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Sagen der Harzeburger Gegend.

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1. Die Kinder auf dem Burgberge.

Bei Harzeburg liegt der Burgberg, der fast wie ein großer Kohlenmeiler aussieht. Dahinauf ist eines Tages ein Lehrer mit seinen Schulkindern gestiegen und da sind einige Kinder nahe bei den Brunnen gegangen. Da hat eine Stimme gerufen, sie sollten nach einer andern Stelle auf dem Burgberge hingehen. Wie sie dahin gegangen, sind einen Augenblick zwei Gestalten, ein Mann und eine Frau, in weißen Kleidern unter ihnen gewesen und sogleich verschwunden. Auch sind da Stufen gewesen, die haben in den Berg geführt, und da sind die Kinder die Stufen hinabgestiegen und sind in ein Gewölbe gekommen, darin ist ein Tisch gewesen, auf dem haben lauter blanke zinnerne Teller gestanden, die sind auf dem Tische fest gewesen. Aber an den Seiten herum ist eine große Blänke gewesen, auf der haben auch solche zinnerne Teller gestanden und da hat wieder eine Stimme gerufen: von den Tellern auf der Blänke könnten sie welche mitnehmen. Nachher sind die andern Kinder noch einmal die Stufen hinabgestiegen und die Stimme hat ihnen die Erlaubniß gegeben, für sich und für ihren Lehrer noch Teller zu nehmen. Wie sie mit denen aber herausgegangen waren, ist eine eiserne Thüre hart hinter ihnen zugeschlagen und da waren die Stufen nicht mehr zu sehen. Die Teller aber sind draußen immer den Kindern aus den Händen gerollt, als wollten sie mit den Kindern spielen, und haben so herrlich geklungen dabei, und sind immer schwerer geworden und immer schwerer. Endlich sind die Aeltern der Kinder gekommen, die haben die Teller greifen können, haben sie mit Mühe nach Hause gebracht und haben einen Juden kommen lassen, der hat gesagt, es sei lauter gediegenes Silber, und von der Zeit an sind die Aeltern mit ihren Kindern und auch der Lehrer steinreich geworden. Der Lehrer ist aber seitdem oft mit den Schulkindern um den Berg herumgegangen und hat gesungen und gerufen: er danke vielmals, und wenn hier etwa eine Verwünschung oder so etwas sei, so wünsche er, daß sie durch den Gesang gelöst werde. Auch ist er oft allein um den Berg herumgegangen und hat geistliche Lieder gesungen, hat aber nicht vernommen, was es mit der Stimme im Berge und mit dem Gewölbe für eine Bewandtniß hat, auch die Stufen nicht mehr wahrgenommen. – Diese Stufen haben zu verschiedenen Zeiten auch einige Reisende gesehen, aber sie hatten den kindlichen Sinn nicht, daß sie hinabstiegen, und darum sind sie auch so glücklich nicht geworden, wie die Kinder mit ihren Aeltern.

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2. Der Rothbart und andere deutsche Kaiser im Brunnen auf dem Burgberge.

Im Burgbrunnen auf der Harzeburg fährt es oft wie mit Kutschen umher und rauscht gewaltig. Einige sagen, als Kaiser Heinrich der Vierte vor den Sachsen geflohen sei, habe er die Krone in den Burgbrunnen geworfen und die sei noch darin. Andere sagen, es sei ein Kaisersarg in dem Brunnen, und Andere, ein Kaiser sei in den Brunnen verwünscht. Den Kindern sagen die Mütter, sie sollten nicht zu dem Brunnen gehen, weil Kaiser Rothbart darin säße. Daß die weiße Jungfer darin sei, weiß in Harzeburg Jedermann. Einstmals ist ein Verbrecher Namens Schöppenstedt in dem Brunnen heruntergelassen worden, dem hat sollen das Leben geschenkt sein, wenn er glücklich aus einem Gange wieder herauskäme, der von dem Brunnen ausgehen soll. Als nun Schöppenstedt in dem Brunnen ist, kommt er an eine eiserne Thür, die thut sich auf und da steht die weiße Jungfer vor ihm und sagt: das sei sein Glück, daß er nicht aus Muthwillen hierher käme. Sie hat ihn nun in dem Gange entlang geführt, und hat ihm soviel Geld gewiesen und gesagt: »wenn't bronswieksche Land mal pankerott wörre, soll dat wedder davon herestellt weren.« Dann sind sie auch in eine Höhle gekommen, darin hat eine Tafel gestanden. Und was nun die Kaiser gewesen sind, Kaiser Otto, Kaiser Heinrich und der Rothbart, die haben Alle an der Tafel gesessen und haben Speisen vor sich stehen gehabt, und dem einen Kaiser ist der Bart durch die Tafel gewachsen, und in der Höhle sind große Schätze gewesen an Kleinodien und Geschirr, zumal an Krügen und Kelchen, das hat ausgesehen wie Holz, ist aber Silber und Gold gewesen. Auch viele Pferde haben da herumgestanden, die hatten statt des Futters Dornenwasen auf der Hille und schienen von der Hille zu fressen, es ist aber nur zum Schein gewesen. Zuletzt ist Schöppenstedt an der jetzt sogenannten Schöppenstedtergründ wieder herausgekommen, an einer Stelle, die durch einen Kieserling bedeckt sein soll. Auf diesem Gange soll auch der Kaiser Heinrich IV. zu seinen Lebzeiten heimlich aus der Burg vor den Sachsen entwichen sein.

