Hermione von Preuschen
Yoshiwara - Vom Freudenhaus des Lebens
Hermione von Preuschen

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Erster Teil

Indra

Anhalter Bahnhof in Berlin! Das Zeichen zur Abfahrt des Nachtschnellzugs Berlin–Frankfurt war gegeben. Ein eleganter Herr ging wie suchend an den Coupés entlang. Am Damencoupé dritter Klasse blieb er unwillkürlich stehen, und ein Glimmern ging durch seine schönen, grauen Augen, daß sie wie grüner Phosphor aufblitzten. Dann schritt er nach seinem behaglichen Abteil erster Klasse, in dem er ganz allein fuhr und sich bequem ausstreckte.

Die Ursache dieses Phosphorblicks, Indra Versen, drückte sich derweil in der Mitte des überfüllten Wagens. Sie winkte noch einmal hinaus, nach der behäbigen, blonden Dame, die, laut weinend, wie von Schluchzen geschüttelt, vor der Tür stand. – »Ich seh’ dich nicht wieder, Indra, ich fühle es, du bist mir verloren.« – »Aber Mutter,« lächelt Indra etwas verlegen, denn sie liebt keine Gefühlsausbrüche in der Öffentlichkeit, »bedenke doch, es ist ja ein Glück, daß deine Freundin mich haben will, und ich werde Tunis sehen – Tunis!« Auch durch ihre Augen zuckt ein Blitz wie ein großes Freudenfeuer. – »Ich seh’ dich nicht wieder!« schluchzt die Mutter. – Der Zug setzt sich in Bewegung, die Mutter winkt, und Indra winkt noch in die Nacht, mit dem weißen Taschentuch, das vor den Augen der Mutter und der Tochter kleiner und kleiner wird – wie ein Schmetterling, der sich hinaus in Nacht und Dunkel verflogen. – Indra schließt die Augen und versucht zu schlafen. Aber wie ist dies möglich vor dem wasserfallartigen Rauschen des eintönigen Plauderbachs der »Damen«. Ganze Familien-, Krankheitsgeschichten, Hochzeit, Tod – alles erörtert sich zwischen ein paar Stationen! Hinter Brandenburg wird’s etwas leerer, Indra will sich gerade ein wenig ausstrecken, da kommen drei neue Damen mit zahllosem Handgepäck. – Aber wenigstens hat das junge Mädchen einen Eckplatz erobert und fühlt sich schon dadurch vom Geschick bevorzugt. – »Alles Glück des Lebens ist wirklich nur relativ,« denkt sie. »Aus der eingekeilten Mitte, sardellenartig gepreßt von glotzenden Damen, scheint mir hier auf dem Fensterplatz mein Los schon ein günstigeres. Käme ich aus einem leeren Coupé erster Klasse, erschiene mir dieser Platz unerträglich.« – Wieder versucht sie, die Augen schließend, einzuschlummern, aber neue Lebensgeschichten plätschern an ihr vorüber. – »Welch furchtbare Stimmen all diese Weiber haben, seelenlos wie Blech,« denkt sie. »Welche Stimme wohl der Fremde hat, der mich vorhin so lange angesehen? Sind Stimmen Seelenträger, oder können auch Stimmen trügen wie Menschen? – Nun sitzt die gute Mutter daheim und heult – statt daß sie sich freuen sollte, daß ich nun hinauskomme in die herrliche Welt, nach der unerträglichen Enge und Kleinheit unseres Lebens, nach dem furchtbaren ›Kampf mit dem Pfennig‹, der unsere besten Instinkte tötet.« Indra ist’s, als müsse sie die Arme ausstrecken, die Welt zu umfassen, die bunte, herrliche Welt, der sie jetzt mit allem Sinnen und Sehnen, mit innerem Jauchzen entgegenfährt. – Fünfundzwanzig Jahre war sie nun, fast »alt«, wie sie lächelnd konstatierte. Und was hatte sie erlebt an bunten, großen Schicksalen? Innerlich freilich wälzten sich täglich neue Tragödien in ihrer Seele, von denen sie abends todmüde, fast zerbrochen aufs Lager sank. – Ach, wie verstand sie doch Schopenhauer, wenn er sagt: »Ganz mit Unrecht pflegt man die Jugend die glücklichste Lebenszeit zu nennen. Das wäre wahr, wenn Leidenschaften glücklich machten.« Indra seufzte, ja, ihre Leidenschaften, ihre Sehnsucht nach allem Großen, allem Herrlichen dieser Welt, auch allen Wundern der Liebe, die ihr erschienen wie ein glänzendes Mysterium, hatten sie tief unglücklich gemacht. Das durfte sie der guten Mutter nicht zeigen, die nach des Vaters Tod, der ein herrlicher Landpfarrer im alten Stil gewesen, und nach dem Tod von vier jüngeren Kindern, die einer Diphtheritisepidemie erlagen, mit der damals vierzehnjährigen Indra nach einer Vorstadt von Berlin gezogen war, um dem hochbegabten, ausgeweckten Mädchen alle Gelegenheit zur Weiterbildung zu geben. Die gute Mutter vergaß, daß die hochgemute Tochter das tägliche Elend des »sich nach der Decke streckens« immer wieder aus allen Himmeln ihrer Träume riß. – Indra verstand sich selber nicht, wußte nicht, was sie wollte – nur ihre Sehnsucht ward mächtiger mit jedem Tag. Sie kam sich von allem glanzvollen Treiben der Großstadt wie ausgeschlossen vor. – Vor der Pforte des Lebens stehend – wie ein armes Kind von der Straße am Christabend drinnen die Lichter blitzen sieht, deren Glanz ihm nur wehe tut, draußen in seiner kalten Winternacht.

Glühende Strophen der Sehnsucht schrieb sie nieder in solchen Stimmungen. Und sie ward eine große Dichterin durch diese große Sehnsucht, ohne es selbst zu wissen. Oft auch ging ihre Sehnsucht zurück nach ihrer sonnigen Kindheit, da sie mit ihren kleinen Geschwistern im Pfarrgarten spielte und der Vater an seinen Rosen schnitt oder Sonnabends in seinem Laubengang, genannt Philosophenweg, die Sonntagspredigt memorierte, – Wie lange war das her? Wie aus einem anderen Leben. – Nun umgab sie der Moloch Berlin, der ihr altes von ferne zeigte und nichts gönnte. Sie bat ihre Mutter, sie in die Handelsschule zu schicken, damit sie Kontoristin werden könne. – Aber die gute Mutter hatte ihre kleinstädtischen Vorurteile.

Nachdem sie vier Kinder so jäh verloren, ahnte sie wohl, daß eine Zukunft für Indra als Tippfräulein oder Büfettdame auch kein Glück bringen könnte. Obgleich Indra meinte, sie könne ja eine »Sekretärin« werden und hohes Salär erhalten. Aber die Mutter sträubte sich mit Händen und Füßen dagegen, und Indra fühlte zu wenig inneren Drang zu der ganzen Sache, um ihren Willen mit Gewalt durchzusehen.

So ging dies kleine Pfennigkampfleben draußen in Friedenau, das nur dem Namen nach eine Vorstadt mit freien Lüften ist, Jahr für Jahr unverändert weiter. Indra hatte in einem englischen Buch eine Stelle gefunden, die ihr tiefen Eindruck machte. »Die letzten schönen Jugendjahre zögerten vorbei in Kleinlichkeit und Alltag.« – Daran mußte sie immer denken. – Würde ihr ganzes Leben in Kleinlichkeit und Alltag ersticken? – Mußte sie ewig draußen stehen und die herrlichen Weihnachtslichter des Lebens nur für andere brennen sehen?

Mancher Mann hatte sich ihr mit schönen Worten genähert, wenn sie von einem Vortrag in Berlin oder billigeren Stadteinkäufen zurückfuhr. Aber Indra war zwar eine romantische, doch eine durchaus loyale Natur. Sie haßte das leichte, galante Abenteuer, die Flirts der Ladenfräuleins. Sie schmachtete nach dem Wunder, nach der großen Liebe, dem Hohenlied ihres Lebens. Dies aber würde nimmer im Alltag beginnen. Wie sie den Alltag haßte! Fast wie einen lebenden Feind, der ihre Seele erwürgen wollte. – Sie hatte sich ein Leihbibliotheks-Abonnement buchstäblich vom Munde abgespart, und nun las sie, nicht wahllos, denn sie besaß Kritik und Geschmack, aber ziellos die ganze neuere, neue und neueste Literatur. Mit den Klassikern hatte sie ihr Vater schon als Kind bekannt gemacht. Aber neuerdings war Ibsen ihr Gott, und sie wartete mit Nora auf das Wunderbare und wollte mit Hedda Gabler nur in Schönheit sterben.

Eine lebende, persönliche Religion besaß sie noch nicht, aber eine gewisse romantische Frömmigkeit. Es war so beruhigend, zu denken, daß der liebe Gott alles zum besten lenkt, auch wenn seine Wege »unerforschlich« sind. Sie sind meistens »unerforschlich«. Denn warum ließ er wohl ihre vier Geschwister in zwei Tagen an Diphtheritis sterben und dadurch das Herz ihres Vaters brechen und ihre Mutter klein und ängstlich werden, ihr Leben lang? Indra dachte sich manchmal: wohl um ihr eigenes Leben vor noch mehr Alltag und Pfennigkram zu retten. Denn wie hätte das werden sollen, wenn von der schmalen Pfarrwitwenpension der Mutter vier Menschen mehr hätten gefüttert und »erzogen« werden sollen? Und noch dazu »standesgemäß«, nach dem Lieblingswort der Mutter, die aus einem ganz verarmten adligen Hause stammte. – Indra lächelte unwillkürlich bei dem Wort. Manchmal ertappte sie sich auf völlig unstandesgemäßen Gedanken. Ach, das viele Lesen und die große Einsamkeit hatten eine kleine Revolutionärin aus ihr gemacht. Und wenn das Glück sich auch ihr wirklich einmal nähern sollte, sie würde sich den Teufel darum scheren, ob es »standesgemäß« sei oder nicht. Ein jeder Mensch hat doch sein eigenes Leben zu leben und zu sterben. Alle Hilfeleistungen anderer dabei sind am Ende nur schöne Worte. Die ganze Lebenseinsamkeit hatte auch Indra schon erfaßt. Wenn sie ihr auch noch mit Hoffnungen und Idealen rosig umkränzt schien! Wie der Zug gleichmäßig ratterte, – die »Lebensgeschichten« waren jetzt alle verstummt. Sie schliefen, so gut oder so schlecht es ging, mit offenem Mund, mit hängendem Kopf. – Sie stöhnten und schnarchten und schwitzen. Selbst im Schlaf verbreiteten sie Unästhetik. »Schönheit« schrie es in Indra – Schönheit, einen großen Lebensstil – werde ich die drunten in Tunis finden? – Vor vier Wochen erst war der Brief in Frau Versens Hände gelangt. Der Brief der Jugendfreundin, die sich drüben in Reichtum und Glück ihrer zärtlichen Mädchenfreundschaft erinnerte und sie fragte, wenn ihre älteste Tochter (deren Geburtsanzeige seinerzeit das letzte Lebenszeichen von Frau Versens Freundschaft gewesen) noch nicht verheiratet sei, ob sie sie auf ein Jahr herüberschicken wolle, sie sehne sich nach einer deutschen Gesellschafterin für ihren sonst ganz arabischen Haushalt. Wenn sie sich dazu entschließen könne, möge Frau Versen telegraphieren, und das Reisegeld würde dann ebenfalls telegraphisch angewiesen. Frau Pfarrer weinte und jammerte, Indra aber war zum erstenmal entschlossen! Hier endlich war die offene Pforte, hinaus nach den Wundern des Lebens! – Endlich, nachdem sie jahrelang sich in Sehnsucht fast verzehrt. Die Mutter weinte und jammerte, aber sie mußte telegraphieren: »Indra kommt!« Und das Geld kam auch, so reichlich, daß es noch zu einer kleinen, aber geschmackvollen, wenn auch einfachen Reiseausrüstung reichte. Und nun endlich, endlich war sie unterwegs! Frau Meranow hatte einen reichen Levantiner geheiratet, der Großkaufmann in Tunis war. Man hatte ihr Indras Photographie geschickt und den Namen und die Abfahrt des Schiffes von Marseille gemeldet. Sie würde in Tunis an Bord kommen, zum Zeichen der Identität mit Indras Bild bewaffnet, und dann sollte für beide ein schönes Leben beginnen. Alle Wunder von Tunis und Algier, die Wunder der Sahara und die herrlichen alten Römerruinen wollte Frau Meranow ihr zeigen und die phantastischen Paläste der Mauren, die Rosen- und Granatengärten von Tunis. – Indra hatte sich an all dieser Schönheit schon im Geist so sehr berauscht, daß ihr die Trauer und die trüben Ahnungen ihrer Mutter fast zur Last fielen. Sie schienen ihr töricht, nun der Himmel ihr Sehnen endlich erhört, nun das Wunder, das völlig unerwartete, unvorhergesehene, sich ihr genaht. »In zwei Jahren, mein geliebtes Mütterchen, komme ich mit Frau Meranow, dich herüberzuholen, dann vergessen wir alle beide das ganze Berlin«; das erzählte sie ihrer Mutter so oft, bis sie alle beide felsenfest hieran glaubten. – Dennoch, beim Abschied, hatte Frau Versen wieder das ganze Trennungsweh gepackt, und nun lag sie zu Hause und klagte und jammerte. Hatte gewiß ebensowenig geschlafen wie ihre glückliche Tochter.

