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Die Makkabäer

in drei Gesängen.

Die meisten Geschichtsforscher sind darüber einig, daß der Zunahme Makkabäer nicht ausschließlich einem Geschlechte angehörte, sondern zur Zeit der Verfolgung der Juden durch den König Antiochus Epiphanes, in den Jahren 166 und 167 vor Chr., überhaupt allen Jenen gegeben ward, die sich durch Heldenmuth, Großthaten und Eifer in der Vertheidigung des wahren Glaubens und der vaterländischen Sitten auszeichneten. Die Veranlassung dazu gab wahrscheinlich der sterbende Mathathias, der im prophetischen Geiste seinen drittgebohrnen Sohn Judas, unstreitig den größten Helden der Israeliten neuerer Zeil, mit denn Zunahmen מקבי – Hämmerer zum Heerführer des Volks ernannt hat.


I.
Mathathias.

Trost.

Tön', o Gesang, im lauteren Schlag der Fittige brausend
Ueber den Erdkreis hin, den Ruhm des Heldengeschlechtes,
Das für Jehova's Gesetz und die vaterländischen Sitten
Eifernd, im Schlachtengefild die frechumwüthenden Gegner
Tapfer bekämpft', und aus dem ein Weib, voll hohen Gemüthes,
Sie, der blühenden Söhn' entsetzlichen Tod in der Folter
Muthig ertragend, besiegt', und so noch der spätesten Nachwelt
Weihte der Thaten Gewinn: der Tugend erhebendes Beispiel.

Asia's König, Antiochos Antiochus Epiphanes, ein Sohn Antiochus des Großen, bestieg im Jahr 175 vor Chr. widerrechtlich den Thron von Syrien, der eigentlich dem Demetrius, dem Sobne seines älteren Bruders Seleukus Philopator, gebührt hätte. Er wird von Polybius bei Athenäus V. und Diodor von Sicilien Fragm. XXVI. auf eine Art geschildert, daß er billig statt des Zunahmens ἐπιφανής, Erlaucht, jenen ἐπιμανής wahnwizig, den ihm seine Unterthanen gaben, verdiente. – er, den niedrige Schmeichler,
Feig, den Erlauchten genannt, entboth unzählige Scharen:
Auszutilgen das Volk von Israel, das ihm verhaßt war.
Sieh', schon hatt' er die Stadt Jerusalem, stürmend, erobert;
Hingewürgt an dem Tag wohl achtzig tausend' des Volkes:
Jünglinge, Männer, und Greis' – auch säugende Mütter, und Jungfrau'n;
Tausende fortgeschleppt, und zum Kauf gebothen, dem Thier gleich,
Oder zerstreut in den Ländern umher, und in schmählichen Banden
Wund gedrückt: auf daß sie entsagten dem Glauben der Väter;
D'rauf die ehrwürdigen Mauern der heiligen Stadt mit den Thürmen
Niedergeworfen, zur Schmach des Volks, und das Heiligthum selber
Frech entweih't, da er raubte die herrlichen Opfergefäß' all',
Als: den Altar von Gold, den goldenen Leuchter und Schautisch,
Wie auch den heimlichen Tempelschatz, den ihm die Verräther
Zeigten für schmählichen Lohn, in den unterirdischen Hallen.
Doch, o schreckliche Schau für gottergebne Gemüther!
Dort in dem Allerheiligsten, wo Jehova, dem wahren,
Und unsichtbaren Gott der Hohe-Priester des Jahres
Einmal nahte mit heiliger Scheu, und ihm, bebend vor Ehrfurcht,
Fern nachblickte das Volk, da er leis' aufhüllte den Vorhang:
Dort erhöhte das Bild des Zeus, mit Gesängen und Opfern,
König Antiochos Ruf, und heischte vom Volk die Verehrung.
Götzendienst sollt' ihm ersetzen den Glauben der Väter,
Den auf Sinais Höh'n der Ewige selber ihm kund that.
Auch erbaut' er die Burg auf Zions entweiheten Höhen,
Daß die unmenschliche Schar der Söldlinge, waffengewaltig,
Zwänge das Volk, des Wüth'richs Ruf zu gehorchen in Demuth.
Tausende starben den Tod der Gerechten für Glauben und Freiheit;
Tausende bebten dem Tod' und der Qual, und opferten, treulos
Dann dem ererbten Gesetz, vor schändlichen Götzenaltären.
Doch jetzt drohte dem bebenden Volk noch größerer Jammer.
Immer furchtbarer scholl's: der rachebrütende König
Zieh' an den Marken des Reichs unzählige Völker zusammen,
Und durch Asia rings ertönen die Hämmer der Essen:
Schmiedend des Kriegs Werkzeug' und der Knechtschaft schmähliche Fessel.

Sieh', auch der Himmel ging seither mit Entsetzlichem schwanger,
Trug's im gährenden Schooß', und gebar's dem Volke zum Zeichen
Unglückdräuender Zeit! Durch vierzig Nächte des Grauens
War in der Luft Getös' und furchtbares Schlachtengetümmel.
Wie das Abendgewölk entschwindet am rosigen Himmel;
Wie der Gedanke so schnell – wie Morgenträume, so flüchtig
Schwanden die Luftgestalten dahin im dunkelen Aether.
Dann zum erneuerten Kampf herbrausend von Osten und Westen,
Stürmten auf feurigen Rossen sie an (der goldenen Rüstung
Glanz erhellte die Nacht, wie Mondesschimmer im Vollschein,
Schwenkten über den Helm den Speer, und trieben, und drängten
Gegeneinander die Ross' im Gemenge der blitzenden Waffen;
Und an dem Grashalm hing in des Morgens kühleren Stunden
Dann der Thau, wie Blut in dunkelröthlichen Tropfen.
Doch das unzählige Volk von Jerusalem sah zu dem Himmel,
Schaudernd, auf: nicht der Waffen gedachte der Krieger; vergessen
Stand das Gespann mit dem Pflug' in den halbgezogenen Furchen –
Jegliche Werkstatt leer. Auf die Straßen hinaus, und die Wälle
Strömte das Volk, und stand, und jammerte laut zu Jehova:
Möchten doch Israels Heil vorkünden die schrecklichen Zeichen!

Kehrend, als Sieger heim aus Aegypten; sandte der König
Drohende Worte des Zorns an die Feldhauptleute der Scharen,
Die er gelegt in die heilige Stadt und die Vesten des Landes:
»Jetzt und auf immer verbannt aus Israels Landen und Juda's
Sey Jehova's Dienst – der Glaub' und die Sprache der Väter.
Ein' und dasselbe hellenische Volk (so frevelt' ein Syrer!)
Wohne hinfort in dem Reich, das seinem Zepter gehorchet.«
Und mit grimmiger Lust vernahmen die Scharengebiether
Jetzo den Ruf. Sie rissen entzwei die heiligen Bücher;
Baueten rings im Land' Altäre den nichtigen Götzen;
Schleppten die Jünglinge hin, die Greis', und die Männer, und Weiber,
Daß sie, Jehova zum Trotz, Unreines genößen, und höhnten
Moses zugleich, der, väterlich weis' auf jegliches achtend,
Solches dem Volke verboth in den Gluthgefilden des Südens.
Wer getreu sich erwies, den würgten die Wüthriche nieder,
Mitleidlos, voll höhnenden Grimm's und entsetzlicher Blutgier.
Doch erbebend dem Tod' und des Henkers zerfleischender Geißel,
Folgten Viele dem Ruf', und die Redlichen jammerten laut auf.

Endlich erhob sich im Volk Mathathias, Sohn des Jochanan,
Simeons Enkel, und jetzt der Hohe-Priester Jehova's:
Ein ehrwürdiger Greis. In staunengebiethender Hoheit
Trat er im Tempel einher, wenn dort das silberne Haupt ihm
Zierte das Horn, die Brust die funkelnden Steine des Ephods
Deckten, und ihm das schneeige Kleid zu der Ferse herabfloß.
Aber das Volk hieß ihn: den gottgesegneten Vater
Fünf erlesener Söhn', und hieß ihn den Vater der Armen,
Wie den mächtigen Schild und das rettende Schwert der Bedrängten.
Tief ergrimmt' er im Geist: der heiligen Stadt und des Volkes
Israel Schmach in dem Untergang so nahe gewahrend.
Vorn an der Brust zerriß er das Kleid, und sagte den Söhnen:
»Weh', welch' Jammergeschick! Wer könnt' es noch länger erdulden?
Fremdlinge schalten im Heiligthum, und den verachteten Sclaven
Gleich ist das Haus des Herrn; der prächtige Tempel Jehova's
All' der heil'gen Gefäße beraubt – sein Schimmer erloschen.
Kinder und Greis', erwürgt, bedecken die Straßen; der Männer
Blüth' ist niedergehau'n, und unrühmlich der Waffen beraubet.
Eine Magd ist die heilige Stadt, die Freie, geworden;
All' ihr Schmuck ist dahin: denn Heiden verschlangen ihr Erbtheil,
Schnaubend vor Gier, und bedeckten die Reine mit Schmach und Verachtung.
Kinder, lasset uns flieh'n! In des Sandmeer's wüsten Gefilden,
Unter den reißenden Thieren des Wald's ist bessere Herberg,
Als im verpesteten Hauch der mordbesudelten Hauptstadt.«
Alsbald macht' er sich auf. Nach Modin, Modin, Modein, war eine Stadt, die westlich von Jerusalem, nicht ferne von dem Meere lag. der Stadt im Gebirgsthal
Zog mit den Söhnen er fort: fünf Heldenjünglingen, glühend
Für unsterblichen Ruhm in Israels Rettung, und barg sich,
Nächtlich, im einsamen Haus'. Doch siehe, gesendet auch dorthin
Kam die frevelgebiethende Schar; erhöhte des Götzen
Steingebild', und rief zu dem Opfer die bangen Bewohner!
Auch Mathathias entboth Apelles, der Scharen Gebiether,
Nun zu dem schmählichen Götzendienst', und sprach vor dem Volk so:
»Komm', ehrwürdiger Greis, und nahe den mächtigen Göttern,
Huldigend; streu' Weihrauch auf die Gluth, und opf're das Böcklein,
Hier auf dem Markt, daß dich, den hochgepriesenen Vater,
Mitten im Kreise der trefflichen Söhn', am Altar die Bewohner
Modins schau'n, und sie zum Gehorsam lenke dein Beispiel.
Schon gehorchte das Volk zu Jerusalem. Folgst du des Königs
Freundlichem Ruf, so soll dir Gold und Silber die Fülle
Werden: als Günstling stehst du am Thron mit deinen Erzeugten.«
Doch Mathathias erhob mit erschütternder Würde die Stimme:

Soll ganz Israel nun, Antiochos Winken gehorchend,
Feig' abfallen im Land von Jehova's Gesetz' und den Götzen
Huldigen, wie dem lebendigen Gott, so will ich, sein Diener,
Hier mit den Söhnen vereint und den Brüdern, fest an den Glauben
Meiner Väter mich halten, und steh'n, und fallen mit ihnen,
Wie's Jehova gefällt, dem wahren und einigen Gotte.«

Als er die Worte gesagt, da trat ein niedriger Wüstling,
Ischahar, vor (verachtet im Volk', und vom Bunde der Väter
Ausgeschlossen schon lang' ob fluchbeladener Thaten),
Streute den Weihrauch kühn, und rief: »Ich entsage Jehova,
Hier vor Zeus Altar, des Königes Stimme gehorchend,
Und verehre hinfort die unsterblichen, ewigen Götter.«
Als geschehen die That, und gesprochen das frevelnde Wort war,
Sprang Mathathias hervor aus dem Kreis'. Ihm bebten die Glieder:
Denn unduldbarer Schmerz erfüllte die heilige Brust ihm.
Für Jehova's Gesetz entflammt, entriß er dem Krieger
Jetzt das blinkende Schwert; dann stürzt' er schnell zum Altar hin;
Würgte den Frevler dort, und mit ihm Apelles, den Hauptmann,
Der, ihn zu tödten, bereit, lautschreiend, und fluchend herankam;
Warf den Götzenaltar in den Staub, und sprach zu den Seinen:
»Kommt, und folget mir nach! Erfüllt ist der schreckliche Zeitraum,
Wo wir, ausgeschlossen vom Kreis' des geselligen Lebens,
Nur in den Wüsten umher, in den Wäldern und felsigen Höhlen,
Oder im Schlachtengefild' uns retten vor sündiger Knechtschaft.
Wer den heiligen Bund, das Gesetz Jehova's, zu schirmen,
Glüht, der folge mir nach. Wir leben, und sterben in Freiheit!«
Laut umjauchzte das Volk den Eifernden. Aber er eilte
Jetzt mit den Söhnen hinauf in die waldumhüllete Felsschlucht.
Tausende folgten ihm nach: verschmähend die Güter des Lebens
Ob Jehova's heiligem Dienst. Am liebenden Busen
Trug die Mutter das Kind. Umringt von munteren Kleinen,
Floh der Vater, und, frommgesinnt, erhob auf die Schulter
Mancher den wankenden Greis, und eilete fort nach den Höhen,
Von den Henkern entfernt, in dunkeler Höhle zu wohnen.

Bald erscholl der Ruf zu Jerusalem: »Wie Mathathias
Eiferte für Jehova's Ruhm, wie er würgte den Hauptmann,
Und empörte das Volk im frechumwüthenden Unsinn.«
Mächtige Scharen, gesandt von Zions entweiheten Höhen,
Wo die Heiden die Burg erbaueten, eisern zu schalten
Ueber Israels Land, annahten mit eiligen Schritten,
Lechzend nach Rach' im Blut des gottergebenen Volkes.
Wie im dunkelen Forst die wildauftreibenden Spürer
Wenden die Schritte nun links, nun rechts, und gierig umherschau'n:
Also erforschten auch sie die Spur der flüchtigen Scharen.
Siehe, da wies ein Weib, Jehova verläugnend, dem Hauptmann
Oben im Felsenthal die jüngstbevölkerten Höhlen;
Warnt', und sprach: »Nicht heut – nein, morgen greife den Feind an:
Denn der Sabbath naht, und Israel ruht an demselben.«
Also geschah's. Fern war Mathathias mit seinen Erzeugten:
Rings um Modin versammelnd ein Heer, und wehrlos das Volk hier:
Denn still feiert' es nun des Sabbaths heiligen Festtag.
Aber der Hauptmann sandte zuvor nach den Höhen den Herold,
Der, lautrufend, begann: »Hervor aus den Höhlen, Empörer!
Opfert den Göttern frei: ihr erlangt dann Huld und Vergebung!«
Aber da sprach einmüthig das Volk: »Wir folgen dem Ruf nicht;
Nur Jehova ist Gott, nicht ehren wir nichtige Götter!
Lechzt ihr also nach unserem Blut? Wir sinken in Unschuld
Hier in das Grab. Weh' euch: denn Himmel und Erde sind Zeugen,
Wie ihr ermordet ein Volk, weil solches Jehova getreu blieb!«
D'rauf erhob sich ein Kampf, unwürdig des Tapfern. Die Heiden
Würgten mit steigender Wuth die wehrlossinkenden Männer,
Weiber, Kinder, und Greis', an der Zahl drei tausend dem Götzen.
Auch erschlugen sie all' das Vieh, und verbrannten die Leichen.