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3. Die weiße Jungfer von Harzeburg.

Die weiße Jungfer, die in dem Burgbrunnen wohnt, ist schon Vielen erschienen. Einstmals haben die Kinder einen ihrer Gespielen in den Brunnen gelassen und sind fortgelaufen, weil die Stunde geschlagen hat, wo sie in den Pfarrunterricht gemußt haben. Weil die Kinder nun so verstört gewesen sind, so hat der Pfarrer gleich gemerkt, daß etwas vorgefallen ist. Da haben sie's müssen sagen und der Pfarrer ist mit andern Leuten auf den Burgberg geeilt und haben den Knaben wieder heraufgewunden, der aber ist halb todt gewesen und hat die Jungfrau auch gesehen. Oft hat die Jungfer an einem Twisselsbeerbaum über Ruhsack's Wiese an der Ostseite des Burgberges gestanden. In den Grasgärten, die um den Burgberg herumliegen, und auf den Wiesen am sogenannten Krodobrink hat man sie oft mähen sehen. Fast immer ist sie in der Freitagsnacht erschienen, und die Leute in Schulenrode pflegen zu sagen (wie man auch sonst im Halberstädtischen sagte):

Die ganze Woche wunderlich,
Der Freitag ist absunderlich.

Einmal ist die Jungfer in drei Freitagsnächten hintereinander in Schulenrode vor ein Fenster gekommen und hat einen jungen Burschen mit nach der Schöppenstedtergrund haben wollen, damit er dort einen Schatz heben sollte. In der dritten Nacht hat der Bursche gesagt.: »Wenn ich meinen Bruder Valentin mitnehmen soll, so will ich mitgehen.« Da hat sie vor dem Fenster einen Seufzer gethan und ist verschwunden. Die Leute selbst, vor deren Fenster dies geschehen ist, sagen, die Jungfer hätte beim Weggehen gesprochen: Nun wäre das Kindeskind noch nicht geboren, welches das Geld einmal heben könnte. – Auf dem Sintinnigsplatze (Sanct-Antoniusplatze) hat die Jungfer auch einmal gesessen und einem Köhler eine Blume gegeben. Wie er die Blume gehabt hat, führt sie ihn in eine Höhle in den Berg, und darinnen füllt sie ihm seinen Holster, sagt ihm aber, er solle den Holster nicht eher öffnen, bis er über das Wasser wäre. Als der Köhler aus der Höhle geht, hat er die Blume darin liegen lassen, und da schlägt die Thür hinter ihm zu, daß ihm beinahe die Hacken abgeschlagen wären. Hätte er die Blume mitgenommen, so hätte er noch oft in die Höhle gekonnt. Auch hat er nachgesehen, was in dem Holster wäre, bevor er übers Wasser gewesen ist, und da ist es lauter Pferdemist gewesen. Was aber in den Ecken sitzen geblieben ist, das ist nachher, wie er übers Wasser gewesen ist, eitel Gold gewesen. – Diese Jungfer ist immer weit am Burgberge herum gesehen worden, aber ihr eigentlicher Aufenthaltsort ist nur der Brunnen gewesen. Einer, dem sie auch erschienen ist, hat erzählt, daß Sturm und ein gewaltiges Windbrausen von ihr ausgegangen wäre. Einige sagen auch, daß aus der Jungfer später ein weißer Spitzhund geworden wäre, der sei auch immer in der Freitagsnacht auf den Wiesen um Schulenrode her gesehen worden. Andere sagen, die weiße Jungfrau aus dem Burgbrunnen erscheine noch jetzt.

