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Neunter Gesang.

Muhamed und Attila treiben die Feinde eilender vor. Angriff Hairaddins in dem Olivengehölz. Die Spanier weichen. Mendoza führt sie wieder vor. Er wird verwundet. Garzia Lasso führt ihm die Reiterschar zu Hülfe. Erstürmung der Bergschanze. Hairaddin gebiethet erneuerte Schlacht. Muhamed bringt Garzia Lasso in große Gefahr, aus welcher ihn der Kaiser errettet. Mathildens Tod. Toledo dringt zur Höhle vor, und findet dort seine entseelte Gattinn. Heftiger Kampf an dem linken Flügel des Heeres. Ursini, der römische Feldherr, weicht; doch Alba bringt ihm mit den schwergeharnischten Reitern Hülfe, und zwingt auch Hairaddin zum Rückzug. Der Kaiser kommt zur Höhle, und führt Toledo nach dem Lager.


Wie der Heuschrecken Heere, gejagt aus Syriens Wüsten
Von zerstörender Gier, anstürmen im Sommer, daß weithin
Sauset die Luft, und die Sonne verlischt in der Helle des Mittags:
Also schwebten auch jetzt in zwei gesonderten Haufen,
Brausend, die Geister heran, und jeglichem eilten die Herrscher,
Muhamed erst, dann Attila vor: zwei finsteren Wolken
Gleich, die donnerschwer, in dräuender Stille heraufzieh'n.
Unmuth gohr in dem wilden Blicke des hunnischen Königs;
Auch die glühende Stirn' und Wange des Koran-Verkünders
Zuckte vor Wuth: nicht die Christen all' im Kampf der Entscheidung
Schauend. Lechzende Gier nach Blut erfüllte die Furchtbar'n.
Muhamed rief: »Erblick' ich dort Arabia's Krieger?
Wehe, denn weder an Muth, noch an Thaten sind sie mir ähnlich
Mehr, die Feig'umschwärmenden! Jetzt, und hinfort mir ein Liebling
Seye der Türk'. Aus Turkestans Turkestan, das eigentliche Stammland der heutigen Türken, ist eine Landschaft in Mittel-Asien, die von dem Königreiche des großen Moguls, von der großen Tartarey, von Catay und Zagatey begränzt wird. Das Land ist sehr fruchtbar, dessen Einwohner Tartaren sind, und sich zur muhamedanischen Lehre bekennen. sandiger Flur sich erhebend,
Kam er, ein brausender Sturm, und säte des heil'gen Korans
Samen aus in die Welt, und lenkt' an die Keime den Blutstrom,
Daß er erwuchs, und die Ernt' in üppiger Fülle sich fortmehrt.
Hebe dich, luftige Schar: dem Christen errege die Gegner,
Daß er besiegt hinschwind', und nie rückkehre zur Heimath!«
»Tapfere Scythen, ihr!« rief laut der Hunnen-Beherrscher,
»Die, nach Attila's Wink, den allverheerenden Flammen
Aehnlich, im Garbenfeld der schmachgereifeten Menschheit,
Wüthetet, als uns Rom auf den sieben Hügeln erbebte –
Byzanz neigte das Haupt: erhebet die luftigen Waffen,
Weil, der sterblichen Hüll' entrückt, der Thaten Vollendung
Nimmer den Busen uns labt, nicht der Sieg im Jauchzen der Mordlust;
Auf, und dränget der Janitschar'n blutdürstende Rotten
Rastlos vor zum Gewürg' in volkzermalmender Feldschlacht!«
Jauchzend vernahmen des Herrschers Ruf die luftigen Scharen;
Aber so laut und so mächtig sie schrie'n – es zischte nur leises,
Schwaches Geflister herab. Wohl starrt' in der eilenden Heersmacht
Mancher der Krieger empor; doch leer ihn dünkte der Luftraum.

Leise, mit weitvorstrebendem Fuß, die klirrenden Waffen
Pressend im Arm, und das Roß, daß es schweig', an den wallenden Mähnen
Streichelnd, nahte der Feind in täuschender Stille vom Wald her.
Doch als jetzt von den Felsenhöh'n das wichtige Zeichen
Donnernd erscholl, und fern in des Lagers Mitte Verderben
Säte der eherne Schlund: da jagten die listigen Scharen
All', im geflügelten Lauf, im Getös' empöreter Mordwuth,
Allah! Allah! brüllend, heran an des Lagers Umwallung:
Denn urschnell und in wilder Verzweiflung sollte der Christen
Schlummerndes Volk, so wähnte Hairaddin, Jammer ereilen.
Siehe, und als dem Wald, wie am wetterverheißenden Morgen
Zürnende Bienen dem Korb', entströmte sein lärmendes Kriegsvolk,
Führt' ihm Mendoza, der Held, im Blitze des Waffengeschmeides
Schon entgegen die reisige Schar: er selber den Kampfpreis
Heischend vor ihm, und kühneren Blick's vorstürmend zum Angriff!
Wie, wenn lechzend nach Blut, der schreckliche Tieger im Dickicht
Leises Geräusche vernimmt, und dort, nur scheue Gazellen
Suchend, den Leu'n, den langvermied'nen, gewahret, da wankt' er
Vor dem entsetzlichen Feinde zurück, und denket der Flucht schon;
Doch bald kehrt ihm die Wuth: er senkt die Brauen ergrimmter
Nieder, und fletschet die Zähn', ihm den letzten der Kämpfe zu biethen:
So mit staunendem Blick sah Hairaddin jetzo die Gegner
Kommen im Feld, die er, würgend, vom Schlaf zu erwecken gedachte.
Aber er säumte nicht, trieb, und jagte die Zögernden vorwärts,
Und der Geister aufjauchzendes Heer flog brausend hernieder,
Nahte den Kriegern, und schrie in das Ohr dort Jeglichem: »Vorwärts!«
Wie der Bremsen erboster Schwarm in der Stunde des Mittags
Rasch auf die Heerde des trägeren Hornvieh's, dann auf der Rosse
Munt'res Gestütt' sich wirft, und all' in rasendem Taumel,
Brüllen, wiehern, und flieh'n: denn, ob ein schwindliger Abgrund,
Oder die tobende Fluth tief unten dräuet – sie stürzen
Unaufhaltsam hinab; so drängten die luftigen Geister
Hairaddins Volk an die Feind', und furchtbar tönte der Schlachtruf.

