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Nachwort des Übersetzers.

Sie haben ihn noch lange bedroht, und noch längst hatte der arme Kerl den Kelch des Leidens, den ihm die unselige Angewohnheit beschert hatte, nicht ausgekostet. Den Berichten, die der Leser nun kennt, die zum ersten Male im September und Oktober 1821 im »London Magazine« erschienen, ließ der Verfasser im Dezember 1822 einen Nachbericht folgen, der in seinen wesentlichen Teilen nichts Neues enthält. Ihn abzudrucken würde der Mühe nicht lohnen. – Der mißhandelte Magen wurde immer wieder rebellisch. Immer wieder verfiel Thomas de Quincey dem Opiumgenusse. Bald nahm er mehr, bald weniger. Gesund ist er während seines ganzen Lebens nicht mehr geworden. Immer wieder versuchte er sich einzureden, sein Leiden habe andere Ursachen als das Opium, machte immer wieder die Not der Jugenderlebnisse für das Unglück verantwortlich. Und – seltsamerweise – wurde er dabei vierundsiebzig Jahre alt.

Wer er war? – Am 15. August 1785 wurde er, wie er in diesem Buche berichtet, als Sohn eines Kaufmanns geboren. Der Vater, der lange in Indien gelebt hatte, starb früh, bereits in seinem neunundvierzigsten Jahre. Thomas war damals erst sieben Jahre alt. Zuerst besuchte er eine Schule in Salford, mit elf Jahren kam er auf die Bath Grammar School, dann nach Winkfield und schließlich auf die Manchester Grammar School, in der wir ihn antreffen. Die Vormünder hätten ihn gern dort gelassen, weil die Möglichkeit bestand, daß er sich für die Studienzeit ein Stipendium von 50 Pfund Sterling jährlich hätte erwerben können. Es war doch nicht reine Bosheit, wie der Mann noch glaubt, die ihn zurückhielt. Nach all dem Erleben, das er beschrieben, fand er zunächst im Hause eines seiner Onkel, eines Geistlichen in Chester, Aufnahme, um dann mit einem jährlichen Wechsel von 100 Pfund Sterling Worcester College in Oxford zu beziehen. Im Jahre 1804 traf er den Freund, der ihm Opium empfahl. Er war damals im zweiten Studienjahre. Im Jahre 1807 half er Coleridge aus seinen Geldnöten dadurch, daß er ihm von seinem kleinen Vermögen 300 Pfund Sterling vorschoß. In dieser Zeit erwarb er auch des berühmten Dichters Wordsworth Freundschaft; 1809 die von John Wilson. Erst als er 1813 sein kleines Vermögen verlor, warf er sich auf die Schriftstellerei. Er wurde Mitarbeiter der angesehensten Zeitschriften Englands. Schrieb für die »Quarterly Review«, die »Westmoreland Gazette«, »Blackwoods Magazine«, »The London Magazine«, in dem zuerst die » Confessions« erschienen. Später auch für »Tait's Edinburgh Magazine« und die berühmtesten seiner Arbeiten, die Essays über Shakespeare und Goethe, für die » Encyclopaedia Britannica«.

1816 hatte er sich mit Margaret Simpson verheiratet. Kinder wurden geboren. 1821 verlor er von neuem sein Vermögen. Er fand Hilfe bei seinen Freunden und Aufträge die Fülle. 1826 veröffentlichte er in »Blackwoods Magazine« eine Serie von Artikeln über deutsche Prosaisten. Durch diese und andere Arbeiten wurde er mehr und mehr nach Edinburg gezogen, und 1830 siedelte er mit seiner Familie endgültig dahin über. In all den Jahren war er leidend und fiel immer wieder in die Opiumsucht zurück. Aber anderer Kummer kam noch über ihn. Sein jüngster Sohn starb 1833, sein ältester zwei Jahre später. 1837 starb seine Gattin, und von diesem Zeitpunkte ab wurde der Opiumgenuß wieder regelmäßig bis zu seinem am 8. Dezember 1859 erfolgten Tode. 1855 erschienen seine gesammelten Werke. Die letzten Jahre nach dem Ableben seiner Gattin waren seine drei Töchter seine Hilfe. Zwei seiner Söhne waren Offiziere in der Armee, ein anderer studierte Medizin. Die älteste Tochter diente ihm als Sekretärin. – So fand er schließlich doch einen ruhigen und friedevollen Lebensabend.

Die » Confessions of an english Opiumeater« könnten den Eindruck erwecken, als sei de Quincey ein Vorläufer Edgar Allan Poes gewesen. Das ist im allgemeinen nicht der Fall. Dieser autobiographische Bericht steht ganz vereinzelt unter seinen übrigen rein literarisch-wissenschaftlichen Werken. Thomas de Quincey war ein Mann der systematischen Wissenschaft. Das kommt selbst in diesem Werke, in dem er immer wieder zu systematisieren versucht, zum Ausdruck. Immer wieder stoßen wir auf ein »erstens ... zweitens ... drittens«. So gibt das Gesamturteil über den Mann die Gewißheit, daß auch der »Opiumeater« ein Werk ist, das aus wissenschaftlichen Beweggründen, nicht wegen der zufällig mit dem Stoffe und dem Autor verbundenen Sensation geschrieben wurde. Ob freilich das Urteil, das der Verfasser ausspricht, immer ganz richtig sein mag, steht in Frage. Vielleicht war er doch etwas zu sehr abhängig von der in Rede stehenden Materie, so daß ein ganz objektives Urteil ihm doch nicht möglich gewesen ist. Wahrscheinlich stand neben dem wissenschaftlichen Interesse auch das der Selbstverteidigung bei der Abfassung dieses Buches Gevatter. Wie aber immer die Beweggründe gewesen sein mögen: nicht abstreiten läßt sich, daß gerade dieses Buch Weltruf erhielt, und daß kein Literarhistoriker es wagen darf, trotz des in sich prekären Stoffes, an diesem Buche ohne weiteres vorüberzugehen.

Die vorliegende Übersetzung ist an einigen Stellen, die etwas weitschweifig erschienen, um ein weniges gekürzt. Sonst hat sie sich bemüht, dem Verfasser gerecht zu werden.

Dr. Leopold Heinemann.


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