Im Radauthale an der Köhlerlochsbrücke steht ein Ulmenbaum, dabei ist auch eine Jungfrau erschienen, man weiß nicht, ob es die aus dem Burgbrunnen gewesen ist, aber sie ist ganz so gewesen wie diese. Die hat gewollt, daß die Frau sich hinsetzen und sie erlösen sollte. Da hat die Frau sich hingesetzt und die Jungfer hat sich in einen Lork verwandelt, ist an der Frau in die Höhe geklettert und hat sie küssen wollen, als aber der Lork der Frau bis an die Brust kommt, erschrickt sie so, daß sie davonläuft. – Ein andermal ist im Radauthale, den Steinbrüchen gegenüber, eine Köhlerfrau gegangen, da ist deutlich das Wasser aus der Radau hinter ihr hergekommen wie eine große Flut, und da hat da eine Jungfrau gestanden mit blauem Licht und hat erlöst sein wollen. Die Köhlerfrau aber ist auch davongelaufen. – Auch als in Neustadt unter dem Burgberge ein Haus neben dem Chausseehause gebaut ist, hat sich da unweit einer Linde eine blaue Jungfer und ein Licht gezeigt, und man meint, daß vielleicht vom Burgberge herunter Schätze dahin »gerückt« sind. – Endlich wird erzählt, daß am Breitenberge beim Papenberge ein Brunnen ist, da ist einmal Gerste herausgequollen, und als eine Frau die Gerste für ihre Hühner mit nach Haus genommen hat, ist es Geld gewesen.

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4. Der Basilisk auf dem Burgberge.

Auf dem Burgberge und in seiner Umgebung hat sich früher eine ungeheure Schlange gezeigt, die ist so lang gewesen wie ein Heubaum und wird von Einigen die große Otterschlange, von den Meisten aber der Basilisk genannt. Einige halten dafür, daß die weiße Jungfer aus dem Schloßbrunnen sich habe in diese Schlange verwandeln können, Andere sagen: die Schlange sei der Teufel gewesen, der die Schätze in den unterirdischen Gängen und Höhlen von außen bewacht habe. Das wissen die Meisten, daß der Basilisk der Schätze wegen da gewesen sei, die in dem Gange hinter der eisernen Thür sind, und daß er den Menschen hat Furcht einjagen sollen, wiewol er Niemandem etwas gethan hat. Oft hat er auf der Burgwiese da gelegen und den Kopf auf dem Boden gescheuert. Endlich, bei einem Waldbrande an der Stelle, die jetzt die Brandklippe heißt, soll der Basilisk mit verbrannt sein und einen furchtbaren Quik gethan haben. Aber Andere sagen, der Basilisk sei seitdem schon wieder gesehen worden. Einmal soll auch ein junger Basilisk gesehen sein, der hat ausgesehen wie eine Puppe.

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5. Der Schlangenkönig oder die Königsschlange.

Es ist einmal ein Mann, der einen Mantel umgehabt hat, zu Pferde in eines der Dörfer um die Harzeburg gekommen und hat einen Mann mitgenommen, mit dem er auf den Burgberg gestiegen ist. Der Fremde hat auch ein Schächtelchen oder ein Kästchen bei sich gehabt. Als nun die Beiden auf dem Burgberge gewesen sind, hat er einen Kranz auf dem Boden beschrieben und hat dann gepfiffen. Da sind unzählige Schlangen angekommen und haben die Köpfe um den Kreis herum gelegt, in dem die beiden Männer gestanden haben. Nur die weiße Schlange oder der Schlangenkönig ist lange ausgeblieben, und der Fremde hat zu dem Andern gesagt: er läßt auf sich warten. Endlich kommt die weiße Schlange an mit zwei andern großen Schlangen. Da sagt der Fremde zu der weißen Schlange, welche die Krone auf dem Kopfe gehabt hat: »Du alter Bengel hast viele Thaten gethan, ich will sie dir aber auch thun.« Vor ihr aber hat er in dem Kreise ein rothes Tuch ausgebreitet gehabt, darauf hat der Schlangenkönig oder die Königsschlange ihre Krone abgelegt, das ist ein kleiner gelber Knoten gewesen. Darauf hat die weiße Schlange, vielleicht mit den andern beiden Schlangen, in das Kästchen gemußt. Nun hat der Fremde zu seinem Begleiter gesagt: wenn sie erst aus dem Kreise herausträten, so wäre große Gefahr vorhanden, und sie müßten eilen, daß sie den Burgberg herunter kämen. Dann hat er einen Stab genommen, hat die Schlangen, die in dem Kreise herumgelegen haben, damit berührt, und die haben so weit zusammenrücken müssen, daß die beiden Männer bequem hindurchgehen können. Als sie aber aus dem Kreise heraus und erst eine kleine Strecke weit fort sind, kommen alle die Schlangen, die um den Kreis herum gelegen haben, ihnen nachgeschossen. Unten, wo der Burgberg ziemlich zu Ende ist und schon die Gärten und der Kirchhof von Neustadt anfangen, haben die sie schon eingeholt. Da hat aber der Reiter geschwind seinen Mantel abgeworfen, und da sind alle Schlangen hinein gefahren. Am andern Tage ist der Mantel in lauter Fäden zerrissen gewesen, und mehre Schlangen haben da gelegen und sind von ihrem Gifte geplatzt.