Glühender Schmerz durchzuckte die Brust Mathathias, des Helden,
Als er die Kunde vernahm von dem frechermordeten Volk dort.
Weinend saß er im Staub', und fleht' um Rettung zu Gott auf;
Dann berief er die Seinen zum Rath', und sagte mit Nachdruck:
»Gebt mir willig Gehör! Wenn wir im Feiern des Sabbaths
Wehrlos fallen dem würgenden Feind', so schwinden wir alle
Bald von der Erde hinweg; d'rum laßt uns muthig die Waffen
Biethen dem Listigen, so er an ihm uns wieder bekämpfte.
Nichts sey uns wichtiger mehr, als daß wir von wüthenden Feinden
Retten das Vaterland, und kämpfen für Gott und die Freiheit!«
All' aufjauchzten dem Wort'. Alsbald zum Kampfe gerüstet,
Kam der gewaltige Greis von den waldumschatteten Berghöhn
Mit erlesenem Volk' in die Eb'ne herab, und bekämpfte,
Siegend, des Feindes Macht. Er wüthete gegen die Frevler,
Die, verläugnend Jehova's Gesetz, zu den Heiden sich wandten;
Warf die Altär' und Tempel in Staub mit den Götzengebilden;
Baute des Weltalls Gott, Jehova, den heiligen Altar
Rings in den Städten umher, die er, stürmend, aus feindlicher Obmacht
Rettet', und rächte das Vaterland: denn Israels Völker
Athmeten frei, und auf Zions Höh'n erbebten die Gegner.

Syriens Feldherr, Seron, vernahm, daß in Modins Gebirgen
Meuterer – ha, so hießen den Heiden die tapferen Männer,
Sich vereinten zum Waffenbund: den heiligen Glauben,
Nach dem ererbten Gesetz, mit Macht zu schirmen entschlossen!
Schnell berief er zum Rath die Feldherrn all', und die Hauptleut'
In Samaria, der Stadt, und rief den Versammelten also:
»Tapfere Männer und Brüder, hort! In Modins Gebirgen
Hat ein nied'riges Volk in geistverblendender Frechheit
Jüngst sich vereint, uns entgegen zu steh'n, das Schicksal des Krieges
Kühn zu versuchen, und so zu ersiegen im Felde die Freiheit
Von Antiochos Macht, des Herrlichen! Denket den Unsinn!
Soll ich erwähnen des Muths, mit welchem die Krieger des Königs
Dieß verachtete Volk, das Israels Söhne sich rühmet,
Stets bezwangen im Kampf', und zerstäubten, wie Spreu auf der Tenne
Schnell zerstäubet der sausende Sturm? Sie flohen, erschrocken,
Schon vor euerem Blick, den Blitze des Todes bewaffnen!
Jetzo will ich mir herrlichen Ruhm ersiegen für immer.
Staunen sollt ihr, wie schnell, wie furchtbar Seron des Feindes
Scharen besiegt. Noch heut', am dämmernden Abend, versamml' ich
Dreißigtausend im Kampf gestählete Krieger, und breche
Los auf den schlummernden dort: dem nächtlichen Donnergewitter
Gleich, das plötzlich naht, und zerschmett're den Feigen auf einmal.
Dir, Apollon, winkt in dem Vorder-Zuge vor allen
Heute das Glück, wenn du die erlesene Schar Elephanten
Gegen den Feind vordrängst, auf welchen herab aus den Thürmen
Ström' ein Hagel von Pfeilen zugleich und von Steinen der Schleuder,
Bis ihn ihr Rüssel erfaßt, und zermalmt ihr eherner Fußtritt:
Dann ist in eiliger Flucht sein Los nur Tod und Verderben,
Und wir sammeln die Beut' auf dem blutgerötheten Feld' ein!
Alle zugleich gedenket des Kampf's und des herrlichsten Sieges,
Waffnend in Eile das Volk. Antiochos Ruhm ist die Losung.«

Also rief er zur Schar der schnell versammelten Führer.
Siehe, nicht lang: da zog das geordnete Heer aus den Mauern
Von Samaria hinaus g'en Modins dunkles Gebirgsthal.
Allen voran herbraus'ten die Schleuderer, deckend die Reihen,
Zwölf, auf dem Rücken den Thurm, und im Thurm gewaffnete Männer
Tragender Elephanten: die Erd' erzitterte weithin
Unter dem ehernen Fuß des riesengestalteten Lastthiers.
Als der Lenker der Schar der Schleuderer, kühn und verwegen,
Kam Apollon, und trieb das Viergespann aus dem Wagen,
Der, zweiräderig, ihm nachflog, mit donnernder Stimm' an.
D'rauf, ein gleiches Gespann vom ringsvergoldeten Wagen
Geißelnd, kam in der Mitte des Heer's der oberste Feldherr,
Seron, dem an der Zahl zehntausend Krieger, mit Lanzen
Trefflich verseh'n, und bewehrt mit dem Helm' und dem Panzer, gehorchten.
Aber im Nach-Zug dann, den Bogenschützen gebiethend,
Die, an der Zahl, wie jen' in der Mitte des mächtigen Heeres
Naheten, kam Zorain, der stürmische Held in der Feldschlacht.
Hundert folgten zugleich Streitwägen ihm nach; mit dem Lenker
Saß in jeglichem ein, mit Speeren bewaffneter Krieger.
Also geordnet, eilte das Heer den Feinden entgegen.

Draußen im felsigen Thal', im Graun des dunkelen Waldes
Lag, entschlummert, der Greis Mathathias – um ihn die Erzeugten
All', und, rings in dem Thal', in Felsenschluchten gelagert,
Oder in Mäntel gehüllt, und gestreckt auf rauschende Blätter,
Ruhte die Schar achttausend kampfgewaltiger Männer.
Mitternacht entschwand. Die Flamme verlosch in dem Lager
Ringsher; nur ein bläulicher Rauch stieg noch aus dem Haufen
Glimmender Asch' empor, und schwamm, wie ein duftiger Nebel,
Durch das Laubgewölb' der hochaufragenden Stämme.
Aber nicht thöricht hatte der Greis die Gefahren verachtet,
Oder, unkundig des Kriegs, versäumt, zu begegnen des Feindes
Dräuender Hinterlist und geistverwirrendem Anschlag.
All' die waldigen Höhen entlang, vertheilt' er die Wachen,
Die, ringsher umschauend vom Fels, ihm Alles und Jedes
Kündeten, was in der Ferne bedenklich erschien, und Verderben
Drohte dem lagernden Volk' aus dem weitverbreiteten Blachfeld.
Doch jetzt nahte Rephim, der Krieger, mit Angst in den Blicken,
Zitternd, ähnlich dem Laub der Silberpappel im Lufthauch;
Faßte sogleich die Hand des ruhenden Greises, und dachte,
Ihn zu erwecken vom Schlaf' in geheim vor den lagernden Scharen.
Aber der freundliche Greis sah ihm mit verkläreten Augen
In das Gesicht: denn eben verließ ihn der Engel Jehova's,
Der ihm genahet im Traum; zu gottvertrauendem Muth ihn
Mahnete, Sieg ihm verhieß, und herrlichen Lohn in der Zukunft.
Jetzo begann der Wächter der Höh'n: »Unzählige Heiden
Kommen, zu würgen, heran. Streitwagen und blitzende Waffen
Sträubten das Haar auf der Scheitel mir auf; doch sank ich vor Schrecken
Auf die Kniee, vor mir die Riesenthiere der Wüsten
Schauend, welche dem Heer', gleich wandelnden Bergen, voranzieh'n;
Thürme, gleich Vesten, mit Kriegern besetzt, auf dem wölbenden Rücken
Tragen, und Tod und Jammer dräu'n mit dem furchtbaren Rüssel,
Der jetzt, eingeschrumpft, in den Hauern schwebet, und plötzlich
Wieder vom Haupte verlängt, mit der Schnelle des Blitzes den Krieger
Fest umschlingt, ihn erdrückt, in die Lüft' aufschleudert mit Ingrimm,
Daß er ihn dann sogleich mit den ehernen Füßen zermalme.
Wahrlich, o Herr, so Jehova säumt, aus den Händen des Feindes
Nun zu erretten sein Volk: so ist es auf immer verloren!«

Rasch erhob sich der Greis; er winkte dem Priester Abisah,
Und er stieß alsbald in die Kriegesposaune so mächtig,
Daß der empörende Laut, in des Waldthals felsigen Räumen
Donnernd erklang, und das Volk, urschnell, um den Vater vereinte:
Denn so nannt' es den Greis, Mathathias, voll heiliger Ehrfurcht.
Aber der jugendlichblühende Held, der tapfere Juda,
Hob sich der erste vom Laub', und sah in dem nächtlichen Dunkel,
Wie der muthige Leu umher, der nahe den Gegner
Wittert. Er faßte das Schwert, und hing an den Augen des Vaters.
Auch Eleazar kam, und Jonathan, glühenden Muthes
Näher; sie forschten besorgt, was ihn mit Jochanan und Simon,
Ihren Brüdern, empört, warum die Posaune getönet?

Sieh', da sprach der edele Greis zum versammelten Volk so:
»Fasset das Schwert; wir zieh'n jetzt Israels Feinden entgegen!«
Doch schon hatte das Volk von dem furchtverblendeten Krieger,
Schreckenbetäubt, vernommen die Macht und die Stärke der Gegner,
Die mit der Schar der Riesenthier' entsetzlich zu schau'n war,
Murrete laut, und Sadok, der Aelteste, rief voll Entrüstung:
»Groß ist dein Muth, erhabener Greis, wir ehren ihn alle;
Aber er leitet dich irre, daß du, vergessend der Weisheit,
Welche dich sonst beseelt', unzähligen Feinden entgegen
Führest das Volk, das nur ein unbedeutendes Häuflein,
Und durch Fasten erschöpft, schon kleineren Scharen erbebte!
Thorheit wäre der Kampf, und vermessen der Streit mit dem König,
Dem Jehova im Zorn' uns preisgegeben für immer.«
Drohend erhob Mathathias die Hand, und sagte mit Wehmuth:
»O, nicht schaffet die Meng' uns Sieg in dem Sturme der Feldschlacht;
Gottes gewaltiger Arm errettet mit wenigen Händen
Eben so schnell, wie mit vielen, vom Joch' entehrender Knechtschaft
Sein erlesenes Volk, so er will, barmherzig, und gnädig!«
Aber, urplötzlich entriß der Scheid', im furchtbaren Jähzorn
Juda sein Schwert, und hieb mit nerviger Rechte der Zeder
Lastenden Zweig von dem Stamm, daß er weit in den Lüften dahinflog.
Sadok wich, erschrocken, zurück', und beugte sein Antlitz
Nieder in Staub: denn nah' ihm schien, zermalmend, der Tod schon;
Aber auch All' ergriff ein herzbeklemmendes Staunen
Ueber des Jüngling's Kraft, der jetzo, entflammt, zu dem Volk rief:
»Ha, ihr bebt vor der Menge zurück, vor den nied'rigen Sündern,
Welch' im wüthigen Trotz ermorden die jammernden Weiber,
Und den lächelnden Säugling zugleich an dem Busen der Mutter!
Die für schnöden Gewinn verhandeln den Mann und den Jüngling,
Gleich dem Vieh', auf dem Markt, an den weltdurchwandernden Kaufmann:
Also vor uns Jehova's Ruhm zu verhöhnen, entschlossen?
Besser der Tod in dem Kampf', als solch unrühmliches Leben!
Auf – wir streiten für Gott, für unser Leben und Freiheit!
Zaget nicht, fasset nur Muth: der Herr ist mit uns in dem Schlachtfeld.«
Also rief er, und ging; ihm folgte, begeistert, das Volk nach.

Nicht auf dem breiteren Pfad, der unten durch üppige Matten,
Führte des Wanderers Fuß zur felsumstarreten Waldschlucht,
Zog nun Israels Heer auf den Feind mit erneuertem Muth los,
Sondern auf waldigen Höh'n bis hin, wo der letzte der Hügel
Sich an Bethoron, der Stadt, hinzieht, und zu lachenden Eb'nen,
Durch die goldene Aehrenflur, den grünenden Fuß dehnt,
Eilte das muthige vor. D'rauf ordnete Juda die Scharen;
Gab an dem linken Horn dort, Jonathan, und an dem rechten
Hier, Eleazar Gewalt, zu gebiethen im Sturme der Feldschlacht.
Er, der erst' entgegen dem Feind' in der Mitte zu kämpfen,
Stand voll freudigen Muthes allein und jubelte laut auf,
Als Jochanan sich ihm, der Helden-Bruder, nun anschloß.
Doch Mathathias stand, umgeben vom Volk', auf des Hügels
Felsigem Haupt mit Simon, dem ältesten Sohn', und erhob jetzt,
Warnend, g'en Juda die Hand, und fragt' ihn, sorglichen Blickes:
»Juda! Hast du erwogen das Ziel – gesichtet des Herzens
Tiefverborgenen Grund: ob nicht vermessener Stolz nur,
Ob Vertrau'n auf eigene Kraft zur gefährlichen Stelle
Dort, an der Spitze des Heer's, dich trieb in eiteler Ruhmsucht?
Hast du heiß zu Jehova gefleht, und des Ewigen Beifall,
Demutherfüllet, geahnt in des Herzens heiliger Regung?«
Juda entgegnete schnell: »Erwogen das Ziel, und gesichtet
Hab' ich, o Vater, die tiefverborgenen Räume des Herzens!
Nicht vermessener Stolz, nicht Vertrau'n auf eignes Vermögen
Heißt mich steh'n an der Spitze des Heers: Jehova geboth mir –
Ja, in der Brust rief Gott, daß ich leite die Unsern im Schlachtfeld!«
Jetzt entblößt' er sein Schwert; ließ dann im Grase sich nieder,
Stützte das Kinn auf die Hand, und sah mit glühenden Blicken
Durch das nächtliche Grau'n den nahenden Feinden entgegen.
Wie der Leu, der jüngst entwöhnt von der säugenden Mutter,
Im Vertrauen auf eigene Kraft, von dem Lager sich aufmacht,
Vor der Höhle sich stellt, und mit wuthgerötheten Augen
Schauet im Wald' umher: ob mächtige Gegner ihm nahen?
Lechzend nach Blut', umleckt er mit stachliger Zunge den Rachen;
Peitscht den drönenden Grund mit dem buschigen Schweif, daß, zum Himmel
Wirbelnd, der Staub auffleugt, und brüllt, und schüttelt die Mähnen:
Also saß vor den Scharen der Held auf dem Boden, und blickte
Starr in die Fläche hinab, nach feindlichem Blute sich sehnend.