Siehe, die Reiterschar der Araber tauchte vor allen,
Spornend das feurige Roß, und vorgebeugt aus dem Sattel
Bis zu den Mähnen, die Spitze des hochaufragenden Speeres
Dort in Mendoza's Reih'n. Da fiel Segorbia's Kampfheld,
Aguillar, und mit ihm Morillo, den Murzia sandte,
Fahnenjunker im Heer, mit dreißig erlesenen Kriegern,
Und in dem Waffengemeng' erbebte Hispania's Jugend,
Die zum ersten Male des Kriegs betäubendem Schrecken,
Hier in dem Feld, entgegen sich warf, und dachte der Flucht schon.
Doch jetzt nahte mit Sturmes Flug vor seinen Gefährten
Hermann heran: ihn lockte des Kampfs erwachender Donner
Fernher. Aehnlich dem Aar, der tief im schattigen Thalgrund
Beut' ersehend, sogleich in sausender Schnelle herabfährt:
Also fuhr er herab, und rief dem edlen Mendoza:
»Sollten die Jünglinge flieh'n, ihr Ruhm ist gefährdet für immer.
Schau in die Vorwelt auf, wie dort der Heldengebiether
Hermann, den flüchtenden Kriegern zur Schmach und Wiederbesinnung,
Muthig den Schild ergriff, vordrang, und so, mit den Scharen
Wiedervereint, sich herrlichen Siegsruhm über des Varus Varus (Quintilius), unter Augusts Regierung erst Proconsul in Syrien, dann in denen, seit Julius Cäsar eroberten deutschen Provinzen, wurde durch das Haupt der Cherusker, Hermann, aus seinem verschanzten Lager bis in den Teutoburger-Wald, h. z. T. Grafschaft Lippe, gelockt und dort sammt seinen drei Legionen zu Grunde gerichtet. Varus entleibte sich selbst. August soll sich bei der erhaltenen Nachricht die Haare gerauft, und ausgerufen haben: »Varus, schaffe mir meine Legionen wieder!« (Tacit. Sveton. Velej. Pater. L. I. 2.)
Drei Legionen errang in dem eisernen Felde der Waffen:
Also mögest du jetzt den jüngst geworbenen Kriegern,
Kämpfend, ein Leitstern seyn auf dem grau'numnachteten Schlachtfeld!«
Glühende Röth' umzog Mendoza's Wangen; er dachte
Seines errungenen Ruhms Verdunkelung; schrie, und begann so:
»Spanier, kühn mir nach: nicht täuschet der edeln Cortezza
Hohes Vertrau'n, die euch sandte zum Heer; nicht gewahre der Herrscher
Euch unkriegerisch, feig; mir nach! Eh' treffe der Tod mich
Selber durch Feindeshand, eh' hier die Schande mich treffe.«
Jauchzend flog er dahin, und voll kühner Todesverachtung
Sprengten die Reiter ihm nach. Entscheidend für kommende Zeiten
Lenkt ein Held im Gefecht den neugeworbenen Krieger:
Denn nicht weicht er, und fällt, besiegt, im rühmlichen Tod nur:
Stets erfüllt ihm die Brust die erhabene Heldengesinnung.
Jetzo die stürmende Lanz', und jetzt des sausenden Säbels
Blitz und Schlag ereilte der Araber dichte Geschwader
Mordend; es sank das Volk, und es sanken die Rosse getödtet.

Assad riß sich hervor, der Emir. Einst Beduine, Beduinen, oder nomadische Araber, sind unabhängige, freie Stämme muhamedanischer Religion, die unter ihren Fürsten (Emir) oder Familienhäuptern (Scheich) die Wüste, größten Theils unter Zelten lebend, bewohnen. Sie sind Krieger und Hirten zugleich, und verachten stolz alle übrigen Beschäftigungen. Seit Jahrtausenden sind ihre Sitten dieselben geblieben, wie sie in den allerältesten Urkunden, nämlich in der h. Schrift, durch Moses, geschildert werden. ( Niebuhr, Beschreibung von Arabien, S. 379 und f. – D'Arvieux III. 125.)
Zog er in Syriens Wüsten umher, und häufte sich Reichthum,
Dort der Karavan' auflauernd im einsamen Hohlweg.
Deß' sich zu freu'n, wohnt' er zu Tunis im stolzen Pallast nun:
Seinem Volke verhaßt, dem stets das Leben in Zelten,
Draußen im Steppengefild des Menschen würdiger dünket.
Jetzo im sausenden Ritt Mendoza genaht, und vertrauend
Eiserner Kraft, dacht' er, mit dem blinkenden Speer ihn zu tödten;
Doch Mendoza riß an dem Zaum: sein mächtiges Streitroß
Setzt', im kreisenden Sprung', ihn schnell an die Seite des Emirs,
Und er jagt' ihm das Schwert mit festnachstürmender Rechten
Tief in die Brust: er sank vom Sattel, und stöhnt' in dem Tod noch.
Aber ihm naht' Abulkassem, sein Sohn, ein furchtbarer Rächer.
Stöhnend vor Wuth durchrannt' er Mendoza's Arm mit dem Säbel,
Als er, gewendet, die Reih'n aufboth zum stürmenden Angriff.
Wieder erhob er den Stahl, und hätt' ihn getödtet, da sprengte,
Rettend, Alonzo Cueva heran, der tapfere Hauptmann,
Schrie, und scheucht' ihn zurück. Er barg sich schnell im Gewimmel
Seines Volk's, das jetzt, des Feldherrn Wunde gewahrend,
Muthiger vorwärts drang, und laut aufbrüllte vor Mordlust.
Aber dem Schlachtengemeng' entrissen die Krieger den Helden;
Eilten in's Lager zurück, daß dort heilkundig der Arzt ihm
Stille das Blut, und träufle den weh'einschläfernden Balsam.
Und er ermahnete scheidend noch mit blässerem Antlitz
Alle, zu folgen dem Wink des Helden Alonzo Cueva.

Heißer entbrannte die Schlacht. Wie im Süd- und Norden empöret
Donnerstürme sich nah'n, und, vermengt, zur Erde Verderben
Speien im Flammengezisch und im schrecklichen Hagelgeprassel:
Also prallten die Araber an, und zugleich die Hispaner:
Diese von Rach' entflammt ob ihres verwundeten Führers,
Jene, voll Muths vorstürmend, und lautaufjubelnd im Vortheil.
Als sich gemengt im Feld die Wüthenden trafen, da tönte
Schrecklich der Mordausruf und das Schmettern der Waffen, dem Donner
Eherner Schlünde vereint, und Blut beströmte den Boden.
Schon warf zweimal der Christ des Mahoms Verehrer, im Sturmritt,
Drängend, zurück; schon jauchzt' er des Sieg's aufstrahlender Hoffnung;
Aber da warf, ergrimmt, auf Alonzo Cueva, den Dränger,
Abu-Sa-id den Dolch, und durchbohrt' ihm den Hals und den Nacken,
Solchem Kampfe geübt; er sank, und verhauchte das Leben.
Siehe, den endlos Trauernden faßt' am dämmernden Morgen,
Vor des Kampfes Beginn, heut' ahnungentsprossene Schwermuth
So, daß ihm Jeglicher staunt'. Ach, seines erblindeten Vaters
Greisengesicht, und das wankende Haupt, wie schneeiger Tauben
Dunen, so weiß, schien ihm noch immer zu dräu'n ob dem Frevel
Stürmischer Jugendzeit: da er leis'annahend, des Vaters
Händen den Stab entwand, und der zürnende Greis, an der Schwelle
Stolpernd, kopflangs stürzt', und blutete – Jammer zu schauen!
Immer trübte die That ihm jegliche Freude des Lebens
Seither. Aber der Vater horcht, vor dem Haus' auf der Bank sich
Sonnend, dereinst begieriger auf, wenn kehrender Sieger
Jauchzen, der Waffen Geklirr, und das Wiehern der Rosse herantönt;
Ringsum Hast und Getös' die Heimgebliebenen aufregt,
Und die Straßen entlang: »Willkommen uns in der Heimath!«
Jubelnden Rufs erschallt in mancherlei Stimmen des Alters.
Vor vom Sitze gebeugt, horcht er: ob endlich des Sohnes
Gruß er vernehm', und harrt, hinzitternd, der frohen Umarmung:
Ach, umsonst: ihm sank der Theuere kämpfend vor Tunis!
Schrecken befiel die wiederverwaiseten Krieger: dem Unglück
Bebt' ihr muthiges Herz, nicht den wildaufrasenden Gegnern.
Also, verschüchtert, wichen sie nun, und ihnen im Rücken
Brauste der Feind, und häuft' im Felde die blutigen Leichen.

