Franz Pocci
Lustiges Komödienbüchlein – Drittes Bändchen
Franz Pocci

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Die stolze Hildegard
oder
Asprian mit dem Zauberspiegel.

vorsatzblatt
Großes Ritterschauspiel in drei Aufzügen.

Personen.

Ritter Kuno von Hoheneck.

Hildegardis, seine Tochter.

Ritter Albert von Waldeck.

Ritter Georg von Felsenau.

Ritter Hans vom Elend.

Kasperl, sein Knappe.

Wiltrud, eine Hexe.

Asprian, Köhler, ihr Sohn.

Ein Bauer.

Jäger, Knappen und Burgleute.

I. Aufzug.

Waldgegend. Im Hintergründe die Burg Hoheneck. Seitwärts an der zweiten Coulisse das Häuschen der Wiltrud.

Ritter Hans und Kasperl treten ein.

Ritter Hans. Der Beschreibung nach, die man mir machte, muß jenes Schloß dort Hoheneck sein, wo die schöne aber so stolze Hildegardis mit ihrem Vater dem Ritter Kuno haust.

Kasperl. Mir wär's recht; denn der Gspaß dauert mir schon lang z' lang, daß wir schon sechs Wochen und a halbs Jahr dazu als Hungerleider rumziehen und das Schloß suchen. Und Sie – Sie wollen gar a fahrender Ritter heißen und laufen alleweil z' Fuß umenand. Was en ordentlicher fahrender Ritter ist, der soll eine Eklipage haben und in einer Kutschenchaisen sitzen, sonst kann er sich nicht fahrender Ritter tituliren. Das ist also eine blosse Renomage oder eine schwarze Verläumdung und Aufschneiderei.

Hans. Schweige mit Deinem unnöthigen Geschwätze!

Kasperl. Ja, ein unnöthig's Gschwatz! Ich sag' aber, das ist ein unnöthigs Umanandlaufen wegen der stolzen Mamsell da oben. Und nacher, wenn wir mitenander naufkraxelt sind, da heißt's vermuthlich wieder abschieben.

Hans. Das wird sich zeigen, Bursche. Geh lieber zu dem Häuschen dort und frage, ob dies die Burg Hoheneck ist.

Kaspar. Jedenfalls kann ich das Häusl nit fragen; denn das könnt mir kein Antwort geben; also muß ich die Leut fragen, die drin sind. Versteh'n S' mich, Herr Ritter? So g'scheid bin ich doch.

Hans. Geh' nur, geh und erkundige Dich.

Kasperl (der an das Häuschen tritt und anklopft.) Heda! mit Verlaub, aufgmacht! wir möchten gern was wissen. (nach einer Pause.) Entweder haben die Leut keine Ohren oder sie schlafen, oder es ist sogar gar Niemand drin! – (lauter) Heda! Schlipperement! Was ist das für eine Bagage, die nicht antwort'. Raus da oder ich schlag's Fenster ein mit die pappedeckelnen Scheiben!

Wiltrud (schaut zum Fenster heraus.) Was ist für ein Lärm draußen?

Kasperl Pfui Teufel, das Gsicht! aber die Nasen! Allerschönstes Fräulein, ich soll was fragen.

Wiltrud. Was wollt ihr?

Kasperl. Mein Herr möcht gern wissen, ob das Schloß da hinten, da oben die Burg – die Burg – die Burg – ja wie heißt denn die Burg, Herr Ritter? Ich hab's vergessen.

Hans. Hoheneck, einfältiger Bursch!

Kasperl. Also, ob die Burg da hinten die Burg Hohenschneck ist.

Wiltrud. Was sind das für eitel Fragen? Steigt nur hinauf und ihr werdet's erfahren. (schlägt das Fenster zu.)

Kasperl. Dieses Weibsbild scheint sehr ungebildet zu sein, so gewissermassen etwas grob vielmehr.

Hans. Frag nur noch einmal!

Kasperl. Probir'n mir's also noch a mal. (klopft am Fenster) Allerallerallerallerschönste, wollen Sie mir buliebigst eine Andeutung geben, wie diese Schloßburg da oben benamst ist?

Wiltrud. (wieder am Fenster.) Laßt mich in Ruhe!

Die Burg ist Hoheneck genannt
Und ist schon sechsmal abgebrannt;
Es bellt der Hund, es kräht der Hahn,
Und wer's nicht glaubt, der steig' hinan.

(Schlägt das Fenster zu.)

Kasperl. Jetzt wissen's wir's also:

Es kräht der Hund es bellt der Hahn
Und wer's nicht glaubt, dem liegt nix dran!

Wiltrud (aus dem Hause tretend.) Ja, edler Ritter, das ist die Burg Hoheneck; allein wenn Ihr etwan um das schöne Fräulein Hildegardis freien wolltet, so bleibt lieber unten und bemüht euch nicht den Berg hinauf; das haben schon Viele versucht, die wieder schmachvoll abgezogen sind oder gar elend ums Leben gekommen wegen ihrer thörichten Liebe.

Hans. Mir einerlei! Ich wag es dennoch; denn was hätt' ich zu verlieren? Ich bin ein armer fahrender Ritter.

Kasperl. Jetzt kommt er schon wieder mit sei'm fahren!

Hans. Meine Burg heißt Elend.

Kasperl. Und Noth.

Hans. Ich habe nichts als mein gutes Schwert.

Kasperl. Und nicht emal ein Pferd!

Hans Ich will mir die schöne Hildegardis holen oder untergeh'n.