Mit schrillem Pfeifen fuhr der Zug jetzt in die Halle des Frankfurter Bahnhofs ein. Alle Schläferinnen fuhren empor und hasteten nach ihrem Handgepäck. – Indra winkte einem Kellner nach einer Tasse Kaffee. Da trat schon der Fremde an sie heran. »Verzeihung, gnädiges Fräulein, der Kaffee hier ist schlecht und kalt. Sie tun besser, ihn in aller Ruhe im Speisewagen zu nehmen.« Das leuchtete Indra ein. »Aber mein Gepäck?« – »Das nehmen Sie mit,« meinte der Herr, »und suchen sich nachher ein weniger gefülltes Coupé.« Er griff schon nach Indras Handkoffer und nahm ihre Plaidrolle. Beide wanderten nun nach dem eben eingestellten Speisewagen, und Indra dachte beruhigt an seine grauen Haare. Der Zug ging bald weiter, bleiches, graues Morgenlicht kroch über die Gesichter der beiden. Aber der sieghaften Schönheit von Indras herrlich hoher Dianagestalt mit dem klassischen Halsansatz konnte es nichts anhaben. Ihr Haar war zerzaust, ihre Züge bleich und übernächtig, ihr Hut saß schief. Wie muß dies Mädchen wirken im rechten Rahmen! dachte der Mann. »Gestatten Sie, daß ich mich ›echt deutsch‹ vorstelle?« Er lächelte ironisch und gab ihr seine Karte. »Otto Boris Brostoczicz« las sie darauf und »Berlin, Paris, London«. – »Hat er eine gute Stimme, gefällt er mir?« fragte sich Indra. Er war nicht mehr jung, wohl ein angehender, gutkonservierter Fünfziger mit an den Schläfen stark ergrautem, sonst schwarzem Haar. Blaugraue Augen, von schwarzen Wimpern umsäumt, wären schön gewesen, ohne ihren flackernden, rastlosen Blick. Ein kleiner Schnurrbart und ein ganz kurz französischer Spitzbart deuteten auf den Franzosen hin. Aber er sprach fließend Deutsch und hatte die Manieren eines vollendeten Kavaliers. – Der Kellner kam, Indra bestellte Tee, Butter, Brot und Eier. Und sie verzehrte ihr Frühstück mit Behagen in dem schönen Speisewagen, von dessen Aussichtsfenstern man einen ganz anderen Überblick der Gegend hatte als aus ihrem Coupé dritter Klasse. »Hier möchte ich immer sitzen,« meinte sie heiter. – »Sie hatten es nicht gut getroffen in Ihrem Damencoupé,« bemerkte Brostoczicz. – »Ja, ich weiß nicht, wann es schlimmer war,« sagte Indra lächelnd, »wenn sie wachten oder wenn sie schliefen. – Es war wohl beides gleich fürchterlich.« – – »Man sieht, daß gnädiges Fräulein noch wenig gereist sind, sonst waren Sie vorsichtiger gewesen; darf ich Ihnen nun zu einem besseren Platz behilflich sein bis zum Ende Ihrer Fahrt?« – »Das werden Sie schwer möglich machen, ich fahre nach Marseille und morgen nachmittag mit einem Schiff der Compagnie Touache nach Tunis,« erzählte Indra, »dort holt mich die Freundin meiner Mutter ab, die mich an meiner Photographie erkennen muß.« – »Wie sich das herrlich trifft, ich fahre auch nach Tunis – vielleicht kenne ich sogar Ihrer Frau Mutter Freundin.« – »Madame Christa Meranow.« – »Aber gewiß, das ist ja ein geradezu herrliches Zusammentreffen. Ihre Schwägerin dort ist an meinen Freund, Monsieur Toussaint, einen Intendanten des Bey von Tunis, verheiratet.« – Indras Augen leuchteten. Ja, wie sich das alles herrlich traf, sie hatte wahrlich Glück. »Und nun, mein gnädiges Fräulein. Sie sehen, dieses wunderbare Zusammentreffen und meine grauen Haare machen mich forza maggiore zu Ihrem Reisemarschall. Vertrauen Sie sich meiner Führung und – bei meiner Erfahrung – reisen Sie, für dasselbe Geld, besser und bequemer. Darf ich um Ihr Billett bitten, daß ich einen guten Platz für Sie aussuche?« Indra händigte ihm das Billett ein und wollte den Kellner bezahlen, aber Herr Brostoczicz hatte schon mit der seinen ihre Rechnung beglichen. Sie händigte ihm trotzdem noch eine Mark ein, die er einwandlos annahm, was sie wesentlich beruhigte. Nein, der Mann hatte die lautersten Absichten, und er suchte, ihr gefällig zu sein. Und seine Hilfe war unendlich bequem. Er war gegangen, um ihr einen Platz zu suchen. Nach kurzer Zeit kam er zurück und bedeutete ihr, ihm zu folgen. Er wies ihr ein leeres Coupé erster Klasse an und sagte, der Billetteur sei schon verständigt – er selber werde sie zum Mittagbrot im Speisewagen abholen und ihr auch am Nachmittag bei der Zollvisitation behilflich sein. – Indra kam sich nach der furchtbaren Nacht wie verzaubert vor. Sie wusch und kämmte sich und streckte sich dann lang zu behaglichem Schlaf. Ein Traumlächeln lag noch auf ihren Zügen, als Boris wieder vor ihr stand, sie zum Diner im Speisewagen abzuholen. Dies Diner à deux gestaltete sich sehr gemütlich. Brostoczicz war ein ausgezeichneter Causeur, sie plauderten bald französisch, bald englisch, bald italienisch. Es gewährte Indra Genugtuung, ihm auf diesen sprachlichen Exkursionen mit Leichtigkeit folgen zu können. Auch bei der Zollvisitation segnete sie den Zufall, daß sie ihn gefunden und schrieb eine sehr fröhliche Karte an ihre Mutter, die sie ihn pflichteifrig in den Kasten werfen sah. Nach dem Abendbrot im Speisewagen führte er seine kleine Schutzbefohlene, die ihn um ein Beträchtliches überragte, wieder in ihr behagliches Coupé und bat sie, nur ruhig zu schlafen, bis ihr »Reisemarschall« kommen würde, sie in Marseille zu wecken. Auch dort würde er sie unter seine Fittiche nehmen, ihr etwas von Marseille zeigen und um vier Uhr gemeinsam mit ihr gen Tunis abdampfen. Sie schlief sehr beruhigt ein auf ihren Samtpolstern und meinte, ihr erster Schritt durch die offene Pforte des Lebens sei von einem guten Stern begünstigt.

Köstliche Träume hatte sie, von großen Palmenwäldern, in denen goldene Lebensfrüchte hingen. »Mademoiselle«! Brostoczicz stand vor ihr, – »Nous voilà arrivés, nun sind wir angekommen.« Er nahm ihr Gepäck, und sie folgte ihm auf den Perron und in einen Hotelwagen. Im Hotel wies man ihr ein behagliches Zimmer an. Sie wusch und kämmte sich wieder, man brachte ihr das »petit dejeuner«.

Dann ging sie hinab in die Halle, wo sie mit Brostoczicz zusammentraf, der ihr nun Marseille zeigen wollte. Sie machten erst eine Rundfahrt, an der schönen »Corniche« entlang, dann fuhren sie mit der Bergbahn hinauf nach Notre Dame de la Garde. Indra war begeistert; noch niemals, meinte sie, solch Herrliches gesehen zu haben wie die Aussicht von da droben, über die felsigen Küsten, hinab in das unendliche Meer. Ganz fromm und klein fühlte sie sich gegenüber aller Weltenschönheit.

Dann fuhren sie hinab, nahmen im Palmengarten des Hotels ein behagliches dejeuner à la fourchette, und Brostoczicz bat sie dann, sich wieder in ihrem Zimmer etwas auszuruhen, er würde sie zur rechten Zeit aufs Schiff bringen. All das sorglose Schönheitsleben hatte etwas Berauschendes für das Mädchen, das gewohnt war, jeden Pfennig zu Rate zu ziehen. Auf ihre ängstlichen Fragen nach den Kosten meinte er, er würde sich schon mit Madame Meranow darüber auseinandersetzen. So überließ sie sich einer köstlichen Siesta, in die seine Stimme klang: »Nun ist es Zeit, daß wir uns nach unserem Schiff begeben.« Sie fuhren abermals im Wagen zum Hafen. Indra hatte niemals geglaubt, daß Reisen mit so viel Behagen verbunden sein könne.

Auf dem Schiff zeigte man ihr ihre Kabine.

Ihr Billett hatte Brostoczicz besorgt, nachdem sie ihm das Geld zweiter Kajüte dafür ausgehändigt. Sie wunderte sich über den Komfort dieser zweiten Kajüte.