Sieh', welch tapferes Häuflein kommt, die schnaubenden Rosse
Spornend, heran? Hell sprüht der zierliche Helm und der Harnisch
Hüpfende Funken umher; vom hochaufragenden Speerschaft
Blitzet der tödliche Stahl, und es blitzen die Augen der Männer.
Fünfzig sind's der Edlen. Sie führt auf der rühmlichen Laufbahn
Garzia Lasso, der Held, und Hispania's lieblichster Sänger.
Jetzo, dem Feinde genaht, und vorgebeugt aus dem Sattel,
Senkten die Kühnen den Speer, und warfen im sausenden Eilflug
Fünfzig der Feind' in den Staub: da floh'n die entlasteten Rosse
Wiehernd zurück: weit gähnte die Kluft im dichten Geschwader.
Wie, wenn brückendes Eis auf dem breiten Rücken der Donau,
Oder des Rheins, das heut' am Morgen noch eiserngefroren,
Unter der Wucht des schweren Gespanns und der lastenden Wagen
Drönete, nun ergriffen vom schmelzenden Hauche des Westwinds,
Krachend zerbirst, und zertrümmert im Schwall der finsteren Fluthen
Schwindet, daß links am Gestad', und rechts das schimmernde Landeis
Aufragt: also standen die Reih'n, im entsetzlichen Durchbruch
Weitgeschieden im Feld': sie blickten erstarrt in den leeren,
Scheidenden Raum: ihr Mordruf starb auf den bebenden Lippen.
Aber nicht rasteten dort die Scharenzertrümm'rer: sie würgten,
Was entgegen sich warf, in siegbeflügelter Hast noch.
Auch der Jünglinge Schar flog nun, um nimmer zu weichen,
Wieder im Felde heran, und vereint den siegenden Rittern,
Uebt' ihr blitzendes Schwert vergeltende Rach' an dem Gegner,
Der, von Schrecken betäubt, mit verhängtem Zügel den Läufer
Rückwärts trieb zu Hairaddins dichtannahender Heersmacht.

Unabsehbar herab vom Olivengehölz auf das Blachfeld
Lenkt' er die Janitschar'n und fünfzig numidischer Horden
Wimmelndes Volk zum Kampf, als hier die Zersprengten dem Vortrab
Nahten. Er biß sich die Lippen vor Wuth; dann, eilig sich wendend,
Hieß er die Janitschar'n mit ausgebreiteten Armen,
Trennen die mittleren Reih'n, und erretten die flüchtenden Scharen.
Jene gehorchten dem Wink: mit rückwärtsstrebenden Fersen
Schwenkten die Reihen sich links und rechts: geräumigen Durchgang
Oeffnend dem flüchtigen Volk. So, wie gehemmt in den Schleußen
Ruhet der brausende Strom, ein See, bis früh an dem Morgen
Oeffnen sie heißt der Schwemm' erfahrener Meister: da stürzen
Wog' auf Wog' und Schwall auf Schwall, im Gebrause des Donners,
Zur verschlingenden Kluft die langegehemmten Gewässer:
Also stürzten, gedrängt, und drängend, mit wildem Getümmel
Durch den geöffneten Raum zugleich die erretteten Scharen:
Denn nachjagte der Feind, und rastete nicht; in dem Rücken
Sauste des Säbels Schlag und der Lanz' einstürmender Mordstoß.
Aber die Janitscharen, die erst, sie schirmend, im Rückschritt
Wichen, kehrten zurück, und heischten, geordnet, den Angriff.
Hairaddin flog die Reihen entlang, und schrie im Getös' hin:
»Söhne des großen Propheten, des Muths und der flammenden Kühnheit,
Denket, welch' ihm die Erde, besiegt, gleich niedrigem Schämel,
Unter die Ferse gestellt: sie lag, und schmiegte sich duldend
Ihrem Druck. O dessen gedenkt! Ihr sehet die Gegner
Seines Nahmens vor euch; vernichtet sie, würgt sie gesammt hin.«
Muhamed, der ihn stets umschwebte mit liebender Sorgfalt,
Hörte mit Lächeln es an, wie er ihm vor gläubigen Moslems
Ruhm und Ehre gezollt; er selber, die Pfade des Lichtreichs
Fliehend, warnete nicht die Verblendeten, lächelte stolz noch!
Doch nun sah er erstaunt, daß Attila selbst, vor Entsetzen
Bebend, ihm nahte mit Sturmes Flug', und rief ihm entgegen:
»Haben die furchtbar'n Mächte gesiegt? Soll Schreckliches kommen,
Fallen vom Himmel der Mond mit den glänzenden Sternen; die Sonne
Ausgebrannt hinschwinden in ewige Nacht und Zerstörung,
Spurlos? Attila bebt, der nie zu erschütternde Krieger?«
Jener wiegte das struppige Haupt, und als er noch einmal
Nach den felsigen Höh'n aufsah, entgegnet' er grimmig:
»Sieh', dort fleugt ein Mann g'en Hairaddin! Angst und Verzweiflung
Trägt er im Busen: er kommt, Unheil zu verkünden dem Herrscher.
Willst du vernehmen die That, die entsetzliche, der ich erbebte?«