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6. Die Burgmieke.

Die Burgmieke, die auf dem Burgberge gewohnt, hat so viele Katzen gehabt (Einige sagen sieben, Andere sagen elf, Andere zwölf, Andere dreizehn), aber alle Katzen sind weiß gewesen; auch sagen viele Leute, die Katzen wären ihre Kinder gewesen. Jede Katze hatte ihren eigenen Namen, die eine hieß Adämken, die andere Brillken u.s.w. Jede Katze hatte auch ihren eigenen Trog, und die Katzennäpfe waren immer so blank gescheuert, daß sie blitzerten und blänkerten. Wenn die Burgmieke ausgegangen war, so lauerten alle ihre Katzen auf sie, bis sie wiederkam, und dann hatte sie jeder Katze einen Zwieback mitgebracht. Jeden Freitag, wenn's unten in die Betstunde geläutet hat, hat die Burgmieke geweint; warum, das weiß man nicht. Einige sagen, es sei ihr einmal an einem Freitage eine Katze gestorben, welche Kesemirken geheißen habe, und darum habe sie immer gesagt: »Allewiele lüt öt mienen Kesemirken wat.« Einige meinen auch wol, ihr Bruder, der Burg-Hansjürgen, möchte vielleicht an einem Freitage gestorben sein, und da möchte sie wol geweint haben, weil ihr Bruder todt sei. – Von dem Burg-Hansjürgen wird erzählt, daß sie ihn einmal nach Braunschweig unter die Soldaten genommen hätten, da habe er aber das Exerciren nicht loskriegen können und dem Herzog ein Vierfaß auserlesener Haselnüsse vom Burgberge versprochen, wenn er ihn wieder gehen ließe. Da habe der Herzog ihn gehen lassen, und der Burg-Hansjürgen habe nachher richtig das Vierfaß Haselnüsse angebracht.

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7. Der Riese.

Zwischen dem sogenannten Krodobrink und dem Wasserloche ist früher ein Riese gegangen, der hat einen Stab oder eine eiserne Stange in der Hand gehabt. Andere erzählen, es seien ihrer zwei Riesen gewesen, davon sei der eine zwischen dem Krodobrinke und dem Wasserloche auf der Wiese gegangen, und der andere habe auf dem Burgberge gewohnt, die hätten zusammen ein knöchernes Beil gehabt, das hätten sie einander zugeworfen, wenn sie es gebraucht hätten. Auch hätten sie miteinander den Gang vom Burgbrunnen bis zur Schöppenstedtergrund gemacht. Eine Frau erzählte auch, der eine Riese habe auf dem Burgberge gewohnt und der andere in Burgdorf, welches mehrere Stunden weit entfernt sein soll, und da hätten sie sich den Hammer vom Burgberge aus bis nach Burgdorf zugeworfen.

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8. Das eingemauerte Kind.