Die Anker lichteten sich, und bei wundervoller Abendbeleuchtung, bei der die Felsen von Notre Dame de la Garde wie in Blut getaucht schienen, entfernten sie sich langsam von der Küste. Château d’If, das Gefängnis des Mannes mit der eisernen Maske lag vor ihnen. Brostoczicz saß neben ihr und erklärte ihr die Gegend. Er wußte über alles Bescheid, und sie hätte sich keinen besseren Cicerone wünschen können. Nur meinte er, daß das Schiff wegen der Strömung einen anderen Kurs nehmen müsse und daher erst einen Tag später in Tunis einträfe, was bei dem herrlichen Wetter aber nur ein Gewinn sei. Indra war ganz seiner Ansicht und genoß die zwei Tage in seiner anregenden Gesellschaft. Am dritten Morgen legte der Dampfer schon im Hafen an. »Lassen Sie mich nach Frau Meranow Umschau halten, gnädiges Fräulein, bleiben Sie ruhig hier sitzen, ich führe sie Ihnen zu.«

Indra saß auf dem Oberdeck und genoß das Schauspiel der Einfahrt. Hunderte brauner Gestalten überschwemmten jetzt das Deck. Nach einiger Zeit kam Brostoczicz mit einer eleganten, schwarzhaarigen Dame, nicht mehr »jung«, aber »noch jung«, auf Indra zugeschritten. »La voiçi« rief die Dame und umarmte sie. Indra erwiderte die Umarmung herzlich und wunderte sich, wie schick und jung Madame Meranow noch aussähe. – »Pauvre petite,« sagte jetzt die Fremde, »meine Schwägerin ist vorgestern vom Schlag gerührt worden, ihre Tochter hat mich telegraphisch beauftragt. Sie nun nach Singapore zu führen, wo sie eine große Damenpension unterhält. Sie sollen dort den Haushalt leiten, sich nützlich machen und sich Ihres Lebens freuen. Pauvre petite, j’espere. que vous n’aurez pas trop de deceptions.« – »Arme Kleine, ich hoffe. Sie erleben nicht allzu viele Enttäuschungen.« – Indra war wie vom Donner gerührt. »Das ist ja furchtbar,« sagte sie, »hat Madame Meranow schwer gelitten vor ihrem Tode? Und sollte ich nun nicht doch besser zurückfahren nach Berlin?« – »Ich sagte ja, der Schlag hat sie gerührt, ich bin ihre Schwägerin, die Frau des Intendanten des Bey von Tunis. Aber ich habe mir von meinem Mann die Erlaubnis abgerungen, Sie persönlich nach Singapore und in das Haus meiner Stiefnichte zu bringen. Sie sind völlig fremd hier und würden sich sonst allzu einsam fühlen, aber nach Berlin zurückzufahren, wäre Unsinn.« – »Ich fahre ja auch nach Singapore,« sagte Brostoczicz, »und das gnädige Fräulein hätte schon einen Reisemarschall in mir. Natürlich ist sie unter Ihrem Schutz noch besser aufgehoben.« – Madame lächelte freundlich. »So teilen wir uns in die Obhut unseres reizenden Schützlings. Ihnen aber, liebes Kind, rate ich jetzt, sofort ausführlich nach Hause zu schreiben, damit der Brief noch von hier abgehen kann, ich werde ihn selber als Eilbrief besorgen. Die Adresse, an die Sie Antwort bestellen wollen, ist Singapore, Madame Vais, Rue des Etrangers, Stranger-Street.« Indra dankte herzlich für den guten Rat und setzte sich hin, einen langen, ausführlichen Brief, mit allen Reisewundern und mit dem traurigen Schicksal von Madame Meranow, an ihre Mutter zu schreiben und sie zu bitten, ihr umgehend ausführlich nach Madame Vais zu berichten. Ein paar Stunden hatte sie mit eifrigstem Schreiben zugebracht – es war nur noch knapp Zeit, vor der Abfahrt den Brief ans Land zu befördern. Und dann nahm die Seereise und die merkwürdige Fahrt bei Nacht durch den Suezkanal, mit Scheinwerfer und Begegnung eines anderen Schiffes, wieder alle ihre Sinne gefangen. – Madame hatte natürlich für ein Billett gesorgt, das war ihr weit lieber, als wenn Brostoczicz es ausgelegt hätte. – Nun fuhr sie allen Wundern entgegen. Als wenn gütige Feen diese Götterreise ihr in den Schoß geworfen hätten.

Im roten Meer, dessen Glutströme ihr kaum etwas anhatten, konnte sie sich nicht satt sehen an den Wunderfärbungen des Sinai – den rosenblätterfarbenen. Tage und Nächte vergingen, an Sokotras einsamer Insel war das Schiff längst vorüber. Indra war wie im Bann. Und Madame Meranows jäher Tod erschien ihr fast wie ein Glück. Hatte er ihr doch die Pforte ihres Lebenstores noch weiter geöffnet. Hätte sie diese himmlische Reise gemacht unter dem Kreuz des Südens, wenn sie nun in Tunis, in der Villa Meranow säße? Brostoczicz erwies sich als treuer, unermüdlicher Ritter. Bei Tage trug er ihr alles an ihren Liegestuhl, was ihr nur irgend Freude machen konnte. Und in der Nacht erklärte er ihr die Wunder des Sternenhimmels. Er wies ihr die krausen Lebenslinien ihrer Hand, und sie fragte sie immer wieder – halb verwirrt – war es Zuneigung, war es Widerwillen, was sie diesem rätselhaften Menschen gegenüber verspürte? Den sie bald bewunderte und bald verabscheute mit instinktiver Abneigung. Dann wieder, wenn er ihr von seiner trüben Kindheit erzählte, konnte er sie fast zu Tränen rühren, und sie fühlte sich beinahe versucht, seine Hände zu küssen, die Hände, die so eifrig bemüht waren, jeden kleinsten Stein aus ihrem Wege zu räumen. Ganz andere Gefühle hatte sie gegen die Frau des Intendanten, deren Begleitung, da sie sich so geborgen fühlte unter Brostoczicz’ Schutz, ihr fast unnötig vorkam. Sie hatte jedenfalls noch andere Geschäfte in Singapore; es wäre doch sonst sehr zwecklos gewesen, nur zu ihrer Begleitung, diese große, kostspielige Reise zu unternehmen. – Sie schien recht vertraulich mit Brostoczicz zu verkehren, das hatte er ihr freilich schon vorher erzählt, aber sie ertappte beide mehrmals in so eifrigem Gespräch, in einer ihr, der polyglotten Indra, völlig fremden Sprache, daß sie ihr Kommen überhörten und bei ihrem plötzlichen Erscheinen sichtlich erschraken. Indra überflog dabei ein merkwürdiges Gefühl, war das Eifersucht? Sie verstand es nicht, erstens liebte sie Brostoczicz nicht, und dann hatte er graue Haare. Sie vergaß, daß er ein Verführer par excellence war und etwas von seinem Zauber noch eine jede, auch die sprödeste Frau, gefangen nahm. Und dann sah sie wieder auf seine kleinen Füße in kaffeebraunen Schuhen, in kaffeebraunen Strümpfen mit grünen Streublümchen und fragte sich: Hat er nun eine gute oder eine schlechte Stimme? Und sie wußte es noch immer nicht. Sie wußte nur, sie hatte ihm gegenüber das Gefühl eines kleinen Vogels vor der Klapperschlange. Er hielt sie in seinem Bann. Doch es war ein angenehmes Gruseln, das sie in seiner Nähe immer wieder beschlich.

Und so vergingen die Tage und Nächte, ein jeder schöner und stiller als der frühere. Das Kreuz des Südens glänzte immer heller. Doch es ward erst um zwei Uhr nachts sichtbar. Das war unbequem. Brostoczicz hatte sie schon zweimal geweckt, und sie saß auf dem Oberdeck mit ihm und hörte seinen Erklärungen zu. Das angenehme Gruseln erfaßte sie stärker. Endlich, nachdem die Lakkadiven und Maladiven passiert waren, kam man nach Ceylon. Einen ganzen Tag Aufenthalt in Colombo! Boris Brostoczicz hatte Indra versprochen, sie nach Mount Lavinia zu führen.

Und sie freute sich unendlich darauf. Auf der flachen Palmeninsel, deren Wunder sich erst nach und nach entfalten, fuhr sie mit Brostoczicz und Madame in der Rickshaw nach dem Bahnhof für Mount Lavinia. Lautlos stapften die nackten Füße der Rickshawmänner den roten Lateritboden. Sie liefen wie der Wind, an großen Palästen und Tempeln vorbei, an Bambushütten, in denen halbnackte Singhalesen, mit dem Mädchenkamm im Haar und dem weiblichen Chignon, eifrig hantierten, immer weiter ins Palmendickicht hinein, bis sie am Bahnhof hielten. Und in der Bahn war’s dann noch viel schöner. Hart am Meer, dessen Brandung an die Felsen donnerte, fuhr der Zug längs eines dichten, endlosen Palmenwaldes. Viel zu früh war man am Ziel der Reise. Madame schien wenig gerührt von dieser Tropenpracht, sie dachte vielleicht an ihren Intendanten. Aber Boris war unermüdlich, Indra auf alles aufmerksam zu machen. Das Hotel selbst, ein weißer, früherer Sommerpalast des Governor, im Empirestil, hat eine schier unglaublich wunderbare Lage, nach drei Seiten Meer und die geschwungenen Küstenlinien mit den Federkronen der leuchtend grünen Kokospalmen ins Unendliche verdämmernd. Im Vordergrund wieder Palmenschäfte, sich nach allen Richtungen neigend, dahinter Klippen und Fischerboote mit halbnackten Fischern. Leider hatte das Schiff, »der große Kurfürst«, fast seine ganzen Kajütenpassagiere nach Mount Lavinia ausgespien, und an jedem verträumten Ort störten die mondänen Gruppen der lustigen Globetrotter, den intimen Zauber. – »Hier einmal allein sein mit dem, den man liebt,« dachte Indra. – »Nun will ich Sie zu den Spitzenklöpplerinnen führen und zu den Cinnamonpealers, den Zimmetbauern,« sagte Boris. Madame zog es vor, im Hotel bei den andern den Tee zu trinken. – Sie gingen also beide allein, erst in einem alten, buddhistischen Tempel vorbei, in den ein Priester mit geheimnisvollen Zeichen sie eintreten hieß und vor einen großen Goldbuddha führte. Die Luft war schwül, drinnen und draußen Treibhausluft! Indra fühlte sich darin im Innersten wachsen wie eine Blume, sie wußte aber nicht, ob zum guten oder zum bösen. Dann wanderten sie weglos durch das Palmendickicht nach den vielen, kleinen Häuschen, in deren jedem die braunen Singhalesen-Frauen und Kinder Spitzen klöppeln.

Und dann ging’s immer tiefer nach dem Cinnamongrove, dem Zimmetbusch. Wie im Urwald war es hier, übermannshohe Bäume mit glänzend ovalen Blättern, fast wie Kamelien. Große Bündel waren schon geschichtet von den würzigen Hölzern und wurden gerade verladen, während wieder andere geschnitten und eingebündelt wurden. Ein Riesenbetrieb! – Indra fühlte sich in neuen Welten. Die Sonne stand schon schräg, und violette Schlagschatten kreuzten den Weg. Die herrlichen Palmensilhouetten hoben sich dunkel und immer dunkler wie von rotem Gold. Sie gingen wieder zurück auf einsamem Pfad, durch dichtes Buschwerk, auf weichem Lateritboden, rings alles still, nur zuweilen fiel eine Kokosnuß mit dumpfem Schall. – Da ergriff Boris zum ersten Male Indras Hand und küßte sie inbrünstig. Etwas in ihr sträubte sich dagegen, dennoch – sie konnte es ihm nicht wehren, die Welt war zu schön, und sie war ihm zu dankbar, daß er sie ihr so eingehend zeigte. Es war das erstemal, daß Brostoczicz dem Mädchen ein wärmeres Gefühl bewies. Zufällig sah sie in seine Augen, sie glimmerten wie Katzenaugen im Dunkel. Fast begann sie sich zu fürchten und beschleunigte ihren Schritt.

Herrlich war die kurze Rückfahrt in der Bahn. Und dann wieder der lautlose Trab der Rickshawmänner durch die blaue Abendlandschaft. Licht und Lachen aus allen Hütten unter den Palmenbäumen. Sie hatten noch etwas Zeit vor Abfahrt ihres Steamer und machten darum noch eine Rickshawrundfahrt, die Indra unsagbar genoß. Beim Ausruhen aller Glieder diese pfeilgeschwinde Beförderung durch die Märchenwelt. Sie fuhren nach dem Korso von Colombo, den »Cinnamongardens«, wo die feine Welt mit Auto, mit Zebuochsen und mit Pferden und Maultieren spazieren fuhr. Die Rickshawmen wanden sich geschickt durch das dichteste Gewühl und fuhren dann an einem reizenden See vorbei, um den die Abendlichter wie ein Sternenkranz flimmerten, durch die Pettah, die Eingeborenenstadt, nach dem Kai zurück. Am Abend, nach dem Dinner auf dem Schiff, sagte Boris zu ihr und Madame, nachdem sie an ihrem kleinen Tisch mit speisen zu Ende waren: »Kommen die Damen herauf aufs Sonnendeck, wir haben Meerleuchten.« – »Ich habe Migräne,« sagte Madame, »und muß schlafen, ich habe es auch schon oft gesehen«, – aber Indra stieg hinauf.

