Peter Prosch
Der freiwillige Hofnarr
Peter Prosch

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Elftes Kapitel

Meine Buben kommen in die Welt. – Der eine findet als Ringer, der andere als junger Gemsbock fürstliche Huld. – In Würzburg gibt's keinen Durst. – In Mannheim ist schon ein Hoftyroler, der Ubrerl, der mich gar nicht gern sieht. – Die Nasenstüberrevenüen in Würzburg hören durch den Tod meines Gönners auf. – Sein Nachfolger will mir seine Huld erhalten, wenn ich binnen einem Jahr gescheit werde. – Ich verlange aber sechs Jahre Bedenkzeit.

Während diesen Jahren hatte sich meine Familie ziemlich vermehrt; denn ich hatte vom verstorbenen Weibe zwei, und von dieser drei Kinder, worunter zween Buben, und drei Mädeln sind. Nun blieb ich eine Zeitlang zu Haus, der Kirchenbau aber wollte nicht vor sich gehen. Ich und Bögler Riepl mit dem Kirchenprobsten gingen nach Innspruck, gaben in dem Gubernio ein, und erhielten gleich die vollkommene Erlaubnis zum Kirchenbauen; bewirkten auch zugleich soviel, daß man uns von St. Leonards-Gotteshaus 1500 fl. dazu leihen mußte. Wir machten in unserer Kirchengemeinde eine neue Kollekt, und brachten was ziemliches zusammen: alles arbeitete mit größtem Eifer, so, daß in Zeit von 4 bis 5 Jahren die Kirche unter das Dach gebracht, der Turm aber nur halb ausgebauet wurde. Nun haben wir aber die schönste Geykirche im ganzen Zillerthal; dmn der Herr Provisor Andrä Walther ließ sich keine Mühe zu groß sein, und sonst auch viel kosten.

Nach der Hand ging ich wieder nach Innspruck, neue Handschuhe anzukaufen, nahm meine zween kleine Buben mit, und ließ einen wie den andern auf tyrolische Art kleiden. (Der Jakob war sechs, und der Philipp sieben Jahr alt.) Wir kamen nach München, und logierten, wie gewöhnlich, beim Birnbaumbräu in der Schwäbinger Gasse. Dem andern Tage ging ich nach Hof; der Kurfürst und die Kurfürstin waren ganz gnädig, und der Kurfürst hatte schon erfahren, daß ich meine Buben bei mir hätte. Bei der Tafel, wobei er ganz aufgeräumt war, küßte ich ihm die Hand; er fragte mich: wo sind deine Buben? – Im Wirtshaus. Ein Läufer mußte sie geschwind holen: sie kamen in den Speisesaal, sahen hin und her, und machten große Augen. Sie küßten dem Kurfürsten und der Kurfürstin die Hand, und weil große Spiegel im Saal waren, so sahen sie auch Leute darinnen.

Sie wollten zu diesen durch die Spiegel hineingehen, weil sie dergleichen niemals gesehen haben. Der Kurfürst war im besten Humor, und fragte die Buben, ob sie auch raufen könnten. Die Buben sagten: raufen nicht, aber ringen wohl. Der Kurfürst sagte, er möchte es sehen, sie sollten ringen. Jedweder zog sich den Rock aus, und neben der Tafel gegeneinander und übereinander her. Philipp, als der ältere, brachte den Jakob, als jüngeren, gleich zu Boden. Der Kurfürst stund von der Tafel auf, zog den größern hinunter, und half dem jüngeren oben drauf. Der größere aber fuhr wieder damit über und über, der Kurfürst aber zog diesen abermal herunter, und half dem jüngern oben drauf. Der Philipp fing an zu rehren.

Der Kurfürst fragte: was fehlt dir?

Das gläb i, wenn du meinem Bruder alleweil hilfst.

Der Kurfürst hatte hierüber sehr gelacht, und eine große Freude damit; auch die Kurfürstin und alle Herrschaften lachten. Sie ließen voneinander, legten ihre Röcke an, und der Kurfürst setzte sich lachend wieder zur Tafel. Die Kurfürstin gab ihnen einen Teller voll Konfekt, und sagte: Will keiner da bei uns bleiben? Der Jakob nahm gleich das Wort, und sagte: I wohl, wenn du mich behältst! Die Kurfürstin sagte: Ja, du sollst da bleiben, wir wollen für dich sorgen. Gleich küßten wir dem Kurfürsten und der Kurfürstin die Hände; der Bub ward angenommen, und zum Schullehrer bei U. L. Frau in die Kost und Schule gegeben: der Gräfin von Seefeld wurde die Aufsicht darüber anvertrauet. Nun hatte ich um ein Maul weniger zu nähren. Ich blieb noch eine Weile, weil mich der Kurfürst und die Kurfürstin wohl gedulden konnten.

