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Dritter Aufzug.

Erster Auftritt.

Mathan. Nabal. Der Chor.

Mathan. Ihr Mädchen, geht und saget Josabeth,
Daß Mathan insgeheim sie sprechen will.

Eines der Mädchen des Chors.
Mathan! Allmächtiger, mach' ihn zu Schanden!

Nabal. Wie, Alles flieht und Niemand giebt dir Antwort?

Mathan. So laß uns näher gehn.

 

Zweiter Auftritt.

Zacharias. Mathan. Nabal.

Zacharias. Wohin, Verwegner?
Nicht über diese Schwelle! Dies hier ist
Das heil'ge Haus geweihter Gottesdiener,
Das kein Unheiliger betreten darf.
Wen sucht ihr hier? An diesem hehren Tag
Bebt vor der Götzendiener sünd'gem Anblick
Mein Vater scheu zurück, und meine Mutter,
Die im Gebete vor dem Ew'gen kniet,
Will nicht in dieser heil'gen Pflicht gestört sein. 278

Mathan. Beruh'ge dich, mein Sohn, wir werden warten.
Die edle Mutter ist's, mit der zu reden
Ich hier bin auf der Königin Befehl.

 

Dritter Auftritt.

Nabal. Mathan.

Nabal. Die Kinder sind schon trotzig wie sie selbst.
Was aber führt Athalia im Sinn,
Woher bei ihr die schwankenden Entschlüsse?
Heut morgen war sie durch des Joad Hochmuth
Verletzt, im Traume hatte sie ein Kind
Bedroht, sie wollt' im Zorn den Joad opfern,
Und Baal und dich in diesen Tempel setzen;
Du gabst mir deine Freude drüber kund,
Und ich versprach mir Antheil an der Beute.
Warum denn schwankt sie plötzlich im Entschluß?

Mathan. Freund, seit zwei Tagen kenn' ich sie nicht wieder.
Sie ist die stolze, klare Königin
Erhaben über ihr Geschlecht nicht mehr,
Die die erstaunten Feinde niederwarf
Und ganz den Werth des Augenblicks erkannte.
Jetzt trübt Gewissensangst die große Seele,
Sie schwankt und zagt, und kurz, sie ist ein Weib.
Ich hatte eben noch mit Haß und Groll
Ihr Herz erfüllt, das von des Himmels Drohung
Schon tief erschüttert war, sie selbst, indem sie
Die Sorg' um ihre Rache mir vertraute,
Rieth mir, die Wachen eilig zu versammeln.
Doch sei's, daß die Erscheinung jenes Kindes,
Das von den Eltern ausgestoßen ward,
Das Schrecken jenes Traums verminderte, 279
Sei's, daß besondrer Reiz sie fesselte.
Ich sah, wie nach und nach ihr Zorn sich legte,
Wie sie die Rach' auf morgen schon verschob,
Und alle ihre Plän' in Nichts zerrannen.
Ich aber sprach: Vom Schicksal dieses Kindes
Ließ ich mich unterrichten. Schon beginnt
Man seiner Ahnen hohen Glanz zu rühmen,
Schon zeigt ihn Joad der Rebellenschaar
Von Zeit zu Zeit und stellt den Juden ihn
Wie einen zweiten Moses hin. Er stützt
Dabei sich auf Orakeltrug. Dies Wort
Rief plötzlich Zornesglut auf ihre Stirn;
Noch nie hat eine gut erfundne Lüge
So rasch gewirkt, denn plötzlich rief sie aus:
Soll ich in Ungewißheit mich verzehren?
Nein, nein, ich will der Zweifel mich entled'gen,
Du selbst verkünde Josabeth dies Urtheil.
Die Glut ist schon entfacht, das Schwert bereit!
Erhalt' ich nicht zum Pfande jenes Kind,
So wird ihr Tempel bald vernichtet sein.

Nabal. Sie werden doch um eines Knaben willen,
Den sie nicht kennen, den der Zufall ihnen
Entgegenbrachte, ihren Tempel nicht
Zu Grunde richten lassen?

Mathan. Ach, erkenne
Nur erst den stolzesten der Sterblichen.
Eh' Joad dieses Kind mir überläßt,
Das er für seinen Gott bestimmt hat, sähest
Du ihn die schlimmste Todesqual erleiden.
Und dann ist ihre Liebe zu dem Kinde
Ja augenscheinlich. Hab' ich die Erzählung
Der Kön'gin recht verstanden, nun so weiß
Das Kind mehr, als es sagt, von seiner Abkunft.
Wer er auch sei, verderblich wird er ihnen. 280
Was dann geschehen wird, ist meine Sache.
Bald wird, so hoff' ich, Schwert und Feuer mich
Befrein vom Anblick des verhaßten Tempels.