Und das größte Mysterium der Schönheit zeigte sich ihrem schönheitsdurstigen Blick, in der duftblauen Nacht, in der Erde und Himmel in eins verdämmerten. An der Wellenschleppe des Dampfers sprühten phosphorblaue und gleißend gelbliche Brillantfeuer – am Bug der kleinsten Welle funkelten Brillanten – je mehr man hineinschaute, je tiefer und mystischer begannen sie zu leuchten. Sie saß wie verzückt – war das Wahrheit oder träumte sie? War denn eine solche Schönheit auf Erden möglich?

Andere Schiffe glitten vorüber wie Schwäne, lange Silberschleppen durchs Wasser ziehend. – Auch »ships that pass in the night«. Sie schaute und schaute. Und das mystische Schauspiel schien ihr wie das Leben selber, das auch die blauen Märchenfeuer in seinen Tiefen birgt, wenn man hineinschaut bis zum Grund. Wie wenige aber vermögen diese Schönheit zu sehen und zu fassen.

Nein, Indra wollte das ganze Leben auskosten, seine verborgensten Schönheiten ergründen. Nicht verzagen, wenn’s aus der Oberfläche auch manchmal nur Leid und Jammer schien. Freilich jetzt, in dieser Transfiguration allen Lebens, war’s schwer, an Jammer und Lebensnot zu glauben. Brostoczicz ging in eifrigem Gespräch mit Madame vorüber. – »Ich will nicht,« hörte sie ihn sagen. – »Du mußt,« sprach Madame. – Nach einer Weile kam er wie suchend und setzte sich zu ihr. Indra war ihm dankbar, daß er nicht sprach, das Herz war ihr zu voll von dieser überirdischen Schönheit. – – –

Endlich warf das Schiff Anker in Singapore. Madame erschien in ihrem besten Staat und hatte auch Indra veranlaßt, sich nach Kräften schön zu machen.

Um bei Madame Vais und ihrem Pensionat einen guten Eindruck zu machen. Sie sah reizend aus – aber das jungfräulich Herbe, Dianenhafte in ihrem Wesen war vielleicht noch stärker hervortretend als sonst, durch den Schleier von Weichheit, den die herrlichen Eindrücke dieser ersten »Weltreise« über ihre Seele gebreitet.

So dankbar war sie dem Himmel, daß sie dies alles schauen und erleben durfte! Nun möge er ihr nur ferner bescheren, daß es ihr gefallen möge bei Madame Vais, und sie auch deren Anforderungen in allem genügen möge. Sie sprach dies auch gegen Brostoczicz aus. Es zuckte sonderbar über sein Gesicht. Ziemlich früh am Morgen war man in Singapore. Boris hatte ihr gesagt, er habe mit Madame vereinbart, daß die acht Tage, die er noch hier sei, er Indra möglichst alle Merkwürdigkeiten des Landes zeigen würde, da sie später bei ihren häuslichen Pflichten kaum Zeit und Begleitung dafür fände. Sie war nur allzusehr hiermit zufrieden.

In dem unbeschreiblichen Trubel des Kommens und Abfahrens großer Dampfer kam jetzt eine ziemlich auffallende Dame auf Madame, Indra und Brostoczicz zugeschritten, die alle drei an der Reeling standen.

Sie trug ein kornblumenblaues, nicht ganz frisches Seidenkleid und einen wallenden Federhut über dem stark verblühten Gesicht, das die letzten Spuren ehemaliger Schönheit trug. – »Ludmilla, commeut ça va,« rief Madame fröhlich und umarmte die blaue Dame.

Boris machte eine tiefe Verbeugung. »Guten Tag, Herr Mephisto,« sagte sie, »und wo haben’s unsern Schützling, unsere neue Jungfer im Grünen?« – Indra trat errötend vor. – »Potztausend,« sagte Frau Ludmilla, »wo habt’s dös Prachtstück aufgegabelt? Ja so, das Vermächtnis von unserer guten Meranow. Wenn die net bei Zeiten abgeflattert, hätt’s a nöt hergefunden!« – Indra fühlte sich merkwürdig berührt, sie schaute fragend auf Boris. Und der Weltmann verstand sie. »Es ist ja nur eine Stieftochter von Frau Meranow, fast gleichaltrig mit ihr, sie standen auch nicht besonders. Da es ihr so gut geht mit ihrer Pension, hatten die Damen aber neuerdings wieder schriftlichen Verkehr miteinander angebahnt.« – »Und nun kommt’s Vögerl in mein Käfig, und mir woll’s schon zahm krieg’n, wie d’ anderen,« sagte Madame Vais freundlich und klopfte Indra auf die Schulter. Unmerklich streifte diese die Berührung ab und ein leises, fast rätselhaftes Lächeln huschte über ihre Züge. Indra – und »zahm kriegen«. Die Frau würde sehen! Freiwillig tat sie alles, »zahm kriegen« ließ sie sich nie. – Die ganze Gesellschaft stieg nun in Rickshaws, und es ging erst durch die neue, schöne Fremdenstadt, an Rafflés Hotel, vor den großen Wiesen, vorbei, dann bog man in ein Gewirr zahlloser, kleiner Gäßchen, die einen merkwürdigen, fast ausgestorbenen Eindruck machten, oder als ob hier alles im Dornröschenschlaf läge. – In der Chinatown war’s etwas lebendiger, aber dann ging es wieder in schmale, schmutzige Gassen mit niederen, dunklen Häusern. Es schien Indra, als ob sie aus diesem Labyrinth, ohne den Faden der Ariadne, niemals wieder herausfände. Die Rickshaws hielten. – »Meine Fräuleins schlafen noch, wir halten bis spät nachts Gesellschaft,« sagte Madame Vais. »Komm, Kind, ich zeig dir dein Zimmer, – ich nenne alle meine Fräulein du. Die acht Tage, die Boris hier bleibt, darfst du dich mit ihm vergnügen, hernach geht’s aber stramm ins Geschirr.«

Sie führte Indra in ein dunkles, unfreundliches Loch, aber mit einem weißen, spitzenumsäumten Himmelbett.

»Im Schrank sind deine Abendkleider. Du brauchst sie aber noch nicht zu tragen.« – Indra trat schnell aus dem Zimmer auf Boris zu. »Wo bin ich hier?« – »In einem angesehenen Hause, mein Kind,« rief die blaue Dame. – »Sie müssen sich an die Landessitten gewöhnen, Fräulein Indra,« sagte Boris leise. »Wenn Sie sich nach Tisch etwas ausgeruht haben, zeige ich Ihnen die Stadt. Dann werden Sie erst sehen, wie schön es hier ist.« – Indra fragte nach Briefen, aber es konnten ja noch keine da sein. Dann setzte sie sich hin und schrieb einen zweiten langen Brief an ihre Mutter, mit allen Wundern ihrer Reise und allen Zweifeln, ob ihr neuer Aufenthalt auch geeignet für sie sei. Sie bat um umgehende, eventuell telegraphische Antwort. Die selbstsichere Indra fühlte plötzlich einen heißen Wunsch nach dem Rat und der Hilfe ihrer Mutter. Bei Tisch erschienen nur fünf Fräulein (zehn waren im Hause), teils aufgeputzt, um der »Neuen« Eindruck zu machen, teils mit Lockenwickeln und schlampigen Negligées.

Sie waren gut dressiert und taten den Mund nicht auf. Aber Indra konstatierte: bis auf eine, ein sanftes, blondes, feines Mädchen mit tadellosem Benehmen, aßen sie eine jede mit dem Messer. Es fehlte ihnen eben allen die Kinderstube!

Boris, der gleichfalls anwesend war, kam ihr etwas gedrückt vor. Doch als sie beide draußen wieder ihre Rickshaws bestiegen, heiterte sich sein Wesen bald auf. Und auch von ihr begannen die Schatten der Pension zu weichen. Es war zu schön, was er ihr zeigte. Erst waren sie in dem hübschen Rafflésmuseum, das Indra eine Fülle von Anregung und Belehrung bot. Später fuhren sie nach dem berühmten botanischen Garten. Der Weg dahin entzückte Indra, mit den Ausblicken aufs Meer, durch das köstlichste Palmen- und Bananendickicht. Aber dort erst, in dem Wunderpark mit seiner Tropenfülle von farbig blühenden Bäumen, kannte ihr Schönheitsrausch keine Grenzen. Da waren die Hibiskusbäume wie mit feuerroten, fleischfarbenen und rosa Tulpen übersät, die blaßlila Tumbergia schlang sich überall in üppigen Ranken, in Überfülle, sich fast zu Tode blühend. Das Solanum, weiß und lila, strahlte in leuchtendem Glanz. Schlanke Papyrus hoben ihre zierlichen Büschel von dunkelbraunem Hintergrund. Ein kleiner Wasserfall war an der Berglehne, der Garten streckte sich wie ein dichter Urwald den Berg hinauf, oder vielmehr, er war aus einem Urwald herausgehauen. – »Dort oben hat man eine sehr schöne Aussicht, die müssen wir einen anderen Tag erobern. Morgen wollen wir nach Johore, nach dem Park, dem Palast und der Moschee des Maharadja, wenn’s geht auch nach seinem Fantam, der Spielhölle, die hier im Osten, ebenso wie das chinesisch-portugiesische Macao, ein kleines Monte Carlo bedeutet.«

Indra war’s zufrieden. Sie spürte wohl Brostoczicz’ Verlangen, sie von ihren Gedanken, Bedenken und ersten Eindrücken der »Pension Vais« abzulenken. Und ihre eigensten Wünsche kamen dem entgegen. Denn ihre Sehnsucht, seit frühester Kindheit, die Welt zu sehen, war so groß, daß sie ihren Ängsten und Befürchtungen ein starkes Gegengewicht bildete, dazu hatte sie hier in dem neuen und beunruhigenden Milieu das Gefühl einer gewissen Zusammengehörigkeit mit Brostoczicz, als wenn er ihr einziger Freund in Asien sei. Madame, der Gattin des Intendanten, gegenüber fühlte sie sich immer fremd, und vor Madame Vais grauste ihr – sie fand sie gewöhnlich, und ihre ganze Natur sträubte sich gegen sie. Boris war auf alle Fälle ein feingebildeter Weltmann mit Takt und Verständnis – und mit einem Empfinden für ihre leisesten Bedürfnisse. Mochte er sonst sein, was er wollte. Im Garten kannte er fast alle Bäume beim Namen, sie freute sich seiner Gesellschaft und konnte unendlich viel von ihm lernen. Ihre Wißbegierde war unendlich. – »Ich habe Madame Vais versprochen, Fräulein Indra,« begann er jetzt, »Sie in das Leben dieser fernen Welt einzuführen, Sie mit ihren Sitten und Gebräuchen bekannt zu machen, Sie das Leben wie es nun einmal ist, nicht wie es dem Idealisten scheint, verstehen zu lernen.« – Ein leises Lächeln umspielte dabei seine Lippen, das Indra peinlich berührte. Sie wußte nicht, warum.