Doch kam die Zeit herbei, daß ich weiter reisen sollte. Eines Tags auf dem Abend war ein erstaunliches Schneegestöber; ich saß in dem roten Kabinett der Kurfürstin auf einem Hundsküssen vor dem Kamin, den Kopf in beiden Händen haltend, ganz niedergeschlagen und betrübt. Die Kurfürstin saß an ihrem Arbeitstischl, die Gräfin von Seefeld hatte damals den Dienst, und saß am Fenster.

Auf einmal kam der Kurfürst zum Kabinett herein, und sagte: Was fehlt dir? Ich sagte: nichts, es kömmt mich halt hart an, von einer so guten und gnädigsten Herrschaft weg zu gehen; einen weiten Weg und wildes Wetter hab ich vor mir, und wer weiß, ob und wenn ich dich wieder einmal sehe. Er kam zu mir, nahm mich beim Kopf, küßte mich auf dem linken Backen, und sagte: du armer Narr! schau mich noch einmal recht an, und, wenn du hörst, daß ich gestorben bin, so bete für mich ein Vaterunser.

Ich tat aus Wehmut einen lauten Schrei, lief zum Kabinett hinaus, und rehrte und heulte so erbärmlich, daß ich der Herrschaft ganz leid gemacht: mir war auch das Herz so voll, daß ich selbst nicht wußte, was es bedeuten soll; denn in meinem Leben hab ich niemals so hart von diesem gnädigsten Kurfürsten Abschied genommen; mich dünkte, es sei gar nicht möglich, daß ich mich von ihnen trennen soll: ganz traurig ging ich in mein Wirtshaus, zog mich aus, und legte meine tyrolische Reiskleider an.

Zu Nachts bei der Tafel fragte der Kurfürst um mich, ich war aber nicht da. Er schickte gleich einen Läufer zu mir ins Wirtshaus, ich sollte nach Hof zur Tafel kommen; ich sagte, ich hätte schon meine Reiskleider an, und ich mag nicht. Der Läufer ging fort, und in einer halben Stunde kamen zween Grenadier von der Wache, holten mich, und führten mich nach Hof in das Tafelzimmer. Der Kurfürst fragte mich: Was fehlet dir? Ich konnte aber nicht antworten, und fing wieder laut zu rehren an.

Die Kurfürstin und der Kurfürst ließen mir von der Tafel zu essen und zu trinken geben, und, obschon ich ein großer Liebhaber vom Wein bin, konnte ich doch weder essen noch trinken; sondern küßte beiden die Hände, rehrte laut, lief zum Tafelzimmer hinaus schnurgerad meinem Wirtshaus zu, legte mich nieder, und rehrte die ganze Nacht.

Den Tag darauf spannte ich meinen Schimmel ein, packte meinen andern Buben in einem Sack auf das Wägl, und ich und mein Hofmeister fuhren von München ab; wir kamen bei dem wilden Wetter in sechs Tagen glücklich bei meiner Mutter zu Würzburg an. Es war wieder Jahreszeit, daß der Geburtstag des Fürsten einfiel, bei dem ich allemal erscheinen mußte; der Fürst hatte mir auch öfters befohlen, ich sollte ihm doch einmal einen jungen lebendigen Gemsbock bringen.

Am folgenden Tage fuhr ich nach Hof hin, packte meinen Buben in meines Pferds Futtersack, und befahl meinem Hofmeister, wenn er glaube, daß die Tafel bei Hof zu Ende gehe, den Buben im Futtersack nach Hof zu bringen, und in dem Vorzimmer bei der Leibgarde mit dem Sack zu warten. Dem Buben aber sagte ich, er solle sich ja nicht rühren, nur bisweilen sollte er es machen, wie ein Bock: Mä ä ä, und wenn ich den Sack auflöse, so werden viele Herren herumstehen, worunter einer ein kurzer dicker sein wird, mit einem goldenen Kreuze am Hals; dieser wäre der Fürst, zu diesem sollte er gleich hingehen, und ihm den Rock küssen.