Kasperl. Ich bleib ledig und geh' aus'n Dienst; mit dem Untergeh'n will ich meinerseits Nichts zu schaffen haben.

Wiltrud So geht denn in euer Verderben, wenn ihr's selbst wollt!

Hans. Ein echter Ritter kennt keine Furcht!

Kasperl. Ja, ein ächter Ritter kennt seinen Durst!

Hans. Komm, mein Knappe; ich will hinauf.

Kasperl (großartig.) Ja wir woll'n hinauf und schau'n, daß wir was z' essen und z' trinken kriegen.

Hans. Sieg oder Tod! (ab gegen die Burg)

Kasperl. Knödel oder Sauerkraut! (ab)

Wiltrud (allein.) Ja geh nur, Du Narr! geh nur! Hildegard ist kein Blümlein für Dich gewachsen; auch für keinen Andern, als für mein liebes Söhnchen Asprian. Alle Ritter, die um sie werben, weist sie zwar schnöde ab: denn keiner ist ihr gut genug, aber ich hab sie für meinen Herzenssohn Asprian aufgehoben. Der häßliche Bursch kriegt keine Dirne zum Weib; aber Hildegard soll er doch haben und dann Burgherr auf Hoheneck werden. Und wenn es an der Zeit ist, daß der alte Kuno endlich des Hochmuths seiner Tochter überdrüssig wird, wenn kein Ritter mehr kommen will, um ihre Hand zu werben, dann soll mein Asprian auf die Burg steigen. Ich will ihm ein schönes Wams anziehen und Schwungfedern auf sein Käpplein stecken, damit er wie ein Ritter aussieht und da doch kein Ritter den Spiegel der Wahrheit meinem Asprian entrissen haben wird, dann – ja dann wird sie wohl froh sein, sein Weib zu werden! hi hi hi! (lacht.) dann wird sie ihn schon nehmen wollen, wenn ihr Hochmuth gebeugt ist, hihihi! (im Abgehen) Ja, freu Dich nur, Herzenssöhnchen; goldner Asprian, freu Dich; die schöne Hildegard soll Dein sein! (ab in's Haus.)

(Hörnerklang, hinter der Scene, bald darauf Hildegard im Jagdgewand, mit ihr Albert von Waldeck und Georg von Felsenau mit Jagd-Gefolge.)

Hildegard. Genug der Jagd für heute, ihr Herrn! (zu den Jägern) Blast ab! (Hornstoß, der hinter der Scene beantwortet wird.)

Albert. Meisterlich habt ihr den Hirsch erlegt, edles Fräulein.

(Ein Hirsch wird über die Bühne getragen.)

Georg. Seht, da bringen Sie ihn. Welch Prachtgeweih ihn ziert. Ihr müßt's in die Trinkstube eures Vaters aufhängen lassen mit den andern der Hirsche, die ihr mit eigner Hand erlegt habt.

Hildegard. Das Waidwerk ist meine Lust und Freude.

Albert. Ja wohl schöne Hildegard. Wißt ihr aber auch aus welcher Ursache? – Weil ihr Freude daran habt, ein Wild zu erjagen.

Hildegard. Nun ja, das ist ja der Zweck des Waidwerks.

Albert. Und uns wollt ihr's verdenken, daß wir einer unvergleichbar edleren Jagd pflegen, als der, ein Reh, oder einen Hirsch zu gewinnen?

Hildegard. Ihr meint wohl, daß ihr nach mir jaget? Ha, haha!

Georg. Fürwahr, schönes Fräulein. Wir thun's mit Lust und Lieb; und wem es endlich gelungen sein mag, das edle Wild zu erbeuten, der sei auch von Herzen beneidet darob.

Hildegard. Aber ihr wißt doch, daß ihr ins Blaue jagt. Das Wild entschlüpft euch immer und wolltet ihr es gar schlau mit dem Netze fangen, so würde es das Garn durchbrechen.

Albert. Und dennoch lassen wir nicht ab. Einer von uns Beiden muß es gewinnen.

Hildegard. Gebt euch doch fürder keine Mühe. Ich hab's schon oft genug erklärt: der Mann, der mich zum Weibe haben soll, ist nicht geboren; frei will ich sein, frei bleiben mein Lebtag; und darum auch habe ich die harte Bedingung gesetzt, daß nur der mich als Weib gewinnt, der mir den Zauberspiegel bringt, den der Köhler Asprian in seiner Höhle bewahrt. Keiner hat's noch vollbracht! Die Leichen der unglücklichen Bewerber haben die Wölfe des Waldes gefressen oder die Raben auf der Haide und Asprian schneidet ihnen aber zuvor die Köpfe ab und ziert mit diesen Todtenschädeln sein Felsengemach! Wolltet ihr's auch versuchen, mit dem unüberwindlichen Asprian zu kämpfen? Schad' um euer Leben, ihr edlen Ritter!

Albert und Georg (zugleich.) Ja, wir wollen's!

Albert. Und morgen sei's; denn fürwahr, stolze Schöne, eures Trotzes sind wir müde.

Georg. Wenn Du es zuerst wagen willst, steh' ich gerne nach.

Albert. Ich denke wir loosen darum, wenn es dem Fräulein genehm ist.

Hildegard. Loost, so viel ihr wollt, – darum freilich nur: wer zuerst von des Köhlers Asprian Keule erschlagen werde. Loost, ihr Herrn! heut Abend beim Imbiß. Kommt jetzt, – auf Hoheneck!

(Alle ab.)

Verwandlung.