Am Abend waren alle Fräulein bei Tisch, und die Vorstellung begann. Da waren zwei tiefschwarze Damen aus Warschau, polnische Jüdinnen, wie es Indra schien, die ein furchtbares Deutsch sprachen, Ella und Bella genannt. Da war eine hellblonde Italienerin, Carmela, in einer Art italienischen Phantasiekostüms. Indra versuchte, italienisch mit ihr zu sprechen, aber sie erhielt nur eine kaum verständliche Antwort. Da war Carmen, die Spanierin, in Bolerohut und Jacke. Ferner Ellicon, eine Griechin, in einer Art weißwollener Fustanella. Dann das feine, blonde Mädchen mit dem Madonnenscheitel und züchtigen Augenniederschlag, Margot, zu dem sich Indra schon beim Lunch hingezogen fühlte. Außerdem waren da noch ein paar Fräulein, schwarz und ebenfalls stark jüdisch, üppig und nicht mehr allzu jung, die als Französin, Russin und Amerikanerin figurierten. – »Abgelagerte Ware,« wie Madame sich ausdrückte. »Ich hab’ halt für jeden Geschmack was auf Lager,« sagte sie lachend. Sie war am Abend wieder in Kornblumenblau, tief dekolletiert, mit gestärkten, weißen Spitzen. Hals und Arme waren rot und darum stark gepudert. Auf Indras erstaunte Frage, warum sie in solcher Toilette sei, sagte sie lachend: »Schau, Kind, ihr habt’s doch hier jeden Abend Herrengesellschaft. Wenn die Vais nöt für Euern Jux sorget! Aber alleweil brauchst noch nöt umanand – wennst ganz eing’lebt, heranach machst dein Debüt.« Indra sah hilfeflehend auf Boris. Der sagte rasch: »Fräulein Indra ist doch vorläufig als Hausdame engagiert, und wenn sie den Damen für gutes Essen und einen geregelten Haushalt sorgt, kann sie doch außerdem tun und lassen, was ihr beliebt. Wenn sie vorzieht, abends aus ihrem Zimmer allein zu bleiben, kann sie das jederzeit tun.« – »Wird schon runterkommen wollen, wenn du ihr das Gusto dafür lehrst,« sagte Madame Vais lachend. – Warum duzte sie jetzt Boris, warum war die Frau so fürchterlich gewöhnlich, fragte sich Indra.

Das Essen war gut und reichlich. Zwei indische Boys servierten. Madame Vais hob die Tafel auf. »Willst Fräul’ Indra das Haus zeigen, Margot?« Das Mädchen mit dem Madonnenscheitel lächelte süß. »Aber gerne, Madame, kommen Sie, Fräulein.« – »Aber sagt doch du zu enand, als gute Kameradinnen,« rief Madame ihnen noch nach. Boris gab Indra die Hand: »Gehen Sie früh schlafen, Fräulein Indra, morgen früh acht Uhr hol’ ich Sie ab zum Maharadja von Johore.«

Er sagte das so ermutigend, daß sich Indra etwas getröstet fühlte bei der erfreulichen Aussicht und Margot rasch folgte, froh, von Madame Vais’ Gegenwart erlöst zu sein. »Nun führ’ ich Sie erst in die Bar und in den großen Empfangssalon,« sagte diese. Die Bar war eine Art Kantine, mit Likör- und Champagnerflaschen überreich bespickt. Daran anstoßend lag der Empfangssalon mit hartroten Wänden, an denen in riefenbreiten, billig weißgoldenen Rahmen schlechte Öldrucke prangten. Leda und der Schwan, Zeus und Io und mehrere weibliche Akte in unkeuschen Stellungen. – – »Madames Kunstsinn hat sich hier betätigt,« bemerkte Margot spöttisch lächelnd.

»Wenn es noch Öldrucke nach guten Originalen wären!« – »Wie lange sind Sie schon hier?« fragte Indra. – »Erst ein paar Monate,« entgegnete Margot, »aber es ist nicht schlimm hier, wenn man Madame den Willen tut.« – »Und der ist?« – »Geld verdienen,« sprach Margot, listig lächelnd. Bei diesem Lächeln mußte Indra plötzlich an Boris’ Lächeln vom Nachmittag denken. Margot mit diesem Lächeln aber erinnerte sie an die Monna Lisa. – »Ich will Ihnen noch mein eigenes Reich zeigen,« sagte jetzt Margot und öffnete ein Zimmer, das ganz mit rosa Cretonne ausgeschlagen und mit einer Spitzentoilette, einem spitzenverbrämten Bett und einem großen, frischen Rosenstrauß auf dem Tisch einen sehr traulichen Eindruck machte und Margots Schönheit hob. – »Das hab ich alles von Madame erreicht, weil sie zufrieden mit mir ist,« erzählte Margot. »Schaffen auch Sie sich ein behagliches Heim. Bei den anderen Mädchen sieht’s wüst aus, und in anderen »Pensionen«, sie lächelte wieder leise, »erst recht. Doch Sie sehen müde aus, gehen Sie schlafen, genießen Sie die nächsten Tage mit Boris und dann – nehmen Sie die Welt, wie sie ist, heulen Sie mit den Wölfen und machen Sie’s wie ich, try to make the best of everything. Es ist schon spät, ich muß mich fertig machen, bin ich doch Madame Vais’ ›Hofdame‹.« – Sie machte einen tiefen Knix.

Indra ging in schweren Gedanken nach ihrem Zimmer. Aus den Kammern der Mädchen tönte Lachen, Gekreisch und Kichern. Sie waren nicht mehr so still wie unter Madame Vais’ und der »Neuen« prüfenden Augen.

Indra war todmüde von allen Eindrücken, sie dachte krampfhaft an den Ausflug nach Johore und daß sie »Hausdame« sei und darum für die anderen Fräulein im Hause nicht verantwortlich. Sie wachte einmal auf in der Nacht, hörte Walzerspiel, gutes Spiel – es war wohl Margot, – und das Schlürfen tanzender Füße, auch Gelächter. »Das ist eine heitere Pension,« mit diesem Gedanken schlief sie wieder ein. Und am anderen Morgen kam Boris, sie abzuholen.

Er freute sich sichtlich, daß sie ihm so ausgeruht und frisch entgegenkam. – »Ich will die Tage Ihres Hierseins noch recht genießen und ausnutzen, nachher wird’s doch fürchterlich,« sagte sie. »Madame ist mir im tiefsten unsympathisch, sie kommt mir ungebildet und roh vor.« – »Fräulein Indra,« sprach Boris, »vergessen Sie nicht, daß Sie in mir einen Freund haben. Wenn’s Ihnen hier nicht gefällt, schreiben Sie mir, und ich bringe Sie in ein anderes Haus.« – »Oder nach Berlin zurück?« fragte Indra rasch. – »Das wird wohl vorläufig zu teuer sein, aber ich weiß gute Hausdamenstellen in Bangkok, in Yokohama, und wenn alle Stricke reißen, in Tokio.« Indras Phantasie arbeitete flink, sich all die schönen, neuen Orte und Eindrücke in leuchtenden Farben zu vergegenwärtigen. Das gab ihr momentanen Trost.

»Und wann glauben Sie, daß ich Antwort von meiner Mutter haben kann?« – »Die müßte eigentlich schon da sein, kann aber nun jeden Tag eintreffen,« meinte er. Und dann fuhren sie erst in der Rickshaw, die Indra so sehr liebte, bis zum idyllisch gelegenen Bahnhof und von da nach einer kleinen Station, um den Buka Tinit (Erdbeerberg) zu besteigen. Doch als sie in dem urwaldartigen Gestrüpp auf verwucherten Pfaden emporgedrungen waren, fanden sie droben die Aussicht zugewachsen. Aber diese Tropenpracht war Indra dennoch eine neue Revelation. Sie wanderten nun auf der Landstraße unter einer hohen Allee von Indianrubberbäumen nach der nächsten Station. Die ganze Landstraße starrte von Fruchtbarkeit. Das Volk nennt diese Gegend den Liebesgarten. Zahlreiche Equipagen reicher Chinesen begegneten ihnen. Eine halbe Stunde später stiegen sie an der Fähre aus und fuhren über den schmalen Meeresarm nach der Residenz von Johore. Unendlich stattlich und anmutig bietet sich dem Auge dieser Wohnsitz eines indischen Maharadja dar, fast so exklusiv vornehm zugeknöpft und vorurteilsvoll kleinstädtisch wie eine kleine deutsche Residenz. Das Fantam (die Spielhölle), das Schloß mit dem Schloßpark und die »Hofkirche«. Herrlich liegt diese indisch-mohammedanische Moschee – sie gewährt vom Wasser aus einen geradezu großartigen Anblick. Und auch Schloß und Schloßpark wirken unendlich vornehm und exklusiv. Es war Indra zumute, als wenn sie in einem indischen Weimar herumspaziere. Ringsum hier alles ebenso still, einsam und verschlafen wie dort. Der Waffen- und Festsaal beschäftigte ihre Phantasie. In der Moschee mußten sie sich ihrer Schuhe entledigen und in ihren vom Aufseher übergestülpten Bambuschen herumschlürfen. Der Park aber in seiner phantastischen Tropenfülle, mit seinen Schauern südlicher Blüten, erregte ihre Sinne bis aufs äußerste. Nie, schien es ihr, hatte sie noch solch leidenschaftlich üppiges Wachsen und Verschlingen gesehen. Es war ihr, als wollten sich alle Zweige verflechten und inbrünstig umklammern. Es war wie ein Liebessinnenrausch durch den ganzen, tiefverwucherten Park. Wie im Traum wanderte sie an Boris’ Seite. Der Gärtner, sein braunes Baby auf dem Arm, wanderte mit ihnen, um ihnen alle verborgenen und tiefbemoosten Wasserkünste zu zeigen. Eine Atmosphäre von Wollust hauchte aus den Büschen.

Wie viel leichter war es doch in Europa, kühl und vernünftig zu bleiben, als hier unter indischer Sonne. Oder vielmehr der Sonne der »strayed settlements«. Wieder fühlte sich Indra wachsen in der schwülen Treibhausluft. Aber sie wußte immer noch nicht, ob zum Guten, ob zum Schlechten. Die Rückfahrt war herrlich, und sie duldete es nun, daß Boris ihre Hand ergriff und in der seinen hielt, aus der es wie Feuer zu ihr hinüberzuckte. War er nicht ihr einziger Halt und Retter in der Fremde? Beleuchtung und Stimmung der Natur waren unsagbar schön. Beim Abschied sagte er: »Heute abend komme ich, Sie in die Stadt der Liebe zu führen.« Sie sah ihn fragend an. »Ich werd’ Ihnen all die Stätten zeigen, wegen derer Singapore berühmt ist in der ganzen Welt.«