Ich ging also nach Hof, und wie ich befohlen, so ist es geschehen. Im Kavaliersaal bei der Marschallstafel grüßten sie mich alle, und hatten eine Freude, mich wieder zu sehen; alle waren lustig und aufgeräumt; das Konfekt ging hinein, und wir mußten sodann hinüber. Ich ging zum Fürsten und küßte ihm die Hand, welcher mich lobte, daß ich brav wäre, weil ich bei guter Zeit gekommen bin.

Nun, wo kömmst du her, du Hannswurst? war seine Frage.

Von München. Ich legte ihm auch die Komplimenten von seinem Herrn Bruder ab.

Hast du mir wieder nichts gebracht?

Ja, diesmal hab ich was.

Was hast du?

Etwas Lebendiges.

Gewiß einen Gemsbock?

Ja, und dazu einen Löw frischen; der macht Sprünge! Aber keine Hörner hat er; denn er ist noch ganz jung.

Wo hast du ihn?

Der Hofmeister wird ihn gleich bringen.

Geschwind bring ihn her, und laß mir ihn sehen.

Wart nur, hernach beim Koffee.

Der Fürst hatte hierüber eine große Freude, sowohl meinetwegen, als wegen des Gemsbocks: er war sehr begierig, selben zu sehen; daher blieb er nicht mehr sitzen, sondern stund von der Tafel auf, und ging in das Audienzzimmer. Alle Domherren und Kavalier waren ebenfalls höchst begierig, den Gemsbock zu sehen; ich mußte ihn also gleich herbringen. Ich ging hinaus ins Vorzimmer, nahm den Sack auf meinen Buckel, trug ihn in das Audienzzimmer, und stellte ihn auf dem Boden nieder.

Der Fürst und ein ganzer Ring Kavalier standen um mich und den Sack herum. Ich lösete den Sack auf, und der Bub stand kerzengrad in die Höhe, schaute sich herum, ging auf den Fürsten zu und küßte ihm den Rock. Alles lachte über diesen Gemsbock, und der Fürst hatte die größte Freude, nahm den Buben beim Kopf, küßte und drückte diesen, und sagte: Peterl! diesen Gemsbock schenkst du mir, ich will dafür sorgen, daß er gut gefüttert wird. Es war ein hübscher Bub; der Oberststallmeister, Herr v. Greiffenklau, hat ihn aus der Taufe gehoben, und sein Herr Bruder, der Dechant von Kamburg, Franzl Greiffenklau, hat ihn zu der Firmung geführt.

Wir küßten beide dem Fürsten die Hand, und bedankten uns. Dem Weihbischof, Herrn von Gebssattel, ward er in die Aufsicht gegeben und anvertraut; dieser besorgte ihn auch, gab ihn ins Hauger-Viertl zum Pachmayr in die Kost und Quartier, und in das Julispital in die Schule. Nun hatte ich wieder um ein Maul weniger, und, dachte ich mir, wenn der Fürst lange das Leben behält, so ist er gewiß versorgt. Ich ging in der Stadt herum, verkaufte meine Handschuhe, und war überall willkomm, kam auch des Tages selten in mehrere, als ein Haus. Es war Winter, vor 11 Uhr war nichts zu machen, ich blieb also gleich dort beim Essen: wenn das Konfekt stand, ging ich nach Hof, und bis es aus wurde, war es 4 Uhr, also war der Tag vorbei; doch ich hatte allzeit lange Residenz zu machen, mithin kam ich doch herum. Mit der Zeit kam der Geburtstag, und es erschien alles, wie gewöhnlich, in Gala bei Hof.

Ich war dann auch darunter, speiste in der Pagerie bei den Knaben, ging hernach in den Marschallsaal zu der Ministerstafel, wartete auf, und trank ein gutes Glas Wein auf des Fürstens Gesundheit mit; denn Durst habe ich in Würzburg in 16 Jahren niemals gelitten: alle Tische wußte ich zu suchen, und nach der Tafel bei der alten Hacke war ich auch dabei. Wenn ich itzt den Wein hätte, welchen ich in diesen Jahren zu Würzburg bei Hof und in Partikularhäusern getrunken hab, wäre er hübsch alt, und ich könnte gewiß ein schönes Geld daraus lösen: aber es reuet mich kein Tropfen; denn er stand mir oft bei, wenn ich sonst keine Einfälle hatte.