An einer Stelle in dem Gemäuer auf der Harzeburg ist ein Kind eingemauert, dadurch ist die Burg fest gemacht. Das Kind ist ein unehelich Kind und ein Jahr alt gewesen, das hat seine Mutter verkauft an eine Herzogin, die dazumal auf der Burg gewohnt haben soll. Wie das Weibsbild das Kind gebracht hat, hat ihr die Herzogin das Geld hingelegt und gesagt: es stände noch bei ihr, ob sie das Kind verkaufen wollte. Da hat das Weibsbild nach dem Gelde gegriffen, und darum hat ihr die alte Herzogin eine herzhafte Maulschelle gegeben. Nun haben sie das Kind in die Mauer gesetzt, und haben ihm eine Semmel in die Hand gegeben, und haben angefangen zu mauern, und dabei hat das Kind seine Semmel gegessen. Zuletzt haben sie nur noch ein kleines Kuckloch gelassen, und wie sie auch das zugemauert haben, hat das Kind auch gerade seine Semmel aufgehabt, und hat gesagt: »Semmel up un Kucklok tau.«

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9. Das Salzwerk Juliushall.

Auf Bartholomäitag ist früher, als das Salzwerk Juliushall noch im Gange war, in Harzeburg immer Spendebrot an die Armen ausgetheilt, als das aber einmal versäumt wurde, da ist die Seele (Soole) in Juliushall ausgeblieben. Da haben sie geläutet und Kirche gehalten wie gewöhnlich, und Spendebrot an die Armen ausgetheilt, und da kommt meine liebe Seele wieder an. Wenn sie das Salz im Preise erhöht haben, so ist die Seele gleich ganz ausgeblieben. Und wenn sie in frühern Jahren das Salzwerk haben ganz still stehen lassen, so hat sich in Juliushall ein Geist gezeigt, darum, daß das Salz von Juliushall den armen Leuten gar werth gewesen ist, denn es ist zwar grobkörniger gewesen als anderes Salz, hat aber besser gesalzen. Und da hat der Geist von Juliushall so lange gespukt, bis sie das Salzwerk haben müssen wieder aufnehmen, und dann ist bei allen armen Leuten große Freude gewesen.

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10. Der Baum am Burgberge.

Auf der Westseite des Burgberges, nach dem Radauthale zu, soll ein Baum stehen, unter dem himmelblaue Erde ist. Wenn das braunschweigische Land einmal bankrott ist, so soll es von dieser Erde wieder hergestellt werden.

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11. Das wunderthätige Marienbild.

Die Geschichtschreiber melden uns, daß auf der Harzeburg, wie sie nicht mehr bewohnt gewesen, ein wunderthätiges Marienbild gestanden habe, das vielen Kranken und Elenden geholfen. Die Leute in Schulenrode und im ganzen Amte Harzeburg behaupten, diese Kranken hätten sich mit dem Wasser benetzt, das unter dem sogenannten Krodobrink hervorquillt, und hatten auch davon getrunken, und davon wären sie gesund geworden. Zuletzt habe man wollen den Gebrauch des Wassers bei den Kranken nicht mehr dulden, und da hätte man alle die Krücken, welche die Geheilten an der Quelle zurückgelassen, genommen und Bier damit gebraut. Wie aber die Krücken gebrannt hätten, da hätte es einen schrecklichen Krach gethan und das Bier wäre sauer, und noch nicht einmal fürs Vieh zu gebrauchen gewesen.

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12. Hans von Hackelberg.