Und am Abend fuhren beide, wieder in der Rickshaw, durch all die kleinen Gäßchen, die am Tage so einsam und verschlafen daliegen wie im Dornröschenschlaf. Sie hatten jetzt ein tausendfaches Leben. Stunden und Stunden fuhren sie, erst durchs Chinesenviertel, das so groß ist wie eine Stadt für sich. – »Ich zeige Ihnen das Leben wie es ist, und nicht, wie es Kinder, Jungfrauen und alte Jungfern auffassen, den wilden Tanz der Sinne um das goldene Kalb der Lust. – Hier sehen Sie all die Tausende von »Singsonggirls«, die für Geld dem Mann, jedem Mann, ihre Liebe schenken. Für ein paar Minuten, für ein paar Stunden, für eine Nacht – je nach Wunsch und Preis. Sie sind ein Kind, Indra, Sie wissen. Sie ahnen nicht, welchen Genuß die Liebe, die sinnliche Liebe, dem Menschen bietet. Sehen Sie hier den Liebesmarkt der ganzen Welt! Sehen Sie hier, diese Chinesinnen, wie sie erst auf ihrem Hausaltar den Götzen opfern. Wie sie alles in Schönheit und in Naivität und Selbstverständlichkeit tun. Denn die Sinne sind keine Sünde. Nur die Welt, nur die Religion hat sie dazu gestempelt. Wenn Sie’s noch nicht wissen, die Pension der Madame Vais ist an Freudenhaus, und Sie wären dazu geschaffen, seine Königin zu werden.« – Indra sah ihn mit großen, entsetzten Augen an. – »Kommen wir jetzt zu den Spanierinnen.« – Die saßen längs enger, dunkler Gassen, in rosa und blaue, luftige Kimonos gehüllt, in Schaukelstühlen. Die Nacht war schwül und schwer. Es ging wie Taubengirren durch die Reihen. – »Tun die alle nicht ein gutes Werk und ein verdienstliches, den Sinnendrang des Mannes zu stillen? Wer findet ein Unrecht darin? Und sie mehren dadurch ihr Heiratsgut und werden später die geachtesten Ehefrauen. Nur in Europa, der großen Heuchelanstalt, ist der Hetärenberuf, der ein ebenso gutes und ein ebenso notwendiges Gewerbe ist wie jedes andere, verfehmt und verschrien. Nur damit im geheimen die ganze Männerwelt ihm desto eifriger Tribut zahlt mit all ihrem Leben und Sein. Alles ist verlogen in Europa, die käufliche Liebe aber am meisten.« – »Halten Sie ein,« rief Indra, »das macht mich wahnsinnig.« – »Fragen Sie Ihre tiefste Natur, Indra, drängt nicht alles in Ihnen, seitdem Sie auf Asiens Boden, der großen Brutanstalt der Sinne, sind, der sinnlichen Liebe entgegen? Und nur Konvention und Erziehung halten Sie ab, sich in meine Arme zu stürzen und Liebe, momentane Lust und Liebe zu geben und zu nehmen. Es ist alles in euch höheren Töchtern nur verbogene Natur, andressierte Konvention. Ich könnte dich jetzt nehmen, wenn ich wollte, aber ich will, daß du dich mir freiwillig gibst, weil deine Sinne sich nach den meinen sehnen, wie die meinen nach dir.«

Er schwieg. Ein Zittern überflog Indra. Sie standen am Eingang einer der dunklen Japanergassen, in denen die Lust sprungbereit am Boden kauert.

»All eure ganze Sehnsucht, ihr höheren Töchter,« fuhr Boris fort, »ist aus einem Punkte zu kurieren, wie Goethe sagt. Gebt euch dem kräftigen, gesunden Mann, der euch liebt und der euch gefällt, und ihr bleibt gesund und leistungsfähig und wißt nichts von Bleichsucht und Hysterie. Wozu wurden uns denn die Sinne gegeben, wenn wir sie nicht gebrauchen sollen? Nur all eure Unnatur erzeugt unnatürliche Laster und Gewohnheiten. Und nun Verzeihung, Fräulein Indra, ich bin wieder der glatte Weltmann. Ich werde Ihnen nach der chinesisch-japanischen Liebe noch die Moden von Europa zeigen, dann können Sie heute nacht über alles nachdenken.

Morgen gehen wir nach dem Aussichtsberg über dem botanischen Garten. Dann sollen Sie mir Angesichts der schönen Welt dort oben die Antwort geben, ob Sie meine Sinne erhören wollen oder nicht.«

Mit gramzerwühlten Mienen sah ihm Indra ins Gesicht. Sie stiegen wieder in die Rickshaw und fuhren nun durch das europäische Freudenviertel. Vor allen Häusern standen geschminkte, grellgekleidete Dämchen und lächelten: »Bon jour, Monsieur, good evening Sir, will you have a drink with me? Wollen Sie eins mit mir trinken?« Mitten in der Straße aber war ein kleines Haus mit drei Stufen. Eine bunte Laterne strahlte darüber, darauf las man: »Pension Vais.«

Auf der obersten Stufe stand die tief dekolletierte Madame Vais. Entrez Messieurs, voiçi le paradis terrestre. – Vous trouverez les Houris de tous les pays.« – »Immer herein, meine Herrschaften, für jeden Geschmack hab’ ich was auf Lager, und beim Champagner werdet’s schon einig.« – Indra hatte kaum Kraft, die steilen Stufen emporzuklimmen. In ihrem dunklen Zimmer warf sie sich aufs Bett. Ihre Seele schrie, und ihre Sinne schrien – nach Boris »Was soll werden, was soll werden?« Seele und Sinne schrien es ihr die ganze Nacht. Wie fand sie sich zurecht in dem Labyrinth ihres Lebens? Wo war der Ariadnefaden, der sie hinausführte aus der Nacht der dunklen Gewalten in das helle, reine Licht des Tages. Tränenüberströmt lag sie auf ihren Kissen. Von drunten drang Tanzmusik, von allen Seiten hauchte zärtliches Geflüster. Die Lust war wie durchsetzt mit Wollust. Was alles hatte Boris gesagt? Und worüber Margots zynisches Lächeln? Hatten sie nicht beide recht? Wozu gab uns Gott die Sinne, wenn wir sie nicht gebrauchen sollen? War’s aber nicht eine tödliche Sünde, die körperliche Hingabe, ohne Seelenliebe, die körperliche Hingabe ohne »obrigkeitliche Genehmigung« der Ehe? Wo aber ist die Grenze zwischen Seele und Sinnen? Spielt nicht eins ins andere hinüber? Liebte sie Boris vielleicht ebenso mit der Seele? Verstand er sie nicht in allem? Erriet er nicht all ihre Gedanken? Aber hatte er sie nicht vielleicht verraten und ausgeliefert? Zum erstenmal dämmerte die Ahnung dieser furchtbaren Möglichkeit in ihrer Seele auf. Aber sie verwarf sie sogleich wieder. Es war doch nicht seine Schuld, daß Madame Meranow sterben mußte, und daß sie in dies abscheuliche Haus kam.

Warum aber war er so intim in diesem Hause? Wie stand er mit Maidame Toussaint, der »Frau des Intendanten«, die seit zwei Tagen aus ihrem Gesichtskreis verschwunden war, nachdem sie doch vorher so intim mit Madame Vais getan? – Wer gab ihr Antwort auf all diese Fragen? War sie nicht von Rätseln umgeben? Und war sie sich nicht selber das größte Rätsel? Was hatte sie gewaltsam die Augen schließen lassen vor der furchtbaren Erkenntnis der »pension« von Madame Vais, wenn nicht der Gedanke – in Boris’ Nähe ließe sich alles ertragen? Und nun ging er fort und ließ sie allein. Aber sollte sie nicht vorher noch einmal glücklich mit ihm sein, schrankenlos glücklich? Es überlief sie heiß und kalt. Sie streckte die Arme aus – Boris. Wenn er jetzt hier stände, könnte sie ihm nichts versagen. Was aber sollte hernach werden, wenn sie allein wäre als »Hausdame« von Madame Vais.

Wenn ihr diese die schönen Kleider aufzwänge und sie hinunterstieße zwischen die anderen »Pensionsfräulein«, zu gefälligen Diensten für jeden, der zahlte? – Sie mußte fliehen, sie mußte sterben! Aber wie? Zum ersten hatte sie kein Geld, und zum zweiten – sie war noch so jung, sie war noch niemals glücklich gewesen, das Leben hatte noch so viel tausend Möglichkeiten für sie.

Gegen Morgen erst fiel sie in einen schweren Schlaf. – Madame Vais rief von der Tür her: »Brostoczicz will das Vögerl abholen zur Bergpartie. Ein lustig’s Leben hat’s hier und keine Pflichten – bis jetzt!«

»Ich komme in einer halben Stunde,« antwortete Indra und stand bald darauf Brostoczicz gegenüber. Sie sahen alle beide übernächtig aus, mit tiefen Ringen unter den Augen.

Draußen warteten schon die Rickshawmänner, die sie zum botanischen Garten fuhren.

Von dort ging’s im Tragkorb noch zwei Stunden den steilen Weg durch den Urwald hinauf. – Oben war ein überwältigender Blick auf den ganzen Hafen von Singapore, die kleine Bucht mit dem herrlichen Seebad Tandjong Priok und bis hinüber nach Johore.

Sie saßen lange schweigend, dann packte Boris seine Frühstückstasche aus. »Fräulein Indra,« sagte er jetzt, »es geht mir sonderbar in meinem Leben. Zum erstenmal, daß ich eine Frau wahrhaft liebe. Früher ließ ich mich nur immer lieben und – verführte. Sie aber liebe ich, nun es zu spät ist – ich bin Ihrer nicht mehr wert, ich bin – ich habe –« er schwieg. Indra sah ihn von der Seite an. Sein Gesicht schien ihr zum erstenmal alt und verwüstet. – Es flog auch nicht wie sonst, wie Wetterleuchten über Wolken, ein flüchtiges, fragliches Lächeln über seine dunklen Züge. Er sah sie gar nicht an, er kämpfte vergebens gegen eine übermächtige Bewegung. – »Verzeih mir,« sagte er plötzlich und küßte den Saum ihres Kleides. Dann saßen sie lange, ohne ein Wort zu sprechen. Stunden waren vergangen, die Sonne warf schon schräge Strahlen, und die Koolies bedeuteten, daß es Zeit zum Aufbruch sei.

»Indra,« sprach dann Boris plötzlich, »morgen ist der letzte Tag, ich halte es nicht mehr aus. Wir gehen morgen zu dieser kleinen Meeresbucht, wo die vielen Palmen stehen. Das ist ein beliebter Badeort, dort wollen wir die Sonne untergehen sehen – und Abschied nehmen.« – »Und ich soll ganz allein bei Madame Vais bleiben, deren Person, deren Gewerbe, deren Haus ich verabscheue?« – »Wir haben heut’ den zwanzigsten November, Anfang März hab’ ich Geschäfte in Yokohama, ich weiß dort ein besseres Haus für Sie und werde Sie dorthin auf meine Rechnung und Gefahr mitnehmen, wenn Sie bis dahin Madame Vais scheinbar zu Gefallen leben, so daß, was Sie ihr in der Gegenwart versagen, sie von der Zukunft hoffen lassen, wollen Sie? Das ist für Sie der einzige Weg, sich vor ihr zu retten, denn sonst gibt sie Sie nimmer frei. Sie hat teuer genug für Sie bezahlt, von Ale… von Tunis bis Singapore, Reisegeld für Sie und Madame Toussaint.« – Indra starrte ins Leere. »Warum kommt noch immer keine Antwort von meiner Mutter,« fragte sie plötzlich. »Wenn sie nichts mehr von mir wissen wollte! Wenn der ungewollte Aufenthalt im Hause der Madame Vais ihr schon Grund genug wäre, mich aus ihrem Herzen zu stoßen. Was bliebe mir dann übrig?«

»Die Sinnenliebe,« erwiderte Boris, »und eine Lais, eine moderne Aspasia zu werden, eine Ninon de l’Enclos – eine Indra.«

Wieder war Indras Nacht von Kämpfen und Verzweiflung durchwühlt und von jäher, ihr ganz ungewohnter, körperlicher Unrast und Sehnsucht. – Morgen war der letzte Tag mit Boris – er war unglücklich – wenn sie sich ihm gab, gab sie seinen und ihren Sinnen nach. Warum denen noch wehren, wenn man ein Mitglied der Pension Vais war! – Sie hörte Kichern und Küssen von nebenan und wühlte ihren Kopf tief in die Kissen. War sie schon eine Verworfene, da sie solche verworfenen Wünsche spürte? Hatte der große Liebesmarkt ringsum seine grelle Brunstfackel auch in ihre weiße Seele geworfen?