Doch was kündet der Bote voll Angst? … Daß der tapfere Feldherr,
Lichtstein, glühenden Muths, die Schanz' auf dem Felsen erstürmte.
Schon durchzog er zuvor die schaurigen Pfade des Waldthals,
Leis' nur, wie es der Kaiser geboth: nicht Trommelgewirbel
Kündigte ferne den Zug, nicht schmetterten Lust die Drometen
Heut' in dem eilenden Ritt dem Reiter und Roß in die Ohren;
Doch, als jetzt Medscherda, mit lautaufrauschenden Wogen,
Ihnen am Felsengestad' entgegen sich dämmte, da hoben
Eilig die Brückner die Fähren herab von den knarrenden Achsen;
Warfen sie all' in die Fluth, versenkten die zackigen Anker,
Gegen den Strom mit Tau'n sie festigend, und in des Bogens
Krümmung einete Fähr' auf Fähr' die gesonderten Ufer.
D'rauf hinreihend das lange Gebälk', und quer auf die Balken
Breitend die Bohle, besiegten sie schnell die hemmenden Fluthen.
Unter des Rosses Huf und den Füßen der eilenden Krieger
Drönete fort und fort die schwankende Brück' auf dem Strom hin.
Aber drüben vom schroffen Gestad' erhob sich die Felsbahn
Schroffer noch himmelwärts. Der Reisige stieg aus dem Sattel,
Führte das Roß am Zaum', und keucht', und strauchelte häufig,
Ganz unkundig des Kletterns, und fremd in der hehren Gebirgswelt.
Aber es klomm, wie die Gemse, der Schütze Tyrols an der Felswand,
Tapferen Hessen vereint, und Spessartern, auf zu den Höhen.
Also errungen waren sie jetzt, und die Scharen geordnet.
Lichtsteins Ruf erscholl: »Hinan, tyrolische Männer!
Spessarter, vor mit den Hessen! Euch folge das Reiter-Geschwader
Dann, in gemessener Fern', entscheidend zum blutigen Angriff.«
Jauchzend, im Sturmlauf ging's an den Wall. Kaum trauend den Augen,
Sah der staunende Feind den Scharen des Feindes entgegen.
D'rauf erhob er Geschrei, und hieß des eh'rnen Geschützes
Donnergebrüll' mit dem Schmettern der Büchsen erschallen, und säte
Saat der Vernichtung. Da fiel Arnulf, der kühne Passeyer,
Der sich am Ortheles einst, dem felsaufklimmenden Steinbock
Folgend, verstieg, wo ihm bald der Strahl der Lebenserrettung
Völlig erlosch. Erhob er die Blicke: da wölbte die Steinwand
Ueber ihm thürmend sich auf, und senkt' er sie nieder, mit Vorsicht
Fassend den zackigen Fels: da bebt' er, vom Schwindel ergriffen,
Zitternd wieder zurück: denn weit hinaus auf den Abgrund
Bog sich die Wand, und eingekrümmt entschwand ihm die Mauer.
Kaum erspähte sein Aug' des Waldstroms Schimmer; verhallt war
Ihm sein Gebraus, und verstummt das Leben im einsamen Luftraum.
Dort sich mit reuigem Sinn, zum Hungertode bereitend,
Sah er schon zweimal des Tages Licht aufdämmern im Osten,
Zweimal erblassen im Abendroth; doch sieh', ihn vermißte
Jetzo der redliche Freund! Er wagte den Gang auf dem Felsgrath
Muthig, und schrie, und Geschrei vernehmend, senkt' er das Bastseil
Nieder vom jähen Geklipp', und rettete so den Gefährten.
Wie der Fischer empor zum Gestad', der Ruth', und des Fadens
Leises Zucken gewahrend, schnellt das zappelnde Fischchen:
Also entriß er den Freund, lautjubelnd, dem schrecklichen Tod dort,
Den er dahier nicht mied, durchbohrt von der schmetternden Kugel.
Neben ihm sank auch Eberhard, der erste der Schützen:
Nie verfehlt' er das Schwarz' in der kreisenden Scheib', und er both sich
Selber dahier zum Ziel', in des Herzens Mitte getroffen.
Feuriger: denn der Getödteten furchtbare Rächer, bestürmten
Ihre Gefährten den Wall, und rastlos krachten die Büchsen,
Rastlos tönte Geschrei, zu wecken den Muth der Entscheidung.
Weder die Spessarter, noch die gleichgewaltigen Hessen
Weileten fern', einmüthig rang dem Helden der Held nach.
Wo die sternnachbildende Schanz' im engeren Vorsprung
Ragt', aufdrangen zuerst die muthigen Führer der Deutschen,
Werner und Wittekind, vom Graben. Erbebend der Kühnheit,
Wichen die Feinde zurück: da both Abdallah, des Bollwerks
Hort, im drometenden Ruf Stillstand, und rief im Getös' her:
»Stillstand bieth ich euch an: wir räumen den Wall und die Schanzen
Eurer Gewalt, so ihr Abzug gönnt in würdiger Freiheit;
Oder, wollen wir erst den Wink der Herrscher erkunden?«
»Hör't,« schrie Lichtstein auf, »euch täusche die feindliche List nicht!
Muthig hinan: ihr kämpfet hinfort um den leichteren Sieg nur!«
Rascher eilten die Reih'n auf Reih'n jetzt vor, und erstiegen
Kämpfend den Wall: denn schrecklich erwies sich der Feind in der Nothwehr.
Werners Arm erlag Abdallah, der Schirmer des Bollwerks;
Aber ihm bohrte zugleich ein Derwisch, Fluch und Verwünschung
Brüllend gegen das stürmende Volk, den Dolch in den Nacken
So, daß dem Sinkenden schnell das Blut und das Leben entströmte.
Schwer vermißt ihn daheim die liebende Mutter, in Kummer
Lebend, seit ihr der Gatte versank in den Fluthen des Mainstroms,
Wo er vom berstenden Eis lautjammernde Menschen gerettet.
Nur ihr Einziger war ihr Trost in der schrecklichen Trennung
Von dem Gemahl, und Ernährer: denn stets heimbrachte der Sohn ihr,
Frommgesinnet, den Sold, und küßt' ihr die Hände mit Ehrfurcht:
Dankbar sorgend für jene, die ihn mit Schmerzen geboren,
Oft den Schlummer entbehrt', und viel herznagenden Kummer
Duldet' um ihn mit Lieb', in hülfebedürftiger Kindheit.
Ach, nun harrt sie umsonst des Guten! Ihn tödtet' ein Derwisch
Hier auf dem Wall. Doch Wittekind ereilte den Meuchler
Schnell; erhob den Degen, und traf ihn mit kräftiger Rechten
Tief in's Genick, daß er röchelnd sank, und im Blute sich wälzte.
Ihn umhäufeten bald, ringsher, die tapfersten Krieger.
Rasch umlenkend das Roß, aufschwang der Scharen Gebiether,
Lichtstein, jetzo das Schwert: verständlich blitzt' es dem Volk' auf.
Alsbald rief die Dromet' in hellerklingenden Tönen
Roß und Reiter zum Sturm, und zugleich, dem Sporn in den Seiten
Stöhnend, flogen die Läufer gestreckt an den Graben. Sie setzten
Ueber ihn hin, und klommen, daß fest an dem Hals' und den Mähnen
Pochte des Reiters Brust, an dem sandgehügelten Wall auf.
Dort war jetzt ringsum Gewürg', und Gemetzel, und Wuthschrei:
Denn nicht der Hagel prasselt so laut aus berstenden Wolken
Nieder auf's Breterdach (der Wandrer bebt vor Entsetzen,
Der sich unter ihm barg, zu entflieh'n dem grausen Gewitter)
Als der sausende Stahl, entlang den Wällen, auf Stirnbund,
Tulban, Harnisch, und Helm herrasselte, mordend die Scharen.

Mechmet entrann. Nun beugt' er die Stirne vor Hairaddin dreimal
Tief in den Staub; dann stand er, und wollte beginnen, vermocht's nicht.
Hairaddin faßt' ergrimmt, des Zögernden Stirne zu spalten,
Schon den Säbel; da rief der bleichaufathmende Krieger:
»Herr, stets glänze dein Ruhm, wie, strahlend, die Sonne vom Aufgang
Glänzet zum Niedergang, und mögen die Feinde, vernichtet,
Schwinden vor ihm! Doch weh'! Entsetzliches muß ich dir künden –
Zittern vor deinem Zorn. Vernimm's! Die Schanz' ist erstürmet.
Keiner der Unsern lebt; ich allein entrann dem Gemetzel,
Dir zum Wohl: denn siehe, dein Sclav' entriß sich dem Kampf nur,
Daß du es hörest von ihm: dir nahen die Feind' in dem Rücken!«
Und er stieß sich den Dolch in die Brust. Da floß an den Wangen
Hairaddins wohl die Thräne herab, als dort in dem Sandstaub
Jener verhauchte den Geist? Ach, niemals hoben sich Thränen
Ihm aus der Brust empor zu den grimmgerötheten Augen;
Ihnen entstrahlte kein Mitgefühl, kein himmlisches Mitleid!
Schweigend starrt' er umher; dann, so, wie ein Blitz in der Sturmnacht
Durch das finst're Gewölk hinfleugt, umröthete plötzlich
Tiefaufgährender Zorn ihm die blässergewordenen Wangen,
Und er rief, daß Muhameds Aug' erglänzte vor Wonne,
Grimmig den Janitschar'n entgegen, und schrie im Getös' hin:
»Mögen sie immer im Rücken uns nah'n. Nicht eher verlassen
Wir die dürstende Heide, bis satt mit feindlichem Blut wir
Sie getränkt, und genügend ihr tischten das schreckliche Schlachtmahl.«
D'rauf, wie dort in des Waldthals Schlucht, aus berstenden Wolken
Niedergestürzt, ein Strom entgegen sich dränget dem ander'n,
Laut mit wildem Geräusch', und im schrecklichen Wogengewirbel,
Tief aus dem Grunde gewühlt, die Vesten der Berge versinken
Links und rechts: da rollen die Felsen, da stürzen die Wälder
Gegen einander hinab in den brausenden Schaum der Gewässer:
Also stießen auch hier die feindlichen Heere zusammen.