Nabal. Wer füllt dein Herz mit Haß so mächtig an?
Reißt so der Eifer um den Baal dich hin?
Ich, wie du weißt, aus Ismaels Stamm entsprossen,
Dien' Baal nicht, noch dem Gotte Israels.

Mathan. Freund, wähnst du, daß ich mich in blindem Eifer
Verblende für ein eiteles Idol,
Für ein zerbrechlich Holz, an dem die Würmer
Trotz meiner Sorge nagen Tag für Tag?
Geborner Diener jenes Gottes, den
In diesem Tempel man verehrt, würd' ich,
Wie einst ich that, ihm heut vielleicht noch dienen,
Wenn Sinn für Größ' und Macht, die Lust zu herrschen
Sich mit so enger Pflichten Joch vertrüge.
Brauch' ich dich an den weltberühmten Zwist,
Den ich mit Joad hatte, zu erinnern,
Als ich das Weihrauchfaß ihm streitig machte,
An alle meine Ränke, meine Kämpfe,
Und an die Thränen der Verzweifelung?
Von ihm besiegt wählt' ich ein andres Loos
Und wandte meinen Sinn dem Hofe zu.
Der Kön'ge Ohr gewann ich nach und nach,
Und bald ward meine Meinung zum Orakel.
Ihr Herz erforschend, ihren Launen schmeichelnd,
Bestreute ich des Abgrunds Rand mit Blumen.
Galt's die Befried'gung ihrer Leidenschaft,
Dann war mir Nichts mehr heilig; wie sie's wünschten,
Gab ich jedwedem Ding Gewicht und Maß.
Wenn Joads unbeugsame, rauhe Sprache
Das weichliche, verwöhnte Ohr verletzte,
Entzückt' ich sie durch mein geschmeidig Wesen.
Die ernste Wahrheit ihrem Blick verbergend 281
Verlieh ich ihren Lastern hell're Farben
Und war vor Allem niemals sparsam mit
Dem Blut des unterdrückten, niedren Volkes.
Da ward dem neuen Gott, den sie einführte,
Ein Tempel von Athaliens Hand gebaut.
Ob der Entweihung war Jerusalem
In Thränen, Levis Kinder, schreckerfüllt,
Erhoben lautes Wehgeschrei zum Himmel.
Ich ganz allein gab den verschüchterten
Hebräern eines kühnen Muthes Beispiel.
Abtrünnig, wie ich war, lobt' ich die That,
Und so gewann ich mir die Priesterschaft
Des Baal und wurde meinem Nebenbuhler
Ein Dorn im Aug'; ich schlang um meine Stirn
Das heil'ge Diadem und schritt einher
Als seines Gleichen. Doch, ich muß gestehn,
Bei diesem hohen Glanz, der mich umgiebt,
Wirft die Erinnrung an den Gott, den ich
Verließ, oft Schatten in mein banges Herz.
Das aber nährt und steigert meinen Haß.
O könnt' ich Rach' an seinem Tempel üben,
Ihm zeigen, wie sein Haß ohnmächtig ist,
Und unter Trümmern, Leichen, Raub und Plündrung
Gewaltsam des Gewissens Stimm' ersticken!
Doch sieh, es nahet sich uns Josabeth.

 

Vierter Auftritt.

Josabeth. Mathan. Nabal.

Mathan. Die Ruhe herzustellen und den Haß
Zu mildern, sandte mich die Königin.
O Fürstin, die der Himmel sanft geschaffen,
Sei nicht erstaunt, daß ich an dich mich wende. 282
Bedenklich stimmet ein Gerücht mir scheint's
Erlogen zu des Himmels Warnung, die
Im Traum ihr ward, und lockte schon auf Joad,
Den man geheimer, schlimmer Pläne zeiht,
Die ganze Ladung ihres Zorns herab.
Nicht meine Dienste will ich hier dir rühmen,
Nur kenn' ich Joads Ungerechtigkeit;
Doch Böses muß man ja mit Gutem lohnen.
Kurz, ich erscheine hier mit Friedensworten.
Lebt, feiert unbelästigt eure Feste,
Ein Pfand jedoch will sie von eurer Treue.
Umsonst bemüht' ich mich, ihr's auszureden:
Ihr sollt das elternlose Kind, das sie,
Wie sie mir sagt', hier sah, ihr überliefern.