Jetzt erglühte der Saum des lichtergewordenen Himmels
Drüben im Osten; im Frühwind floh'n die umwandernden Nebel;
Jauchzend schwangen die Lerchen sich auf in den Lüften, und ringsum,
Durch die bethaute Flur erwacht' ein Laut nach dem ander'n –
So in dem Wald', auf den Höh'n, und in tiefverborgener Thalschlucht;
Doch, als jetzo ihr Flammenhaupt, im duftigen Goldglanz
Schwebend, die Sonn' erhob, und rings die verjüngete Schöpfung
Jubelte, sieh', da zog die syrische Macht auf des Landmanns
Saaten in täuschender Stille heran: denn Seron gedachte
Heimlich im Ueberfall den lagernden Feind zu erwürgen.
Wohl erbebte das Volk von Israel, als es die Reihen
Jener gewaltigen Thiere vor sich im feindlichen Heer' sah:
Aber der älteste Sohn Mathathia, des heiligen Greises,
Simon, eilte herab, und sagte zu Juda, dem Feldherrn:
»Kühner, entbieth' aus dem Heer' Freiwillige, die für die Rettung
Unseres Volks dem Tode sich weih'n, und sie muthig erringen!
Furchtbar ist ihm der Kampf mit dem riesengestalteten Thier nur.
Mögen jene das Schwert mit des langgeschafteten Speeres
Erze vereinen: das Schwert an den Schaft mit kräftigen Riemen
Festigend, und im Gemenge der Schlacht, losstürzend vor allen
Auf die Thiere, sie kühn verwunden am schrecklichen Rüssel,
Daß sie, gefoltert vom Schmerz, im eigenen Heere verbreiten
Flucht, Verwirrung, und Tod, und grausenvolles Verderben.«

Juda erhob das Schwert, und winkte dem sinnigen Bruder
Beifall zu. Kaum war in den Reih'n der geordneten Krieger
Kund geworden der Ruf des kühnen Beginnens: da traten
Hunderte vor, voll Muth zum rühmlichen Tod sich erbiethend;
Aber Simon erlas nur zwölf' aus den tapfersten Männern,
Die sich bewährten im Schlachtengefild', ein Schrecken des Feindes.
Alsbald hefteten dies' ihr Schwert mit kräftigen Riemen
Fest an den ragenden Schaft des fernhintreffenden Speeres;
Eilten hinab zu des Hügels Rand, wo dichtes Gebüsch sich
Nah' an dem Pfad hinzog, und harrten, verborgen, der Gegner.
Näher und näher erhob sich Gewölk aufqualmenden Staubes;
Blitzender zuckte das Licht der strahlengekröneten Sonne
Mitten in Staubesqualm aus den hellgeglätteten Waffen;
Lauter erscholl der Tritt viel Tausender – schnob das Entsetzen
Vor den Scharen einher, und nah' war Kampfund Verderben.

Juda, jetzo die Gegner vor sich mit leuchtenden Augen
Schauend, erhob sich bebend'; schrie laut, daß die Berg' und die Thäler
Dröneten, all' um ihn her erbebten, und oben am Felsriff
Selbst Mathathias erschrack. Von Furcht und Entsetzen ergriffen,
Hörten die Feinde den Ruf, und rissen sich wild aus den Reihen.
Aber jetzt auf den Höh'n das Heer der Gegner mit einmal,
Nur so schwach an der Zahl, und allein mit dem Schwert' in der Rechten,
Sonder Panzer und Helm, Streitwägen und Rosse gewahrend,
Lachte Seron vor Wuth, und rief, voreilend, Apollon,
Der dem Vorderzuge geboth, mit höhnenden Blicken:
»Wahrlich, ich dacht' im Geist, ganz Israel, stünde, bewaffnet,
Wider uns auf, und bereit' uns Tod und grause Vernichtung!
Soll dieß treffliche Heer mit jenem der Feinde sich messen,
Das die verborgenen Höhlen des Wald's, gleich Räubern, bewohnet,
Wehr' und Waffen entbehrt, und jetzt, verzweifelnd, den Tod sucht?
Mögen die Schützen allein, von den Rücken der zwölf Elephanten
Schleudernd den tödlichen Stein, und schnellend die Pfeile vom Bogen,
Jene bekämpfen: sie flieh'n vor ihrem entsetzlichen Blick schon.«
Sieh', da drängten zugleich die lautaufschreienden Führer
All' Elephanten vor in dem Feld', und es stachen die Krieger
Sie, daß ihr Grimm erwach', aus den Thürmen mit spitzigen Lanzen.
Und er erwachte sogleich: sie schritten hinan, mit dem Rüssel
Laut sich peitschend die Brust, und schnoben vor glühender Mordgier.
Von der Sehne geschnellt, durchzuckt' ein Hagel von Pfeilen,
Sausend, die Luft. Der Schleuderer schwang den spitzigen Wurfstein,
Kreisend, umher: bis jetzt die Schnur von dem hemmenden Finger
Wich; der Stein lautheulend im Luftraum flog, und am Hügel
Dort, mit den Pfeilen zugleich, die tapfersten Krieger erlegte.

Nun erhob Mathathias zu Gott, lautflehend die Augen:
»Rett', Erbarmer, dein Volk von dem Feind, der Schmach und Verderben
Ihm bereitet mit wüthigem Trotz: verhöhnend dich, wahren,
Ewigen Gott! O, gib uns den Sieg, Allmächtiger, hier jetzt,
Daß er erkenne mit Angst, wie mächtig Jehova, der Herr, ist!«
Sieh', da warfen sich schnell die zwölf erlesenen Männer,
Die sich dem rühmlichen Tode geweiht, auf das vordere Treffen.
Jeglicher ging mit weitvorragendem Speer' auf ein Thier los –
Stieß, und verwundet' es tief an dem Rüssel. Nur Dorach aus Gaza
Fehlte vor Hast: sein Speer glitt ab an dem glänzenden Hauer,
Und durchbohrte des Thiers Ohrlapp', die faltig herabhing.
Schnell umklammert' es ihn mit dem schrecklichverlängerten Rüssel,
Ihm zu zermalmen die Brust, und ihn auf in die Lüfte zu schleudern,
Daß es den Sinkenden, racherfüllt, in dem Sande zertrete;
Aber da sprang Nabal, aus Bethoron, herbei, und, erhebend
Hoch den Schaft mit dem festgehefteten Schwerte, durchstieß er
Ihm das funkelnd' Aug', das sonst so klug, so verständig,
Sinnig, und mild hersah – nun hellentflammt von der Wuth war.
Jetzo tobten, von Zorn und furchtbarn Schmerzen gefoltert,
All' Elephanten im Feld' umher. Sie warfen die Krieger
Aus den Thürmen herab, und eileten, schnaubend, herüber:
Durchzubrechen das eigene Heer, und im rauschenden Bergstrom
Dann zu kühlen die Gluth der tiefgespaltenen Wunden.
Ein gewaltiger stieß an Serons rollenden Wagen,
Der, von dem Sessel herab antreibend die schnaubenden Rosse,
Und ersehend von fern, welch' schrecklichen Frevel die Gegner
Dort an den Thieren verübeten, jetzt die Führer des Heeres
Schalt, und ermahnte zugleich, die Frevelnden niederzuschmettern;
Doch schon lag er im Staub, und blutete – lagen die Rosse,
Lag der Wagen, zertrümmert, im Feld: denn schnell, wie der Blitzstrahl
Mitten im Hain die hundertjährige Fichte zersplittert,
Daß nur Trümmer umher von dem ragenden Stamme sich weisen:
So zertrümmerte dort das Thier den rollenden Wagen;
So zertrat es die Ross' und den lautaufschreienden Feldherrn.
Und es entfloh'n alsbald in wilder Verwirrung die Syrer.

Jetzt, wie im Lenz von dem Felsengebirg, gelöset vom Südwind,
Niederrollt die Lawin', im schrecklichen Donnergetümmel,
Stürzet den Wald, fortreißt die Felder und blühende Matten:
Also kam von dem Hügel herab die Zierde der Helden
Makkabäischen Stamms – kam Juda, der tapfere Jüngling
Her an der Spitze des Heer's. Den Fliehenden lag er im Rücken,
Schlug, und tränkte sein dürstendes Schwert im Blute des Feindes.
So Eleazar, der Held, so Jonathan. Keiner der Krieger
Rastete jetzt. Weithin ertönte Gejauchze des Sieges;
Tausende lagen erwürgt, und deckten die Pfad' und die Felder.

Längs dem Zederngehölz', unferne den Mauern Bethorons,
Stellt' Apollon sich kühn zur Wehr'. Er hemmte die Seinen
Noch in der Flucht: im Kampf mit Ehre zu sterben, entschlossen.
Juda säumte nicht, kam, und sprang vor den muthigen Feind hin.
Zwar hielt ihm Apollon sogleich den ragenden Speerschaft
Kräftig entgegen; allein, er schwang sein blinkendes Eisen –
Hieb den ragenden Schaft entzwei, und bohrete jenes
Ihm so tief in die Brust, daß er sank, und das Leben verhauchte.
D'rauf entriß er ihm schnell das reichverzierete Schlachtschwert:
Um noch jetzt, und hinfort, in dem Kampf für den heiligen Glauben,
Für die Rettung des Vaterland's, und die Sitten der Väter
Solches zu führen, zum Ruhme für Israel, Siege verherrlicht. S. 1. V. der Makkabäer 3. Cap. 12. V.
Aber in eiliger Hast entfloh'n die Trümmer des Heeres,
Das den Juden Vernichtung droht', und nur Wenige kehrten
Heim in das Vaterland, den Ihren den Jammer zu künden.

Sieh', Mathathias Vollendung naht'! Er fühlte des Todes
Schaurigen Hauch; hieß seine geliebten Erzeugten ihm nahen;
Hob sich auf in dem Bett', und begann mit rührender Stimme:
»Nehmt den Segen zum Lohn', ihr, Theueren! Möge Jehova
Euch behüthen mit ewiger Huld, daß ihr, würdig der Väter
Wandelt, und wirket das Gut' auf dem heiteren Pfade der Unschuld.
Jammerschwer ist die Zeit, in der ihr lebet: der Hochmuth
Herrscht in der Welt, und der Stolz ersinnet nur Schmach und Verderben.
Haltet fest am Gesetze des Herrn; gedenket der Thaten
Eurer Väter, und suchet den Ruhm, der ihnen zu Theil ward,
Auch um des Lebens Preis: dann lohnt euch ewiger Nachruhm.
Abraham heißt uns gerecht, da er treu in der Prüfung bestanden.
Joseph herrschte mit Macht in Aegypten, weil er im Unglück,
So wie im Glück, Jehova's Gesetze verehrete. Phine's
Eiferte redlich für Gottes Wort, und des Priesterthums Vorzug,
Dauernd in seinem Geschlecht, ward ihm zum Lohne gegeben.
Josua that, wie Jehova geboth, und er wurde der Retter
Israels. Laut sprach Kaleb dort vor dem Volke die Wahrheit,
Und er hatte sein Erb' im verheißenen Lande des Segens.
David war barmherzig und mild, und ihm wurde die Herrschaft –
Ihm und seinem Geschlecht, gegeben auf ewige Zeiten.
Für Jehova's Wort entglühte der Thesbit Helias,
Und er wurde im Blitz und Sturm g'en Himmel gehoben.
Auch den Glauben Sidrachs, Misach- und Abdenagos, lohnte
Herrlich der Herr: sie kamen gerettet hervor aus den Flammen,
Und die grimmigen Leu'n bezähmte Daniels Unschuld.
Also hinauf, in der dämmernden Frühe der heiligen Vorzeit,
Seht ihr jene belohnt, die liebend Jehova vertrauten.
Fürchtet denn nie den Trotz und die dräuenden Worte des Sünders:
Seine Herrlichkeit ist nur Staub, sein Ende Verwesung;
Heute bläht er sich auf, und dräut der Erd' und dem Himmel:
Morgen ist er nicht mehr: denn tief in des dunkelen Grab's Nacht
Sank sein wüthiger Trotz und all' sein stolzes Beginnen.
Auf, erhebt euch mit Muth, geliebteste Söhne! Jehova's
Mächtiger Arm schützt euch, so ihr treu dem Gesetze verharret.
Simeon ist erfahren und klug; mein ältester werd' euch
Vater hinfort: ein Lenker im Grau'n des umnachteten Lebens;
Aber Judas, mein Held, Makkabäer gepriesen vor allen
Meines Geschlecht's, beherrsche das Feld der eisernen Schlachten:
Euer tapferer Hort, erzogen im Lager der Krieger.
So mit den beiden vereint sey Jonathan, sey Eleazar,
Und Jochanan im Bruderbund. Versammelt Jehova's
Tapf're Verehrer alle zum Kampf für die heilige Freiheit;
Rächet die Schmach des Vaterland's an den Feinden mit Nachdruck.«
Als er die Rede beschloß, da sank er zurück auf das Kissen;
Sah mit segnendem Blick' auf die Lieben, und hauchte den Geist aus.
D'rauf in das Ahnen-Grab, unferne den Mauern von Modin,
Brachten im Trauerzug die weinenden Söhne den Todten,
Und in Israel scholl Wehklag' um den Vater des Volkes.

Aber im jubelnden Ruf der Himmlischen reicht' ihm vom Thronsitz
Schon der Allerbarmer, voll Huld, den lohnenden Kranz hin:
Da er vertrauend auf ihn, in dem nächtlichen Sturme des Lebens
Muthig stand, und den Frommen hier zum erhebenden Trost ward!

II.
Eleazar.

Der Schauplatz, wo diese heiligen Märtyrer für Wahrheit und Tugend starben, wird verschiedentlich, bald nach Antiochia, bald nach Jerusalem versetzt. Die der letzteren Meinung sind, geben an, daß Antiochus, auf die erhaltene Nachricht von der Widersetzlichkeit der Juden, im Jahre 166 vor Chr. selbst nach Judäa gekommen sey.

In dem Werke: Florus Biblicus, Tyrnaviae 1741, worin Michael Pexenfelder den Makkabäern eine schöne Stelle weihte, fand der Sänger die Nahmen der Mutter, und ihrer sieben Söhne, wie jener sie bei Jos. Flavius und den Commentatoren gefunden hatte.

Hingebung.

Tief in des Gartens Schooß', im Schatten der säuselnden Palmen,
Saß Eleazar, der Greis, und lächelte: heilige Wonne
Fühlend über die Stelle des Buch's, die er eben gelesen.
Aber die Stelle hieß: »Und Abraham lud auf den Rücken
Isaaks das Opferholz, und hieß die Knechte verziehen.
Als er den Berg bestieg, in den Händen tragend das Messer
Selbst mit der Gluth: da folgt' ihm sein Sohn, erkoren zum Opfer,
Keuchend unter der Last. Sie gingen zusammen, und schwiegen.
Doch nun rief ihm der Sohn: »Mein Vater!« Und dieser: »Ich höre.«
Isaak begann: »Da seh' ich die Gluth und das Messer, und nirgend
Wies das Opfer sich noch – wo findest du solches, o Vater?«
Abraham drängte die Thräne zurück', und sagte beklommen:
»Still, mein Sohn: schon wird sich der Herr erlesen das Opfer!«
Aber er sah nicht zurück', und sie stiegen empor auf Moria.
»Himmlische Unschuld,« dachte der Greis, »ein glänzendes Vorbild
Meines Erlösers seh' ich in dir! Wie selig die Menschen,
Welch', erwählt, zu leiden für ihn, mit heiteren Blicken
Wandeln die Dornenbahn zu den Wonnegefilden des Himmels!«
Gar nicht ahnt' er es noch, wie sein' die schrecklichsten Leiden
Harreten, die er ertrug, ein Held, für den heiligen Glauben
Und das hohe Gesetz der gottgefälligen Wahrheit.
Sieh', da kamen die Krieger, gesandt, und pochten gewaltig
Fort an die Thüre des still- und einsamlebenden Greises.
Freundlich öffnet' er sie, und begann vor den Staunenden also:
»Waffen seh' ich gezückt, und des Kriegers drohende Mienen?
Doch was sollen sie hier, in des Friedens stiller Behausung?
Den ihr sucht, ist ferne vielleicht: ihr habt ihn verfehlet.«
»Nein, wir suchen dich, Eleazar!« so sagte der Hauptmann,
Der den Kriegern geboth, »Antiochos, Asia's König –
Deiner denn auch? entsendet uns selbst, daß wir dich gefesselt
Brächten vor seinen Thron und des Volk's versammelte Scharen.
Dort, wie Zeus dein Los mit dem ewigwaltenden Schicksal
Ordnete, wird es dir geh'n; verhüllt ist der Himmlischen Rathschluß.«
Lächelnd, sprach Eleazar zu ihm: »Mich willst du, gefesselt,
Hin zu Antiochos Thron und des Volk's versammelte Scharen
Schleppen, mich, den zitternden Greis? Ich folge dir willig.«