Das Konfekt ging nun hinein; der Hoffourier meldete es, man stand auf, alles ging hinüber in den neuen weißen Fürstensaal.

Die Musik ging zu Ende; der Fürst grüßte mich, ich küßte ihm die Hand, stellte mich gerade gegen ihn über, alles war still, und ich fing meinen Glückwunsch an.

Der Fürst und alle Herrschaften lachten. Der Fürst lobte mich, und sagte: du hast deine Sache gut gemacht, und, wenn du so zunimmst, so wirst du noch ein ganzer Poet, und der Herr von Quat muß von dir fleißig lernen. Alles war lustig und aufgeräumt; die Tafel ging zu Ende, man stand auf, und ging hinüber in das Audienzzimmer zum Koffee. Wir, die Kavalier, und was dazu gehört, blieben beisammen am Schenktische auf die alte Hacke. Man ging in die Kirche: auf dem Abend war Oper, und wie selbe aus war, fuhr alles nach Haus, und so war der letzte Adam Friederichische Galatag beschlossen.

Ich blieb noch eine Weile zu Würzburg; der Fürst ging nach Werneck und Bamberg, und ich bedankte mich bei ihm; er gab mir meine Pension mit der gewöhnlichen Lehre: Führ dich gut auf, haus mit deinem Weib und Kindern recht, hab Gott vor Augen, reis glücklich, und komm bald wieder. Ich küßte ihm tausendmal die Hand; mit Tränen befahl ich ihm meinen Sohn, und so sah ich meinen besten Adam Friederich, welchen ich in meinem Leben nicht vergessen kann, zum letztenmal. Ich kann mich aber rühmen, wie es alle Herrschaften zu Würzburg wissen, daß er mich gewiß hat gedulden mögen, und daß er nicht wenig in 18 Jahren wegen meiner gelacht hat: er war gewiß mein wahrer Freund und halber Brotvater. Gott tröste ihn!

Ich nahm danach bei den Herrschaften Abschied, reiste mit meinem Hofmeister über Bischofsheim, Ochsberg, Adelsheim, Weibstadt, Heidelberg, und kam das erstemal glücklich zu Mannheim an, weil mir der Kurfürst Karl Theodor zu München, als er aus Italien kam, erlaubt hat, daß ich ihn einsmal zu Mannheim besuchen dürfte. Ich logierte bei den 3 Mohren; des andern Tags ging ich nach Hof zu der Hofdame Fräule von Horneck, weil ich an sie was hatte: diese meldete mich bei Ihro Durchl. der Kurfürstin, welche mich gleich in ihr Kabinett kommen ließ, und mir 6 Dutzend Handschuhe abkaufte; sie sagte auch, ich sollte ein schönes Kleid anziehen und um 1 Uhr wieder in ihrem Vorzimmer sein. Ich küßte ihr die Hand, getraute mir aber nicht, mit ihr zu reden, als wie mit unserer Kurfürstin zu München; denn sie kam mir ganz majestätisch und ernsthaft vor, weil ich sie noch nicht kannte; ich ging alsdann meine Wege, zog mich an, und kam um 1 Uhr in das Vorzimmer: ein Kammerlakai führte mich in den Speissaal, stellte mich hinter einen Kasten, und sagte, ich sollte nur dableiben, bis man mich begehre.

Mein Vetter Urban Mayr, oder der sogenannte Urberl, war der einzige Hoftyroler zu Mannheim, welcher aber um meine Ankunft noch nichts gewußt hatte. Man ging zur Tafel, alles lachte und war aufgeräumt; der Urberl kam auch, und war sehr lustig; endlich schickte ihn die Kurfürstin, unter dem Vorwand etwas zu holen, hin, wo ich stand: er erschrak, sprang zurück, nahm seinen Hut und Stock, und zum Tafelzimmer hinaus. Die Kurfürstin schickte gleich einen Läufer nach, und er mußte wieder hereingehen.