Josabeth. Eliazim?

Mathan. Ihretwegen bin ich fast
Beschämt. Wie konnt' ein eitler, leerer Traum
Sie so erschüttern? Ihr macht sie jedoch
Zu eurer ärgsten Feindin, wenn ihr nicht
Alsbald das Kind ihr übergebt. Sie harrt
Mit Ungeduld auf das, was ihr beschließt.

Josabeth. Ist das die Friedensbotschaft, die du bringst?

Mathan. Und wie, du zauderst noch, sie anzunehmen?
Erkauft ihr durch so unbedeutende
Gefälligkeit den Frieden euch zu theuer?

Josabeth. Schon war ich ganz erstaunt, daß Mathan, frei
Von Hinterlist, sein ungerechtes Herz
Bekämpft' und er, der schon so viel
Des Bösen that, ein wenig Gutes nun
Zu thun gedachte. 283

Mathan. Weß beklagst du dich?
Kommt man, dein Kind, den Zacharias, dir
Aus deinen Armen zu entreißen? Wer
Ist aber jener Knabe, der euch Allen
So theuer scheint, den ihr so sorgsam pflegt?
Mich wundert deine Zärtlichkeit für ihn.
Ist er euch ein so werther, seltner Schatz,
Ist's ein Erlöser gar, den euch der Himmel
Bereit hält? Merkt es euch, wenn ihr ihn mir
Verweigert, könnt' ich dem Gerüchte glauben,
Das man im Stillen auszustreun beginnt.

Josabeth. Welch ein Gerücht?

Mathan. Daß er von edler Abkunft,
Daß dein Gemahl zu Großem ihn bestimmt.

Josabeth. Und dies Gerücht, das seinem Hasse dient,
Weiß Mathan zu benutzen!

Mathan. Fürstin, dir
Liegt's ob, mich von dem Irrthum zu befrein.
Ich weiß, daß Lügen dir ein Greu'l, du würdest
Dein Leben lieber opfern, als die Wahrheit
Nur durch ein einzig falsches Wort entstellen.
Sprich, hat man denn vom Schicksal dieses Kindes
Nicht die geringste Spur? Umhüllt ein Dunkel,
Das undurchdringlich, sein Geschlecht? Du selbst
Weißt nicht, wer seine Eltern sind, von wem
Es Joad hat bekommen? Sprich, ich höre
Und bin bereit, zu glauben. Gieb dem Gott,
An den du glaubst, die Ehre.

Josabeth. Ziemt es dir,
Verworfener, von einem Gott zu reden, 284
Den Andre du zu schmähen lehrst? Kannst du
Ein Zeugniß jener Wahrheit geben, du,
Der auf dem Stuhle sitzt, den rings die Pest
Umhaucht, wo Lüge thronet und ihr Gift
Verbreitet, du Elender, der du groß
Geworden in Verrätherei und Trug?

 

Fünfter Auftritt.

Joad. Josabeth. Mathan. Nabal.

Joad. Wo bin ich? Seh' ich nicht den Priester Baals?
Du, Davids Tochter, sprichst mit dem Verräther?
Du duldest, daß er zu dir spricht, und fürchtest
Nicht, daß der Erde Schlund vor dir sich aufthut
Und plötzlich Flammen aus dem Abgrund steigen,
Daß auf ihn stürzend diese Mauern dich
Zugleich mit ihm zermalmen? Was begehrt er,
Wie kann der freche Gottesfeind es wagen,
Die Luft, die man hier athmet, zu vergiften?

Mathan. An dieser Leidenschaft erkennt man gleich
Den Joad; doch er thäte wahrlich besser,
Vorsichtiger zu sein, die Königin
Zu achten und den Träger ihrer Botschaft
Nicht zu beleid'gen.

Joad. Nun, was ist's so Schlimmes,
Das sie uns zu entbieten hat, und was
Befiehlt sie uns durch einen solchen Diener?

Mathan. Ich habe Josabeth es schon verkündet.