Also führten sie ihn auf den Markt, wo Syriens König,
Sitzend auf goldenem Thron' im Kreise bewaffneter Krieger
Und unzähligen Volk's, den olympischen Göttern zu Ehren,
Opfer zu bringen, geboth, und ihnen durch Spiel' an dem Festtag
Huldigte: denn er gab dem siegenden Lenker des Wagens;
Dem, der weit vor allen die lastende Scheibe geworfen;
Der mit dem Pfeil, von der Sehne geschnellt, das ragende Ziel traf;
Der in dem Faustkampf Gegner besiegt', und dem hurtigsten Läufer –
Jeglichem gab er den Preis mit eigenen Händen zum Lohn hin.
D'rauf begann er, und rief: »Ruhm sey den unsterblichen Göttern
Von den Völkern gezollt; gestürzt, und auf immer vernichtet
Sey Jehova's Altar; verflucht, wer diesen verehret,
Und dem Tode geweiht in den schrecklichen Qualen der Folter!«

Schauder ergriff das Volk von Jerusalem, als auf dem Marktplatz
Dort ertönte des Schreckens Ruf. Schon opferte mancher,
Scheuend Folter und Tod, als Feiger, den nichtigen Götzen;
Mancher, dem wahren Gott' Abtrünniger, wurde die Geißel
Seines Volks. So Jason, ein Mann unbändiger Ehrsucht,
Der des Hohenpriesterthums Würd' um sündiges Geld nur
Sich erst jüngst von dem König erkauft'. In grauser Verwildrung
Wüthet' er gegen das Vaterland und den Glauben der Väter.
Dieser haßt' Eleazar schon lang, deß' leuchtende Tugend
Seiner Seel' entsetzliche Nacht und die ganze Verruchtheit
Seines Gemüth's noch mehr, noch erschütternder, furchtbarer, zeigte –
Allwärts auch des Würdigen Feind der unwürdige Mensch ist.
Aber, von Rach' empört, weil ihn Eleazar verworfen
Von dem Gesetz', und unwürdig des Hohenpriesterthums nannte,
Gab er Antiochos kund: »Eleazar schmähe des Königs
Herrschaft laut, und ihn selber, da er hellenische Sitten
Rings in dem Land von Israel, er, ein Syrer, gebiethe!«

Jetzt durch drängende Haufen heran auf den wimmelnden Marktplatz
Führten die Krieger den Greis, und überall wich ihm, voll Ehrfurcht,
Aus die Meng', und seufzt': erwägend das schreckliche Schicksal
Solch' ehrwürdigen Mann's, dem keiner in Israel gleich kam.
Jason stand auf den Stufen des Thron's, und lächelte grimmig
Hohn der Höll' ihm entgegen, und doch vergab ihm der Dulder.

Abgewandten Gesicht's, des tiefaufgährenden Herzens
Wuth zu bergen, und stützend den Arm auf den goldenen Armstuhl,
Saß Antiochos dort auf dem Thron'. Er winkte, gebiethend,
Jason, dem Frevler, und sprach: »Er opfere jetzt an dem Altar
Zeus, dem Beherrscher der Erd' und des Himmels, dem mächtigsten Gotte,
Hier vor dem harrenden Volk'; auch allen unsterblichen Göttern
Zoll' er, anbethend, Ruhm, so wird ihm noch heute vergeben.
Säumt' er, unserem Herrscherwink zu gehorchen in Demuth:
Dann auf die Folter mit ihm: in Qualen verhauch' er das Leben.«
Und sie führten sogleich den Helden des Herrn auf den Kampfplatz.

Gegenüber dem Thron', auf sieben Stufen erhöhet,
Wies sich das Steingebild des Olympiers. Ueber ihm wölbte
Eine Kuppel sich auf, von Marmorsäulen getragen.
Von dem runden Altar', an dem Fußgestelle des Götzen
Dampfte der Opferrauch empor, und erfüllte den Marktplatz
Doch mit der goldenen Bind' um die Stirn', und in festlichen Kleidern,
Standen die Priester umher, und sangen die Hymne des Opfers.
Sieh', nun stieg der heilige Greis in erschütternder Hoheit,
Allen sichtbar, dort auf die oberste Stufe des Tempels;
Wandte den Flammenblick, voll unaussprechlicher Anmuth,
Nach der starrenden Menge hinab, und es preßte das Mitleid
Thränen ihm aus, die schnell von seinen gerötheten Wangen
Nach dem Busen hinab in schimmernden Tropfen sich drängten.
Doch nun fuhr er betroffen zurück: die geöffneten Lippen
Bebten ihm; bald verlosch, bald flammte sein Auge nur heller:
Wie der Mond, den, flugs, ein schwindendes Wölkchen verhüllet;
Jetzt umschwebt' ihm den Mund ein Himmelslächeln: er starrte
Vor sich hin in die bläuliche Luft – so däucht' es dem Volk dort:
Denn vom Erbarmer gesandt, war ihm der Himmlischen einer,
Uriel, liebend, genaht. Auf goldenen Fittigen schwebt' er,
Eilend, herab. Er trug herbei zwei goldene Becher;
Nahte dem staunenden Greis, und lächelt' ihm mild in die Augen;
Dann begann er, und sprach: »Eleazar, der Jahre schon neunzig
Sind dir entfloh'n, und nur zehn erübrigen dir vor dem Grab' noch!
Sieh', in der Linken dahier die Macht, das irdische Leben
Weit hinaus zu dehnen nach Wunsch, und hier in der Rechten
Nahen und schrecklichen Tod, doch kommenden Menschengeschlechtern
Noch zum Heil und begeisterndem Trost. Was wählst du von beiden?«
Weit vorbog sich der Greis, und zitterte – bebte vor Sehnsucht
Nach dem seligen Augenblick des unsterblichen Lebens.
Viel zu gering' ein Leben voll Schmach – zu nichtig die Qualen
Achtend, und höher schon nichts als den Tod im Segen Jehova's,
Griff er schnell nach des Engels Recht'; entriß ihr den Becher,
Hob ihn zum Mund', und trank, und fühlte sich wundergestärket:
Freudig zu kämpfen den Kampf, zu vollenden die herrliche Laufbahn,
Und zu erringen am Ziel die lohnenden Kränze des Siegers.
Doch der Engel umschlang in höherem Glanz' Eleazars
Nacken, und rief mit erhebendem Blick': »Ich werde dir nahen,
Mutheinhauchend, im Kampf', und versüßen die Stunde des Todes.«
Also rufend entschwand er schnell in den höheren Räumen.

Jason naht', ein Stück unrein geachteter Nahrung
Ihm in den Mund, mit Gewalt zu drängen, und sagte: »Verzehr' es,
All den unsterblichen Göttern zum Ruhm, so will ich dich retten!«
Aber er faßt' ihn am Arm, und stieß ihn die Stufen hinunter.
Als er im schrecklichen Zorn nun flucht', und tobte vor Ingrimm,
Kam Nikanor heran, Feldoberst' in Syriens Heersmacht,
Dem Eleazar einst, huldflehend, am Throne genaht war.
Dieser führt' ihn beiseit', und sagte mit ängstlichen Blicken:
»Herrlicher Greis, gedenke der Zeit, wo wir uns im Burghof
König Antiochos, den die Welt den Großen genannt hat,
Sahen, und der dich, Gesandten des Volk's von Israel, ehrte;
Denke der Tage denn auch, die uns dort in traulicher Einung
Selig entfloh'n, als ich, Eleazars Freund, vor dem König
Selber, die Rechte des Volk's von Israel, wegen des Freundes,
Kühn und muthig vertrat, und jenem erwirkte die Freiheit
Von unendlichem Druck, von Schmach, und zermalmender Knechtschaft:
Solches bedenk', o Greis, und schone dein Leben, so theuer
Deinem Volk, dem Könige selbst, und deinem Nikanor!
Schaue den Rettungsweg, und folg' ihm. Wie das Gesetz dir
Gönnet des Fleisches Genuß, laß solches dir holen, und koste
Hier, am Altare des Zeus davon – so handelnd zum Schein nur:
Denn der Ruf: du habest der Opferspeise genossen,
Macht den König dir hold, und du bist gerettet auf immer.
Folge mir. Sieh', mir rinnet der Schweiß in glühenden Tropfen
Von der Stirne herab! Ich weiß es, mit ernster Gesinnung
Haltest du fest am ererbten Gesetz ... doch will ich dich retten.
Schone dein Haupt, das allerverehrete; habe doch Mitleid
Mit dir selber, dem Volk', und dem treugesinneten Freund hier.«

Also sprach er, bewegt, und sein Aug' umhüllten die Thränen;
Doch Eleazar ergriff ihn am Arm', und führt' ihn hinüber
Nach dem Platz, wo er heute zu steh'n von Jehova erwählt war:
Denn er trat zu dem Bild des Olympiers; stand, und bedachte
Jetzo den Adel seines Geschlechts; den erhabenen Vorzug,
Den sein Alter ihm gab, im Schmuck des grauenden Haupthaars,
Und die Jahre gesammt des frommen, unsträflichen Lebens –
Dacht' es im freudigen Muth', und sprach zu den Seinen gewendet:
»Israels Volk, merk' auf! Mir both unedeles Mitleid
Rettung von Qualen, vom Tod': Erlaubtes sollt' ich zum Schein nur
Kosten, und mir erheucheln damit ein schmähliches Leben?
Ich den Frevel begeh'n? Eleazar, der Lehrer des Volkes,
Er, der neunzigjährige Greis, erkaufe sich feig hier
Einige Jahre vielleicht, um solchen Preis der Verdammniß?
Weise damit der Jugend den Pfad der niedrigen Falschheit,
Arger Verstellung und List, und der Wahrheit freche Verachtung
Lehre dem zartaufblüh'nden Geschlecht durch sündiges Beispiel,
Daß Verwünschung und Fluch im dunkelen Grab' ihn noch treffe?
Nein, ich wähle den Tod von eurem geschwungenen Mordbeil:
Denn nicht brächte mir solches Gewinn, so ich jetzo der Menschen
Henkergewalt entrönn', und mich des erheuchelten Lebens
Freuete, da ich nicht hier im irdischen Leben, nicht jenseits
Gottes furchtbarer Hand entrönn', ein frevelnder Sünder!
Fort in den Tod! Der Abend des heiterentschwundenen Lebens,
Und der Himmel im rein- und schuldlospochenden Herzen,
Werd' auch jetzt nicht getrübt durch seelenverderbende Thorheit.
Jünglingen will ich zum Muster steh'n, daß sie, fürchtend Jehova's
Zorn allein, nicht fürchten den Trotz des sterblichen Menschen,
Der heut' wüthet, und lärmt, und morgen, verstummt, in dem Grab liegt;
Daß sie wandeln die herrliche Bahn, die ich ihnen voranging:
Für das Gesetz, das Vaterland, und den Glauben der Väter
Freudig aushauchend den Geist im heldenmüthigen Tod nur!«
Sagt' es, und eilte herab, in den Tod zu gehen, entschlossen.
Jason sah mit höhnendem Blick nach dem Helden Nikanor,
Der ihm Rettung ersann; doch plötzlich wurde sein Mitleid
Umgewandelt in Haß, und sein Erbarmen zur Blutgier
Gegen den heiligen Greis, der sein', so wähnte der Syrer,
Spottete. D'rauf erforscht' er schnell den Willen des Königs,
Der im empörten Gemüth' ihm längst nur Folter und Tod sann,
Und jetzt wüthender rief: »In den Tod mit dem Frevler! Zermalmt ihn!«
Alsbald, von dem Altare hinaus zum dunkelen Stadtthor
Führten sie ihn, und lautaufweinend, eilte das Volk nach.
Doch Eleazar sah auf dem Todeswege vor sich hin
Starr, mit flammendem Blick, und höherer Gluth auf den Wangen:
Denn der Unsterbliche ging vor ihm her. Nach dem Greise herüber
Hatt' er die huldausstrahlenden Augen gewendet, und streute
Himmlische Rosen vor ihm auf den Weg, voll wonnigen Duftes.

Draußen warfen die Wüthriche jetzt Eleazar zu Boden;
Streckten die Glieder ihm aus, und schlugen mit eisernen Stäben
Ihm die Glieder entzwei. Er rief, vertrauend, zu Gott auf:
»Jenseits leid' ich nicht mehr. Allmächtiger, stärke den schwachen,
Bebenden Greis! Du weißt es: nicht wählt' ich des niedrigen Treubruch's
Schmählichen Rettungsweg – ich wählte den Tod des Gerechten!
Lös', o, gütig das Band des seel'umengenden Fleisches,
Daß sie sich schwing' empor, und dir auf immer vereint sey!«
Doch der Unsterbliche beugte sich jetzt nach dem sterbenden Greis' hin,
Und ein zitternder Tropfen sank ihm herab aus den Augen,
Deß' ätherischer Glanz des Mitleids innige Wehmuth
Spiegelte; kühlt' ihm sofort die Gluth der thauenden Wangen
Sanft mit dem fächelnden Schwung der goldenen Flügel, und haucht' ihm
Muth und Vertrau'n auf den Herrn, in das angsterschütterte Herz ein.
Wie von dem Alpengebirg des Morgens schimmernder Nebel
Auf g'en Himmel sich schwingt, und schnell in den bläulichen Luftraum
Fortzuschweben, sich sehnt; doch hält ihn des ragenden Felsens
Scheitel noch fest: er haftet mit zartem Fuß' auf den Höhen:
Also schwebte sein Geist, nun los von dem Leibe sich ringend,
Leis' empor, da stets ermattender'n Schlages sein Herz schlug,
Jetzo nur schwach mehr zitterte, stand – und ruhte für immer.
Doch nun stürzte der himmlische Freund an die selige Brust ihm;
Drückte den Seelenkuß, zum Pfand des unsterblichen Lebens
Ihm auf den Mund. Sie standen, entzückt, in hehrer Umarmung,
Und entschwebten, vereint, den düstern Gefilden des Erdballs.

Seine sterbliche Hülle, vom Staub' und Blut' an dem Waldbach
Reinigend, trug das Volk mit Thränen hinaus an den Heerweg,
Und bestattete sie in dem festummauerten Grab dort.

III.
Die Mutter mit den sieben Söhnen.

Hingebung. V. B. Mosis 32. Cap. 36. V.

»Sage, du Holde mir an: wo weilt Salomone, Hewilas
Witwe, die, gesegnet von Gott, als glückliche Mutter
Sieben treffliche Söhne gebar, und der Guten sich rühmet?«
Also der Fremdling, der, wie im Flug, zur Thüre hereintrat.
Doch Salomone erschrack: sie hielt die Thüre verschlossen
Heute wie sonst – wer öffnete sie? So erregten des Fremdlings
Worte nur Furcht und Angst in ihrem erschütterten Herzen.