Hans von Hackelberg war braunschweigischer Oberjägermeister und soll erst, wie Einige sagen, wegen seiner guten Eigenschaften und seiner wissenschaftlichen Bildung in den Adelstand und zu hohem Range erhoben sein, wiewol auch schon vor ihm ein Bohemund von Hackelberg bekannt war, der nicht diese guten Eigenschaften besaß und dabei auch ein leidenschaftlicher Jäger war. Mit seiner Ernennung zum Oberjägermeister erhielt Hans von Hackelberg auch zugleich den Befehl, eine große Jagd auf der Harzeburg zu veranstalten. Einen Tag vor dem Beginne der Jagd reiste er dahin ab und träumte in der Nacht, daß er durch einen Keiler ums Leben kommen würde. Er nahm sich deshalb vor, an der Jagd nicht Theil zu nehmen, und wurde in diesem Vorsatze noch durch das Zureden seiner Jagdgenossen bestärkt. Die Jagd aber ging vor sich und ein ungeheurer Eber wurde geschossen. Der Kopf des Ungeheuers allein soll 75 Pfund gewogen haben. Jeder besah und bestaunte es, auch Hackelberg kam auf die Nachricht neugierig herbeigegangen, nahm den Kopf des Ebers in die Hand, um sein Gewicht zu taxiren, und sprach: »Du bist ja wol das Unthier, das mir das Leben nehmen sollte? Doch damit ist's jetzt zu Ende, du sollst mir nicht mehr schaden.« Damit ließ er den Kopf wieder fallen, und dabei ritzte ein Fangzahn ihm die Wade. Diese geringe Wunde wurde aber immer schlimmer und schlimmer, mehrere Aerzte wurden herbeigerufen, aber vergeblich. Hackelberg schrieb dies der Unwissenheit der Aerzte zu und hoffte in Braunschweig bessere Hilfe zu finden. Auf dem Wege dahin, den er auf einem Esel reitend antrat, mußte er der einbrechenden Nacht halber in Wülperode bleiben, wo er ein Jagdschloß gehabt haben soll. Hier verschlimmerte sich sein Zustand, der kalte Brand trat zu der Wunde hinzu und machte seinem Leben ein Ende. Vor dem Tode wünschte er sich noch, daß er bis zum jüngsten Tage jagen müßte. Sein Wunsch ist ihm erfüllt und auf dem Fallstein sowie in der ganzen Gegend hört man oft ein Hundebellen und ein Rufen: hi! hau! das dem wilden Jäger Hackelberg zugeschrieben wird. In seinem Jagdzuge ist auch die Tutursel in Gestalt einer Eule. – Noch jetzt zeigt man Hackelberg 's Grab im Garten des Klöpperkruges bei Wülperode. Das Grab bedeckt ein Hügel, der nur noch eine sehr geringe Erhöhung bildet, und in dem Grabstein soll das Bild Hackelberg's, seines Esels und seiner Hunde eingehauen sein. Von der Umschrift soll nur noch zu lesen sein: domini 1581 den 13. Martii , und dies soll das Sterbejahr des wilden Jägers Hackelberg sein. Außerdem war bisher Herr Klöpper, der Wirth vom Klöpperkrug, gern bereit, den Fremden den angeblichen Helm Hackelberg's und den Halsharnisch seines Esels zu zeigen. Der Helm soll den jetzigen preußischen Pickelhauben ähnlich sehen, nur daß deren Spitze durch eine Eichel vertreten wird. Vor etwa 15 Jahren sollen zwei hannöversche Offiziere Hackelberg's Grab geöffnet, darin den Hirnschädel vorgefunden und ihn mitgenommen haben. Wahrscheinlich, so meinte der Wirth auf dem Klöpperkruge, wird er jetzt auf dem Museum zu Hannover aufbewahrt. Der Klöpperkrug selbst soll Hackelberg's wülperoder Jagdschloß sein und war bis zur westfälischen Zeit abgabenfrei.

Es ward uns auch erzählt, daß der braunschweigische Oberjägermeister Hackelberg zu Uslar im Hannöverschen seinen Tod durch den Eber gefunden habe. Dort habe er in seinem Testamente verordnet, daß sein Schimmel ihn an die Stelle ziehen solle, wo er begraben würde, und daß da seine Ruhestätte sein solle, wo dieser zum ersten Male stehen bliebe. Das wurde nicht geachtet und wurden vier Braune vor den Trauerwagen gespannt, die zogen den Leichenwagen ins Holz, blieben aber mit ihm in einem großen Sumpfe stecken. Hackelberg's Schimmel war leer nebenher gelaufen, wie ein Hund, und als die Braunen den Leichenwagen nicht wieder aus dem Sumpfe ziehen konnten, spannte man den Schimmel vor den Leichenwagen, da lief der Wagen von selbst zum hohen Moosberge im Solling hinauf. Auf des Berges Mitte hielt der Schimmel an und wich nicht von der Stelle, soviel man ihn auch antrieb. Also ward Hackelberg an der Stelle begraben, jetzt aber weiß Niemand mehr sein Grab. Einst fand es ein Kuhhirt auf und hing seinen Kittel und Hut an seinem Stock darüber, ging ins nächste Dorf und sagte: er habe Hackelberg's Grab gefunden. Da strömten alle Bauern hin, als sie aber ans Grab kamen, saß eine Eule darauf, des Schäfers Sachen aber waren weit umhergeworfen, Hut und Stock lagen diesseits und der Kittel jenseits des Berges. – Häufig necken die Jungen im Solling den Hackelberg und rufen: Hui, hui, pif, paf, pif, paf. Dann wirft er ihnen Fleisch zu und ruft:

Wollt Ihr mit helfen jagen,
Sollt Ihr auch helfen knagen.

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13. Die Räuber vom Eckernkrug im Schimmerwalde.