Und der Morgen kam. Sie stand diesmal früh auf und schrieb abermals einen zwölf Seiten langen Brief an ihre Mutter. Niemals hatte die stolze, verschlossene Indra die Mutter so tief in ihre Seele blicken lassen. Aber die bittere Herzensnot prägte und zwang ihre Bekenntnisse. Sie erflehte eine telegraphische Geldsendung, damit sie heimlich entfliehen könne. Sie beschwor die Mutter bei allem, was ihr heilig sei, sie aus ihrer tiefen Not zu retten. Noch sei sie unschuldig, und sie schloß mit den Worten der Emilia Galotti: »Auch meine Sinne sind Sinne. Gewalt fürchte ich nicht, aber Verführung, Verführung ist die höchste Gewalt, rette mich, Mutter, wenn du nicht dein letztes Kind verlieren willst.« – Sie bat Brostoczicz bei seinem Kommen, den Brief, als Eilpost eingeschrieben, zu bestellen. Sie sah nicht seinen gequälten Gesichtsausdruck, und die unwillkürlich abwehrende Bewegung seiner Hände. Mit einem Seufzer steckte er den Brief in seine Brusttasche. Indra wollte, daß sie ihn beide gleich besorgten, sie selber hatte keinen Pfennig Geld mehr. Aber er murmelte etwas, das klang, wie wenn der Steamer doch erst übermorgen fortführe, und der Postschalter jetzt geschlossen sei. Indra mußte sich gedulden. Nun hatte sie seit ihrer Abreise schon fünfmal geschrieben und noch nicht das geringste Lebenszeichen erhalten. Sie wunderte sich, daß man ihr keine Briefe von Tunis nachschickte. Ihre Mutter war nun gewiß ärgerlich, daß sie so selbstherrlich die Singaporeofferte angenommen und, ohne ihren Rat einzuholen, dorthin gefahren war. Wie würde sie sich erst empören, wenn sie die Art von Madame Vais »Pension« erfuhr. Vielleicht würde sie Indra nie verzeihen. Nein, nur das nicht, nur das nicht.

In all diesen Gedanken fuhr sie mit Brostoczicz in der Pferdebahn durch die lange Vorstadt von Singapore nach der Haltestelle für das Bad Tandjong Priok.

Sie mußten noch eine halbe Stunde durch dichten Palmenwald wandern, bis sie an den berühmten Badestrand kamen, der sich herrlich weit und weiß vor ihren Blicken dehnte. Über dem Weg standen reizende Bungalows mit wunderschönen, blütenüberschütteten, duftumwogten Gärten. Ylang-Ylang-Bäume sandten ihren betäubenden Hauch bis zum Wasser. Es sah aus, als müsse in jeder dieser Villen das Glück wohnen. Als könne das gar nicht anders, als müsse das so sein. Stundenlang lagen sie am Strande und genossen das herrliche Bild. Schon war die Sonne ins Meer gesunken wie ein purpurner Feuerball, tiefschwarzviolett stand das Meer gegen die rote Glut am Horizont. –

Und nun stieg von der anderen Seite der Mond empor, fast ebenso purpurn und groß wie der Sonnenball vorher gewesen war. Sie wanderten wieder auf und ab, rastlos. Boris hob die kleinen, grünen, unscheinbaren Blütenbüschel der Ylang-Ylang-Bäume, die der Nachtwind von den Bäumen schüttelte, und gab sie in Indras Hände, überschauerte sie damit wie mit einem Regen. Die Nacht war schwül wie Treibhausluft. – »Was ist das für ein Haus, Brostoczicz, wohin Sie mich nach Yokohama holen, ist das auch ein Freudenhaus, kann ich nicht mehr heraus aus diesem Bann?«

»Ja, ich will Ihnen Wahrheit geben, Indra, es ist ein Haus der Freude, aber es sind nur Japanerinnen dort, und was Sie hier im europäischen Haus verletzt und stört, werden Sie dort nicht empfinden. Der asiatische Astartenkult steht turmhoch über dem unseren. Was in Europa Schmutz und Kot heißt, gilt dort für selbstverständlich, für ethisch berechtigt. Ich sagte Ihnen schon so oft, es gilt als die freie, natürliche Entfaltung unseres Körpers wie die Entfaltung der Blumen und Knospen an den Bäumen. Indra, könnten auch Sie sich nicht zu dieser Erkenntnis durchringen? Dann wüßte ich Sie doch ruhiger und glücklicher. Dann brauchte ich mir keine Vorwürfe mehr zu machen, Sie so lange bei Madame Vais zu lassen. Es ist keine Sünde, den Sinnen zu geben, was der Sinne ist; das ist ja alles nur verlogene europäische Konvention.« – Er sah, wie ein leises Zittern ihren Körper überlief. – »Indra, soll ich dich lehren, was die Sinne sind, und wie süß es ist, ihrem Begehr zu folgen?« – Ein leises Schluchzen drang an sein Ohr. Da riß er sie an sich und zog sie in das Palmendunkel.

Dort gab sich ihm die stolze, reine, dianenhafte Indra in zitternder Brunst. Dort schlürfte sie aus dem Taumelkelch der Sinne, aber nicht in Sünden und Schmutz, sondern in echtem Empfinden. Und niemals hatte Boris, der große Verführer, der abgefeimte Schurke, reiner empfunden, als da er dieses reine Weib wissend machte, es einweihte zu seinem Beruf der »Phryne«, den das Schicksal wie ein Lasso über ihr Haupt geworfen, wider ihr eigenes Wissen und Wollen. Die reine Seele trägt einen Mantel von Asbest, er bleibt auch im Feuer unversehrt und weiß im Kot.

Vier Wochen schon war Indra Hausdame bei Madame Vais. Mit ihrem hausfraulichen Walten war diese äußerst zufrieden, weit weniger aber mit ihrem Benehmen im Salon, wo sie, wie Madame sagte, die Unnahbare markierte.

Doch sie hoffte, das würde sich alles mit der Zeit geben, wenn das Liebesfluidum sie völlig durchtränkt hätte. Sie kam ja aus einer gar zu fernen Welt. Trotzdem glaubte Madame, daß Indra eine Zukunft hätte, und war darum entschlossen, sie in keinem Fall in den nächsten Jahren wieder herzugeben. – Brostoczicz hatte ihr schon einmal einen Austausch für sie mit einer Japanerin, aus Number nine in Yokohama, vorgeschlagen. Sie hatte ja doch genug deutsche Mädchen, und in Margot eine vollkommene Repräsentantin der Nation. So eine kleine Geisha, die den Männern wie eine kleine Maus über den Rücken spaziert, wäre doch wirklich eine Bereicherung der »pension« Vais. – Sie wollte sich’s überlegen, wenn Boris wiederkäme; vielleicht behielt sie auch dann alle beide, er solle die kleine Maus nur bringen.

Das Geschäft ging ganz gut in letzter Zeit! Es hatte entschieden einen vornehmeren Anstrich bekommen seit Indras Hausdamenschaft. Unwillkürlich waren sämtliche Preise gestiegen. Für Indra waren schon beträchtliche Angebote bei Madame eingelaufen, ihr selbst wagte man sie gar nicht ins Gesicht zu sagen, wenn sie einen so abweisend ansah. Madame wollte sie nicht zwingen. Noch nicht. Sie war eine Menschenkennerin und wollte das Früchtchen erst vollreif werden lassen. Margot war in ihrem Zenith. Wenn sie mit gebeugtem Köpfchen, ihrem Madonnenscheitel und ihrem weißen Spitzenkleidchen, die »Kunden« so taubenhaft unschuldig anschaute, waren alle hingerissen, besonders die Schwarzen. Und sie kamen auch immer wieder. Margot hatte eine feste Kundschaft, und das Geschäft ging flott. Sie hatte sich zehn Prozent Reingewinn von Madame erbeten und hatte auch schon ganz hübsche Preise. Sie war einfach süß und so echt weiblich. Sie betrieb das Geschäft vollkommen als amateur, l’art pour l’art, seit ihrer frühesten Jugend. Sie war aus guter Familie, aber früh Waise geworden. Trotzdem hatte sie eine glänzende Erziehung genossen, ihr Lehrerinnenexamen gemacht, und war von ihrem achtzehnten bis sechsundzwanzigsten Jahre bei den vier Kindern eines reichen Landedelmannes im Elsaß als Erzieherin tätig gewesen. Sie ward dort allgemein geliebt, geachtet, verehrt und bewundert und erfreute sich des tadellosesten Rufes. Jeden Sommer hatte sie vier Wochen Ferien, die sie stets in Kolmar bei »alten Freunden« der Familie verlebte (Adresse poste restante).

Im ersten Freudenhaus von Kolmar ward sie jeden ersten Juli (unter dem Namen Angela) von der ganzen Garnison mit ungeduldiger Freude erwartet. – Nach acht Jahren machte ein unglücklicher Zufall dem Stilleben und Doppelleben ein jähes Ende. Sie ward mit Schimpf und Schande aus dem Hause gejagt. Doch Margot ließ sich von Kolmar aus nach Singapore verschreiben. Sie war eine Lebens- und Liebeskünstlerin von unermüdlicher Ausdauer und Genußfähigkeit und animierte dadurch auch ihre jeweiligen Partner. Wie gesagt, sie war unendlich beliebt, wohin sie auch immer kam. Indra hatte sich an sie anschließen müssen; war sie doch immerhin, ihrer Bildung nach, der einzig mögliche Verkehr. Indra konnte mit ihr über alles sprechen. Aber Margot hatte ein Steckenpferd – die Sinneslust und die Sinnesfreude. Sie konnte sich auch nicht vorstellen, daß diese in einer Frauenbrust jemals erlöschen könnten. Madame hielt sie für einen geeigneten Umgang für Indra, gab dieser daher auch ein Zimmer mit geöffneter Durchgangstür neben Margot. Indra lernte viel, dachte viel, litt viel, litt unendlich. Von ihrer Mutter war noch immer kein Lebenszeichen gekommen. Indra fing nun allen Ernstes an zu glauben, Frau Versen wolle nichts mehr von ihrer Tochter wissen. Nachdem auch auf den beschwörenden Brief mit der Bitte um telegraphische Geldsendung, dem am anderen Tage eine nochmalige flehende Bittkarte um Eile gefolgt war, die ihr Boris sofort besorgt hatte, kein Lebenszeichen erfolgt war, auch nicht das leiseste Lebenszeichen! Nun hatte sie niemand, zu dem sie ein Zusammengehörigkeitsgefühl hatte, außer Boris. Aber auch an ihm fing sie wieder an zu zweifeln, nachdem ihr Margot mancherlei über ihn erzählt. Dunkle Gerüchte umgaben seine Person. Man sagte, er sei durch schändliches Gewerbe schwer reich geworden.

Nun war bald Weihnacht. Tiefe Wehmut überkam Indra bei diesem Gedanken. Ihre einzige Rettung war, sich mit Feuereifer auf den Hausstand zu werfen. Noch nie hatten die Damen der »pension« Vais so gut gegessen wie seit Indras Regiment. Und noch nie hatte Madame Vais so wenig Wirtschaftsgeld verbraucht. Indra hatte nicht umsonst den jahrelangen Kampf mit dem Pfennig durchgefochten. Eines Abends zeitig, sie trug gerade ein Glas mit Tuberrosen in den Salon, kam ein Fremder und fragte nach Fräulein Margot. Er war groß und schlank und hatte ein freies, stolzes, schönes Gesicht und Augen wie blaue Edelsteine. Indra schaute hinein, und es beschlich sie ein Gefühl des Neides, daß er nach Margot verlangte. »Sie sind noch nicht lange hier?« fragte er sie. – Indra: »Seit einem Monat, aber ich bin nur Hausdame.« – »Nur ist gut,« sagte er; »danken Sie Gott dafür und bleiben Sie immer nur.« – Indem trat Margot herein. Er sprang ihr entgegen und küßte ihr ritterlich die Hand. Sie sah ihn an wie ein verliebtes Kätzchen (sie sah reizender aus denn je in dem kindlichen Spitzenkleidchen), dann ging sie ans Klavier und spielte Chopin, sein Lieblingsstück. Sie spielte sehr gut. Der Ausdruck in seinen Zügen ergriff Indra. Margot sprang dann plötzlich auf, nahm eine Champagnerflasche und zwei Gläser. »Hausdame, notier’s!« rief sie lachend zu Indra hinüber und verschwand mit ihrem Freund nach ihrem Zimmer. Indra strich sich über die Stirn – war der nicht zu schade für Margot, der es weniger auf das Individuum als auf die Masse ankam? Sie steckte sich ein Zweiglein Tuberrosen an ihr schwarzes Kleidchen; sie trug sich ostentativ einfach. Madame schwieg dazu, weil sie sich sagte, um so mehr werde Indras Persönlichkeit auffallen, später, wenn sie anderweitig fürs »Geschäft« wirkte. Und sie sah wirklich überall nach dem Rechten und ließ keinen Gast, ohne daß er gezahlt hatte, heimlich hinausschlüpfen, wie es früher mehrfach vorgekommen war. – Wirklich, Madame war äußerst zufrieden. Indra war eine wirtschaftliche Perle und mußte in der »Liebe« Königin werden, wie sie sich poetisch ausdrückte, nachdem sie dies einmal von Boris gehört. Indra saß und wartete, Margot und der Fremde kamen nicht wieder.