Unten im stillen Gemach', in des Abends sinkender Dämm'rung
Saß sie allein, fortwebend am Tuch' aus schimmernder Wolle
Für die Braut des ältesten Sohn's, die sie, nach der Sitte,
Selbst ihm erlas, das Herz errathend des schüchternen Jünglings.
Jetzt erhob sie sich schnell, und trat dem staunenden Fremdling
In erhab'ner Gestalt, voll Würd', entgegen, und sagt' ihm:
»Sey willkommen in Gott, Salomonen, der Witwe Hewilas;
Aber verzeih', ich rufe dir einen der Söhne zum Dienst her.«
Sagt' es, und wollt' entflieh'n, der Männer Gesellschaft vermeidend.
Jener begann mit lächelndem Blick: »Zur Lese der Trauben
Sandtest du heute die Söhne gesammt nach dem fröhlichen Weinberg;
Bald erblickst du sie wieder daheim, und erfreust dich der Guten.
Fürchte dich nicht, Salomone! Ich bin ein Diener Jehova's,
Der mich gesandt. Vernimm ein Wort der ernsten Betrachtung
Ueber der Gegenwart Verderben dräuende Zeichen,
Daß du, mächtig in Gott, ermuthigest dich und die Deinen.
Seit hier Syriens Fürst, Antiochos, jeglichen Frevel
Wider Israels Volk geboth: Jehova's Verehrung
Schmähend, nur Götzendienst, nur Aberglauben und Unsinn
Lehret durch Folter und Schwert, erbebten gar viele der Schwachen;
Ließen ab von Jehova dem Herrn, und huldigten, treulos
Nichtigen Göttern: zur Angst und Verwirrung der Redlichen selber,
Die das Laster erhöht, und die Tugend erniedrigt im Staub, sah'n.
Zwar entflammte das Volk der Muth Mathathias, des edeln;
Einst, o Tage des Sieg's, entflieht vor seinen Erzeugten
Syriens Macht, und, gerächt an den Wüthrichen, athmet das Land frei!
Zwar erhob Eleazars Tod, des redlichen Greises,
Tausender Herzen zu Gott, und erweckte Vertrau'n in den Schwachen;
Aber nicht rastet der Feind. Noch größ're Verfolgung bedrohet
Israels Reich, bis endlich das Maß des Jammers erfüllt ist,
Das Jehova bestimmt' ob all' dem Frevel des Volkes.
O, wer schirmet es jetzt, wenn wildentbrannt in dem Herzen,
Ihm Antiochos Tod und Vernichtung drohet: zum Abfall
Von dem Gesetz, von Gott und dem Glauben der Väter es reizend?!
Einst erhoben sich wohl hochherzige Männer, und standen,
Ihres Volks Erretter, mit Kraft und Muth in Gefahren.
Ja, du weißt, auch in deinem Geschlecht, dem zarteren, flammte,
Dort noch der Heldenmuth: als Deborah, Judith, und Esther
Uebten für Gott und das Vaterland ruhmwürdige Thaten;
Doch wo fände sich nun solch' hoher Sinn und Entschluß noch,
Israels Heil durch Hingebung, Muth, und erhebendes Beispiel,
Das auch And're zu Thaten entflammt, und rettet, zu wirken?«

Hell erglänzte der Blick der Horchenden; röthliches Feuer
Hob sich von ihrer Lilienbrust auf die blässeren Wangen,
Und, die Augen hinab zur Erde geheftet, begann sie:
»Gott ist gnädig und mild: weit steh' ich den heiligen Frauen
Nach an Würdigkeit und Verdienst, die jetzo mit Ehrfurcht
Nannte dein Mund; nicht wagt' ich, so den grausen Gefahren
Selber entgegen zu steh'n – zu vollführen das Kühne mit Mannssinn;
Aber Gott verläugne ich nicht, und sollte des Henkers
Mordbeil über dem Haupte mir schweben, und fallen! O Fremdling,
Oft aufjubelte mir das Herz, wenn ich in der Mitte
Meiner Kinderchen ging, und das Volk in den Straßen mir nachrief
Segen und Heil – mit den Fingern wies auf die glückliche Mutter!
Wahrlich, ich bin's! Mein Stolz, mein Alles, stehen Hewilas
Söhne, des Guten, vor mir. Fromm sind die Kinder geworden,
Die ich einst unter dem Herzen trug, dann säugte mit Sorgfalt,
Und im Gesetz' erzog, vor Gott unsträflich zu wandeln;
Aber ich weihe sie freudig dem Tod, wenn die Ehre Jehova's,
Und die Rettung des Volkes es heischt, und wäre nur elend,
Stürben sie nicht, getreu dem Gesetz, mit Muth und Ergebung.«

Jener trat zu ihr hin. Er sah mit verkläreten Blicken
Ihr in das Aug', das schnell erblindete; faßte die Recht' ihr.
Mächtig, daß Himmel und Erd' ihr schwanden, und sagte mit Nachdruck:
»Halte, o Treffliche, Wort: wir sehen uns wieder im Lichtreich,
Wenn, Jehova getreu, dein Geist von der Erde sich aufschwingt.«
Rief es in Hast, und entschwand. Nun ging Salomone, vor Schrecken
Stöhnend, gegen die Thür', und öffnete sie, noch erblindet
Vor dem Strahlenblick des Unsterblichen: aber es sank ihr
Dort von den Augen der dunkele Flor. Sie suchte den Fremdling
Rings mit ängstlichem Blick', und nirgend war er zu schau'n mehr.

Sieh', da kehreten, Arm in Arm, die Söhne Hewilas
Von dem Lande zurück', und umringten die stattliche Mutter,
Sie liebkosend mit Gruß und Kuß, und den zärtlichsten Nahmen!
Doch sie erwiederte nicht die Zeichen der Lieb' und Verehrung
Ihrer Erzeugten; nicht sah die Erschütterte jetzo den Jüngsten,
Ihren Liebling, noch an, und forschte, voll Hast, nach dem Fremden,
Welcher so eben das Haus verließ, und ihnen begegnet'?
Aber sie sah'n mit Staunen nach ihr, die Frage verneinend.
Langsam ging sie zurück' im Kreise der schweigenden Kinder,
Schweigend selber, und d'rauf in der dämmernden Stube begann sie:
»Wunderbar sind die Wege des Herrn! Er sandte den Engel:
Denn kein Sterblicher war's, uns, sein' Erwählten, zu warnen,
Und zu stärken im Kampf für Israels Heil, und im Tod selbst
Für das Gesetz und das Vaterland, wenn solcher uns drohet.
Eilt, ihr Lieben, zur Ruh'. Ich will nun wachen, und bethen.«
Und sie entzog sich, bewegt, den Augen der trauernden Kinder.

Als von dem östlichen Himmelsthor die freundliche Sonne
Hell in die Kammer schien, da sah'n die Erwachten die Mutter
Draußen im Laubengang des weitverbreiteten Gartens
Steh'n, umringt von der Schar bewaffneter Krieger, und stürzten
Alle zur Thüre hinaus, die Theure zu retten, entschlossen.
Aber sie rief alsbald mit erheitertem Blicke zu ihnen:
»Höret mich! Uns gebeut Antiochos Wille, des Königs,
Heut noch vor dem Gericht zu entsagen den Satzungen Moses:
Also dem heiligen Bund des einigen Gottes, Jehova,
Daß abtrünnig von ihm, wir huldigen nichtigen Götzen,
Und verhöhnen die Treu' und den Glauben, die Tugend und Wahrheit.
O, ich seh' in dem Flammenblick von Hewilas Erzeugten
Schimmern den Heldenentschluß, der, hier das Leben verachtend,
Lieber sich wählet den Tod, als daß er noch fröhnte dem Laster!
Knieet zu mir! O laßt uns jetzt in des heiteren Morgens
Sanftumströmendem Hauch' und im Licht der strahlenden Sonne
Fleh'n zu Jehova, dem Herrn: »Errett' uns, Gott, aus dem Jammer;
Oder gib uns den Muth, zu erdulden die Qual und den Tod selbst
Mit Ergebung, eh' wir, den Schwachen zum sündigen Beispiel,
Treulos weichen von dir, und erwählen die Pfade der Hölle!«
Und die Söhn' aufschrieen zugleich: »So sey es, Jehova!«

Also betheten sie; doch jetzt erhoben sich alle,
Heiteren Blick's, und gingen im Kreise bewaffneter Krieger
Eilig, die Wandelbahn entlang, nach der Straße hinunter.
Als Salomon', im Vorübergeh'n, die Kammer erblickte,
Wo sie die Kinder gebor'n, und gesäugt, und mit Liebe so Vieles
Duldete, dort die hülfebedürftigen Kleinen zu warten;
Wo ihr auch mit dem Gemahl, dem redlichen, selig des Lebens
Jahr' entfloh'n: da umhüllten ihr Aug' untadlige Thränen;
Doch sie trocknete schnell ihr Aug', und schritt nach dem Markt hin.

Staunend ersah das Volk die Herrliche: denn sie verließ nur
Selten das Haus, seit ihr der geliebte Gatte gestorben –
Staunend, die Söhne gesammt, in der Mitt' unmenschlicher Krieger.
Stets verengten sich mehr die volkdurchwimmelten Straßen.
Tausende folgten der heiligen Schar auf den tosenden Markt nach,
Wo Antiochos selbst auf dem festlichprangenden Erker,
Sitzend im Feiergewand, der Kommenden harrte mit Sehnsucht:
Denn er hörete jüngst, da er nächtlich die Straßen, vermummet,
Durchzog, rühmen die Mutter zugleich und die frommen Erzeugten,
Die, des Vaters beraubt, mit inniger Treu' und Ergebung,
Hingen an ihr, und die Muttersorg' ihr liebevoll lohnten.

Aber, o welch ein Anblick schreckt die umdrängenden Menschen?
Hier Zeus Altar; dort Werkzeug' entsetzlicher Folter:
Räumige Kessel, mit Pech und brodelndem Oehle gefüllet,
Hängend über der Gluth, auch hellroth glühende Zangen,
Und an dem ragenden Pfahl die schmählichen Band' und die Geißel.
Chusim begann, der Feldherr, jetzt im Nahmen des Königs:
»Hört es, Bewohner der Stadt, wie huldvoll Asia's Herrscher
Sich den verblendeten Frevlern erweist! Preiswürdige Männer
Klagen die Mutter hier, und die Söhne, gesammt, vor Gericht an:
Daß Antiochos Ruhm sie lästerten, welchem die Gotter
Weisheit und Macht verlieh'n vor allen sterblichen Menschen.
Nun, da er Israels Volk aus Schmach zu erheben gedenket,
Das ob Moses Gesetz verachtet, und allen verhaßt ist,
Will er noch ein- und zum letztenmal den sträflichen Söhnen
Und der Mutter Vergebung und Huld aus der Fülle der Großmuth
Spenden: wenn sie dort dem Vater der Götter und Menschen,
Ihm, dem olympischen Zeus Kronion, zugleich mit uns andern,
Weihrauch streu'n auf die Gluth, und ihn anbethen, knieend, in Demuth.
Sollten sie nicht? dann – seht die Peiniger, werden die Thoren
Hier aus der Zahl der Lebenden, heut noch, entsetzlich, getilget!
Makab, Erstgeborener, komm', und opf're dem Gotte
Freudigen Muth's! Du sollst den jüngeren geben ein Beispiel
Schuldiger Treu' und Folgsamkeit, vor dem Könige selber.
Fragen will ich dich nur, ob Trotz und Empörung dir Vortheil ...«

Ha, schon eilte der Feurige vor, und sagte mit Nachdruck:
»Frage mich nicht! Ich will – doch nein, wir alle, vereint hier,
Wir, Makkabäer genannt in Israels Jubelgesängen,
Wollen erdulden die Qual und den Tod, mit welchem du drohest:
Denn vom ererbten Gesetz' und dem heiligen Glauben der Väter,
Weichen wir nie: so wahr Jehova der einige Gott ist!«
Laut erscholl sein Ruf auf dem Markt. Den muthigen Worten
Bebt' Antiochos; dann erhob er sich rasch von dem Purpur,
Und geboth voll Wuth, daß ihm schäumten die zitternden Lippen:
»Foltert den Frechen zu Tod'; euch lohn' ich's mit reichlichen Gaben.«
Und sie griffen nach ihm. Allein, welch' schrecklicher Laut dringt
Jetzt aus der Ferne heran – der Liebenden Angst und Verzweiflung
Tönend aus zarter Brust nach der Stätte des Jammers herüber?
Heftig erschrack Salomone dem Ruf; sie sah den Erzeugten
Aengstlicher an, und dacht': »O hätte Jehova mit Taubheit
Ihn geschlagen zuvor, eh' solcher sein' Ohren erreichte,
Und zerfleischte sein Herz!« Doch Makab wandte sich, stöhnend,
Nach der Gegend, woher der herzerschütternde Laut kam.
Todesbläss' und glühendes Roth durchzuckt' ihm die Wangen,
Wechselnd; die Lippen, geöffnet zum Schrei, erzitterten leis' ihm.
Wohl gedacht' er der liebenden Braut, Sarone, mit Wehmut,
Und des tauschenden Traum's von seligen Tagen der Zukunft;
Doch er eilete vor, und both sich den Henkern zum Opfer,
Als die Unglückliche dort, vor Schmerz vergehend, im Staub lag!
Aber die Mutter sah in tieferschütternder Hoheit
Ihrem ältesten nach. Wie die eisige Stirne des Gletschers
Farblos ragt: so war ihr Gesicht, da er auf zu Jehova
Blickte mit festem Vertrau'n, und dem schrecklichen Tode sich hingab.
Sie verstümmelten ihn; doch als er in dampfender Pechgluth,
Sterbend, lag, da ermahnten sich noch mit Thränen die Brüder:
Muthig zu steh'n im Kampf für Jehova's heiligen Nahmen.