Eilend vor Alba's Reiterschar, flog Garzia Lasso
Jetzt mit den Rittern heran. Des Fußvolks treffliche Reihen
Folgten dem Kaiser selbst, dem stattlichen: kühn den Gefahren
Stehend im Kampf, und stolz im Gefühle des sicheren Sieges.
Furchtbar donnerten schon die mächtigen Schlünde; zugleich flog
Lastendes Eisen, im Bogenwurf sich kreuzend im Luftraum,
Hin, und daher gesandt, entsetzlichen Jammer zu schaffen.
Fort und fort, im Gekrach der rastlosfeuernden Büchsen,
Prasselte Kugelsaat auf den Feind; laut kreischte der Säbel,
Zischte der Pfeil, ersausten die Speer' und die Lanzen, und ringsum
Strömte das Blut: stets grimmiger wüthete Mord und Empörung.
Rechts, wo Hairaddins Heer, entfaltend die Flügel, der Mauren
Reisiges Volk aufwies, zog Alba, und Garzia Lasso
Links an die Araber, die voll Grimms gluthschnaubende Rosse
Tummelten, ihm entgegen zu steh'n im Gemenge der Waffen:
Denn im sausenden Flug' umschwebte sie Muhamed selber,
Mit dem ergrimmten Gefolg ringsher anstürmender Geister,
Rastete nicht, und haucht' empörende Gluth in die Herzen.
Listengeübt ersann er jetzt dem Garzia Lasso
Schnelles Verderben. Er sah, wie er, senkend den Speer, an die Gegner
Spornte das Roß; er eilet' ihm vor, und empörte die Natter, Natter. (Cerastes) Hornschlange – nach dem Volksglauben auch die Königsschlange genannt, weil sie, laut jenem, eine Krone auf dem Haupte haben soll. Die arabischen Gaukler pflegen der Hornschlange zarte Vogelklauen einzusetzen, um damit das Volk zu täuschen.
Die, in dem Munde des Volks die Königsschlange gepriesen,
Gleich dem regen Gewürm die rührigen Hörner bewegend,
Sich in dem Sande vergräbt, dort schlau zu berücken die Vögel,
Daß sie ihr selbst, harmlos annahend, zur Beute sich böthen.
Zischend fuhr das grimmige, sandaufschnellende Giftthier
Vor dem Roß in die Höh', und es schnob im taumelnden Aufsprung.
Dann, nicht achtend des Schmeichelworts, nicht des hemmenden Zügels,
Flog es hinüber, und trug den edelen Herrn an den Feind hin.
Dort, von den Seinen getrennt, und dem sicheren Tode geopfert,
Seufzt' er im Geist: »Nun stirb – doch nicht unrühmlich, ein Feiger!«
Und den blinkenden Speer fortschleudernd, riß er das Eisen
Sich von der Hüft', und hieb den ersten vor allen, Kilikdar,
Emir des Steppenvolks, vom Sattel: er regte sich nicht mehr.
Also blitzte sein Schwert nach jeglicher Seite, verderbend;
Doch, nun jagten wohl Hunderte her, den Ruhm zu erringen:
Daß sie die tapferste Brust mit dem tödlichen Stahle durchbohrten.
Hermann sah's, in der Luft herschwebend, welche Gefahr ihm
Droht'; er schwang sich herab, und rief dem Kaiser mit Hast zu:
»Schaue von Feinden umringt den tapferen Garzia Lasso:
Rett' ihn beherzt! Was schön und groß sich erweiset auf Erden,
Führet des Liedes Macht auf goldenen Schwingen zur Nachwelt.
Nur ein Schwall im Strome der Zeiten, entschwindet das Leben;
Aber der Sänger hascht im Fluge die zartesten Strahlen,
Die vom eilenden Schwall sich heben, ätherischer Schönheit,
Eint, und hägt sie in treuer Brust, und rettet mit Sorgfalt
Sie noch dem fernsten Geschlecht' in ewiglebenden Tönen.«
Also sprach er in Hast, und winkte den Lüftegenossen,
Mutheinhauchend, den Christen zu nah'n: sie jauchzten ihm Beifall,
Schwingend den Speer und den Schild, aus schimmerndem Aether gebildet.
Aber des Kaisers Brust erpocht' im hohen Gefühl jetzt,
Retter zu seyn des schwert- und liedergewaltigen Mannes.
Links, rechts, gab er dem Pferde die Sporn': ihm wichen die Reihen;
Ihm nachjagte Gefolg', nicht forschend, nicht lange besinnend;
Nur Del Guasto erblaßt'. Er hob die Hände vor allen
Ueber das grauende Haupt empor, und jammerte laut auf:
»Stirb, unglücklicher Greis, eh' brechend dein Auge des Jammers
Fülle gewahrt! Wagt also ein Herrscher das edelste Leben?
Nichts gilt Weisheit mehr, nichts warnenden Alters Erfahrung.
Auf, ihr Tapferen, auf, und rettet den Kaiser! Auch Alba
Lenke die Reiter heran, zu erringen den herrlichsten Kampfpreis.«
Also geboth er dem Volk. Im Sturmlauf brachen die Scharen
Gegen den Feind. Hinflog auf dem schnaubenden Rosse der Herold,
Gomez, des Feldherrn Wort zu künden dem Heldengebiether,
Alba, und sieh', nun schwebte der Angst umnachtendes Dunkel
Ueber dem Christen-Heer', in des furchtbar'n Kampfes Entscheidung!

Ha, schon fiel der Rappe Garzia Lasso's, getödtet.
Mühend entwand er das Bein dem lastenden Thier, und ihm selber
Warf jetzt Abu-Sa-id den blinkenden Speer in die Schulter,
Daß der erhobenen Faust, bluttriefend, der Degen entschlüpfte,
Ihm einbrachen die Knie', und die Augen umhüllete Nachtgrau'n.
Wieder erhob Scheik Roßlan das Schwert, ihm die Stirne zu spalten;
Aber da flog aus der Rechte des nahenden Kaisers der Wurfspieß:
Roßlan röchelt' im Sand', und schnell, noch ehe der Ritter
Kommende Schar das Weiß' im Auge des Feindes gewahrte,
Fiel noch Jusuff, und Ismail Beg, und Haroun, der Emir,
Seines mordenden Stahls Blutgier und der Rechte Gewalthieb.
Nahend im Flug, und lautaufjauchzend den Thaten des Herrschers,
Rächten die Ritter zugleich den schwerverwundeten Führer.
Doch, wie ein mächtiger Schlag des lauterkrachenden Donners,
Der von des Himmels Rand' auftobte zum finsteren Nordpol,
Wieder von Osten zurück mit tiefempöretem Ingrimm
Kehrt, und aus Wolkennacht herrollet im dumpferen Nachhall:
Also erscholl aus der Ferne heran der mächtigen Rosse
Donnernder Huf: denn Alba kam mit den Reitern geflogen.
Und, wie die stürzende Last der Gewitterfluth auf dem Saatfeld
Plötzlich die goldenen Halme zerschlägt: nicht im Windesgesäusel
Wogen sie mehr; sie liegen zerknickt, und zerschmettert im Staub dort:
Eben so ritt hier Mann und Roß das eisengehüllte,
Kräftige Reitervolk, andalusische Hengst' an die schlanken,
Zartgestalteten Rosse der Araber, spornend, zu Boden.
Lautes Geheul erscholl jetzt unter den stampfenden Hufen;
Ringsum Waffengeklirr und tödlicher Büchsen Geschmetter.