Gemach auf Burg Hoheneck.

Ritter Kuno mit Hans vom Elend eintretend.

Kuno. Seid mir willkommen, edler Ritter.

Hans. Habt Dank für den gastlichen Willkomm.

Kuno. Also auch Ihr wollt es versuchen, das stolze Herz meiner Tochter zu erweichen? Das wird euch ebenso wenig gelingen, als all den andern Bewerbern, die entweder gleich wieder abgezogen sind oder im Kampfe mit dem riesigen Köhler unterlagen.

Hans. Ja, aber der Preis ist ein so herrlicher, daß ich gerne mein Leben wage. Ringsum in allen Gauen erschallt das Lob von der Schönheit euer Tochter. Ich habe freilich nichts zu bieten als den Schild meiner Ahnen und mein bewährtes ritterliches Schwert. Meine Burg ist schier verfallen. Mein Vater starb geächtet, weil er es nicht mit dem Kaiser gehalten. Nichts ließ er mir zum Erbe als Elend, wie die Burg genannt ist, weil sie auf einer elenden Haide erbaut ward.

Kuno. Aber euer Geschlecht ist alten Namens; ich kenn' es wohl und ich acht' euch nicht geringer ob eurer Armuth, als wäret ihr der reichste Ritter im Lande; denn des Ritters wahrer Reichthum ist ja doch eigentlich die Ehre und sein Schwert! Drum laßt gleich einen Humpen zusammen leeren auf euer edles Ritterthum! (ruft) Heda! bringt Wein!

Hans. Ihr seid allzugütig.

Ein Diener bringt zwei Becher Wein.

(Sie trinken, nachdem sie angestoßen haben.)

Kuno. Noch einmal! Seid mir willkommen!

Hans. Aber, wo ist das Fräulein?

Kuno. Hildegard pflegt der Jagd mit zwei Rittern, die sich auch um ihre Hand bewerben; aber sie muß bald heimkehren; denn ich vernahm schon der Hörner Klang im nahen Walde.

Hans. So ich bin also der Dritte hier auf eurer Burg, der euer Eidam werden möchte!

Kuno. Ja wohl, ihr seid's; und fürwahr, ich hab in dieser kurzen Zeit schon ein so groß Vertrauen zu euch gewonnen, daß euer Sieg mir zur Freude gereichen würde!

Hans. Dank' euch, edler Herr! Gewiß würde ich mich eurer Liebe würdig zeigen.

Hornruf draußen

Kuno. Aha! Sie kommen. Die Jagd ist aus.

Hildegard mit Albert und Georg treten ein.

Hildegard (mit Lebhaftigkeit.) Der Hirsch ist mein, theurer Vater!

Albert. Mit kühnem Speerwurfe hat ihn das Fräulein erlegt.

Georg. Nur ein paar Sprünge machte er noch durch's Dickicht; dann stürzte er –

Hildegard. Und mit dem Waidmesser gab ich ihm den Fang, daß der rothe Schweiß hoch aufspritzte. (Hans erblickend.) Ei sie da – ein Gast? – Willkommen edler Ritter! Was führt euch auf Burg Hoheneck?

Hans Das Kleeblatt vollzumachen.

Hildegard (spöttisch.) Ein Dritter also in der gütigen Bewerber Zahl!

Hans. So ist's – und nichts für ungut, ihr Herrn, wenn ich mich anreihe.

Georg. Gott zum Gruß!

Albert. Um hohes Gut gemeinsam kämpfen ist ein edles Turnei!

Hans. Wohl dem, der den Preis gewinnt!

Hildegard. Nun könnt ihr also zu Dreien loosen, wer zuerst sein Leben um mich zu wagen Lust hat. Aber ich möchte euch rathen, lieber in Frieden heimzuziehen.

Albert, Georg und Hans (zugleich.) Nimmermehr!

Hildegard. Wie es euch beliebt, wenn ihr euer Verderben wollt.

Hans. Ich weiß, daß es einen Kampf gilt, in dem noch Alle, die ihn bisher gewagt haben, untergingen. Jenen Zauberspiegel wollt ihr, der die Wahrheit dem zeigt, der ihn besitzt.

Hildegard. Ist's nicht wohlgethan, wenn man nach Wahrheit strebt?

Kuno (zu Hildegard.) Und hast Du den Spiegel einmal, so wirst Du aus ihm Deines Herzens Stolz erkennen.

Hildegard. Dann werd' ich mich auch zu fügen wissen. Nun, was wollt ihr mehr? Wer mir den Spiegel bringt, dem reich' ich meine Hand, als Gattin und ich bin sein! Dieß gelob' ich. Nun, mögt ihr loosen. Dort steht ein güldner Becher. Zwei Kugeln liegen darin – Eine weiß, die andere schwarz. Wer die schwarze zieht, ist der erste zum Kampfe mit Asprian.

Hans. So kommt, laßt uns ziehen!

Kuno. Blickt auf und schaut nicht abwärts, daß nur der Griff der Hand wähle. Ritter Albert, ihr wart der erste hier, ihr habt also das erste Anrecht.

Albert. Wohlan! (greift in den Becher) Schwarz! Ich bin der erste.

Hildegard. Werft die Kugel wieder in den Becher. Nun ist's an euch, Ritter Georg – ihr wart ja der zweite Bewerber.

Georg (er zieht.) Schwarz! Hat Albert nicht gesiegt, so bring ich euch den Spiegel.

Hans. Und so wäre denn ich der letzte, wenn ihr Beide erlegen wärt.