Die Kurfürstin sagte, er sollte mir die Hand geben, und wir sollten gute Freunde sein; es ging aber lang her, und er wollte wissen, warum ich nach seinem Hof käme? Endlich mit dieser Bedingnis, daß ich den nächsten Montag wieder fortgehen wolle, gab er mir die Hand, wir wurden gute Freunde, weil es die Kurfürstin befohlen, so, daß wir gar zuletzt aus einem Glas miteinander tranken; aber am Montag sollte ich fort. Ich blieb noch zween Tage: der Kurfürst und die Kurfürstin schenkten mir etwas, und die Kurfürstin sagte zu mir, wenn ich in diese Gegend wieder käme, sollte ich sie allzeit besuchen; denn sie hat nicht wenig gelacht, welches bis dato noch geschieht: und itzt getraue ich mir mit ihr schon freier zu reden, weil ich sie kenne; sie kömmt mir auch nicht mehr so ernsthaft vor, wie das erstemal.

Ich ging nun von Mannheim über Brusel, Karlsruhe, Radstadt auf Straßburg, wo ich erfragte, daß die Prinzeß Christina zu Bront, drei Stunden von hier, sich aufhalte. Sie hatte eine Freude, mich zu sehen und zu kennen, weil ich einen Brief von ihrer Schwester, der Kurfürstin, an sie hatte. Wir kamen nach Straßburg zurück. Einige Herrschaften fuhren spazieren nach Kehl, und ich verkaufte da beim Rehfuß meine Handschuhe. Sie bekam einen Brief von München, daß der Kurfürst die Blattern habe, und krank sei; alles wurde niedergeschlagen, und ich dachte gleich an die Worte: »Wenn du hörst, daß ich gestorben bin, bet für mich ein Vaterunser.« Es kam wieder ein Brief, daß der Kurfürst viel schlechter und gefährlicher sei; die Trauer im ganzen Schlosse kann ich nicht beschreiben. Nun hörte man, der Kurfürst befinde sich etwas besser; alles war in Hoffnung und Freude. Es dauerte aber nicht lange: eine Staffete brachte die betrübte Nachricht, daß der Kurfürst tot sei; die Bestürzung der Prinzeß war außerordentlich groß, und alle ihre Leute waren betrübt.

Mir brachen alle Glieder, und ich wußte mir nicht zu helfen, rehrte und heulte, und blieb noch ein paar Tage; ging zurück über Radstadt und Karlsruhe, wo ich mich eine Weile aufhielt, und meine Handschuhe verkaufte: von da ging ich nach Brusel, wo mich der Kardinal von Hutten kannte; ich mußte eine Weile bei ihm bleiben, weil ich so betrübt war, und so sehr um meinen Kurfürsten lamentierte, damit ich es besser vergessen sollte. Er war ein braver, lustiger und liebenswürdiger Fürst; er schenkte mir was, ich nahm Abschied, ging nach Stuttgart, Ulm, Günzburg, Augsburg, und kam nach München.

Alles war bestürzt und in der tiefsten Trauer; ich ging in meinem tyroler Reiskleid zu der Gräfin Seefeld nach Hof; sie erzählte mir den ganzen Hergang von dem Tode des Kurfürsten; sie fragte mich, warum ich kein anders Kleid anhabe, und was ich machen will? Ich sagte: ich gehe nach Haus. Nein, das darfst du nicht, sagte sie; du mußt zur Kurfürstin gehen, sie hat schon öfters nach dir gefragt: du mußt doch nachfragen, was mit deinem Buben geschieht. Ich sagte, ich könnte nicht mit ihr reden.

Es war eben der General Graf von Salern bei der Gräfin, dieser nahm mich, und führte mich mit Gewalt hinunter. Die Kurfürstin war just in ihrem Schreibzimmer; er meldete mich. Sie ließ mich gleich kommen, war beim Schreibtische, und weinte bitterlich. Ich tat einen Fußfall, vor Rehren konnte ich nicht reden, sie gab mir die Hand zu küssen: ich stund neben dem Ofen zurück, und schluchzte, machte einen Kniebucker, und ging zur Tür hinaus; denn es wäre mir unmöglich gewesen zu reden, bevor ich recht ausgerehrt, und meinem Jammer freien Lauf gelassen hätte. Fürwahr einen solchen Herrn, der mich so gern gehabt, wie dieser, bekomme ich in meinem Leben nimmer. Wie ich genug ausgerehrt hatte, ging ich wieder zur Tür hinein.

