Ferdinand Raimund
Der Bauer als Millionär
Ferdinand Raimund

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Sechster Auftritt

Sechs Pagen und sechs Mädchen weiß gekleidet mit rosenroten Spensern, welche samt den Hüten mit blühenden Rosen verziert sind, tanzen herein und gruppieren sich auf beiden Seiten der Tür. Dann hüpft die Jugend herein, eine weiß kasimirne kurze Hose, weiß atlaßne Weste mit silbernen Knöpfchen, am Kragen mit Rosen garniert. Rosenrotes Fräckchen. Weiß atlaßnen runden Hut mit einem Rosenband. Das Beinkleid am Knie mit silbernen Knöpfen und rosenroten Bändern gebunden. Sie spricht im hochdeutschen Dialekte mit einem Anklange des preußischen.

Vorige.

Jugend.
Grüß dich der Himmel, Brüderchen! Du nimmst es doch nicht übel, daß ich dir meine persönliche Aufwartung mache?

Wurzel.
Das ist ein prächtiger Mensch! hundsjung und geißnarrisch! Hat mich noch nie gsehen, und gleich Brüderl.

Jugend.
Ja Bruder, ich komme in einer besonderen Angelegenheit!

Wurzel.
Nun Bruder, mit was kann ich dienen? (Für sich.) Der braucht gwiß ein Geld.

Jugend.
Ja – nimm es nicht übel, Brüderchen, aber mit uns ists aus. Ich bin hier, um dir meine Freundschaft aufzukünden.

Wurzel.
Nun, das wär nicht übel, Bruder, jetzt lernen wir uns erst kennen, Bruder, und sollen schon wieder bös aufeinander sein, Bruder, das wär gfehlt.

Jugend.
Haha! Was fällt dir ein, Brüderchen? Fehlgeschossen, das endigt ja eben unsere Freundschaft, weil wir schon gar zu lange miteinander bekannt sind. Wir sind ja schon zusammen auf die Welt gekommen, weißt du denn das nicht mehr?

Wurzel.
Ja, ja, ich erinnere mich schon, nachmittag wars, und gregnet hats auch.

Jugend.
Wir sind auch miteinander in die Schule gegangen. Weißt du denn das auch nicht, wir sind ja auf einer Bank gesessen.

Wurzel.
Ist richtig! Auf der Schandbank sind wir gesessen. (Für sich.) Ich kenn ihn gar nicht.

Jugend.
Ja freilich! Sie haben uns ja dadurch zwingen wollen, daß wir etwas lernen sollen.

Wurzel.
Nun ja, was das für Sachen waren, aber wir haben nichts dergleichen getan. Oh, wir waren ein Paar feine Kerls! (Für sich.) Ich hab ihn mein Leben nicht gsehen noch.

Jugend.
Und wie wir beide zwanzig Jahr alt waren, haben wir die ganze Gemeinde geprügelt. Oh, das war ja prächtig, Brüderchen!

Wurzel.
Oh, das war ein Hauptjux! (Für sich.) Ich weiß kein Wort davon.

Jugend.
Und getrunken haben wir, Bruder, das war mörderisch.

Wurzel.
Oh, das war schändlich, Bruder!

Jugend.
Ja, und was wir alles getrunken haben!

Wurzel.
Nu, einmal haben wir, glaub ich, gar einen Wein getrunken, das Verbrechen!

Jugend.
Ja, und was für einen!

Wurzel.
Einen Luttenberger.

Jugend.
Und einen Grinzinger!

Wurzel (für sich).
Ist alles nicht wahr.

Jugend.
Du hast mich ja in alle Wirtshäuser herumgeschleppt, wir waren ja alle Tage sternhagelvoll besoffen. Kurz, wir waren ein Paar wahre Lumpen.

Wurzel (beiseite).
Er muß doch eine Spur von mir haben, er kennt mich doch. (Laut.) Bruder, wir wollens noch sein! schlag ein, Bruderherz!