Kuno. Gott schütz euch! Der Kampf ist herb und hart; denn der Tod des Einen ist Brautwerber für den Andern. Drum aber meide keiner den Sieger!

Die drei Ritter (reichen sich die Hände.) Keiner, wir schwören's!

Kuno. So sei's denn! Nun laßt uns zum Abendschmaus gehen; Hildegard wird euch den besten Rheingauer kredenzen. (Alle ab.)

Kasperl (tritt ein.) (im hochtragischen Tone.) Ha! Ich weiß nun Alles: Eine schwarze Kugel – eine weiße Kugel! Ja wenn die schwarze Kugel nicht schwarz wäre, so wäre sie vielleicht weiß. Schwarz oder weiß – dieß ist das Loosungswort für den Kampf um den Zauberspiegel. Wenn ich mich aber gewissermassen und aus ganz besonderen Ursachen weniger an dem näheren Umgang mit dem Riesen Asprian oder wie er heißt zu betheiligen beabsichtige so – jetzt Kasperl paß auf – so – Schlipperment (in gewöhnlichem Tone.) warum soll denn ich's nit auch probieren, daß ich das Ritterfräulein krieg? Aber wie? Könnt' ich nit zum Beispiel durch meine Pfiffigkeit den gewissen Spiegel da stibitzen, derweil die Ritter so dumm sind, sich mit dem Kohlenbrenner rumz'raufen? Dieser Gedanke ist groß: und wenn ich diesen Spiegel gestibitzt habe, werde ich im ritterlichen Costüm, das ich auch irgendwo stibitzen kann, den Zauberspiegel in der Hand, mich vor dem Fräulein hinstürzen und als ihren Gemahl produziren. Denn sie hat's ja geschworen, daß wer ihr den Spiegel bringt ihr Gemahl wird. Also Courage Kasperl! sei gscheid! Ich werd morgen den Rittern nachschleichen und vielleicht, vielleicht sind mir die unterirdischen oder oberirdischen Mächte hold. Pumpadara!

(Es donnert)

Hören's auf da oben! oder sollte dieser Donner ein zarter Wink des Schicksals sein? (mit Wichtigkeit) Dieses wird sich im zweiten Akte zeigen!

Der Vorhang fällt.

Ende des ersten Aufzuges.

II. Aufzug.

Waldiges Felsenthal.

Der Eingang in Asprian's Höhle sichtbar. Im Hintergrunde ein rauchender Meiler. Nacht, der Morgen-Dämmerung nahe; der Vollmond am Himmel.

Wiltrud (tritt ein.) Die Nacht ist hell, bald aber graut der Morgen. Mich ließ es nicht mehr ruhen. Ich muß zu meinem Herzenssöhnlein Asprian, der noch nicht ahnet, daß ihn heute noch die Ritter bekämpfen werden. Mondschein was sagst Du mir? Huiauf ihr Raben und Eulen! Huiauf! was habt ihr mir zu verkünden?

(Während der Vollmond blutroth wird, flattert eine Schaar Eulen und Raben über die Bühne mit Geschrei und Gekräh.)

Hoho, was ist das für ein Lumpenpack? was fliegt ihr in die Nacht hinein und warum nicht gegen das Morgenroth? Galgenvögel! Und Du dort oben wirst blutroth? Der Wiederschein des ritterlichen Blutes, das da fliehen soll? nicht wahr? denn meinem Asprian darf nichts geschehen; der ist ja stärker als Alle.

(Der Wind rauscht durch die Baumwipfel.)

Holla, da rauscht's von Osten her und weht die Morgennebel über die Mondscheibe hin!

(ruft in die Höhe)

Asprian! Asprian! mein Herzkind! – hörst Du nicht? Komm doch heraus! Dein Mütterlein ist da.

Asplian (drinnen) Wer ruft mich? laßt mir Ruhe!

Wildtrud. Ich bin's ja, ich bin's! Komm nur; Du sollst was Neues hören.

Asprian (tritt aus der Höhle.) Da bin ich, aber was kommst Du nicht herein zu mir? Ich lag auf der Bärenhaut, war faul vom Kohlenbrennen.

Wiltrud. Hör mich, Asprian! nun soll die stolze Hildegard bald dein sein.

Asprian. Heisa! Da bekomm' ich ein schönes Weib in in mein Felsenloch.

Wiltrud. Dann mußt Du aber nicht so ungeschlacht sein, Herzenssöhnlein, sondern hübsch sanft und gut.

Asprian Hol der Henker die Sanftmuth! Warum bin ich so geboren, wie ich bin? Warum ist der Bär kein Lamm und der Wolf kein Schaf? Wenn mir was unter die Hand kömmt, muß ich es erdrücken; was kann ich dafür? ich bin eben der starke Asprian! – Aber mit der schonen Hildegard will ich sanft sein und gut. Mutter Wiltrud, wann bekomm' ich sie?

Wiltrud. Merk' auf, Asprian: heute werden zwei Ritter kommen, einer nach dem andern. Mit denen wirst Du bald fertig werden.

Asprian. Wieder ein paar Schädel mehr als Zierrath in meine Kammer!

Wiltrud. Weiß schon, Dich bezwingt Keiner. Nun, wenn Du die zwei erschlagen hast, dann kömmt aber noch ein Dritter. Der wird Dir zu schaffen machen, denn sein Schwert und Schild sind am heiligen Grabe geweiht. Suche ihm vor Allem seine Waffen zu entwinden; dann hast Du leichtes Spiel mit ihm.