Die Kurfürstin erzählte mir etwas von ihres Herrn Krankheit und Tode, und versprach mir zugleich, Mutter für meinen Sohn zu sein, für ihn zu sorgen, und mich nicht zu verlassen, so lange sie leben würde, weil mich ihr Herr sel. so gern gehabt hätte: ich machte fußfällig meine Danksagung, übergab ihr ein Memorial, sie gab es dem Kurfürsten, welcher mir gleich meine 12 bayerische Taler zusagte: ich dankte allerseits, und ging traurig ins Tyrol in meine Heimat.

Ich kam nach Haus zu meinem Weib und Kindern, trieb Wirtschaft, und brannte Brandwein. Über eine Zeit ging ich nach Innspruck, zahlte meine alte, und kaufte wieder neue Handschuhe ein.

Mein alter Hofmeister und Schwager, Michael Fiechtl, oder Kapfinger Michäl genannt, wollte, weil es ihm bei mir zu wenig abwarf, nun für sich selbst mit Öl und Theriak handeln; ich sah es zwar nicht gern, mußte es aber doch geschehen lassen, weil er glaubte mehr zu gewinnen; es hat ihm aber hernach nicht gut angeschlagen, und reuet ihn heutzutage noch, daß er von mir abgelassen. Ich mußte also einen andern haben, und es kam Johann Ramm, oder Maißl Hannsäl, als Hofmeister zu mir.

Wir gingen also mit unsern Handschuhen und Fuhrwerk auf das Land, und kamen nach München. Die Kurfürstin sah mich gern, und war sehr gnädig; weil ich aber den Baron Sturmfeder nicht kannte, so getrauete ich mir nicht, um die Kost anzuhalten, ich verlor also meinen Tisch in der Tiernitz, daher mir Ihro Durchl. die verwitwete Frau Kurfürstin zu einiger Vergütung jährlich 36 fl. Pension gnädigst verwilligt und gegeben.

Nun war ich auch ein verwitweter Hoftyroler, und sollte alle Jahre meine Residenz in Fürstenried, ihrem Sommeraufenthalt, machen, wo mir die Obersthofmeisterin Gräfin von Mongelas, Gräfin Seefeld, Gräfin Hörwarth, die junge Mongelas, Fräule von Ecker, Graf Tattenbach, Graf Daun, Obersthofmeister von Segesser, Vizestallmeister von Segesser, und Pater Unger einen bayrischen Taler zu meiner Ökonomie und Reiskösten jährlich zu geben versprachen. Einige wenige Handschuhe kauften mir die Kurfürstin und die Damen auch ab; ich war also zufrieden mit dem, was ich hatte. Mein Bub wuchs, und lernte brav.

Ich hörte beim Graf Seinsheim, daß der Fürst nicht wohlauf, und krank sei; ich ging also gleich von München ab, über Schwabhausen, Aicha, Donauwörth, und kam nach Driesdorf. Dort hörte ich mit größtem Leidwesen des ganzen Hofes, vom Marggrafen und der Marggräfin, daß ihr liebster Adam Friedrich und bester Nachbar zur größten Betrübnis der Würzburger gestorben sei. Wer gehört, was ich bei ihm gegolten, und was ich zu Würzburg gehabt habe, kann sich leicht einbilden, wie mir zumute war. Ich hatte mich mit Handschuhen auf Würzburg versehen, wußte nicht, wie es dort mit meinem Sohn ging, und war untröstlich, meinen besten Fürsten nicht mehr zu sehen: ich rehrte immerfort, und war bei der Tafel gar nicht zu brauchen; denn meine halbe Nahrung und mein Verdienst war nun weg, mein Konzept in der Handelschaft war mir verdorben.

Mein lieber und guter Marggraf und die Marggräfin redeten mir zwar bestens zu; allein ich konnte mich nicht trösten, der Schaden war zu groß, und ich habe öfters in einer Residenz mehr als 20 fl. allein in Nasenstüber-Revenüen verdient.

