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An die Harfe.

Tön'st du, o heilige Harf', im goldnen Schimmer des Abends
Dort an der Wand schon wieder mit herzerschütterndem Wehlaut?
Wer entlockt' ihn dir in der Stund' ersehneter Stille?
Ach, mir fließet die Thräne herab an den Wangen! Erbebend
Schau' ich nach dir, und horche dem leis'umsäuselnden Lüftchen:
Ob mich nicht mit erbarmender Huld, aus den öden Gefilden
Nächtlicher Gegenwart, auf die Pfade der schöneren Vorwelt
Führ' ein himmelnentschwebender Freund, und die Trauer verscheuche,
Die mir den Busen beklemmt? Wie im Hauch des brausenden Nordwinds,
Der den herbstlichen Hain durchwüthete, früherer Winter
Nah't, und sogleich, umhüllt von stöberndem Schnee, in den Fluren
Rings das regsame Leben erstirbt: so haben die Menschen
Auch, in der letzten unseligen Zeit, voreilend, gealtert.
Zeit voll Graun's – du entflohst! Ein Schimmer der besseren Zukunft
Hob uns die Brust; doch schnell, wie zuweilen am nächtlichen Himmel,
Flammt, und fleugt, und entschwindet ein täuschendes Licht: so entschwand er
Wieder. Zu lange, zu laut erhob gottlästernde Frechheit
Ihren empörenden Ruf; zu oft wechselte Stolz und Vertrauen,
Angst und Verzweiflung, bei Glück und Verlust, im Busen der Menschen;
Wandte den Sinn von Gott nach dem Irdischen; pflanzt' in die Herzen
Liebe zu schnödem Gewinn, und Empfindungen niedriger Selbstsucht
So, daß ein Gottesmann, wie Abraham selber, der Vater
Seines Volk's; wie Moses, der herrliche Führer des Volkes;
Samuel dann, und mit ihm Helias, und auch Elisäus,
Glühend all' für Jehovas Ruhm und das Beste der Menschheit,
Kommen sollten vom Himmel herab in Feuer und Flammen,
Sie zu erwärmen für Gott und die heilige Tugend; die Mutter
Kommen, der Sieben, die Makkabäerinn, himmlischer Kraft voll,
Ihnen im Kreis' der heldenmüthigen Söhne zu dräuen,
Daß sie, erschüttert im Geist, entsagten dem schmählichen Kaltsinn,
Und aufstrebten zu Gott: in ihm zu beginnen des Lebens
Weise, die uns erfüllet mit Muth und Eifer, zu wirken
Jegliches Gute und Schön' in freudiger Herzensempfindung.
Euch, ihr Seligen, nannte mein Mund? Wie ergreift mich die Wonne
Euch zu weih'n dieß Lied, daß erschüttert im Busen, die Menschen
Aufschau'n wieder zu Gott, und wandeln die Wege des Heiles,
Die er gelehrt! Helltönende Harfe, herab von der Wand dort:
Meng' in den Weihegesang melodischen Laut, und erhebe
Allen das Herz, die dir aus Liebe zum Ewigen hold sind!


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