Asprian. Ich fürcht' auch derlei Waffen nicht. Meine Keule ist durch Drachenblut geweiht. Den Burschen schlag ich mit dem ersten Streich nieder, wie die Andern alle.

Wiltrud Gut denn! Wenn Du die 3 Ritter erschlagen hast, dann ist's an der Zeit. Hildegardis Vater, ihres Hochmuth müde, dem auch diese drei Bewerber zum Opfer fielen, wird unserer Bewerbung geneigt sein. Sagt Hildegardis nicht »Ja« und will sie Dich dennoch nicht zum Gemahl haben, so kannst Du sie Dir ja entführen. Dazu kann ich Dir wohl behilflich sein durch meine List und Klugheit.

Asprian. Und wenn ich sie habe, dann erdrück' ich sie!

Wiltrud. Pfui, mein Sohn! Du wolltest ja sanft und fromm mit ihr thun.

Asprian. Aja, Mutter! wenn ich sie nur einmal in meiner Höhle drinnen habe. Sie soll mir Wildschweinkeulen rösten und Eicheln braten und Branntwein bereiten aus Waldbeeren. Kann sie das, dann will ich sie nicht erdrücken. Und in Schlaf soll sie mich singen, wenn ich vom Kohlenbrennen müd bin.

Wiltrud. Gut denn, Asprian! – Sieh der Mond ist verschwunden und der Morgen graut. Ich gehe jetzt; denn die Ritter werden bald nah'n.

Asprian. Geh' nur, Mutter, und sei ohne Sorge.

Wiltrud. Mittags komm ich wieder, da sind die Ritter wohl alle todt.

Asprian. Heisa, da sind sie freilich todt! (Wiltrud ab.)

Asprian. Kommt nur ihr Helden mit Schwert und Harnisch! Ihr sollt den Asprian finden! (ab in die Höhle.)

(Die Ritter Albert und Georg treten geharnischt ein.)

Albert. Hier ist die Höhle, wir sind zur Stelle.

Georg. Sieh dort den rauchenden Meiler, das ist Asprian's Werkstätte.

Albert. Gott schütze mich! Mit seiner Hülfe will ich den Kampf unternehmen.

Georg. Ich werde in der Nähe bleiben und sehe ich Dich wanken, so werde ich herbeieilen, um Dir beizustehen.

Albert. Und wenn ich unterliege, so möge Dir der Kampf gelingen. Dann bringe den Zauberspiegel der stolzen Hildegardis und sie mag aus ihm erkennen, wie grausam und thöricht sie war. Grüße sie von mir, der mit so vielen Anderen als ihr Opfer fiel! Nun, leb wohl! Zieh' Dich zurück.

Georg. Leb wohl, theurer Albert! (ab)

Albert (gegen die Höhle.) Heda! wo bist Du, Asprian? Asprian? da ist Einer heraußen, der mit Dir kämpfen und sich den Zauberspiegel holen will!

Asprian (drinnen.) Ha, ha, ha! wieder so ein Narr, der sein Leben verlieren will! Geh lieber heim!

Albert. Ich gehe nicht, und wenn Du den Muth nicht hast herauszukommen, so werde ich Dich schon zu finden wissen.

Asprian (lacht wieder drinnen.) So komm!

Albert. Wohlan! fürchte mein Schwert! ich komme.

(ab in die Höhle, aus welcher man bald den Kampf vernimmt. Nach einigen Schwert- und Keulenschlägcn ruft Albert drinnen;)

Albert. Weh mir ich bin des Todes! (Gelächter Asprians.)

Asprian (des Ritters Leiche herausschleppend.) So, da hast Du's! Hinein mit Dir in den Kohlhaufen. Aus den Knochen hole ich mir dann Deinen Schädel.

(er wirft den Leichnam in den Kohlhaufen, der hoch auflammt.)

Georg (rasch eintretend.) Elender! Da ist noch Einer! aber mich sollst Du nicht besiegen. – Armer, unglücklicher Albert, ich will Dich rächen und die Rache soll meinen Arm stählen!

Asprian. Da sieh, wie es Deinem Vorgänger geschehen! Der bratet schon. Da kommst Du auch hinein!

Georg. Laß sehen, Elender!

Asprian. Her da! An meiner Keule wird bald Dein Blut träufeln!

(Sie kämpfen und zieh'n sich hinter die Coulissen zurück, Kasperl schleicht von der anderen Seite herein.)

Kasperl. Da gibt's Prügel! Schlapperdibix! Jetzt heißt's geschwind sein! Wenn ich nur das schöne Spiegerl aber auch gleich find!

(ab in die Höhle. Man hört die Kämpfenden sich wieder nähern. Kasperl springt aus der Höhle, den Zauberspiegel in der Hand.)

Kasperl. Juhe! Da hab ich, was ich brauch! Aber jetzt heißt's davonlaufen. Victoria! den Preis des Kampfes hab' ich, die Schläg' überlaß' ich den Andern! (ab.)

(Georg mit Asprian kommen kämpfend wieder herein.)

Georg. Ich mach Dir warm, Bursche!

Asprian. Deine Schläge sind gut. Aber wart nur!

(schlägt mit der Keule.)

Georg. Weh mir! (er sinkt zu Boden.)

Asprian. So! noch Einer, noch Einer –

Georg (sich wehrend) Herrgott, steh mir bei! (fällt und stirbt.)

Asprian. Narr, Du hast's ja so gewollt. (schleppt ihn gegen den Kohlhaufen.) So, jetzt soll das zweite Mäuslein braten. Und nun ein guter Trunk darauf!