Weit verrufen ist der Schimmerwald zwischen Harzeburg und Ilsenburg wegen der Räuber, die früher in ihm hausten. Eine alte Frau, die auf Klausthal am Zellbache wohnte und deren Tochter als hochbejahrte Frau in jener Stadt noch am Leben sein soll, wurde einmal im Schimmerwalde von der Nacht überfallen und suchte im Eckernkruge ein Obdach, da schlief sie auf dem Fußboden in der Stube. In der Nacht aber kamen viele Räuber, die führten einen dicken Mann gefangen daher, den schlachteten sie, zertheilten das Fleisch und machten Wurst davon. Ehe sie das aber thaten, leuchteten sie über die alte Frau hin und kitzelten sie sogar an den Fußsohlen, um zu sehen, ob sie auch wol fest schliefe. Hätte sie sich dabei nur im Geringsten bewegt, so wäre sie auch ermordet; allein sie überstand alle diese Proben und sah doch genau was vorging. Am andern Morgen sagten die Räuber, sie hätten in der Nacht ein Schwein geschlachtet, ob sie denn nichts gehört hätte. Gar nichts, sagte die Alte, sie habe in ihrem Leben noch nicht so gut geschlafen als diesmal, und dabei sah sie die Räuber sehr freundlich an. Hätte sie aber das nicht gethan, so hätte sie doch noch sterben müssen. Da setzten die Räuber ihr Wurstsuppe hin, und die Alte vom Zellbache aß die Wurstsuppe und lobte sie. Hätte sie das nicht gethan und nur den geringsten Ekel gezeigt, so hätte sie sterben müssen. Danach brachten ihr die Räuber eine frische Wurst, die schlug sie in ein Tuch ein und sagte, die wollte sie ihren Kindern mitnehmen und bedankte sich viele, viele Male dafür. Hätte sie das nicht gethan, so hätte sie doch noch sterben müssen, so aber ließen sie die Räuber ihres Weges gehen. Als sie nun eine Strecke weit im Walde fortgegangen war, traten zwei Männer zu ihr, die sie nicht kannte, und fragten, wo sie denn übernachtet hätte; weil sie nun sagte auf dem Eckernkruge, fingen sie an die Leute aus dem Eckernkruge zu belästern und sagten, daß von denen viel Böses geredet werde. Allein die Alte sagte: Allen könne man es nicht recht machen und die Lästerzungen lauerten selbst den Besten auf; sie aber sei nicht leicht zu mildthätigern Leuten gekommen als zu denen auf dem Eckernkruge, und zum Beweise wies sie noch die Wurst vor, die sie ihr geschenkt hätten. Hätte sie das nicht gethan, so hätte sie doch noch sterben müssen, denn die Männer gehörten zu der Räuberbande. Sie gingen jetzt von ihr fort, aber nach einer Weile traten wieder zwei Männer zu ihr, die machten abermals die Leute auf dem Eckernkruge schlecht und sagten gerade heraus, sie hätten gehört, es seien Räuber. Da wies die Frau von neuem ihre Wurst vor, rühmte die Mildthätigkeit der Leute und sagte geradezu, sie glaubte, solche guten Leute als die vom Eckernkruge gebe es auf Gottes Erdboden nicht mehr. Hätte sie aber das nicht gesagt, so hätte sie immer noch sterben müssen, denn auch diese Männer sind Räuber gewesen. Sobald die Alte nun glücklich aus dem Schimmerwalde heraus war, lief sie so schnell sie konnte nach der nächsten Ortschaft. Da verkündigte sie der Obrigkeit Alles was sie gesehen hatte, und die Räuber wurden gefangen genommen. Als sie nun an Händen und Füßen gebunden auf einem Saale da lagen, wurde das Mütterchen zu ihnen geführt und sagte aus: daß sie alle diese Männer zur Nachtzeit auf dem Eckernkruge habe ein- und ausgehen sehen, wie sie den dicken Mann geschlachtet hätten. Die Räuber aber schäumten vor Wuth, als das Mütterchen, dem sie so schwer das Leben geschenkt hatten und von dem sie nun doch überlistet waren, gesund und munter zwischen ihnen herumging.

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14. Der Köhler vom Ahrensberg.

Auf dem Ahrensberge ist einmal beim Kohlen ein Köhler verbrannt, der spukt nun dort des Nachts um die Kohlstätte her, und was die Köhler bei Tage treiben, treibt er des Nachts, sodaß ihnen oftmals schon ein Grausen darüber angekommen ist.

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15. Der Jäger vom Ahrensberg und die Broombüchse.