Jetzo war es gescheh'n. In der schauernden Brust Salomone's
Wühlete, siebenschneidig, das Schwert; zugleich mit dem Sohn dort
Traf ein jeglicher Streich das Herz der zärtlichen Mutter,
Unter welchem sie ihn neun Monden mit Liebe getragen.
Was ein Mensch zu erdulden vermag, das hatte sie standhaft
Hier erduldet für Gott: geseh'n des Sohnes Verstümmlung.
Aber noch sechsmal sollte sie, ach! in der Prüfung bestehen?
Wer erhöhte die Kraft der sanftgesinneten Mutter,
Daß sie bestand? Jehova selbst, ihr Gott und Erbarmer:
Denn, als jetzo der Sieger des Herrn das Leben verhauchte,
Naht', unsichtbar dem Volk', und allein der edelsten Mutter
Sichtbar, der himmlische Freund, der gestern am dämmernden Abend
Ihr erschien, und verschwand im Glanz' unsterblichen Lebens;
Both dann sieben, vor Gottes Thron nie welkende Kränz' ihr
Die der achte umfing, aus Edens duftenden Zweigen,
Lächelte mild, und haucht' ihr Kraft, Vertrauen und Muth ein!
Alsbald hob sie den Blick empor zu dem Vater im Himmel,
Dankt' ihm stumm, und ermahnete jetzt die weinenden Brüder:
»Kinder, weint um den Seligen nicht! Schon schmückt ihm die Scheitel
Jener unsterbliche Kranz, den euch Jehova bereitet.
Ringet auch ihr nach dem Kranz'. Ein Augenblick ist der Schritt nur
Von dem Leben zum Tod – dem Frommen zur ewigen Wonne:
Folgt dem Bruder, beherzt, für Gott zu sterben, entschlossen.
Daß Jehova, der Herr, sich eurer, wie Moses gesungen
Hatt' in dem heiligen Lied', als seiner Diener erbarme!«

Aber der Feldherr rief, von dem Muth des ersten erbittert,
Nun den anderen Sohn der Edlen hervor, und begann so:
»Abir, komme heran: er opfere hier an dem Altar
Zeus, des Olympiers, schnell, und verzehre die Speise mit Ehrfurcht.
Wisset es all': ihm würde die Haut von dem Leibe gerissen,
Wenn er thörichtgesinnt, wie Makab, verschmähte die Großmuth
Seines Königs und Herrn, der streng die Meuterer strafet.«
Abir gehorcht', und kam: da wollt' ein Schrei Salomone's
Lippen entfliehen. Sie eilete vor; dann stand sie, beherrschend
Wieder des Herzens Angst, und lispelte, leise, vor sich hin:
»Gott, wie ertrüg' er die Qual? Von zartester Jugend durch Krankheit
Lebenerschöpft, nährt er im schmächtigen Leibe den Geist zwar
Stark- und männlich gesinnt – ach, habt Erbarmen, ihr Henker,
Tödtet ihn schnell! Du stärk' ihn, Herr, in der Stunde des Todes!«
Lispelt' es leise für sich, und drückte das Herz mit der Rechten.
Abir sah die Umstehenden an. Die Lilienblässe
Seiner Wangen – sein Aug', ätherischlächelnder Sanftmuth,
Weckt' in dem Volk', in den Henkern sogar herzinniges Mitleid;
Doch der Jüngling begann: »Wie soll' ich gehorchen? Den wahren,
Einigen Gott verschmäh'n, verehren die nichtigen Götzen?
Nein, unmöglich, nie! Vollendet nur, was ihr begonnen!«
Jetzt erfülleten sie der Rach' entsetzliche Drohung,
Wüthend, an ihm. Er rief noch, sterbend, hinauf zu dem König:
»Grausamer Wüthrich, du raubst uns zwar das irdische Leben;
Doch der König der Welt wird uns erwecken vom Tod einst:
Denn wir sterben für sein Gesetz und den heiligen Glauben –
Wecken zum seligen Tag der Auferstehung, in Wonne!«
Also verhaucht' er den Geist, und es tobte der Scharengebiether
Ob des Königs verhöhneter Macht, und des eigenen Anseh'ns.

Machir schritt nun vor, von den Heldenbrüdern der dritte.
Sinnend wiegte die Mutter das Haupt, als jetzo der Jüngling
Nahte dem Ziel. Des Vaters Liebling war er, von Jugend
Auf. Mit dem feurigen Blut' und dem hochaufstrebenden Herzen,
Uebt' er schon frühe den Arm, des Kriegers Waffe zu führen.
Lächelnd rief dann oft Salomonen der Vater, und sagte:
»Liebe, gedenke des Worts: der wird ein Schrecken der Heiden!
Ha, wie er führet das blinkende Schwert, wie er spannet den Bogen,
Schleudert die Lanze, den Speer, und den weit hinsausenden Wurfstein:
Sicher wird er, als Führer des Heer's in brausender Feldschlacht
Niederschmettern den Feind, und dem Vaterlande die Freiheit
Schaffen – Israels Ruhm; mein Stolz im grauenden Alter!«
Solches erwog Salomon' im Geist', und dachte: wie fern oft
Irre des Menschen Sinn von Gottes verhülleten Wegen!
Als ihn Chusim ersah, da rief er, ergrimmt, zu den Henkern:
»Hau't, ihr Knechte, die Zung' ihm ab, und die Hand mit den Füßen,
Eh' er zu reden beginnt: der Meuterer würde noch lästern!«
Glühender strahlte der Blick und die Wange des muthigen Jünglings;
Alsbald streckt' er die Hand und die Zunge den nahenden Henkern
Selbst freiwillig dar, und sprach mit gewaltiger Stimme:
»Diese Glieder empfing ich vom Herrn. Ich gebe sie freudig
Wieder für sein Gesetz in der seligen Hoffnung: er wird sie
Mir ersetzen am Tag der Auferstehung für immer!«
Chusim fuhr, erblassend, zurück. Mit seiner Umgebung
Saß der König erstarrt: er entsetzte sich über des Jünglings
Heldenmuth, der, schauend den schrecklichsten Tod, ihn verhöhnte;
Bebte zugleich vor Zorn, daß solcher Muth in dem Volk noch
Wohnete, das er so gern von dem Antlitz der Erde vertilgte.
Aber die Mutter hing mit sanftverkläreten Augen
An dem Erzeugten, und sprach: »Er ist ein Held, wie der Vater
Solches verkündet': er kämpft den schwereren Kampf, und erliegt nicht.«
Und in schrecklicher Qual verhauchte der Tapf're das Leben.

Jetzo führten sie Juda heran. Mit eilenden Schritten
Lief ihm Achas nach: denn Zwillinge waren die beiden.
»Wie das Zwillingsgestirn,« so sprach zu dem Volke die Mutter,
»Flammend im Sternenzelt', auf nie getrenneter Bahn zieht,
So die Zwillinge, die ich gebar: denn, innigverbunden,
Liebten sie sich schon seit den Tagen der zartesten Kindheit.
Einst verlief sich mein Juda im Wald. Vom duftenden Geißblatt
Lag er betäubt, und schlummerte. Schrei'n, und Rufen, und Forschen
Waren umsonst: da lief mein Achas ihm nach, und die Neigung
Diente dem frommen Kind zur Leiterinn. Ferne vom Dickicht,
Das den Vermißten uns barg, rief schon der jüngere, freudig:
»Dort zur Laube hinauf, wo mein der Liebende harret!«
Also lebten sie stets, und jetzt vereint sie der Tod noch.«
Schauend die Beiden vor sich, begann der erboßtere Feldherr:
»Kommt, ihr, Natterngezücht, mit heiterem Blicke, verschlungen
Arm in Arm, mir Hohn zu sprechen – zu trotzen in's Antlitz?
Ha, ihr sollet mir in dem flammenden Kessel es büßen!«
Also geschah's. Da rief, aufschauend zum Könige, Juda:
»König, du wirst nicht ersteh'n, gleich mir, zum ewigen Leben:
Besser, daß ich, durch dich, den Tod erleid', und die Hoffnung
Baue auf Gott, der, gütig und mild, sie erfüllet im Himmel!«
Aber der jüngere sprach, wie jener, mit Muth in den Augen:
»König, auch du bist Staub, und der grau'numhüllten Verwesung
Unterthan, gleich uns, obschon du noch herrschest nach Willkühr
Jetzt im irdischen Glanz', und mit Lust nur Böses verübest!
Nähre nicht eitelen Wahn: verlassen sey von Jehova
Unser Volk; bald wirst du es seh'n, wie mächtig der Herr ist,
Deß' allmächtiger Arm dich selbst und die Deinen zerschmettert.«
Rief's, und sie starben zugleich – den Unzertrennlichen ähnlich:
Lieblichen Sängern des Walds, die, schon vom wärmenden Nest' an,
Bis zu dem Tode vereint, auf dem nähmlichen Aste sich wiegen,
Singen, und fliegen, und ruhen gepaart, und sinket das Weibchen
Todt vom Aste herab, so sinket das Männchen ihm todt nach:
So verhauchten den Geist die beiden, sich liebenden Brüder.

Angst erfüllete jetzt die Brust der erhabenen Mutter.
Areth sollte besteh'n die entsetzliche Prüfung – für ihn nur
Zitterte sie. Nicht bösgesinnt erwies sich der Jüngling;
Aber er hatte sich oft durch eigenwilliges Streben,
Mitten im selbsterkorenen Lauf von den Brüdern gesondert,
Und sie verhöhnt, von Trotz und neckender Laune getrieben.
Jetzt auch regt' er die Furcht in ihrer sorgenden Brust auf:
Denn die Stufen hinan des ragenden Götzenaltares
Stieg er zuvor mit verschränketen Armen, und sah zu dem Steinbild
Lange mit zweifelerregendem Blick' (bald wies er Verehrung,
Bald nur Hohn) empor; erforschte mit sinnigen Mienen
Opferspeis' und -geräth', und eilte dann wieder hinunter.
Auch, als jetzo der Feldherr noch mit freundlicher Stimme
Ihn zu ermahnen begann: des Königs Wink' zu gehorchen;
Weise zu seyn; zu erwägen das Glück, das, edelgesinnet,
Ihm der König beschied: da stand er noch lange, verschlossen,
In sich gekehrt, und sah mit finsterer Stirne zum Boden.
Schon erhob Salomone die Hände, gefaltet, zum Himmel –
Flehte voll Angst um Hülf' in der Noth, die schrecklich ihr drohte:
Da trat Areth hervor: sah lächelnd hinauf zu dem Standbild
Zeus, des Olympiers, noch, und fragete, kalt, und verhöhnend:
»Ha, das wär' ein Gott? Erzählt mir! Als in dem Anfang
Gott den Himmel, die Erd', und Alles und Jedes erschaffen,
Heißt es: Gott, der ewige Gott, der eine – Jehova
That es allein; wo war denn Zeus Kronion verborgen?
Habt ihr des Gottes Wiege geseh'n? Von hohem Geschlecht war
Ihm die Amme vielleicht, die ihn säugte? Wer lehret' ihn lallen?
Thoren ihr, da ihr wähnt: euch sey der Ewige selber,
Den kein sterbliches Aug' auf des Erdrunds Pfaden erseh'n kann;
Doch, den jeder erkennt, so er will, im redlichen Herzen:
Wie er im Brausen des Sturm's, im Säuseln des schwärmenden Lüftchens,
Und auf den Flügeln der Morgenröth', allmächtig, einherfährt;
Alles erschuf, und erhält, und leitet mit ewiger Weisheit,
Ha, daß dieser unendliche Gott euch Heiden bekannt sey,
Die ihr von Göttern sprecht, und, den Unsichtbaren verkennend,
Eigener Hände Werk verehret in todten Gebilden!
Aufschrien jetzt um ihn her, mit wilden Geberden die Heiden,
Und sie führten ihn schnell zu dem Tod' in unsäglichen Qualen.
Aber, auch sterbend rief dem Antiochos Areth noch laut zu
»König! Wähnst du vielleicht: du könntest Israels Kinder
So zermalmen nach Lust durch Herrschers Gewalt, und nach Willkühr?
Ach, ob unserer Sünden allein hat Gott in der Zeit noch
Ueber uns Leiden verhängt – dir Macht gegeben, zu siegen!
Dennoch, wehe dir einst: dein harren die schrecklichsten Strafen,
Weil du dich kühn erfrechst, selbst gegen Jehova zu streiten!«

Als nun Areth verhauchte den Geist, da nahte die Mutter
Eilig, stand, und beugete tief, mit verbreiteten Armen,
Ueber die Leichen sich hin. Nur Trümmer des einstigen Reichthums
Lagen vor ihr, ob welchem das Volk sie selig gepriesen.
Aber nicht trauernd, nein, mit erhabener Ruh' in den Augen,
Die nur die Freudenthrän' umhüllt', erhob sie die Stimme:
»Muthig habt ihr gekämpft das herrliche Ziel zu erringen,
Und ihr habt es errungen mit Gott. Die Kränze der Sieger
Seh' ich auf euerem Haupt', und die Brust erbebt mir vor Wonne:
Denn, wer gab euch die Kraft, so schreckliche Qualen zu dulden?
Eure Gestaltung im Mutterleib war Wunder auf Wunder:
Wer begriff's? Nicht hab' ich euch Geist und Seele gegeben –
Euere Glieder zusammengefügt. Der, mächtig, die Welt schuf;
Der des Menschen Geschick' und den Lauf der Gestirn' in dem Luftraum
Lenket, gab euch die Kraft, und wird, barmherzig und gnädig,
Euch erwecken am Tag der Auferstehung hienieden:
Weil ihr, treu dem Gesetz, mit heiterem, festen Vertrauen
Eher den Tod, als die Sünde, der Uebel größtes, erwählt habt.«

So dort über die sechs, für Jehova geopferten Kinder
Rief die Mutter ihr Segenswort: da bebte sie, schauernd
Wieder zurück; noch war das jüngste von allen, ihr Salem,
Uebrig. Sie hatt' ihr Auge von ihm gewendet mit Absicht
All' die schreckliche Zeit, als jen' erwürgte der Wüthrich:
Unerschüttert zu steh'n im Grau'n der entsetzlichen Prüfung.
Leise rang sie die Händ', und bethete: »Sende, Jehova,
Deinen Engel ihm zu, daß er ach, nicht erliege den Schrecken!«
Aber der Kleine saß in dem Staub', und verhüllete, schweigend,
Bei dem entsetzlichen Mord der Brüder, das Haupt mit dem Mantel.
Jetzt erhob er sich schnell, und Tausende starrten nach ihm hin,
Schauend das Engelgesicht des holdgestalteten Knaben.
Staunend, geboth Antiochos selbst, daß er nahe dem Erker;
Hob sich vom Stuhl', und rief die schmeichelnden Worte herunter:
»Knabe! Du weißt, Salomone verschmäht die Worte der Großmuth,
Die ich gesprochen zuvor, euch mahnend: die Satzungen Mose's,
Die nur Verachtung und Haß euch wecken im Herzen der Völker,
Abzuschwören vor Zeus, und allen unsterblichen Göttern!
Doch voll Wuth aufreizte sie noch zu frecher Empörung
Deine Brüder gesammt, die in Qualen ihr Leben verhauchten.
Dich zu retten, verschon' ich sie: denn wirst du gehorchen,
Siehe, da sollest du reich an Gold und Silber, an Waffen,
Wägen, und Rossen seyn, und in prächtigen Kleidern, dem Sohn gleich,
Stets an der Seite mir steh'n: verehrt, und erhoben vor allen!«
Und er winkte noch freundlich herab mit den Händen und Augen,
Daß er bewegte das Herz des stillhinbrütenden Knaben.
Aber umsonst: denn laut begann er, und sagte mit Nachdruck:
»König, ich folge dir nicht: mein Herr und Gott ist Jehova!«
Solches gesagt, enteilt' er, und stand, von der Mutter gesondert,
Schweigend, allein. Da hieß Antiochos nahen die Mutter,
Und ermahnete sie, mit sanftertönenden Worten:
»Weib, bedenke das Los, das deinen Erzeugten zu Theil ward
Ob Empörung und Trotz und deiner unbändigen Wildheit,
Die sie drängte, den Tod, von Qualen umdräut, zu verachten!
Noch ist dein jüngstes – ein liebliches Kind, ein Eros an Schönheit,
Uebrig; rette dieß Kind, eh', schuldlos, solches der Krieger
Wildempöreter Wuth hinsinkt, von der Mutter geopfert.
Pflegen will ich's mit Königshuld; ein liebender Vater
Will ich ihm seyn, und es hoch erheben, dem eigenen Sohn gleich –
Dich erheben mit ihm, daß jeglicher glücklich dich preise.
Eil', und rette den Sohn! Er koste die Speise der Sühnung
Vor dem harrenden Volk. Das nur, das Einzige heisch' ich
Wegen des Volk's. O, Mutter! Wie, du könntest noch zaudern?«
Als er geendet das Wort, da sprach Salomone mit Nachdruck:
»Wohl, ich lege dem Sohn' an das Herz, wo ihm blühe des Glückes
Sam' allhier, und herrliche Frucht ihm verheiße die Zukunft!«