(Ritter Hans tritt rasch ein.)

Hans. Halt, Verfluchter! Ich will Dir's eintränken!

Asprian Oho! Da ist ja schon der Dritte! (höhnisch) Sind Deine Waffen geweiht, edler Kämpe?

Hans. Einerlei für Dich, aber mein Schwert soll Dir's zeigen! (Dringt auf ihn ein.)

Asprian. Nun, wenn Du willst, so sei's.

Verwandlung.

Waldgegend.
Im Hintergrunde Burg Hoheneck wie im zweiten Aufzuge.

Hildegardis (tritt ein.) Die Sonne steht schon hoch und senkt ihre Strahlen sengend herab. Der Gang im Walde hat mich ermattet. Ich mußte hinaus in die Einsamkeit von Unruhe getrieben. Drei edle Männer wagen nun ihr Leben für mich wieder! Vielleicht sind sie, jetzt schon erlegen! Hildegard! thust du recht daran? – Aber es ist, als ob eine unbekannte Gewalt sich meiner bemächtigt hätte. Ich muß – und weiß nicht warum und wie? – Ach, wie müd bin ich! Ich will hier ein wenig ruhen, bevor ich den Berg hinansteige. (setzt sich auf eine Rasenbank.)

Ich möchte schlummern und kann nicht! Was ist's aber, das mich innerlich so sehr bewegt und beunruhigt? Jetzt vielleicht kämpfen die edlen Ritter um meinetwillen. Vielleicht sind sie schon gefallen; denn Keiner hat noch den starken Asprian überwältigt, Keiner, der je mit ihm gekämpft! – Gehst du nicht zu weit mit deinem Stolze, Hildegard? Bist du berechtigt, Menschenleben zu opfern um deiner Freiheit willen? Und auch ihn ließ ich hinzieh'n zu seinem Untergang? Ihn – den Herrlichen, edlen Hans von Elend! O hätte ich ihn nicht fortgelassen! Mein Herz fühlte sich ergriffen – schon bei der ersten Begegnung mit ihm. Weh mir! Nun soll ich selbst auf das Bitterste gestraft werden; denn ich muß es mir selbst gestehen: er von Allen ist der Mann, dem ich meine Hand reichen könnte!

(Sie sinkt auf die Bank von Schmerz ergriffen. Wiltrud kömmt aus ihrer Hütte.)

Wiltrud (für sich) Da liegt sie, die Stolze! Jetzt ist's Zeit, ihr zuzureden. (zu Hildegard) Edles Fräulein, ihr scheint ermüdet. Und wie? Thränen rinnen über eure Wangen ? Kann ich euch dienen?

Hildegard. Du, mir dienen, Asprians Mutter?

Wiltrud. Ihr scheint mir Vorwürfe machen zu wollen und seid nicht ihr's selbst, die ihr den Zauberspiegel wollt, den Asprian nur von sich läßt, wenn ein Ritter ihn im Kampfe von ihm gewinnt? Oder sollte mein Sohn das schätzbare Kleinod so mir nichts dir nichts euch zu Füssen legen? Reicht ihm eure Hand, und der Spiegel ist euer Eigen.

Hildegard (heftig aufstehend.) Wie, Unverschämte? Ich das Edelfräulein von Hoheneck sollte – – ?

Wiltrud. Ihr solltet Vernunft annehmen. Wißt Ihr nicht, daß mein Asprian edlen Stammes ist? Sein Vater ist der vornehme Sarazenerhäuptling Abdul Mehmed. Als ich meinen Vater als treue Tochter in den Kreuzzug begleitete – ach, damals war ich ein schönes 16jähriges Mägdlein! – da raubte Abdul mich aus dem Lager der Christen. Ich war die erste in seinem Harem. Nach einem Jahre fiel Abdul im Kampfe und ich fand Gelegenheit, wieder in die Heimath zu entfliehen. Mein Sohn kam in Deutschland zur Welt. Ich hatte den wunderbaren Zauberspiegel aus Abdul's Schatz mitgebracht und so manche geheime Kunst hatte ich im Orient erlernt und darum heißen mich die dummen Leute hier eine Hexe. Für Asprian aber habe ich in meinem Hüttlein noch manchen Schatz bewahrt, wenn er einmal heirathen sollte. Glaubt's mir, edles Fräulein! Euer Hochmuth hat nun schon so viele Ritter zu Grunde gerichtet, daß wohl keiner mehr der Narr sein wird, um euch zu werben, und wollt ihr nicht als alte Jungfer verlacht werden – so bleibt wohl nichts übrig, als daß Ihr meinem Asprian, wenn er gleich ein wenig krummbeinig ist, die Hand als Gemahlin reicht.

Hildegard. Unverschämtes Weib! wie kannst Du es wagen, mir solch einen Antrag zu machen? Ich und Asprian!

Wiltrud. Ihr und Asprian! Ja wohl! Wartet nur bis er vor euch tritt in ritterlichem Schmucke; er wird euch schon gefallen.

Hildegard. Fort von hier, Hexe! Entferne Dich und lasse mich allein.

Hiltrud. Wenn Ihr's befehlt, edles Fräulein; aber wartet nur: es wird eine Zeit kommen, in der Ihr mich und meinen Sohn nicht mehr von euch weisen werdet. Lebt wohl! ich gehe. (ab.)