Drüben rang in dem heißeren Kampf Del Guasto, des Fußvolks
Eiserngeschlossene Reih'n entgegendrängend dem Anfall
Wüthender Janitschar'n. Jetzt hin-, dann wieder herüber,
Wie in der felsigen Bucht sich drehet die wirbelnde Brandung,
Wogten die Kämpfenden. Sieh', und er wäre gewichen! Da brachen,
Fliehend vor Alba's blitzendem Schwert, Arabias Völker
Durch die Reihen der Janitschar'n; sie schufen Verwirrung
Rings, und erfüllten Hairaddins Brust mit Wuth und Verzweiflung.
Furchtbar glühte sein Aug'; er ballte die Faust an der Stirn' hin,
Hing aus dem Sattel vor, und sann entsetzliche Thaten;
Doch, von geworfenen Haufen umdrängt, und der Rettung gedenkend,
Führt' er die Scharen zurück: ihm brauste sein flüchtendes Volk nach.
Nicht der Sorge vergaß für Garzia Lasso der Kaiser.
Blutend lag er im Staub, und lehnte das Haupt an den Rücken
Seines getödteten Thiers. Als nun der Retter vor ihm stand,
Strebt' er noch den zerschmetterten Leib von dem Boden zu heben,
Sah durch Thränen ihn an, und lächelte. Jetzo begann er:
»Herrlich hast du gesiegt, und errettet den Sänger. Von nun an
Töne mein Saitenspiel nur dir, ruhmwürdiger Herrscher,
Daß im entzückenden Klang vernehme die staunende Nachwelt:
Wie du, erhabengesinnt, nach der Bürgerkrone dich sehntest,
Die, in dem Schlachtengefild', einst Rom dem Retter des Kriegers
Aus umdrängender Noth um die Heldenstirne geschlungen!« Bürgerkrone, war bei den Römern eine große Auszeichnung für Jenen, der in der Schlacht einem Bürger das Leben gerettet hatte. Sie war von Eichenlaub gemacht, und führte die Aufschrift: » Ob civem servatum.« Bei Schauspielen, oder im Senate, wo sie getragen ward, stand die ganze Versammlung vor ihm auf.
Sprach's. Da wandte sich jener behend, die Thräne zu bergen;
Winkte zugleich, und sanft erhoben die Krieger den Helden,
Ihn zu entreißen dem Sturm der Geschoß', und eilten in's Lager,
Daß er, mit Liebe gepflegt, sich freue der holden Genesung.
Aber auch allen umher den Verwundeten, sagte der Kaiser
Tröstende Wort', und geboth, was Aller Rettung erheischte:
Ehrend den Menschen im hohen Gemüth, der vielfachen Jammer
Duldet, des Vaterlands erhabenem Rufe gehorchend.
Jetzt ersah er mit Lust, wie schnell die Krieger Toledo's
Ihm nachbrausten im Feld, des Sieges Preis zu erringen;
Blößte das Schwert, und rief dann laut dem tapferen Feldherrn:
»Dort des See's Gestad' entlang beschirme des Heeres
Rücken mit Muth, und halte dich fest an dem Felsen, dem Fels gleich,
Den die zürnende Fluth umbraust mit eitelm Getümmel.
Herrlich strahlt aus dem Sieg das leidenlohnende Ziel dir.«
Mächtig erschüttert hob die flammenden Augen Toledo
Nach dem gütigen Herrscher empor, der, ahnend des Herzens
Schreckliche Qual, mit erhabenem Sinn ihm lindernden Balsam
Träufelte; ging, und führte sein Volk am Strande des See's hin.
Wie auf dem Meer der kehrende Schiffer, den in der Sturmnacht,
Nahe dem schirmenden Port', ein Donnergewitter ereilet,
Mitten im lauten Gebrüll der hochaufschäumenden Wogen,
Und in des Todes Grau'n, das rings sich lagert, der Hoffnung
Sehnsuchtsblick stets fest auf die strahlende Flamme geheftet
Hält, die hoch auf dem Leuchtthurm nährt die sorgliche Seestadt:
Also haftete jetzt sein Aug' an den ragenden Felshöh'n,
Als an dem sicheren Port, in welchem sein Alles gerettet,
Und geborgen ihm schien, nach dauernden Stürmen des Lebens.

Ach, und hatte die Dulderinn noch des bitteren Kelches
Letzte Hefen geleert; noch sterbend vernommen den Donner
Von dem Hügel herab; der Höhle vorüber den Hufschlag
Feindlicher Ross', und Eil' und Hast unmenschlicher Räuber;
D'rauf die wilde Losung des Mords, Wuthschrei der Besiegten,
Jauchzen der Sieger, Geheul Verwundeter, Sterbender Röcheln?
Doch nur am tauben Gestein, am dunkeln Gewölbe des Grabes,
Hallte der Jammer hin – dem Ohre der Todten nicht hörbar.
Dort, geborgen durch Treu' und Liebe des redlichen Greises,
Lag sie auf schwellendem Moos, in der hehren Stille der Mondnacht.
Schneidend' Weh und dumpfes Bangen drängte sich wieder
Ihr durch Mark und Gebein: denn oft verging sie in Ohnmacht,
Wachte wieder, und litt. Ach! keine mitleidigen Seelen
Nähern sich hülfreich ihr in der Stunde der Angst und des Jammers?
Siehe, und Roma's Stolz, Cornelia, Cornelia, die Mutter der Gracchen, war die Tochter des älteren Scipio, des Siegers bei Zama, und hatte zwei Söhne, Tiberius Sempronius, und Cajus, mit ihrem verstorbenen Gatten, Tib. Semp. Gracchus, erzeugt, der zweimal Consul war, und die Insel Sardinien eroberte. Jene beiden, von ihrer trefflichen Mutter gebildeten, und mit den schätzbarsten Eigenschaften ausgerüsteten Söhne, fanden in den, von ihnen erregten, bürgerlichen Gährungen (der ältere im J. 133, und der jüngere im J. 121 vor Chr.) den Tod, indem sie als Tribunen zu sehr nach der Volksgunst gestrebt, und das agrarische Gesetz gegen den Senat durchzusetzen gesucht hatten. ( Liv. I. 41. c. 12. – Valer. M. Plutarch etc.) Mutter der Gracchen,
Schwebte heran! So wie durch leuchtende Scheiben des Fensters
Dringet der Sonnenstrahl; so dringt ätherisch der Geist auch
Durch das dichte Gestein. Sie hörte die Jammernde, bebte,
Forscht' in Hast ringsher: ob hülfekundig ein Wesen
Athme, ihr Rettung zu bringen? Umsonst! Des Tages Geräusch' war
Lange verhallt, entfernt die Stadt, und still das Gehölz her.
Knieend hielt sie das Haupt der Leidenden, und, so verlassen,
Suchte sie, leidengeübt, ihr Muth in dem Herzen zu wecken.
Jetzo entwand sich in Weh'n dem Schooße Mathildens ein Knäblein.
Aber sie legt' ihn matt an die todbleichschwebende Brust hin;
Griff nach der rieselnden Fluth, und taufte mit zitternder Rechten,
Ihn in dem heiligen Nahmen des Ein-Dreieinigen Gottes.
Dann noch fühlte sie tief, im eisigen Schauer des Todes –
Fühlt' es, mit liebendem Blick nach Oben: ein Himmlischer löse
Sanft und mild das Band des irdischen Lebens. Ihr Herz schlug
Immer leiser und leiser. Es stand, und regte sich nicht mehr.
Schwebend über dem Fels, im hehren Flug zu des Himmels
Strahlenbahn, noch einmal senkte zur irdischen Heimath
Sie den verkläreten Blick, und sah am verblichenen Leichnam
Liegen ihr wimmerndes Kind, und suchen vergeblich um Nahrung
Dort an der bleicheren Brust umher. Da entstürzten die Thränen
Ihrem Aug'; doch Thränen der Wonn': im himmlischen Eden
Harre der zarten Knospe Gedeih'n und Fülle der Nahrung,
Daß sie entfaltet blüh' in nievergänglicher Schönheit,
Frische, und Kraft: denn jetzt verlosch auf dem ruhenden Herzen,
Aehnlich dem Abendstrahl, das mattaufflimmernde Leben.
Doch, wie ein glühender Docht, der Flamme genahet, sich wieder
Eilig entflammt: es hüpft die fächelnde Lohe nach ihr hin:
Wie die getrennte Fluth der bergentsprossenen Quelle
Schnell den blumigen Hügel umfließt, den sinnig der Gärtner
Jüngst in dem Lusthain schuf: die beiden Arme, gesondert,
Streben sich wieder zu einen, und flieh'n im schöneren Lauf fort:
Wonne, so flog an die Brust der überseligen Mutter
Nun ein Engel, ihr Kind; umschlang den glänzenden Hals ihr,
Holdauflächelnd, und lallt' ihr entzückt Willkommen und Gruß nach!
Aber sie hob ihn empor; sie jauchzte hinauf in den Himmel,
Eilt', und flog, wie ein Stern hinschwindend im glänzenden Aether,
Nach dem Gezelt, wo ihr Gatte, versunken in tödlicher Schwermuth,
Saß, und nach ihr sich sehnt' in unaussprechlicher Rührung.
Nah' ihm schwebte sie leis: ihr pochte das Herz in dem Busen
Ob der Erinnerung ihres einstigen Glücks und der Leiden,
Die sie erduldeten beid', in der Zeit entsetzlicher Trennung;
Legte den einen Arm um den Nacken ihm, legte das Söhnlein
Ihm an die Brust. Er stöhnt', und blickt' in schaudernder Ahnung
Um sich her: ihn ergriff die Näh' unsterblicher Seelen.
Sieh', ihn herzte das Kind, mit sanftumschlingenden Händchen
Hängend an seinem Hals, und pressend die Wang' an die Wangen!
Doch sie sprach ihm leis' an die Seele die Worte des Trostes:
»Gottes Friede mit dir! Der seligen Wiedervereinung
Stunde ist nah': denn bald, verhauchend das tapfere Leben,
Eilst du mir freudig nach in die Segensgefilde des Himmels,
Wo kein Scheiden mehr ist, kein feindliches Schicksal, kein Tod mehr
Glückliche Herzen trennt; wo jegliche Thräne versieget,
Jede Klage verstummt, und Mathild' dein harret mit Sehnsucht.«
Lispelte so. Sie küßte die thränenumflossenen Augen,
Leis'erbebend, ihm noch im innigen Kusse der Seelen,
Und entschwand, mit dem Engel im Arm, noch häufig herunter
Schauend, verklärt, und strahlender stets, wie ein Blitz in den Lüften.