Der Förster vom Ahrensberge mußte einmal viel Wildpret nach Braunschweig abliefern, wohin damals noch die Jagd vom Ahrensberge gehörte. Er hatte aber einen alten und einen neuen Jägerburschen und der neue schoß täglich ein Stück Wildpret. Einstmals ging ihm der alte Jägerbursche heimlich im Holze nach, da sah er wie der andere eine große Broombüchse, wie sie auch auf den Hütten gebraucht wird, um den Gehalt des Erzes zu erkennen, herauszog. Aus der Broombüchse aber flog eine Brummes (Bremse) heraus und darauf war auch sogleich Wildpret da. Als er geschossen und getroffen hatte, kam die Brummes wieder und flog in die Broombüchse hinein. Der alte Jägerbursche verkündigte aber dem Förster, was er gesehen hatte, und sogleich schickte der den neuen aus dem Dienste.

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16. Die Harliburg unweit Vienenburg.

Wenn man von Braunschweig nach Vienenburg (der nächsten Eisenbahnstation vor Harzeburg auf der Braunschweig-Harzeburger Bahn) fährt, so hat man zur Linken das im Jahre 1291 zerstörte, damals braunschweigische Schloß Harliburg oder Herlingsburg. Es lag auf einem jetzt mit Laubholz bewachsenen Berge unweit Vienenburg (Amt Wöltingerode) an der Oker. Noch kann man deutlich die Spuren seiner Gräben und Wälle verfolgen, von dem Mauerwerk ist aber Alles verschwunden, nur ein Stück von einer Säulentrommel soll vor einigen Jahren ausgegraben sein. – Nach der Volkssage soll sich noch eine eiserne Thür im Boden befinden, welche zu dem »untergegangenen« Schlosse führt und täglich in der Mittagsstunde sich öffnet. Ein Mann, der sie einst entdeckte und durch sie ins Schloß hinein ging, fand dort drei große Kessel aufgestellt; in dem einen war Gold, in dem andern Silber, im dritten Kupfer die Hülle und die Fülle. Ist man einmal dort, so kann man nach Belieben nehmen, so viel man will, und so oft wiederkommen, als Einem beliebt. Aber wer mit dem Glockenschlage Eins nicht wieder fort ist, darf nie und nimmer das unterirdische Schloß verlassen. – Von der Harliburg wird auch erzählt, daß sie eine Besitzung Hackelberg's, des wilden Jägers, gewesen sei, der aus dem nahen Klöpperkruge begraben liegt. In der Nähe aus dem Galgenberge lag ein anderes Schloß, das auch versunken ist. Nach diesem ziehen täglich durch einen unterirdischen Gang die Prinzessinnen, welche in der Harliburg hausen. – An dem Wege von Wiedelah nach Lengede liegt unter der Harliburg ein Feld, welches den Namen »Liesenkämpen« führt. Dort hütete einst ein Schweinehirt seine Heerde. Alle Mittage entlief ihm mit dem zwölften Glockenschlage ein Kämpe (Eber) und blieb eine Stunde lang fort. Der Hirt ging einst nach und fand vor der Burg eine Prinzessin, welche den Kämpen mit Linsen (Liesen) fütterte. Daher stammt ver Name des Feldes.

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17. Die Schweinegrund im Finkenherde unweit Wiedelah.

Der Finkenherd ist ein mit Wald bewachsener Hügel, dicht neben dem Dorfe Wiedelah, der Sage nach so genannt, weil Kaiser Heinrich I. dort seinen Vogelherd gehabt haben soll. Mitten in dem Walde befindet sich eine stets mit Wasser angefüllte Schlucht. Alles, was man hineinwirft, versinkt und ihre Tiefe ist unergründlich. Einst soll dort eine Schweineheerde untergegangen und aus den einzelnen Schweinen sollen die Holzbüsche gewachsen sein, welche aus dem Wasser hervorragen. Noch heute heißt die Schlucht die Schweinegrund.

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18. Der Okerhund bei Wiedelah.

Der Okerhund ist ein großer schwarzer Hund mit funkelnden Augen, der an der Oker hauset und bei Nacht auch durch das Dorf Wiedelah kommt. Er springt Demjenigen, der sich ihm nähert, auf den Rücken und läßt sich von ihm tragen. Wer jedoch auf einem Wagen oder Pferde sitzt, oder bei seiner Annäherung darauf springt, dem kann er nichts anhaben.


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