Hildegard. (allein.) Geh nur, alte Hexe! wahnwitziges Geschwätze! – Nie und nimmermehr! – O hätte ich doch nie diesen Schwur gethan, daß nur der mein Gatte werde, der mir den Zauberspiegel der Wahrheit bringt! Ich habe mich selbst gefesselt und bin nun in der furchtbarsten Lage. (lauschend.) Wie, höre ich nicht von ferne Waffengeklirr? Sie kämpfen wohl! Und Hans von Elend! schöner edler Jüngling, Du liegst blutend da? – Doch nein, es ist nicht Waffenklang; der Wind schlägt die Aeste aneinander; der Wasserfall rauscht über die Steine; – weh mir, welche Unruhe! Horch! Da naht sich Jemand; vielleicht der Bote des Jammers vom Ausgang des Kampfes.

(Kasperl in komischen ritterlichen Aufputz, Helm mit geschlossenen Visir; er hält den Spiegel in der Hand.)

Kasperl (spricht, wenn er nicht mit sich selbst redet, in lächerlichem tragischem Pathos.) Ha, ödles Fräulein!

Hildegard. Wer seid Ihr, Ritter?

Kasperl. Ha! Jedenfalls!

Hildegard. Was meint Ihr?

Kasperl. Nicht nur, sondern auch! Ha! edles Fräulein! In meiner Hand erblickt das triumphirende Siegeszeichen meiner angebornen Tapferkeit mit dem zarten Verhältniß einer noch süßeren Zukunft verbunden, welche mir als rosenfarbiger Hintergrund der schwarzen Andeutung furchtbar überstandener Gefahren entgegenlächelt.

Hildegard. Ihr sprecht unklar, Herr Ritter. Sagt doch, wer Ihr seid, was Ihr wollt?

Kasperl. Seht diesen Spügel! dieser Spügel ist der Spügel, den die holde Hildegardis verlangt hat. Und ich bringe ihn.

Hildegard. Wie! Ist's möglich? Dies wäre der Spiegel der Wahrheit? Habt Ihr ihn erkämpft? Ist er es aber auch wirklich? Zeigt her! – wer seid Ihr, Ritter?

Kasperl. Mein Name ist vor der Hand und nach der Hand ein Geheimniß. Ich habe derowegen auch meine Physiognomie mit dem pappedecklenem Visir zugedeckt, weil ich noch gehaim blechen will. Aber ich bin von dem Duell mit dem Kasprian so ermattet und so hungrig und durstig, daß ich euch bitten muß, ödles Fräulein, meinem ritterlichen Magen und meiner tapferen Gurgel die geeignete Nahrung zu verschaffen.

Hildegard. Alles soll euch werden; allein laßt mich zuerst in den Spiegel schauen. (sieht in den Spiegel.) Wie, was seh' ich? Ich erblicke Asprians blutenden Leichnam!

Kasperl. Na, versteht sich! er fiel unter meinen Streichen! Ha! Pumpumdaderada!

Hildegard. Aber zugleich sagt mir der Spiegel, daß ihr nicht der seid, der Ihr zu sein scheint.

Kasperl. Schlipperdibix! Ich soll nicht der sein, der ich zu sein scheine! Oder ich bin nicht der, der ich bin! Wirklichkeit ist nicht Schein und Schein ist nicht Wirklichkeit! Ha! das versteht sich, weil ich der geheimnißvolle Ritter bin, der sich erst zu erkennen gibt, wenn Ihr ihm die öhliche Hand gereicht habt.

Hildegard. Wenn ich auch laut meines Schwures verpflichtet bin, desjenigen Gattin zu werden, der mir den Spiegel gebracht hat, so bin ich nicht an Erfüllung des Schwures gebunden, bevor ich weiß, wer mein Gatte werden soll.

Kasperl. Ha! Laßt uns vor Allem auf eure Burg steigen zum Imbiß! Und ich erwarte keine kleinen Bissen für mein Gebiß! Ha! Schlipperdibix!

Hildegard. So kommt, mein sonderbarer Ritter! (beide ab.)

(Der Vorhang fällt.)

Ende des zweiten Aufzuges.

III. Aufzug.

Gemach.

Kasperl liegt im Bette. Nacht.

Kasperl (sich unruhig im Bett herumwerfend.) Schlipperement kann ich nit recht schlafen. Ich glaub, daß ich von dem guten Abendimbiß ein bißl zu viel zu mir genommen hab. Aber die ausgezeichnete Knödlsuppen mit dem Wildantenvoressen! Des herrliche Rehbratl mit aufgschmalzne Erdäpfel! und nacher die Bresltorten mit Sauerkraut und Bratwürstl! Wer hätte da widerstehen können! – Auweh! bläht's mich! Und nacher das ausgezeichnete Hofbräuhausbier! Ferner der Rheinwein mit'n Landshuter gemischt! Kurz und gut – die schöne Hildegardis neben der ich gesessen bin, hat die Augen aufgrissen, was ich für ein' ritterlichen Appetit und riesigen Durst produzirt hab! und der Alte hat nur so dreingschaut! Eigentlich aber war mir aber auch 's Essen und's Trinken lieber, als meine zukünftige Braut. Die hat alleweil in den Spiegel 'neingschaut, nacher hat's mich wieder angschaut und endlich, ich weiß nit wie's gangen ist, hat sich meiner eine große Schwäche bemächtigt und so viel weiß ich noch, daß mich nacher naustragen haben. A par Stündl muß ich doch gschlafen haben, seit ich da herin lieg – aber jetzt geht's nimmer recht. Meine Verdauung scheint etwas gestört zu sein.