Der Marggraf sagte mir, es werde mich vielleicht der künftige Fürst auch gedulden können, und ich sollte nur öfters zu ihm nach Anspach kommen, er wolle mir schon anstatt des Fürsten helfen, und mich nicht verlassen; denn sie liebten den Fürsten gar zu sehr: er ist auch selbst mit seinem Hof nach Anspach gekommen, nachdem der Marggraf und die Marggräfin mit ihrem Hofstaat vorher zu Aub auf der Jagd, und nachher zu Bamberg 8 Tage in Seehof waren. So war zwischen beiden Höfen die beste Freund- und Nachbarschaft, und alles hatte den Fürsten geliebt. Ich blieb etliche Wochen in Anspach, während der Zeit der Herr von Erthal Fürst zu Würzburg geworden ist. Man hörte auch, daß die Wahl zu Bamberg bald sein sollte, und der neue Fürst von Würzburg auch Hoffnung habe, Bischof und Fürst zu Bamberg zu werden. Der Marggraf und die Marggräfin rieten mir, weil ich viele gute Freunde in Bamberg hätte, zur Wahl hinzugehen, damit ich durch selbe bei dem Fürsten rekommandiert und bekannt werden möchte, beförderst wenn er hören würde, daß mich der vorige Fürst so wohl hat leiden können. Der Marggraf gab mir etwas mehrers, als meine Pension auswarf; ich bedankte mich dabei: er gab mir einen Brief an General Ried, als Wahlgesandten, mit. Ich nahm Abschied, und ging über Nürnberg auf Erlang. Die verwitwete Marggräfin von Bayreuth kannte mich gut von Würzburg und Bamberg aus; und, weil sie wußte, wie viel ich gegolten, so bedauerte sie mich sehr wegen meinem Verlust, und versprach mir auch deswegen zur Vergütung, so oft ich sie besuchen werde, etwas zu geben.

Sie ist eine lustige und gescheite Fürstin, und konnte mich sehr wohl leiden: ich durfte auch bei ihr bleiben, bis man vernommen, an was für einem Tage die Wahl zu Bamberg sein sollte. Ich ging also von Erlang weg, und kam auf Bamberg, ging zum Obermarschall Staufenberg, welcher weinte als er mich sah, wie auch zum Stallmeister Horneck: sie konnten mir aber nicht mehr erlauben, Quartier, Kost und Futter bei Hof zu nehmen.

Ich ging zum Herrn von Hutten, welcher Hofstatthalter war, dieser erlaubte mir gleich Kost und Quartier, wie ich es vorher gehabt habe, und der andere Hofstatthalter sorgte für meinen Schimmel. Ich übergab dem General Ried meinen Brief von dem Marggrafen, welcher mir versprach, mich bei dem neuen Fürst-Bischof zu rekommandieren.

Der Fürst kam, und die Wahl ging um Ostern vorbei. Dem zweiten Tage küßte ich dem Fürsten bei der Tafel die Hand, und gratulierte ihm zur Wahl, bat auch zugleich, er möchte mich bei Hof gedulden, und nicht verstoßen. Der Fürst sagte zu mir: Dieses Jahr wollen wir es so lassen; aber hinfüro, wenn du gescheit willst werden, wollen wir sehen, wie wir auskommen: aber mit Narren kann ich nicht umgehen.

Ich sagte, es wird hart hergehen, so ein großer Fürst sein, und nicht mit narreten Leuten umgehen; ich bat mir sechs Jahre Bedenkzeit aus, denn so geschwind könnte ich es nicht versprechen, ohne meine Natur mit einer so schnellen Änderung zu ruinieren.

Der Fürst erlaubte mir nach Hof zu kommen, und ich behielt auch bei den Knaben meinen Tisch, weil mich der General Ried, Domprobst Hutten, Domdechant Fett, der Obermarschall, und alle Domherren und Kavalier rekommandierten; ich durfte mich auch öfters bei der Tafel sehen lassen, wo der Fürst mit mir redete, und so, wie es hier, ist es auch Gottlob in Würzburg.

Wir gingen von Bamberg über Nürnberg nach Regensburg; denn der Fürst Taxis war aus Schwaben angekommen, und ich hatte meine Pension bei dem neuen Fürst Karl, wie bei seinem Vater, erhalten. Nun hatte ich allhier doppelte Residenz; denn der Fürst von Ellwang, der Graf Fugger, war Bischof zu Regensburg, wo ich Kost, Quartier und Futter für mein Pferd hatte: dieser ging um 1 Uhr zur Tafel, und um 3 Uhr war solche aus, daß ich also allzeit zum Fürst Taxis früh genug kam, wenn das Konfekt aufgetragen wurde. Da hatte ich dann erst zum Zudecken ein gutes Glas Rheinwein. Die meisten Kavalier (von welchen ich noch jährlich einen kleinen Taler habe) sind mit mir aufgewachsen. Der Fürst Karl kann mich auch wohl leiden, aber er kennt mich nicht so gut von Natur, als wie sein höchst sel. Vater. Es waren schon fünf Jahre verflossen, daß ich meinem letzten Uniform bekommen habe. Die Prinzeß Theres und alle Kavalier baten für mich so lang, bis der Fürst mir wieder einen neuen machen ließ, welcher noch weit schöner, als der vorige, nämlich apfelgrün und ponceau rot mit Gold war, den ich auch hernach zu Paris bei der Königin anhatte.