Jugend.
Bruder, nein! Jetzt ists gar. Du mußt jetzt solid werden, du mußt dich um sieben Uhr zu Bette legen, darfst dir keinen Rausch mehr trinken – kurz, was du zu tun hast, das wirst du von einem anderen hören, der dir alles pünktlich auseinandersetzen wird.

Wurzel.
Bruder, was wär denn das? – Ich keinen Rausch – und das ist das Edelste an mir. Ich bin so gsund, daß ich mit einer Armee raufen könnt.

Jugend.
Ja Brüderchen, jetzt solang ich noch bei dir bin. (Stark.) Doch den ersten Schritt, den ich aus diesem Saal mache, wird dich die Lust verlassen, auf eine so unedle Weise dein Schicksal ferner zu versuchen.

Wurzel.
Ich fang mich völlig zum fürchten an. Auf die Letzt kann der Kerl hexen! Das wär eine hantige Bruderschaft.

Jugend.
Also adieu, lieber Bruder! Verzeihe mir, was ich dir Leids getan hab, du lieber guter Kerl du! Ich bin gewiß ein fideler Junge, habs lang genug mit dir ausgehalten, du warst mein intimster Freund, aber du bist gar ein lüderliches Tuch, darum leb wohl, Brüderchen! sei nicht böse auf mich und sage mir nichts Schlechtes nach.

Duett
Jugend. Brüderlein fein, Brüderlein fein,
Mußt mir ja nicht böse sein!
Scheint die Sonne noch so schön,
Einmal muß sie untergehn.
Brüderlein fein, Brüderlein fein,
Mußt nicht böse sein.
Wurzel. Brüderlein fein, Brüderlein fein,
Wirst doch nicht so kindisch sein!
Gib zehntausend Taler dir
Alle Jahr, bleibst du bei mir.
Jugend. Nein, nein, nein, nein!
Brüderlein fein, Brüderlein fein,
Sag mir nur, was fällt dir ein?
Geld kann vieles in der Welt,
Jugend kauft man nicht ums Geld.
Drum, Brüderlein fein, Brüderlein fein,
's muß geschieden sein.
Jugend. Brüderlein, bald, Brüderlein, bald
Flieh ich fort von dir.
Wurzel (gleichzeitig).
Brüderlein, halt, Brüderlein, halt,
Geh nur nicht von mir.
(Unter dem Ritornell tanzt die Jugend und ihr Gefolge.)
Jugend. Brüderlein fein, Brüderlein fein,
Wirst mir wohl recht gram jetzt sein?
Hast für mich wohl keinen Sinn,
Wenn ich nicht mehr bei dir bin?
Brüderlein fein, Brüderlein fein,
Mußt nicht gram mir sein!
Wurzel. Brüderlein fein, Brüderlein fein,
Du wirst doch ein Spitzbub sein!
Willst du nicht mit mir bestehn,
Nun, so kannst zum Teuxel gehn!
Jugend. Nein, nein, nein, nein!
Brüderlein fein, Brüderlein fein,
Zärtlich muß geschieden sein.
Denk manchmal an mich zurück,
Schimpf nicht auf der Jugend Glück!
Drum, Brüderlein fein, Brüderlein fein,
Schlag zum Abschied ein!
Beide. Brüderlein fein, Brüderlein fein,
Schlag zum Abschied ein!

(Umarmen sich. Die Jugend tanzt ab, ihr Gefolge nach.)

Siebenter Auftritt

Wurzel geht nach einer Flasche Wein, will trinken, stellt sie aber mißmutig zurück und setzt sich in einen Stuhl.

Lorenz.

Lorenz (nähert sich Wurzel langsam).
Wie ist denn Euer Gnaden?

Wurzel.
Gar nicht gut. So gewiß dumm ist mir.

Lorenz.
Ja, man sieht Ihnens an, völlig vernagelt schauen Sie aus.

Wurzel.
Und was ists denn so kalt heran, hab ich denn s' Fieber?