Hehr, und bewunderungswürdig erschien die erhabene Mutter
Rings dem versammelten Volk', als jetzt, zu dem letzten Erzeugten,
Kehrend, mit flammendem Blick' und mit höhergerötheten Wangen,
Sie hinschritt durch die Reih'n, nach ihr umschauender Krieger.
Sonst so zart und so mild (ein Weib im edelsten Sinne,
Uebend der Gattinn und Mutter Pflicht, und der sorglichen Hausfrau
Tausendfältig' Geschäft mit stets erheiternder Sanftmuth)
Hatte sie nun, voll Kraft, den Tod der Söhne getragen,
Und mit männlichem Muth des brechenden Herzens Empfindung
Mächtig beherrscht, daß all' umher anstaunten die Heldinn.
Jetzo beugte sie sich zu dem Knaben hinunter, und sagte:
»Sohn, erbarme dich mein, der Mutter, die unter dem Herzen
Dich neun Monden trug, dich gesäugt und mit Liebe genährt hat
Seither! Höre mich an, mein liebes, mein einziges Kind du!
Hebe die Blicke zum Himmel empor – betrachte die Erd' auch:
Sieh', was dort, was hier, dein staunendes Auge gewahret,
Ist des Allmächtigen Werk, der Alles und Jedes erschaffen –
Auch den Menschen erschaffen aus Nichts, und geordnet mit Huld hat!
Fürchte darum, mein Kind, des Wüthrichs schmeichelnde Reden,
Aber fürchte die drohenden nicht! Erweise dich würdig
Deiner Brüder: zu leiden wie sie, und entgegen zu gehen
Muthig dem Tode wie sie, daß ich einst, am Tag des Gerichtes,
Dich mit jenen zugleich in seliger Wiedervereinung
Drück' an dieß Mutterherz, und ewige Freude mich lohne!«
»Mutter!« so rief, einfallend, das Kind, »was ängstiget also,
Wegen des jüngsten Sohnes, dein Herz? Ich folge Jehova's
Worten allein: dem Gesetz, das unseren Vätern sein Diener,
Moses, verkündet' am Berg' im feurigen Donnergewitter,
Und in steinerne Tafeln grub, daß auf ewige Zeiten,
Wir Jehova, den Herrn, und nicht andere Götter verehren.
Komm', und hör's nun selbst, du hochgesinnete Mutter,
Wie zu dem König dort dein, dir ergebenes Kind spricht!«
Freudig bebte die Mutter zurück. Der Unsterbliche strahlte
Plötzlich im Himmelsglanz' an der Seite des Knaben, und führt' ihn,
Sanft an der Rechten, hervor aus dem Kreis' unmenschlicher Krieger,
Gegen den Erker hin. Er stand, und Salem begann so:
»Ha, du, den nicht Weisheit ziert, nicht Milde, nicht Großmuth,
Dein unzähliges Volk, und mein's, das, waffenbezwungen,
Dir gehorcht auf einige Zeit, zu beglücken als Herrscher,
Zittre vor dem Gericht' und der schrecklichen Wage: der Schalen
Eine schnellt leer auf, und die andere schleudert die Bosheit
Deines Gemüthes hinab zu dem Abgrund ewigen Jammers!
Zitt're, du bist der Hand des Ewigen noch nicht entronnen!
Wahrlich, erschöpft hast du schon die Wuth an Hewilas Erzeugten –
Hast die Brüder erwürgt; doch, treu dem einigen Gotte
Waren die Frommen gesinnt, und sind in das bessere Leben
Eingegangen, das Jehova, voll Huld, uns verheißen!
Auch ich theile das Los der Gemordeten – opf're das Leben,
Freudig, für Gott. O, möchte sein Zorn, der schwer auf den Unsern
Lastete, jetzt, versöhnt durch unsere Leiden, sich legen!«
Lächelnd entschwand der Unsterbliche nun den Augen der Mutter;
Doch sie stürzte heran; umschlang den Nacken des Sohnes
Fest mit den zitternden Armen, und schrie zu Jehova den Dankruf,
Jauchzend, empor. Wild tobt' Antiochos, daß ihn das Kind selbst
So verhöhnt' auf dem Markt': er hieß es, ergrimmteren Blickes,
Foltern zu Tod', und eilt' unmuthig nach seinem Pallast heim.

Als auch die zarteste Blume den Duft des blühenden Lebens
Unter der blutigen Hand der grausamen Würger verhauchte:
Da stand plötzlich die Mutter, erblaßt. Ertragen mit Starkmuth
Und Ergebung in Gott, den Einigen, hatte sie heut hier
Unaussprechlichen Schmerz bei dem furchtbarn Tod der Erzeugten;
Doch nun war das Opfer gebracht; des bitteren Kelches
Letzte Hefen geleert: nun rissen im Herzen der Mutter
All', im Todeskampf mit Kraft gestähleten Saiten
Leise, mit brennendem Wehe sich los. Der glänzenden Augen
Flamme verlosch, und die Wangen umzog die Blässe des Todes;
Mit eröffneten Lippen, den Blick zum Himmel erhebend,
Preßte sie matt an das Herz die gefalteten Hände; sie wankte,
Zitternd an jeglicher Nerv', und sank, vergehend, in Ohnmacht.
Einer der Krieger durchstieß mit unmenschlicher Rechte das Herz ihr,
Und der selige Geist flog auf mit tönenden Flügeln –
Auf zu dem Ewigen, wo die wiedergefundenen Söhn' all'
Ihrer harrten mit jubelndem Ruf. Sie knie'ten am Thron jetzt
Seligvereint, und weineten dort nur Thränen der Wonne.

Schweigend, mit düsterem Blick verlor sich die Menge vom Marktplatz.
Nicht geschreckt, empört war jetzo das Herz in dem Busen
Tausender. Muth erweckte der Tod solch' herrlichen Weibes,
Solch' unschuldiger Söhne Geduld in entsetzlichen Leiden,
Hier in dem Herzen des Volk's. Des Zieles verfehlte der Wüthrich.
Heimgekehrt, erzählt' es der Gatte der Gattinn; die Mutter
Sagt' es den Kindern, bewegt; hinaus auf den stäubenden Heerweg,
In die entlegenste Stadt, und die einsamgelegenen Hütten
Walzte der Schreckensruf, wie sturmgeschaukelter Wogen
Schwall zum entfernten Gestade, sich fort, und überall hob sich
Tapferer Männer Verein, von Juda, dem Makkabäer,
Siegbeherrscht in dem Feld: die vaterländischen Sitten
Mit dem Gesetz', und in ihm den Glauben der Väter zu schirmen.
Also ward in dem Tod des edeln Geschlechtes Jehova's
Ruhm: der Glaub' an den Einigen Gott, bei den Menschen verherrlicht.


Hingebung – o, vor allem erhabene, große Gesinnung!
Größer, erhabener noch, wenn sie zur muthigen That wird;
Freudig der Mensch für den heiligen Zweck sein Alles auf Erden
Hingibt; achtet für Nichts das eigene Leben – auch jenes,
Das ihm theuer noch mehr, denn sein's, hienieden geworden,
Opfert, der Pflicht getreu, mit stillverblutendem Herzen,
O wer priese sie würdig genug, die erhebende Tugend?
Aber vor ihm, des Menschen Sohne, wie schwindet ihr Glanz hin.
Der die Gottheit barg in des Menschen sterbliche Hülle;
Sich freiwillig selbst erniedrigte so, daß er anzog
Knechtes Gestalt; voll Huld, erbarmend, unsere Schwachheit
Trug bis zum Tod, gehorsam, zum Tod des erlösenden Kreuzes!
O wie undenkbar groß die Hingebung dort vor dem Vater,
Die nur der Seraph denkt, und anbethend stammelt in Ehrfurcht.
Heil dem herrlichen Greis', Eleazar! Heil auch der Mutter
Mit den Erzeugten: wie glänzt ihr Nahm' in dem Buche des Lebens!

IV.
Judas Makkabäus.

Sieg.

Sieh', in dem heiligen Grau'n des leisaufdämmernden Morgens
Hebt sich mit tieferschütterndem Laut' empor zu den Berghöh'n
Zions, Siegesgesang; Danklieder erschallen Jehova –
Ihm, dem Retter aus Jammer und Noth, dem Spender des Sieges,
Aus der unzähligen Schar, die, Palmenzweig' in der Rechten
Tragend, den winkenden Höh'n im festlichen Zuge genaht ist.
Seliger Augenblick, wo es Israel wieder vergönnt war
Seinen erhabenen Tempel zu schau'n; zu verehren des Weltalls
Herrn an dem heiligen Ort, den er sich selber erkoren,
Und, befreit aus Feindes Gewalt, ihm zu dienen in Freiheit!
Doch wer ist's, der all' den Tausenden, schaltend, voranzieht?
Blühende Kraft, und Muth verkündet sein Gang; um den Nacken
Spielt ihm das bräunliche Haar, und die blitzenden Augen, im Schlachtfeld
Sonst so furchtbar zu schau'n, umhüllt ihm jetzo der Thränen
Milderer Glanz, da er heut, nach kühnerrungenen Siegen,
Hier zu erneuerndem Dienste des Herrn sein jubelndes Volk führt.
Juda, der Makkabäer genannt, Mathathias Erzeugter,
Ist's. In dem eisernen Felde besiegt, sank jüngst vor Bethoron,
Seinem gewaltigen Arm' Antiochos muthiger Feldherr,
Seron. Aber der Fürst, der seinem Volk der Erlauchte
Hieß, entbrannte darob vor Zorn, und sandte der Krieger
Hunderttausend heran, die Lysias führt' in die Feldschlacht:
Denn nach Persien zog Antiochos, daß er den Völkern
Dort entrisse ihr Silber und Gold, mit schrecklicher Willkühr.
Schon erlag unzähliges Volk dem Krieger Jehova's,
Und Antiochos rief, da er solches vernommen, voll Wuth auf:
»Fluch auf mein Haupt, so ich nicht entsetzliche Rach' an den Frevlern
Uebe durch Waffengewalt! In den Staub mit Jerusalems Mauern!
Würget den Greis und den Säugling zugleich mit der heulenden Mutter
So, daß Judäa ein Grab, und den Völkern der Erde zum Spott sey!«
Aber er kehrete selbst, verjagt von Persepolis Mauern,
G'en Ecbatana Ecbatana, heut zu Tage Tabris, war die ehemalige Haupt- und Residenzstadt der medischen Könige, wo später auch die persischen Könige wegen der kühleren Luft, die theils von den umliegenden Bergen, theils von dem, ihr nordöstlich liegenden, caspischen Meere herwehte, den Sommer zubrachten. heim, nachdem er mit räub'rischen Händen
Aus den Tempeln den Schatz und die gold'nen Gefäße hinwegnahm.
Als er nun, zur Rach' entflammt, dem Lenker des Wagens
Eile geboth, da traf Jehova's furchtbare Hand ihn
Mitten im öden Gefild': er sank, von Schmerzen gefoltert,
Von dem Wagen herab, und lag, aufjammernd, im Staub dort.
Er, der stolzen Gemüths, ausstrecken wollte die Finger
Nach dem Mond', und herab ihn zieh'n bei den goldenen Hörnern;
Der den Fluthen des Meers und dem lauterbrausenden Sturmwind
Fesseln sann, und den Felsenberg auf die schwebende Wagschal'
Legen wollte, verging nun hier vor Angst und Verzweiflung,
Die sein Innres zerriß (und mit Recht: denn Tausender Herzen
Hatt' er zerrissen zuvor) und hauchte, verlassen, den Geist aus.

Lysias stand vor Emaum jetzt, entgegen den Scharen
Juda, des tapferen Horts von Israel, der in den Schlachtreih'n
Zeh'nmal tausend Streitende nur gegen Lysias hundert-
Tausende führt. Doch Juda sprach zu den Seinigen also:
»Bebt den Unzähligen nicht! Ihr denkt es, wie einst an dem Schilfmeer
Sein erlesenes Volk der Herr vor Pharao's Scharen
Rettete. Laßt uns zu ihm erheben die Stimme! Des Bundes,
Den er mit Abraham schloß, und mit Isaak und Jakob erneute,
Wird Jehova, der Herr, gedenken, und schlagen die Gegner
Hier mit erhabener Macht, daß all' auf Erden erkennen:
Er ist Israels rettender Hort auf immer und ewig.«
Und sie riefen zu Gott mit erbarmenflehender Hand auf.

Hinter dem fernen Gebirg versank die glühende Sonne
Leis' im rosigen Duft'; in der Dämmerung schwanden die Fluren
Formlos hin, und die Nacht umhüllte den schweigenden Erdkreis.
Jetzo begann zu Gorgias so der oberste Feldherr:
»Hast du die Frechen geseh'n? Wie, solchen verächtlichen Kriegern,
Die nicht der Helm, nicht der Panzer bewehrt, und die nur die Lanzen
Schwingen im Kampf', erlagen zuvor gewaltige Feldherrn
Selbst mit unendlicher Macht? Vielleicht, daß im tollen Vertrauen
Sie sich ergaben dem Schlaf', und sorglos letzten im Lager,
Nicht des heimischen Ruhms, nicht der eigenen Ehre gedenkend?
Doch nicht also gescheh' es mit mir: ich will sie zerschmettern.
Eile sogleich mit zwanzigtausend Erwählten im Thalweg
G'en Bethsura hinab, und stürze dich dort von dem Hügel,
Gleich dem regengeschwollenen Bach', auf die Frevler herunter,
Daß sie, auftaumelnd vom Schlaf', in dem all'verwirrenden Nachtgrau'n
Nicht mehr kämpfen, nicht flieh'n, und wehrlos fallen den Würgern.
Aber ich komme vom Lager heran, und verbreite des Sieges
Schrecknisse noch in der Nacht bis Jerusalems Mauern hinüber.«
Also der Stolz' im Gemüth; doch anders die ewige Vorsicht!
Juda sah, mit den Seinen ausruhend im Feld, zu den Sternen,
Flehenden Blickes, empor: da kam urplötzlich ein Krieger,
Herrlich zu schau'n! in silbernstrahlender Rüstung ihm näher,
Both ihm die Recht', und sprach: »Du sinnest im muthigen Herzen
Nächtlichen Ueberfall dem Feind'? Erhebe dich, siege!«
Sagt' es, und eilt' ihm voran. Doch Juda erkannte Jehova's
Bothen mit Angst und mit Freude zugleich (nur ihm, dem Erbarmer,
War es bekannt, was er erst sann im Gemüth') und er folgte
Schnell an der Spitze des Heer's. Dem feindlichen Lager vorüber
Ging ihr Zug: sie erblickten nur leere Gezelt' an den Wällen,
Die in gesonderten Reih'n, endlos, hinunter sich dehnten:
Denn schon rückte zuvor mit unzähligen Kriegern der Feldherr,
Lysias, stolz von ihm aus, und eilte die nächtliche Bahn fort.

Doch dem Ziele genaht, both jenem der strahlende Jüngling
Wieder die Recht', und rief: »Nun schleudre den Brand in das Lager:
Dann erhebe dein Feldgeschrei, und erwürge die Gegner!«
Juda empörte zur Flamme die Gluth, und schleuderte, jauchzend:
»Groß ist Jehova der Herr!« den Brand in die flatternden Zeltreih'n.
Siehe, da warf sich der nächtliche Wind von den nahen Gebirgen,
Brausend, herab, und breitete schnell die verzehrende Flamme
Ueber das Lager umher, daß hoch in das finstere Nachtgrau'n,
Flackernd die Röthe sich hob, und das Land erfüllte mit Schauder!
Juda rief zu dem Volk von Israel, drohenden Blick's, so:
»Hört, daß Keiner aus euch ausstrecke die Rechte, des Feindes
Lager zu plündern, bedacht! Nur Eines – sein schnelles Verderben,
Sucht in dem Kampf: nicht mißt ihr hinfort auch die Beute zum Siegslohn!«
Sagt' es, und ging, dem Feind' in den Rücken zu fallen, entschlossen,
Eilend zurück'; ihm flog der Himmlische, flammenden Blick's, vor.