Joad. Fort aus den Augen mir, du Ungeheuer
Der Gottvergessenheit! Geh', mach' es voll, 285
Das Maß all' deiner Greuel! Gott wird bald
Dich zugesellen den Meineid'gen:
Abiram, Dathan, Doeg, Ahitophel!
Die Hunde, denen er einst Jesabel
Zur Beute gab, sie warten nur, bis sich
Sein heil'ger Zorn auf dich ergießt, sie sind
Schon an der Thür und harren ihres Fraßes.

Mathan. Noch vor des Tages Ende wird man sehn,
Wer von uns Beiden . . . doch komm, Nabal, gehn wir.

Nabal. Wohin verirrst du dich? Wie hat Bestürzung
Auf einmal deiner Sinne sich bemächtigt?
Hierhin geht unser Weg . . . .

 

Sechster Auftritt.

Joad. Josabeth.

Josabeth. Der Sturm bricht los,
Athalia fordert wüthend den Eliazim.
Man dringt schon ins Geheimniß deiner Pläne
Und seiner Abkunft; wenig fehlte noch,
Daß Mathan mir schon seinen Vater nannte.

Joad. Wer hätt' es dem Verräther denn entdeckt?
Hat deine Angst ihm nicht zu viel enthüllt?

Josabeth. Mein Möglichstes hab' ich gethan, sie zu
Bemeistern; aber glaube mir, schon drohn
Uns rings Gefahren, laß für beßre Zeiten
Das Kind in Sicherheit uns bringen. Laß,
Dieweil die Bösen Pläne schmieden, mich
Zum zweiten Mal ihn bergen, eh' man ihn
Umringt und uns entreißt. Die Thore stehn 286
Noch offen, und die Wege sind noch frei.
Soll ich ihn in die schlimmste Wüste bringen?
Ich bin bereit, ich kenne einen Ausgang,
Auf dem ich unbemerkt den Bach des Kidron
Durchschreitend ihn dorthin geleiten kann,
Wo David, Rettung suchend in der Flucht,
Sich der Verfolgung seines Sohns entzog,
Der gegen ihn im Aufstand war; um ihn
Würd' ich die Bären nicht und Löwen fürchten.
Jedoch warum verschmähn wir Jehus Hülfe?
Vielleicht ist dies ein guter Wink für dich,
Laß Jehu dieses Schatzes Hüter sein!
Man könnte ihn in seine Staaten führen;
Der Weg dahin ist nicht so weit, und Jehu
Hat keineswegs ein unerbittlich Herz,
Der Name Davids hat ihm guten Klang.
Ach, giebt es einen König, der so hart
Und grausam wär', es müßte Jesabel
Denn seine Mutter sein, daß ihn das Schicksal
Solch eines Hülfeflehenden nicht rührte?
Ist seine Sache nicht die aller Fürsten?

Joad. So zahmen Rath wagst du mir zu ertheilen,
Auf Jehus Schutz und Hülfe willst du baun?

Josabeth. Verbietet Gott denn jede Sorg' und Vorsicht,
Muß zu viel Selbstvertraun ihn nicht verletzen?
Bedient er nicht zu seinen hohen Plänen
Sich oft der Sterblichen, und hat er nicht
Die Waffen selbst in Jehus Hand gelegt?

Joad. Jehu, den seine tiefe Weisheit sich
Ersah, auf den sich deine Hoffnung gründet,
Vergaß mit Undank seine Wohlthat schon.
Jehu läßt Ahabs grauenvolle Tochter 287
In Ruh' und folgt dem Beispiel, welches frevelnd
Die Fürsten Israels ihm gaben. Schont
Er doch die Tempel des Aegypter Götzen!
Jehu, der auf des Berges Höhen Weihrauch,
Den Gott nicht dulden kann, zu opfern wagte,
Hat nicht den festen Muth, die reine Hand,
Um Gottes Sache zu vertheid'gen
Und Unbill, die ihm widerfährt, zu rächen.
Nein, an den Höchsten selber müssen wir
Uns halten! Laß Eliazim jetzt uns zeigen
Und, statt ihn ängstlich zu verbergen, laß
Sein Haupt uns mit der Königsbinde schmücken!
Ich will sogar die anberaumte Stunde
Beschleunigen, damit der Plan, den Mathan
Ersinnt, uns nicht bedroh' und überrasche.

 

Siebenter Auftritt.

Joad. Josabeth. Azarias, begleitet vom Chor und mehreren Leviten.

Joad. Azarias, ist der Tempel nun verschlossen?

Azarias. Ja, jeden Zugang ließ ich schließen.