Lorenz (sieht zum Fenster hinaus).
Ja ich glaubs, es fang' ja zum schneien an. Ah, das ist gspaßig! Da schauen S' naus in den Garten, alles ist weiß, und die Bäume, alle Blätter werden gelb.

Wurzel.
Was ist denn das für eine Hexerei?

(Habakuk bringt Champagner.)

Habakuk.
Der Champagner ist da!

Wurzel.
Marschierst! Einen Kamillentee laßt mir machen, und einheizen, man möcht ja erfrieren. (Es wird im Kamin eingeheizt. Die Turmuhr schlägt Eilf.) Jetzt hats elf Uhr gschlagen! Erst wars zwölf, jetzt ists wieder elf Uhr. Hat denn die Zeit einen Krebsen verschluckt, daß die Stunden rückwärts gehen? Es wird ja stockfinster, bringts Lichter! (Es wird Nacht. Von außen Katzengeschrei: Miau! Miau!) So! jetzt singen die vierfüßigen Nachtigallen, das ist eine falsche Stund! (Heftiges Pochen von außen.) Ist schon wieder wer da? Verdammtes Gesindel! Ist denn keine Ruh! Schau hinaus. (Wird wieder geklopft.) Und das Klopfen! Wollen s' denn aus meinem Haus eine Stampfmühle machen?

(Bediente bringen Lichter.)

Lorenz (hält den Kopf zur Glastür hinaus).
Ui je! Ui je! Ein alter Herr mit ein Leiterwagen ist drauß, er will mit Ihnen reden.

Wurzel.
Wer ist er denn?

Lorenz (ruft hinaus).
Wo sind wir denn her?

Das Alter (von außen).
Aus Eisgrub.

Wurzel.
Aus Eisgrub? Nein, was das für Visiten sein, da kenn ich kein Menschen.

Alter (von außen).
Na, nur aufmachen. Ich bin das hohe Alter. Ich will hinein!

Wurzel.
Das Alter? die Tür sperrst zu und unterstehst dich nicht, daß du ihn hereinläßt.

Alter (von außen).
Nun, wird die Tür aufgmacht oder nicht?

Wurzel.
Nein, saperment!

Alter (von außen).
Ah so? Nun, so komm ich schon mit Gewalt hinein!

(Die Glastür wird vom Wind aufgerissen, so daß die Scherben davonfliegen. Das Alter fliegt herein auf einem Wolkenleiterwagen. Zwei Schimmel, alte Bauernpferde, sind vorgespannt. Der Wagen ist mit gelbem Gesträuch ausgefüllt. Das Alter sitzt in einem alten Hausrock, der bis an die Knie reicht, darin, den Kopf mit einer Pelzschlafhaube bedeckt, die Füße in Pölster gewickelt, auf dem Schoß einen schlafenden Mops und auf der Achsel eine Eule. Ein kleiner uralter Kutscher ist auf dem Bock. Der Wagen ist etwas beschneit.)

Alter (mit kränklicher Freundlichkeit und persiflierendem Wohlwollen, steigt aus dem Wagen, mit einem Krückenstock).
Sie verzeihen, daß ich so frei bin, meine mühselige Aufwartung zu machen. Ich weiß nicht, ob Sie mir es ansehen werden oder nicht, ich bin das hohe kranke Alter, Ihnen miserablicht zu dienen. Ich hab da ein Einquartierungszettel bei Ihnen.

Wurzel.
Bei mir? Glaubt der Herr, bei mir ist ein Spital?

Alter.
Wird schon eins werden, wenn ich eine Weile da bin. Sein S' nicht bös, daß ich so unerwartet komm, gewöhnlich korrespondieren die Leut schon vorher mit mir, aber Sie haben ein braves Kind, die 's mit Ihnen gut gmeint hat, aus dem Haus gjagt, und da haben s' mich dafür gschickt. Nehmen Sie mich an Kindesstatt an.

Wurzel.
Ja, aber z' Haus bhalt ich Ihn nicht, ich gib Ihn ins Kadettenstift nach Ybbs.