Nun war ich bei diesem Hofe in meine Rechte einstalliert. Der Erbprinz Karl und Prinz Friedrich hatten mich auch schon gern: mit meinem Handschuhhandel bei den Gesandten ging es auch gut; denn außer der Tafelzeit durfte ich herumlaufen, wo ich wollte: weil aber der Fürst-Bischof schon mehrere Jahre blind war, und er mich von altem her kannte, mußte ich bei der ganzen Tafel sein, wo er mit mir seinen Diskurs hatte: ich mußte ihm auch öfters ein tyrolisches Lied singen. Unter andern kamen wir auch auf unsern Kirchenbau, und andere Verfassungen zu Haus im Tyrol: ich sagte ihm, daß wir keine Sterbglocke hätten, und die Kirche sonst arm wäre; er gab mir 46 Lot Goldspitzen, ich kaufte einen reichen Stoff, und ließ ein Meßgewand daraus machen, darauf die verwitwete Kurfürstin mein Petschaft mit Gold sticken ließ. Der Fürst-Bischof ließ mir auch auf mein Bitten 300 fl. an Hrn. von Egger in Innspruck anweisen, um davon eine Sterbglocke anzuschaffen; denn er war ein guter und frommer Fürst, und ich galte gewiß meinen Batzen dabei.

Wir blieben noch eine Zeit, der Fürst gab mir meine Pension, ich bedankte mich, nahm Abschied, wir gingen von Regensburg weg, und kamen, weiß selbst nicht wohin, aber es muß doch überhaupt ein lustiger Ort gewesen sein; ich blieb etwelche Wochen, weil mich die Herrschaft gern hatte; wir waren durcheinander lustig. Der Speisesaal war zu ebner Erde, nächst dabei ein schöner Hof mit grünem Wasen.

Eines Tags nach der Tafel gingen, wie gewöhnlich, die Herrschaften hinaus vor das Schloß, und wuschen ihnen die Mäuler aus. Damen und Kavalier standen beieinander. Ein Kavalier hatte ein Reitpeitschl in der Hand, dieses nahm eine gewisse schöne Gräfin, und hieb mich damit um die Füße; ich lief auf den Wasen in dem Hof davon, die Gräfin mir nach; ich sagte: gib acht, daß du nicht fällst! sie lief aber, was sie laufen konnte; zum Unglück stolperte und fiel ich, und, weil die Gräfin so nahe hinter mir war, und sich nicht halten konnte, fiel sie über mich hin.

Ich rührte mich nicht, und lag mausestill da; die Gräfin wußte auch nicht, wie sie so geschwind auf mich hergekommen wäre. Alle Herrschaften konnten kaum stehen vor lauter Lachen über das tiefe Kompliment der Gräfin. Wir lagen wohl zwei Vaterunser lang; sie stund auf, und sagte: wenn ich eine Pistol hätte, wollte ich dich den Augenblick erschießen; ich sagte aber, ich könnte nicht helfen, und ich müßte lachend sterben, weil ich in meinem Leben bei keinem so schönen Diendl gelegen wäre. Sie ging in ihr Zimmer, um sich wieder aufsetzen zu lassen, denn mit diesem Kompliment war ihr Kopfputz ganz in Unordnung geraten, und die Herrschaften konnten nicht aufhören zu lachen. Hernach kam man zum Spiel zusammen. Anfangs war die Gräfin noch sehr über mich aufgebracht; weil aber alle Herrschaften auf meiner Seite waren, mußte sie endlich selbst lachen. Wir machten noch diesen Tag Alliance, und wurden wieder gut, wie vorher: ich blieb noch eine Weile, nahm Abschied, und ging über Salzburg; der Erzbischof war aber nicht da, alsdann über Lofer nach Haus ins Tyrol, und kam bei meinem Weib und Kindern glücklich an.


 << zurück weiter >>