Dort von des Felsens Höh'n ihr folgten Cornelia's Augen.
Weinend hob sie die Händ' ihr nach, und sagte beklommen:
»Vieles duldet' ich einst: mit ehernem Muthe getragen
Hab' ich den Tod der Söhn', wie es heischte die Würd' und der Ahnen
Beispiel. Im Busen erglühte mir heiß die Liebe des Nachruhms:
Mutter der Gracchen zu seyn, und zu heißen der römischen Frauen
Erst' in der Gegenwart und spät in der kommenden Zeit noch,
Und mich ehrte mein Volk; doch, sah, bewundernd, ein Aug' hier,
Welche Qualen sie litt, und wie, in der einsamen Felsnacht?
Nur das hohe Gesetz des göttlichen Lehrers ihr Leitstern;
Seine Lieb' ihr Trost; ihr Ziel das bessere Leben.
O daß ich fern ihm wandelte – fern, auf dem düsteren Irrpfad!«
Süßer als Harfengetön im Zauber der nächtlichen Stille
Scholl aus dem Luftraum ihr der sanfteinladende Zuruf:
»Schweb' empor, Cornelia! Einst tönt dir aus den Himmeln,
Wonnig-ersäuselnd, der Born unendlicher Huld und Erbarmung!«
Wie des Morgens Strahl auffleugt am rosigen Himmel,
Flog sie empor, auf einem der flammenden Sterne zu weilen,
Welche, dem Lichtreich nah', im schöneren Laufe dahinzieh'n.

Doch nun drang Toledo, der Held, dem Sturme vergleichbar,
Der die Heide durchtobt in trüberen Tagen des Herbstes,
Immer des See's Gestad' entlang zum Felsen hinüber.
Freudig brausten die Scharen ihm nach. An dem edelen Feldherrn
Hing mit Liebe das Volk, der, immer so kühn, in Gefahren
Ruhm sich errang, und Ruhm und Ehre gewährte dem Krieger.
Schon erblickt' er das Ziel; doch, ach, von Schauder ergriffen,
Sah er zugleich unendliche Macht der feindlichen Reiter,
Spähend, umstellen den Fels, geführt von dem schrecklichen Dragut!
Lautaufseufzte der Held: er wähnte verrathen des Felsens
Dunkele Höhl', und ihm entrissen das edelste Kleinod.
Dragut gewahret' ihn auch, und sann: ob er dem Verhaßten
Nahe, ob nicht? Doch schnell gedacht' er der List, und urplötzlich
Jagt' er davon, zum Hinterhalte die Feinde zu locken.
»Tapferer Greis,« so rief Toledo dem römischen Feldherrn,
»Sey des Volkes leitender Hort! Verfolge die Gegner
Rasch hin, bis ich die Gattinn erlöst' aus dem bergenden Fels hier,
Und mit Kurd, dem edelen Freund, entsandt' in das Lager:
Denn mich heißet die Pflicht noch fürder im Kampfe zu stehen.«
Freudig gehorchte der tapfere Greis, Ursini. Des Jünglings
Feuer beseelt' ihm die Brust: er eilte dem fliehenden Feind nach.
Wie die Löwinn, die erst auf dem Lager die Jungen zurückließ,
Hörend des Panthers Gebrüll fernher, schnell wieder zurückkehrt,
Vor die Höhle sich stellt, und harret des kommenden Gegners:
Denn sie vertrauet dem Muth und der siegenden Stärke: so muthig
Blickte Toledo umher (nicht Tausenden wär' er gewichen),
Sprang aus dem Sattel mit Kurd, und legte mit zitternden Händen,
Nahe dem Felseingang, die blinkenden Waffen dann nieder;
D'rauf, nicht ahnend im Geist die entsetzliche Nähe des Jammers,
Half er dem treuen Gefährten, und hob, und wälzte vom Eingang,
Stöhnend, den mächtigen Block, und räumete Schutt und Gesträuch weg.
Weit aufgähnte die Höhl'. Er stieg: »Mathilde! Mathilde!«
Rufend, hinab. O Jammer, da sträubten, wie Stacheln des Igels,
Ihm von der Scheitel die Haare sich auf. Ein Schrei des Entsetzens
Schmettert' aus seiner Brust; weit vorgebogen, und krampfhaft
Faltend die Händ' an der Stirn', hinstarrt' er mit leblosen Augen –
Starrt', und sah die Gattinn entseelt auf dem Boden, und ihr gleich,
Schlummernd an holder Mutterbrust den lieblichen Säugling.
Leis' nur athmet' er noch, und sank erblassend zusammen.

