fräulein. Sie sind es, Herr Schelle?

Schelle. Wollte Gott, ich wäre ein anderer!

Waldau (für sich). Der Schurke hat ihr doch einen Wink gegeben: sie verstellt die Stimme. Immerhin! weiß ich doch, wer es ist.

Fräulein. Nun, lassen Sie uns gehen.

Schelle. Gehen? Wohin?

Fräulein. Wohin? Zur Hochzeit.

Schelle. Schon Hochzeit? Wo soll denn die Hochzeit sein?

Fräulein. Jenseits der Grenze. Haben Sie es denn vergessen?

Schelle. O beileibe! Aber das eilt ja nicht, das kann morgen oder übermorgen –

Fräulein. Was soll das? Sie wissen ja, daß die Bande morgen schon aufbricht. Sie lagert wohl nicht weit von hier?

Schelle (für sich). Bande? Aha, die hat gemerkt, daß ein Dritter hier ist und will ihm Angst machen. Da muß ich helfen. (Laut.) Die Bande – ja, die ist nicht weit von hier, kaum tausend Schritte – und eine fürchterliche Bande, mit Säbeln und Pistolen, wohl tausend Mann stark.

Fräulein. Ist es möglich?

Waldau (für sich). Sie wollen mich irre führen, als hätten sie einen andern Zweck. Das sollen sie nicht. (Er fängt an ihnen allmählich und im Bogen näher zu schleichen.)

Fräulein. Nun, lassen Sie uns endlich gehen! (Sie will gehen.)

Schelle (sie festhaltend). Gehen? Nein, wahrhaftig nicht. Seht doch! Gehen? Daß so ein verfluchtes Ding hinter mir drein käme, so ein verwünschter bleierner Vogel, dem kein Hase entläuft, geschweige ein Menschenkind. Nein, daraus wird nichts. Wozu denn die Winkelzüge? Sie haben mir Ihre Liebe gestanden, ich habe sie angenommen, 41 sonst wäre ich nicht hier. Sie lieben mich inbrünstig, ich liebe Sie so, daß ich am ganzen Leibe zittere. Wozu also noch lange im Walde herumlaufen? Sagen Sie, aber laut und deutlich: ich liebe dich. Sie kommen nicht von der Stelle. Heraus damit, daß Sie mich lieben, oder ich brauche Gewalt.

Fräulein. Himmel! wer hilft mir von diesem Wahnsinnigen?

Waldau (der ihnen unterdessen von hinten her nahe gekommen ist, tritt nun zwischen sie). Ein unwillkommener Helfer.

Fräulein (erschreckend). Ha!

Waldau. Werfen Sie die Larve ab, mein Fräulein; sie ist unnütz. Ja, Sie sind entlarvt, Treulose.

Fräulein. Gerechter Gott! noch ein Wahnsinniger!

Waldau. Ja, ich war ein Rasender; ich baute auf ein Herz voll Lug und Trug.

Schelle. Ich auch – auf ein Herz voll Kröten und Frösche.

Waldau. Ich bin geheilt. Fürchten Sie nichts von mir: ich verachte Sie.

Fräulein (sich zu Schelle wendend). Sagen Sie mir –

Schelle. Ja, ich verachte Sie auch. (Vier Grenzjäger erscheinen, zwei von jeder Seite.) Waare, die man anbietet, ist nicht weit her, ist nicht meine Waare, alte verlegene Waare.

Fräulein. Fort von mir, Varney und Hatteraick! (Die beiden Grenzjäger von der Linken treten herzu.)

 
Achter Auftritt.

Die Vorigen und die Grenzjäger.

Erster Jäger. Haha! erwischt.

Fräulein. Gerechter Himmel!

Schelle (will nach der Rechten entfliehen, wird aber den dort stehenden Grenzjäger gewahr und zieht sich nach der Eiche zurück, in deren Höhlung er sich verkriecht).

Waldau. Zurück! oder ich schieße.

Erster Jäger. Das laßt bleiben. Wir sind königliche Grenzjäger. Zeit und Ort beweisen, daß ihr Schleichhändler seid, ihr müßt uns auf das Zollamt folgen. 42

Fräulein. Ich bin das Fräulein von Kiekebusch.

Waldau. Welch ein Irrthum! Ich bin der Oberförster von Eicherode.

Erster Jäger. Das geht uns nichts an. Auf dem Zollamte wird es sich ausweisen, wer Sie sind. (Unterdessen hat der Grenzjäger zur Rechten, der Schelle bemerkt hat, ihn gesucht, ist nun an die Eiche gekommen und greift so in die Höhlung derselben, daß er Schelles Kopf faßt.)

Schelle (schreiend). A–a–ah! Barmherzigkeit!

Zweiter Jäger. Hoho! da steckt noch einer. Heraus mit dir! (Indem er ihm heraus hilft, wird er die in der Eiche liegenden Packete gewahr.) Was Teufel! Packete! Contrebande! Contrebande! (Der Jäger aus dem Hintergrunde der Rechten kommt ihm zu Hilfe; sie nehmen die Packete heraus und ordnen sie.)

Schelle. Ach, hochverehrte Herren Jäger, sie gehört mir nicht.

Zweiter Jäger. Alle Wetter, ist das nicht Herr Schelle?

Schelle. Ach! ach! lassen Sie mich fort, ich will Sie künftig ums halbe Geld rasiren.

Waldau (zu dem ersten Jäger). Ich wiederhole es Ihnen: wir haben nicht daran gedacht und es wird Sie gereuen –

Erster Jäger. Das ist meine Sache.

Zweiter Jäger (zu Schelle). Herr Schelle, Sie müssen uns tragen helfen. (Sie packen ihm während des Folgenden einen Theil der Waaren auf den Rücken; die übrigen nehmen sie selbst.)

Erster Jäger. Zum letzten Male, wir thun unsere Pflicht und Sie folgen uns auf das Zollamt, im Namen des Königs.

Fräulein. Nichts Romantisches gelingt, das ist der Fluch dieser Zeit.

Zweiter Jäger (zu Schelle). Vorwärts!

Schelle. Ein verfluchtes Liebesabenteuer, zum Packesel geworden und nun gar noch im Namen des Königs – es ist zu viel, es ist zu viel. (Sie wenden sich alle nach der Linken.)

Der Vorhang fällt.



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