Joad. Also
Bliebst du nur übrig und die heil'ge Schaar?

Azarias. Zu zweien Malen macht' ich in dem Vorhof
Des Tempels meine Runde. Alles floh,
Und Niemand ist zurückgekehrt. Die Furcht
Hat diese jämmerliche Schaar verjagt,
Und nur noch vom geweihten Stamm wird Gott
Bedient. Seit dieses Volk vor Pharao floh, 288
Ward es noch nie von solchem Schreck befallen.
Feig sind sie in der That, geboren nur
Zur Sklaverei und kühn nur gegen Gott.
Doch wer hält noch die Kinder hier zurück?

Eine der Jungfrauen des Chors.
Wie könnten wir, o Herr, von dir uns trennen,
Sind wir denn fremd im Tempel unsres Gottes?
Sind doch bei dir die Väter und die Brüder!

Eine Andere. Ach, können wir auch nicht wie Jahel einst
Der Gottesfeinde freches Haupt durchbohren,
Die tiefe Schande Israels zu rächen,
So dürfen wir doch Gott das Leben weihn.
Wenn euer Arm für unsren Tempel kämpft,
Steigt unser heißes Flehn zu ihm empor.

Joad. Sieh, solche Rächer waffnen sich für dich.
Nur Priester, Kinder sind's, o ew'ge Weisheit!
Doch wenn du hilfst, wer kann sie dann erschüttern?
Du rufst uns, wenn du willst, selbst aus der Gruft,
Du schlägst und heilst, du tödtest und erweckest.
Nicht auf die eigene Gerechtigkeit,
Wir baun auf deinen oft gerufnen Namen
Und auf die Eide, welche du geschworen
Dem edelsten von unsren Königen,
Auf diesen Tempel, den du selber dir
Zur Wohnung auserkoren, der noch länger
Als selbst das Licht der Sonne dauern wird.
Doch welch ein heil'ger Schauer füllt urplötzlich
Die Seele mir! Ist's Gottes Geist, der mich
Ergreift? Er ist es, ja, er glüht in mir,
Er spricht, es öffnen meine Augen sich
Und schauen kommende Jahrhunderte.
Leviten, leiht mir eures Wohllauts Klänge
Und tragt auf euren Rhythmen mich empor. 289

Der Chor (singt zum Klang aller Instrumente).
O heil'ger Gott, laß deine Stimm' erschallen,
Sie dringe tief in unsre Herzen ein,
Thautropfen gleich, die auf die Gräser fallen,
Gleich Lenzeswehn beim Morgenschein.

Joad. Ihr Himmel, hört mich! Erde, leih' dein Ohr!
Jakob, nicht sag', es schlafe Gottes Macht.
Zurück, ihr Frevler, denn der Herr erwacht
Und mächtig reißt er mich empor.
(Die Symphonie beginnt aufs Neue und Joad spricht sogleich wieder.)
Wie ist das reine Gold zu Blei geworden,
Wer konnt' am heil'gen Ort den Priester morden?
Wein', o Jerusalem, du Unglücksstadt,
Die Gottes Seherschaar vernichtet hat!
Gott kehrt sich ab, sein Herz ist nicht mehr dein,
Der Weihrauch, den du bringst, ist ihm nicht rein.
Wo führt ihr jene Kinder hin und Fraun?
Die Königin der Städte ist vernichtet,
Priester gefesselt, Könige gerichtet,
Auf Opfer und Gebet hat Gott verzichtet!
Umhülle dich mit Nacht und Graun,
Du heil'ger Tempel, stürz' zusammen;
Ihr Cedern, sprühet Flammen!
Jerusalem, die ich beklage,
Wie wurdest du an Einem Tage
Der Reize, die dich schmücken, baar!
Die Augen mögen immerdar
Zum Quell der Thränen sich vereinen,
Dich, Hohe, zu beweinen,
Die einst so groß, so herrlich war.

Azarias. O heil'ger Tempel!

Josabeth. David! 290

Der Chor. Sieh hernieder,
Gott Zions, sei uns mild und freundlich wieder.