Ha, schon wüthet der schreckliche Kampf; schon würgt in des Feindes
Reihen das Schwert: denn Judas tapfere Krieger entrissen
Selbes, in freudiger Hast, den Gefallenen. Angst und Entsetzen
Faßt das unzählige Heer, und betäubt vor allen, den Feldherrn
Lysias, der erst jüngst sich erhob, Jerusalems Mauern
Niederzuschmettern, und d'rauf zu verhandeln das Volk an den Fremdling:
Denn von den Inseln des Meer's und den üppigen Küsten der Hellas,
Nahte der Kaufmann schon, von Antiochos selber entbothen,
Fortzuschleppen für Gold und Silber des Landes Bewohner,
Daß sie, zerstreut umher, den Götzenverehrern sich einten.
Aber nicht lebte der Wüth'rich mehr, und der Führer des Heeres,
Den er gesandt, floh jetzt, aufstöhnend vor grimmigem Herzleid,
Fort aus des Todes Gefild, das sein' Erschlag'nen bedeckten.
Juda sah nach dem himmlischen Freund', ihm mit Thränen zu danken,
Hastig sich um; doch sieh', er schwand aus den Augen des Helden,
Siegverheißenden Blick's. Nur Gorgias droht' in dem Feld noch.

Dämmernd schwebte der Morgen herauf: da kam auf den Berghöh'n
Dieser herbei mit dem Heer', und sah, von Staunen gefesselt,
Liegen im Todesgefild die Tausende; rauchen des Lagers
Trümmer umher, und den Feind sein harren in dräuender Stellung.
Dennoch dünkt' es ihn Schande, zu flieh'n: er hoffte, den Frechen
Niederzuwerfen, und kam in beflügelter Eile herüber.
Judas Erkorene sah'n vor sich die unendliche Mehrzahl:
Auch die blinkenden Harnisch' und Helm', und die schrecklichen Waffen
Schrecklicher noch in des Reiters Hand, der näher sein Streitroß
Tummelte, schon, und blickten jetzt nach dem Führer mit Angst hin.
Aber er hob die Hände sogleich zu dem Helfer im Himmel,
Flehend, empor, und rief dann laut vor den zagenden Männern:
»Ruhm sey dir, o Retter von Israel, der du den Riesen
Schlugst durch Davids Schwert, des Jünglings, und Jonathans Händen,
Dem sein Waffenträger gefolgt, das Lager Philisthims
Preis gabst! Laß Verwirrung und Angst in den Scharen der Gegner
Herrschen, und sie in der Macht unzähliger Krieger und Rosse
Finden ihr Jammergeschick – unrühmlich mögen sie fallen:
Auf daß dir lobsinge dein Volk, und dich ehre durch Opfer,
Weil du errettet es hast von den Banden schmählicher Knechtschaft!«
Dann erhob er sein Lagergeschrei. Die Kriegesdrometen
Schmetterten; neugestärkt drang ihm die tapfere Schar nach,
Schwang die Waffen, und hieb mit gewaltiger Kraft in den Feind ein.
Wie der Schnitter im Saatenfeld die goldenen Aehren,
Sausend, zu Boden streckt mit der blinkenden Sense: so streckte
Juda, vor allen verderbend im Kampf, die feindlichen Haufen
Nieder. Doch wem folgt in dem Feld sein staunender Blick nach?
Eilt ein Verräther aus seinem Volk zu dem Feinde hinüber?
Schmerz ergreift ihm die Brust: Eleazar, Soura's Erzeugter,
Ist's, der jetzo allein, schnell bergend das Schwert in den Leibrock,
Durch des Feindes gesonderte Reih'n, im eilenden Lauf dringt.
Aber nicht sann er Verrath an den Seinen, der treffliche Jüngling:
Denn er sann nur ihr Heil und verderbende Rach' an den Gegnern.
Er gewahrte zuvor, von dem felsigen Hügel, im Rückhalt
Noch Elephanten in dräuender Zahl, und einen vor allen
Herrlichgeschmückt mit dem goldenen Zaum' und der Decke von Purpur,
Rings an dem Saum' umher mit goldenen Quasten behangen.
Alsbald dacht' er im Geist: der blutgierathmende Feldherr
Sey's, den dieser im Thurm' auf dem wölbenden Rücken heranträgt.
»Wie,« so lispelt' er jetzt, »Eleazar, der edele Greis, starb
Jüngst für Gott und das Vaterland in schrecklichen Qualen?
Ha, mir wurde sein Nahme zu Theil, den dankbar die Nachwelt
Unter die rühmlichsten zählt, und mich drängte sein Muth nicht zur That hin?
Bald soll jenes gewaltige Thier, von Purpur und Goldschmuck
Glänzend, rasch durchbohrt von meinem geschwungenen Eisen,
Gleich dem stürzenden Felsengebirg, gestreckt in den Sandstaub
Liegen, und, mich zermalmend zuvor, den feindlichen Feldherrn
Tödten: auf daß sein Volk, verwirrt, an der Rettung verzweifle,
Und erlieg' in dem Kampf Jehova's tapferen Streitern!«
Sagt' es, und eilte dahin. Nicht hemmt' ihn der Feind – in dem Irrwahn:
Feig' entriss' er sich jetzt dem Gewürg', und eile zum Rückhalt.
Doch schon stand er unter dem Bauch des riesigen Thieres,
Schwang sein Schwert, und durchstieß ihm die tödliche Stelle des Magens,
Mit nachstürmender Hand und lautaufjauchzender Stimme.
Stöhnend sank es, und starb; der Boden erzitterte weithin;
Staub flog auf, und Gekrach des zerschmetterten Thurmes ertönte,
Da er in Trümmern bedeckte das Feld mit dreißig der Leichen.
Aber die edelste lag, zermalmt schon unter des Unthiers
Schrecklicher Last, und der Feind, dem Souras Erzeugter Verderben
Sann, trieb schon sein schnaubendes Roß zurück' aus dem Schlachtfeld: Ueber diese kühne That des Eleazar, s. I. B. der Makkabäer, 6. Cap.
Denn nicht prahlete Gorgias mehr; der flüchtenden Krieger
Lautes Geschrei, und der Ross' unbändiges Toben, erfüllte
Seinen Busen mit Angst: er floh, und die bebenden Scharen
Folgten ihm. Ha, nicht wagt' er, zurück' auf das blutige Schlachtfeld
Mehr zu wenden den Blick, wo er Tausende, sterbend, zurückließ,
Tausende schon entseelte das Schwert, und stets noch im Rücken
Seines geworfenen Heeres ersaust'! Er kehrt' in die Heimath,
Schmachbedeckt, allein; sein Heer zerstob in den Ländern.
Aber der Sieger wandte sich nun, und sammelt' im Lager
Reichlichen Schatz an Gold, an Silber, und Edelgeschmeid' ein.

Juda sah's mit Freud' in der Brust; dann rief er den Brüdern,
Die in dem Schlachtfeld ihm, an der Seit', als Tapfere, kämpften,
Simon, Jochanan, und Jonathan: »Zu Boden geschmettert
Liegt der Feind: nun laßt uns schnell mit den trefflichen Scharen
Eilen nach Zions Höh'n, und das Heiligthum reinen, und bauen,
Wie das Gesetz des Herrn es heischt, mit würdiger Sorgfalt.«
Jene gehorchten dem Wort', und zogen mit eilenden Schritten
G'en Jerusalem. Als sie jetzt auf den ragenden Höhen
Zions, verödet den Tempel des Herrn, entweihet den Altar,
Auch die Thore verbrannt, und vor diesen im räumigen Vorhof
Gras und Disteln ersah'n, und im Schatten des üppigen Dornstrauchs
Wandelten: da zerrissen sie all' an der Brust sich die Kleider,
Bebend vor innigem Schmerz; bestreuten mit Asche die Scheitel,
Lagen im Staub', und weineten laut zu Jehova, dem Herrn, auf.

Doch die Posaun' erscholl auf Judas Wink von den Höhen
Zions, wie vor dem Jubeljahr', Nach III. Mosis 25. wurde den Israeliten verordnet: daß das siebente und fünfzigste Jahr jedesmal für sie ein Jubeljahr seyn solle, wo dem Volke große Wohlthaten zuflossen, z. B. zu Ende des 6ten und 49sten Jahres durfte nichts angebaut, und der Weinstock nicht beschnitten werden, und dennoch war der Ertrag im folgenden Jahre zu dessen Nahrung hinlänglich; da ferner (nach dem 8ten Vers) am Versöhnungstage die Trompete durch das ganze Land geblasen wurde, um allen Einwohnern des Landes die Feier des fünfzigsten Jahres anzukündigen, in welchem dem leibeigenen Juden die Freiheit, und dem Eigenthümer der versetzte Acker zurückgegeben werden mußte, so kam Judäa jedes fünfzigste Jahr zu seinem vorigen Bestand zurück, der Reiche durfte sich nicht auf immer der Habe des Armen bemeistern, und dieser nicht immer als Leibeigener dienen. und in freudiger Sehnsucht
Strömte die Menge heran. Er wählt' untad'lige Priester
Vor dem Herrn zum Dienste des Heiligthums. Siehe, da reinten
Sie's von der grau'nerregenden Spur der Götzenverehrung;
Trugen den Opferaltar hinaus, und erbauten den neuen:
Nach dem Gesetz zwölf unbehauene Steine sich wählend!
Bald war Alles und Jedes erneut in dem Tempel Jehova's:
Denn sie schafften die Lad', und den goldenen Leuchter, und Schautisch –
Auch den Rauchaltar mit emsiger Liebe zur Stelle.
Schon erhob sich der Rauch mit lieblichem Dufte vom Altar;
Schon erhellte das Licht des siebenarmigen Leuchters
Wieder die wölbenden Hallen umher; die Brote des Opfers
Lagen, geschichtet zur Schau, auf dem goldnen Tische, zur Rechten;
Auch der wogende Vorhang schied das Heiligthum wieder,
Wie zuvor, und es drehten sich, hell, auf den Angeln die Thüren.
Groß war Israels Wonn' an dem Tag', und unendlich sein Jubel.
Jetzo kamen sie all' im Dämmerlichte des Morgens
Nach dem heiligen Berge herauf. Dem Getöne der Harfen,
Cymbelklang', und dem Schall der eh'rnen Posaune vereinte
Sich des unzähligen Volk's Dankruf zu Jehova, dem Retter
Von Tyrannen-Gewalt, und der Schmach entsetzlicher Knechtschaft:
Denn nun sollten die Priester des Herrn einweihen den Tempel
Nach dem Gesetz', an den Hörnern des Brandaltares von Opfern
Sprengend das Blut, und das Volk acht Tage, von einem zum andern,
Feiern die Tempelweih' in brausenden Jubelgesängen.
Also geschah's. An jedem erhob sich das Volk nach des Berges
Heiligthum; lag auf dem Antlitz dort, und dankte Jehova
Laut in dem Lied: »Denn gütig ist Er, und seiner Erbarmung
Ist kein Ziel!« Siehe Psalm 105. im Freudengetöne der Cymbel und Harfen.

Als nun so der Tempel erneut, und gefeiert das Fest war,
Da stand Judas auf, und begann vor den horchenden Scharen:
»Jegliches sieh'st du nun, Volk Israel, dir von Jehova,
Deinem Erbarmer, gewahrt, was Moses, der göttliche Seher,
Sang in dem Lied: »der Eine verjagte die tausend', und zehnmal-
Tausende floh'n vor Zween!« Siehe V. Mosis 32. Cap. 30. Vers. Nun schmücke mit goldenen Kränzen
Seines geheiligten Tempels Thor', und erbeuteten Schilden
Seine Zinnen umher: er gab den herrlichsten Sieg dir.
Zwar erhebt sich von neuem der Feind: ein Kämpfen und Streiten
Ist auf Erden das Los des Sterblichen. Tief in dem Herzen
Ahn' ich es schon: auch ich erliege dereinst in der Freiheit
Heiligem Kampf; doch sorge nicht: dich errettet Jehova's
Arm aus jeglicher Noth, wenn du dem beschworenen Bund treu,
Wandelst nach seinem Gesetz', und nicht Götzen dienest im Unsinn.
Ha, dich werden im Feld Mathathias Erzeugte, die Brüder:
Simon, Jochanan, und Jonathan dann, mit gewaltiger Rechten
Führen zum Sieg! Zum Freundschaftsbund erkiesen der Völker
Mächtigste dich. Rom und Sparta. Siehe I. B. der Makkabäer 8. und 12. Cap. Du wirst nur eigenen Herrschern gehorchen:
Denn nicht solle von Juda's Stamm der Zepter genommen
Werden hinfort, bis Er Siehe im I. B. Mosis 49. Cap. 10. Vers die Weissagung Jakobs von Judas Stamm, die durch den Heiland in Erfüllung gekommen ist. (Ev. Matth. 2. Cap. 6. Vers.) – der langverheißene Führer,
Kommt; neu gründet sein Reich, und sein Volk errettet von Knechtschaft,
Von Verderben, und Tod. Im Segen erblühe sein Reich dir!«
Sagt' es, und ging. Mit tieferschütterter Seele zerstreute
Dann sich das Volk, und pries den Allerbarmer, Jehova,
Der ihm aus Feindesgewalt durch seinen erlesenen Diener,
Juda, die Freiheit gab; sein Heiligthum wieder auf Zions
Höhen erhob, und ihm Segen verhieß noch in spätester Zukunft.


O, gekommen ist Er, der langverheißene Führer
Seines, voll Huld, aus allen Geschlechtern und Stämmen auf Erden
Ringsumher erlesenen Volk's, und selber geleitet
Er das unzählige nun, beglückt, zu dem schöneren Tempel –
Seiner Kirch' allhier, die, aus lebenden Steinen erbauet,
Sich g'en Himmel erhebt! Fortwüthen gewaltige Gegner
Wider die heilige; doch, umsonst. Auf den Felsen gegründet
Ward sie von ihm, und die Pforten der Höll', aussendend die Scharen
Ihrer Bekämpfer, obsiegen ihr nicht. In des Himmels Triumphlied
Wandelt die siegende hin; die läuternde ruht in der Hoffnung
Mildem Strahl', und die kämpfend' umfaßt mit gewaltig gen Armen
(Stark in dem Herrn allein) die unzähligen Völker hienieden. Nach dem katholischen Lehrbegriff umfaßt die Ecclesia triumphans die Seligen, die den ewig lohnenden Kranz bereits erhielten; die purgans, Jene, die nach dem Tode, in bestimmter Zeitfrist der Läuterung, auf jenen hoffen, und die militans Jene, die noch dießseits des Grabes, durch Glauben, Hoffnung, und Liebe nach ihm ringen, und eint so alle ihre Glieder in dem einen, großen Anliegen durch ihr gemeinschaftliches Gebeth.
Also umschlingt ein Kranz die verbundenen Drei, und es schallet
Anbethung, Lob, und Preis, für immer fort in der Einen,
Ihm, dem Erretter von Sünd' und Tod – dem ewigen Mittler,
Der uns im Mutterschooß der heiligen Kirche den Sieg beut!


Anmerkungen zu den Perlen der heiligen Vorzeit:

Die Anmerkungen wurden an der entsprechenden Verweisstelle als Fußnoten eingepflegt. Re. Für Gutenberg.

 


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