Alter.
I bewahr! wir werden uns schon miteinander vertragen, ich bin ein spaßiger Kerl. Ich mach noch an mancher Tafel, bei manchen Hausball meine Lazzi, ich hupf noch bei manchen Ecossais mit, bis mir einen rechten Riß gibt, hernach setz ich mich gschwind nieder.

Wurzel.
Ja, ja, gscheider ists!

Alter.
Wenn wir eine Weile bekannt sind, werden schon meine Verwandten auch ihre Aufwartung machen. Mein liederlicher Vetter, der verdorbene Magen, das wird der erste sein, der Ihnen die Honneurs machen wird, und meine Cousine, die Gicht, die hat mich schon versichert, sie kanns gar nicht erwarten, Sie an ihr gefühlvolles Herz zu drücken. Oh, hören S', das ist eine unterhaltliche Person, ich sieh Ihnen schon ordentlich nach Pistyan ins Bad mit ihr reisen, und treu ist sie –

Wurzel.
Ich weiß, man bringt s' gar nicht los. Ein jeder sagt: da hast du s', ich mag s' nicht.

Alter.
Und was tun Sie denn, mein lieber Herr von Wurzel? Was gehen S' mir denn so kühl herum? Werden S' gleich ein Schlafrock anziehen? Sapperment hinein! so schaute doch auf euren Herrn! Ist ja ein alter Herr, müßt ja hübsch acht geben auf ihm. Wenn er euch stirbt, seids brotlos. Gleich bringts ihm ein Schlafrock!

(Bediente wollen fort.)

Wurzel.
Nicht unterstehen – oder ich schlag einen hinters Ohr!

Alter.
Was, schlagen? Gleich niedersetzen! (Er nimmt ihn an der Hand und setzt ihn in einen Stuhl.)

Wurzel.
Himmel! wie wird mir?

Alter.
Nicht unterstehn und schlagen. Die Pferd schlagen aus, nicht die Leut. Damit Sie aber nimmer ausschlagen (berührt sein Haupt, und Wurzel bekommt ganz weißes Haar) – So, jetzt ist aus dem Bräunl ein Schimmel worden. So! hato! mein Schimmerl! Nu, nichts hato?

Wurzel (weinend). Lorenz, mein Schlafrock.

(Man zieht ihm denselben an, und zwar so, daß er dadurch zugleich sein Bauerkleid anzieht, dessen Ärmel in den Ärmeln des Schlafrocks stecken. Er bekommt einen kaschierten Kropf.)

Alter.
So, mein lieber Herr von Wurzel! Tun S' mich nur gut pflegen, damit wir lang beisamm bleiben, mit mir muß man gar heiklich umgehn.

Wurzel.
Aber was soll denn das heißen?

Alter.
Das sind die Wintertag.

Wurzel.
Ah, ich hätt glaubt, die Hundstäg!

Alter.
Wie mans nehmen will. Aber jetzt leben Sie wohl, ich hab mein Post ausgerichtet. Wenn S' mich auch nicht mehr sehen, Sie werden mich schon spüren. Für einhundertunddreißig Jahr können Sie sich ausgeben, auf mein Wort. Adieu! (Umarmt ihn.) Also schön merken: In der Früh ein Schalerl Suppen und ein Semmerl drinn, um ein elf ein bisserl in der Sonn spazierengehen, aber immer ein Hafendeckl auf den Magen legen, daß Sie sich nicht erkühlen. Z' Mittag ein eingmachts Henderl und ein halbs Seiterl Wein, und auf d' Nacht eine halbete Biskoten. Und gleich ins Betterl gehn. So! jetzt pa! pa! alter Papa, und befolgen Sie meinen Rat. Kein Tee müssen S' nicht trinken, den haben S' so schon. (Er steigt in den Wagen.) Hansel! langsam fahren, daß wir kein Unglück haben, mit die Teufeln von Rosser. (Macht Pa aus dem Wagen.) Gute Nacht! mein lieber Herr von Wurzel! gute Nacht! (Fliegt ab.)


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