Andere Herren fragten nach Ella und Bella. »Manche Herren woll’n was recht Schwarzes,« sagte Madame. Auch Spanierin, Italienerin und Griechin, wurden gewünscht, und die übrigen lehnten mit Madame malerisch an der Haustür. Der Fremde stand plötzlich wieder vor Indra. »Bitte, nehmen Sie ein drittes Glas und kommen Sie, mit uns anzustoßen.« – »Hat das Margot gewünscht?« – »Nein, aber ich wünsche es.« – »In Margots Zimmer und jetzt, nachdem?« sagte sie langsam. Eine dunkle Röte stieg in des Fremden Stirn. »Dann also nicht,« und er ging hinaus. – Indra aber fühlte, sie hatte recht getan, sie konnte mit keiner teilen.

Als der Fremde ging und den Champagner bei Indra zahlte, fragte er sie: »Wollen Sie das nächste Mal mit mir allein in Champagner anstoßen?« Nun war es Indra, die errötete. Sie blieb die Antwort schuldig. – Am anderen Abend kam er wieder – wieder so früh wie gestern. Und wieder traf er Indra allein. »Ich werde Margot rufen.« – »Nein, heut’ komm’ ich wegen Ihrer.« – »Was wollen Sie von mir?« – »Sie sehen, Sie sprechen, Ihr Wesen fühlen!« – »Kann man das?« – »Wenn man eine verwandte Seele hat, ja!« – »Was können Sie mit einem Mitglied der »Pension Vais« gemeinsam haben?« fragte sie bitter. – »Die Sehnsucht,« sagte er leise. Aus Indras Augen quollen Tränen. Sie stand auf, reichte ihm stumm die Hand und eilte hinaus.

Sie hörte ihn hernach in Margots Zimmer, Margots Taubengirren, seine dunkle, metallische Stimme. Es tat weh wie ein körperlicher Schmerz. Als er später den Champagner zahlte, hatte er wieder eine rote Stirn, wie in Scham. Dann küßte er ihr die Hand. »Wie Margot,« dachte sie bitter. Er kam nicht wieder. Abend für Abend wartete sie vergebens. Dann fragte sie einmal Margot nach ihm. Die konnte sich kaum noch erinnern, wen sie meine. »Ach den, das ist ein englischer Marineoffizier, er ist sehr nett, sehr reich und sehr generös. Aber allzu philosophisch veranlagt. Von der »Ars amandi« weiß er wenig.« Wieder lächelte sie ihr Monna-Lisa-Lächeln. »Trotzdem verkehrt er mit keiner anderen Frau in ganz Asien als mit mir. Und ich glaube es ihm gern, er ist keine starke Natur.« Margot nannte nur »Stiere« stark, alle anderen waren in ihren Augen Schwächlinge und Impotente.

Am Weihnachtsabend ging es besonders lustig zu in der Pension Vais. Indra hatte ein Orangenbäumchen als Christbaum mit Lichtern frisiert, und Margot spielte dazu »Stille Nacht, heilige Nacht«. Wie eine Blasphemie erschien es Indra. Es wurde viel Punsch konsumiert an jenem Abend, alle Fräulein waren separat beschäftigt, und Madame strahlte.

Drei Angebote hatte sie heute für Indra. Sie vertröstete alle Liebhaber auf die nächste Zukunft. Aber sie mußte dem Mädchen doch sagen, daß, wenn sie nur wolle, sie Margot bald Konkurrenz machen könne. – »Aber ich will nicht,« sagte Indra, »ich bin Hausdame, man kann nicht zweien Herren dienen.« – Und das Leben ging seinen Gang. Es kam kein Brief für sie, ihre Mutter hatte sie vergessen.

Ihr war’s, als solle sie innerlich versteinen. Nun war sie vogelfrei – nun konnte der erste beste seinen Mut an ihr fühlen, und keiner durfte es ihm verwehren. Wenn nur Boris bald kam, sie von hier fortzunehmen. Die »europäische« Sinnenlust ward ihr immer schrecklicher. Wie recht doch Boris hatte, daß die Asiaten alles viel harmloser, viel natürlicher auffassen und viel selbstverständlicher und daher weniger verletzend. Und wie ganz anders wieder war die Stellung der »Hetäre« bei den Asiaten. Das konnte sie schon an den Singjonggirls und den japanischen Freudenmädchen beobachten, die von den Ihren nicht wie Ausgestoßene, sondern wie ihresgleichen behandelt wurden. Mit Ruhe und selbstverständlicher Höflichkeit. Während die Männer, die Europäer und Amerikaner, die die Pension Vais frequentierten, zuerst mit karikierter Förmlichkeit und Courtoisie, sobald sie sich unbeobachtet glaubten, mit zupackender Roheit auftraten. Ella und Bella berechtigten auch zu dieser Art. Und die anderen exotischen Europäerinnen gleichfalls. Margot aber ließ sich das einfach nicht gestatten und hatte sich denn auch aus ihren ständigen und vorübergehenden Kunden einen richtigen Hofstaat gebildet. Die »zupackende Roheit« goutierte sie jedenfalls nicht in der Öffentlichkeit! Aber das Hetärentum in Europa mußte sehr im argen liegen, das ersah Indra aus seinen Dependenzen in Asien. Sie dachte viel über Boris’ Worte nach, er hatte vollkommen recht. Nicht die Sinne und die Sinnlichkeit an sich sind das Tadelnswerte, sondern der Popanz, den die Kulturmenschen daraus machen.

Und so gingen die Tage ihren Lauf. Margots Freund kam nicht wieder. Das wäre der einzige gewesen, nach dem ihre Sinne Verlangen getragen unter all der bunten, zusammengewürfelten Männerschar, die täglich ihren Weg kreuzte und deren »drinks« an Indra, die Hausdame, bezahlt wurden. Aber er kam nicht wieder. Und es kam auch kein Brief. Ihre Mutter hatte sie zu den Toten geworfen. Ihre oftbetonte Mutterliebe konnte also doch nicht allzu tief gewesen sein. Wie heißt es doch in der Bibel? Die Liebe trägt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles. Was hatte ihrer Mutter Liebe für sie geglaubt, für sie getragen, gehofft und geduldet? Ein bitteres Gefühl erfüllte sie, sie glaubte daran zu ersticken. War sie wirklich dieser Liebe unwürdig geworden? War sie nicht im Gegenteil in ihrer Seele durch diese Leiden und Erfahrungen reifer, tiefer und besser geworden? Lebenstüchtiger, wissender, einsichtsvoller? Nein, sie brauchte vor niemand die Augen niederzuschlagen. Noch nicht, aber nachher in Yokohama, in Number nine, wo sie sich der allgemeinen Ordnung wohl einfügen mußte und jedem Mann gehören, der zufällig ein Auge auf sie würfe? Ihr grauste nun doch. Aber – was bliebe ihr denn hier auf die Dauer anderes übrig? Das nämliche unter einer »Madame«, die sie haßte. Hatte Boris nicht gesagt, daß dort alles ganz anders, schöner, besser sei? Daß sie dort als Japanerin behandelt und gekleidet würde? Dann wollte sie also dort den ganzen europäischen Tiefstand vergessen und sich als Japanerin in einem allgemein geachteten Beruf fühlen. Wenn sie nun doch einmal zum Hetärentum verurteilt war! Wenn keine Hilfe vom Himmel noch von der Erde kam, sie davor zu retten.

Und so vergingen die Tage. Man war schon Ende Februar. Für Indra kam keine Kunde. Aber nun mußte Boris bald zurückkommen. Madame hatte sich ausgerechnet, daß Indra ihr doch mehr einbrächte, wenn sie sie in den großen Liebesdienst einstellte und sich mit einer weniger vorzüglichen Hausdame begnügte. So hatte sie Indra verständigt, daß sie morgen, am sechsundzwanzigsten Februar, eines der Feenkleidchen anziehen und zum Freudendienst hinuntergehen müsse, die strengeren Hausdamenpflichten einer anderen Hilfe überlassend. Ein alter »Dragoner« war dafür schon eingerückt, eine Ausrangierte, wie Madame sagte.

Sie hatte Indra ein kirschfarbenes, tiefdekolletiertes Seidenfähnchen ausgesucht, das ihre herrlichen Formen mehr zeigte als verhüllte. Dann sollte sie ihr lockiges Haar in seiner dunklen Fülle frei fließen lassen, über der Stirn lag ein Similibrillant. Madame selber hatte sie angezogen und frisiert. Nun führte sie sie hinunter, und anfangs erkannte niemand unter der neuen Schönheit, von Madame geschminkt und zurechtgemacht, die keusche »Hausdame«. Da trat plötzlich, wie ein Deus ex Machina, Boris in den Empfangssaal, von allen mit Jubel begrüßt. Indra aber wäre ihm in der Freude ihres Herzens fast um den Hals gefallen.

»Wie sehen Sie denn aus,« meinte er stirnrunzelnd, »wie die Leichtsinnigste aller Leichtsinnigen.« Und dann hatte er mit Madame eine heimliche, lange und heftige Unterredung, in der er ihr bedeutete, daß die Polizei ihnen auf der Fährte sei und es absolut nötig sei, so schnell wie möglich, Indras Spur zu verwischen. Zu diesem Zweck müsse er sie morgen früh auf dem P.N.O-(Pieno)-Steamer nach Yokohama bringen, und zwar in ganz dunkler, schlichter Kleidung. Zum Austausch habe er die kleine, reizende Japanerin mitgebracht, von der er früher schon gesprochen. Sie wartete im Vorzimmer und war das allgemeine Entzücken, als er sie hereinbrachte. Fudji (Glycinia) küßte Madame die Hand und sah so reizend in ihrem blauseidenen Kimono aus, daß diese sich mit dem Gedanken vertraut machte, Indra zu verlieren, von deren Zukunft sie sich ja so goldene Berge versprochen hatte. Indra war zumute wie einem zum Tode Verurteilten, dem man im letzten Moment das Begnadigungsurteil gesprochen. Boris führte sie eigenhändig in ihr Zimmer zurück und – nahm sie wieder im Sturm.

Sie war ihm so dankbar, sie wehrte ihm nichts. Es tat ihr auch beinahe wohl, sich an seinem Herzen auszuleben. War er nicht ihr Retter, ihr Beschützer trotz allem? Liebe fühlte sie nicht für ihn, das wußte sie nun, seitdem sie Margots Freund in die Augen gesehen – aber sie war ihm so dankbar, und seine Nähe tat ihr wohl. Und ihre Sinne hatten gedarbt in seiner Abwesenheit. In der Liebesluft ringsum waren sie unendlich ins Kraut geschossen. Er war erstaunt und berauscht, wie köstlich sich ihr Weibtum entfaltet hatte. Und er nahm sie ganz und nahm und gab ihr dunkle Freuden. Trotz allem – Astartens Fittiche rauschten wieder über beiden.


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