D'rüben lag Ursini dem Feind, verfolgend, im Rücken.
Unablässig erkrachte das Rohr, und säte Vernichtung
Unter die fliehende Schar; doch plötzlich brach vom Gehölz her,
Lauernd im Hinterhalte, der Feind auf den Sieger, und sandte
Zahllosschwirrende Pfeile heran. Da wandte sich Dragut
Eilig zu seinem Volk, und rief mit grimmigen Blicken:
»Jetzt umzingelt sie schnell. Sie sollen den Frevel mir büßen,
Den ihr Führer verübt'. Und, ha, nicht erseh' ich ihn drüben
Unter der Schar! Hat etwa der Unsern Geschoß ihn ereilet,
Oder, wich er feige zurück, weil Dragut ihm nahte?«
Flugs umbrausten mit wildem Geschrei die maurischen Reiter,
Dragut folgend, und flugs numidische Horden, die Christen.
Aber der tapfere Greis, dem jetzt die feindliche Kugel
Stürmend die Rechte durchfuhr, erhob mit der Linken den Degen,
Ordnete schnell die Reihen, und rief den Geordneten: »Feuer!«
Denn sie hatten gezielt: da feuerten alle mit einmal
Ihre Gewehr' ab: sie krachten, durch Rauch und Flammen versendend
Furchtbare Kugelsaat zur blutigen Ernte des Todes.
Schnaubend prallten die Rosse zurück; der wilde Numider
Wankte; von Schrecken betäubt, verweilte der maurische Reiter.
Nun gedacht' Ursini der Flucht, der rettenden. Fliehend
Drängt' in das Feuerrohr der Krieger des Todes Geschosse;
Stellte sich wieder, ereilt, und trieb die stürmenden Haufen
Mordend zurück. Doch wie der Staar' unzählige Scharen,
Lüstern nach Traubenblut, die Rebenhügel umflattern:
Weder der Hüther Geschrei, noch die rastlos tönende Klapper
Scheucht sie völlig hinweg – stets kehren die Lästigen wieder:
Also umschwärmte der Feind die Fliehenden: Manchem das Leben
Raubend mit tödlichem Stahl, und fernhin scholl das Getümmel.
Dragut sah, erstaunt, die Waffen Toledo's am Boden
Liegen. Er sprang voll Hast aus dem Sattel, und stieg in den Felsschlund
Rachebeflügelt hinab. Sein spähendes Auge gewahrte
Bald den Ersehnten im Grabesgewölb', und er jauchzte vor Wuth auf;
Aber sein Flammenblick, den starrenden Blicken Toledo's
Folgend, sah die entseelete Frau. Da faßte des Todes
Schauer ihn an: der Laut erstarb auf den Lippen ihm; wankend
Sucht' er des Tages Licht, und stöhnte noch laut vor Entsetzen.
Schon braust' ihm sein Volk entgegen im schmählichen Rückzug,
Von dem Feinde gejagt: denn Alba's siegende Reiter
Brachten Ursini's umstürmter Schar ersehnete Rettung.
Dragut schwang sich behend aufs Pferd, zu entkommen den Augen
Hairaddins, daß er nicht feig ihn heiße, die blässeren Wangen
Schauend im Waffenfeld: nicht ahnend, was ihn betroffen.

Muhamed, der die Wälschen umdrängt, in grauser Verfolgung
Weichen sah, erregte den Muth des flüchtenden Herrschers,
Hairaddin, kühn zu besteh'n des Kaisers anstürmende Heersmacht.
»Wie,« so rief ihm der Geist, »du, Hairaddin, schrecklicher Krieger,
Wendest den Rücken dem Feind'? Erschlafften des tapfersten Herzens
Schwingen so ganz, daß es scheu vor Schlachtengetümmel zurückbebt?
Auf, und versuch' erneueten Kampf: denn Siegesgejauchz' tönt
Dort von des See's Gestad', wo Dragut, der Schreckliche, kämpfte!«
Hairaddin horcht', und vernahm fernher Getümmel und Schlachtruf.
Donnernd schrie er den Flüchtenden: »Halt!« und stellte die Haufen
Gegen des Feindes Macht mit kampfanbiethender Stirn auf.
Auch das Siegel von Gold, das hell an der tapferen Brust ihm
Schimmerte, sandt' er an Dragut hin: ein furchtbares Zeichen
Großer Gefahr, und des Ungehorsams dräuender Strafen,
Daß er ihm eine die Macht. Wie auf Windes Flügeln enteilte –
Spornte das Roß Ben-Dar, der Araber, der ihm ein Liebling
War vor allen im Heer' mit dem kühnvordringenden Kampfmuth.
Aber vergebens spornt' er das Blut aus den Seiten des Renners;
Hairaddin forschte nach Dragut umsonst: denn, fern von dem Schlachtfeld,
Nahet' er schon im Flug den Thoren von Tunis, getrieben
Von entsetzlicher Angst. Ihm keuchte sein bebendes Volk nach.
Wie, verirrt auf Sibiriens schneeiger Heide, der Weidmann
Aengstlich forschend sich müht, den ihm entschwundenen Heimweg
Wieder zu finden, und jetzt am Rande des Himmels ein Wölkchen
Leis' aufschwebt: da wähnt' er, getäuscht, die trauliche Hütte
Sey es, und freut sich der Gattinn schon und der harrenden Kindlein;
Aber das Wölkchen schwand, und trostlos kehrt ihm der Abend:
Also getäuscht sah Hairaddin unmuthsvoll zu dem Seestrand
Forschend hinaus: denn fern' ihm floh die ersehnete Kriegsschar.
Sieh', und jetzt durchtobte zugleich das entsetzliche Schlachtfeld
Lärmenden Sieges Getös', und Flucht und grause Verwirrung!
Dort brach Lichtsteins Volk, des herrlichen Schanzenerstürmers,
Jauchzend heran, und hier ihm brauste, dem wilden Orkan gleich,
Alba's siegende Macht entgegen. Er blickte verzweifelnd
Um sich her, und geboth den bebenden Scharen den Heimzug.
Mordend folgten die Sieger ihm nach. Vom Blute geröthet
Wies sich den Kehrenden weit die siegverherrlichte Laufbahn.

Nahe dem Felsenschlund saß Kurd. Er senkte die Augen
Tief zur Brust, und schimmernde Thränen benetzten sein Antlitz,
Als der Kaiser an ihm vorüberzog in dem Siegslauf.
Dieser sprengte das Roß jetzt näher, und forschte mit Sorgfalt:
Was ihn betrübt'? Doch Kurd erhob sich, und führte den Herrscher
Ein in des Grabes Nacht, in die Wohnung unsäglicher Trauer.
Dort erbebte sein fühlendes Herz des Menschengeschickes
Nächtlichstem Bild. Er schwieg; doch dringender Hülfe gedenkend,
Faßt' er Toledo am Arm, und stieg in die Helle des Tages
Rasch mit dem Wankenden auf; dann rief er dem treuen Gefährten:
»Kurd, erhebe dich schnell, und häufe die Trümmer mit Vorsicht
Auf an dem Schlund: denn bald erhöh'n wir, als Sieger, Mathildens
Denkstein, der ihr Trauergeschick verkünde der Nachwelt,
Und an den Wechsel des Erdenglücks den Sterblichen mahne!«
Also geschah's. Doch heim zu dem Zelte des gütigen Kaisers
Schritt mit Toledo das trauernde Roß; er lenkte das eig'ne
Sorglich ihm an der Seit', und sann voll Huld auf dem Heimweg,
Wie er das leidenerstarrete Herz zum Leben erwärme?
Und der ersehnete Abend sank. Die kehrenden Scharen
Eilten mit Siegesgesang, vom Gewirbel der drönenden Trommel
Und Drometengeschmetter umtönt, zurück nach dem Lager.
Weithin dehnte sich schon der riesige Schatten der Krieger
Und der Ross', auf dem Sand. Die Sonne blickte noch einmal
Ueber des Meer's hellschimmernde Fluthen herüber, und sandte
Scheidend, aus Rosengluth, auf den Fittigen säuselnder Lüftchen,
Endlich die Labung dem Heer' in der mildumschmeichelnden Kühlung.


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