Joad. Jerusalem, du steigest neu empor,
Hell aus der Wüste hebst du dich hervor,
Und deine Stirn trägt hochgeweiht,
Das Zeichen der Unsterblichkeit.
Ihr Völker alle, singt im Chor!
Woher, die nicht dein Schooß gebar,
Der Kinder ungezählte Schaar?
Erhebe stolz dein Haupt, dich grüßen
Der Völker Kön'ge, die dein Glanz erschreckt,
Und küssen, auf den Knien dahingestreckt,
Den Staub von deinen Füßen.
Sieh, wie die Völker dir entgegen wallen!
Glückselig, wessen Herz entbrannt
In heil'ger Glut zu dir sich hat gewandt.
Laß, Himmel, deinen Thau herniederfallen,
Und der zum Heiland ward ersehn,
Laß Erde ihn aus deinem Schooß entstehn!

Josabeth. Woher, ach, kann uns dieser Segen kommen,
Da doch die Könige, aus deren Stamm . . . .

Joad. Bereite Josabeth, die heil'ge Binde,
Die Davids hochgeweihte Stirne schmückte.
Ihr aber folget mir, euch zu bewaffnen,
Zum Orte, der, unheil'gen Blicken fern,
Von Lanzen und von Schwertern starrt,
Die einst in der Philister Blut sich tauchten,
Die David, reich an Ruhm und Jahren einst,
Dem Gott geweiht hat, der ihm Schutz gewährte.
Giebt's einen edleren Gebrauch für sie?
Kommt, ich will selbst sie unter euch vertheilen. 291

 

Achter Auftritt.

Salomith. Der Chor.

Salomith.
O Schwestern, welche Angst und Pein!
Allmächtiger, sind das die Gaben,
Die Opfer und die Spezerein,
Die wir dir heut zu bringen haben?

Ein Mädchen aus dem Chor.
O Unheil, das uns widerfährt,
Wie kann so Schreckliches geschehn,
Daß wir im Haus des Friedens blitzen sehn
Des Krieges Werkzeug: Lanz' und Schwert?

Ein andres Mädchen.
Wie kommt's, daß, wo Gefahr sich zeigt,
Jerusalem gleichgültig schweigt,
Warum, ihr theuren Schwestern, spricht
Zu unsrem Schutz der brave Abner nicht?

Salomith.
Weh' uns, an einem Hofe, wo nur thronen
Gewaltsamkeit und Macht,
Wo hohe Würden, Glanz und Pracht
Der Schmeichler Kriecherei belohnen!
Wer wagt' es wohl und liehe dort
Der Unschuld, die erliegt, ein kühnes Wort?

Ein drittes Mädchen.
Für wen in schwerbedrängter Zeit
Hält man das heil'ge Diadem bereit?

Salomith. Gesprochen hat des Höchsten Mund,
Doch nur dem Seher hat er sich enthüllt,
Und ihm allein nur wird die Zukunft kund,
Die unser Herz mit Angst erfüllt.
Bewaffnet sich der Herr, um uns zu retten,
Oder bedroht uns Tod, bedrohn uns Ketten? 292

Der ganze Chor.
Verheißung, Drohung, dunkles Loos,
Liegt Gutes, Böses in der Zukunft Schooß?
Wie eint der Liebe unerschöpfter Born
Sich mit der Rache, mit dem Zorn?

Eine Stimme.
Zion vergeht! In Glut und Flammen
Stürzt seine Herrlichkeit zusammen!

Eine andre Stimmee.
Zion besteht! Und seiner Allmacht Wort
Ist ihrer Zukunft Schutz und Hort.

Die erste.
Verschwinden seh' ich Zions Glanz und Pracht.

Die zweite.
Ich seh' sie strahlen durch die fernste Ferne.

Die erste.
Sie sank hinab in eines Abgrunds Nacht.

Die zweite.
Hell leuchtet ihre Stirn im Kranz der Sterne.

Die erste.
O tiefer Fall!

Die zweite.
O Glanz, o Ruhm,. o Schöne!

Die erste.
Welch Wehgeschrei!

Die zweite.
Horch, welche Siegestöne!

Eine dritte Stimme.
Laßt ab von Furcht, was Gott umhüllt mit Nacht,
Wir werden's einst im Lichte schauen.

Alle drei.
Wir woll'n uns beugen vor der ew'gen Macht
Und fest auf ihre Liebe bauen. 293

Eine andre Stimme.
Das Herz. das hin zu dir sich neigt,
Wer kann's in seinem Frieden stören,
Wenn's dir allein will angehören,
Und jegliche Begierde schweigt!
Es kann im Himmel und auf Erden
Nicht Glück noch Ruh' gefunden werden,
Als wo das Herz zu dir sich neigt. 294

 


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