(Es schlägt Mitternacht)

Pfui Teufel! jetzt schlagt's zwölf Uhr: ich druck die Augen zu, damit ich kein' Geist sieh; denn das ist die bekannte Geisterstunde! Hui, hui!

(Er schlaft nach und nach ein und schnarcht.)

(Wiltrud erscheint auf einem Besen reitend, und schwebt ein paar Mal auf und ab.)

Wiltrud. Wart' Kerl, ich erwisch Dich; hast meinen Zauberspiegel gestohlen und mein Asprian ist todt! Weh, Weh!

Ich kumm' als Trud
Voll Zorn und Wuth!
Ich druck Dich hinten, druck Dich vorn,
Ich druck Dich von Der Zeh bis zu den Ohr'n;
Hui, hui, mit Eul und Katz
Geb' ich Dir einen Hexenschmatz!

(setzt sich auf Kasperl auf- und niederhüpfend.)

Kasperl.

Auweh! auweh! wie druckt's mich!
Auweh! das ist die Trud! auweh!

Wiltrud.

Du darfst nicht schmucken,
Ich will Dich drucken,
Ich druck Dich aus den Magen
Und würg' Dich an dem Kragen,
Die Trud ist Deine Braut,
Bis daß der Morgen graut!

Kasperl. Auweh, auweh! Ich bitt Dich schön, liebe gute Trud, verschon' mich! Ich schenk' Dir was D' magst! Auweh! (wimmert.)

Wiltrud. Ich will aufhören Dich zu drücken, wenn Du mir versprichst, mir zu meiner Rache behülflich zu sein.

Kasperl. Ich will ja alles thun, liebe Trud, was Du befiehlst; aber ich bitt Dich, druck mich nimmer. Du hast mich so schon halb zsammdetscht wie an Zweschbendatschi!

Wilrud. Was ich von Dir verlange ist nicht einmal schwer für Dich; im Gegentheil es ist zu Deinem Besten.

Kasperl (spring aus dem Bett.) O gute Trud, o gute Trud – gelt Du thust mir nix?

Wiltrud. Hab nur keine Angst, ich thu Dir nichts; ich bin ja die alte Wiltrud vom Thal unten, Asprians Mutter. Höre: Mein armer Sohn Asprian ist durch Hans von Elend erschlagen! Ich muß mich rächen, rächen an diesem, rächen an Hildegardis! Du hast nichts zu thun, als mit dem frühsten Morgen Deine Rechte geltend zu machen und auf die Verlobung mit Hildegardis zu dringen.

Kasperl. Ja, ich will auf die Verlobung springen!

Wiltrud. Du hast ja den Zauberspiegel gebracht und die Bedingung erfüllt. Gegen Mittag schon wird Hans von Elend nahen und seine Ansprüche geltend machen wollen, weil er meinen Sohn erschlug, dessen Kopf er als Siegeszeichen mitbringt. Durch mein Blendwerk hat er sich im Walde verirrt; allein, wenn die Sonne am höchsten Mittag steht, schwindet der Hexenzauber. Bis dahin also mußt Du Hildegardens Verlobter Bräutigam sein; sie kann nicht mehr zurück und dadurch wird sie und Hans von Elend unglücklich!

Kasperl. Ja, sie kann nicht mehr zurück und ich kann nicht mehr vor; an dem Punkt bleiben wir alle zwei stehn und mein ehemaliger Herr kann abfahren. Ich bin Hildegardens Gatte, dann geb' ich mich zu erkennen als spanischen Ritter Don Casperlo von Guadarrama-Sierra-Morena-Granada-Salami.

Wiltrud. So sei's. Nimm Dich zusammen. Der alte Ritter Kuno hat selbst keine Ruhe mehr und wird Deine Verlobung beschleunigen. Also Muth!

Kasperl. Gute Trud! verlaß Dich auf mich, aber druck mich nimmer, ich bitt Dich!

Wiltrud. Hui auf! hui auf! (fährt auf dem Besen ab.)

Kasperl. Schlapperement, das war en Arbeit, bis ich die Trud anbracht hab. Jetzt aber Couraschi! Von nun an nur spanisch! Spaniolo, Spaniolo! Aber a spanisch Röhrl brauch ich noch dazu.

(Es klopft heftig an der Thüre. Kasperl fallt um.)

Auweh! schon wieder a Hex! (verkriecht sich.)

(Es klopft wieder. Ritter Kuno tritt ein.)

Kuno. Edler Ritter, verzeiht, daß ich euch beim frühen Morgenroth schon belästige.

Kasperl. Ha! Vos, vos? bon dio, bon dio!

Kuno. Wie? Seid Ihr nicht deutscher Abkunft? Ihr spracht doch mit meiner Tochter Deutsch.

Kasperl. Nix Deutsch. Das war nur meine Vermummung. Spaniolo, Spaniolo, Caballeros spaniolos.

Kuno. Um so besser – also ein edler Spanier?

Kasperl (für sich.) Was hat a von Knödl gsagt? – Don Casperlo del Guadarrama-Sierra-Morena-Granada-Salami.

Kuno. Also aus der Sierra-Morena – maurischer Abkunft?

Kasperl. O nein, meine Abkünftlinge waren keine Maurer. Mauroscordatos Caballeros!

Kuno. Ich komm mit dem Frühsten zu Euch, um Euch anzukündigen, daß ich diesen Morgen noch Euere Verlobung mit meiner Tochter feiern will.

Kasperl. O ja, aber zuvor noch an Caffé, Caffé!

Kuno. Ihr sollt sogleich euern Morgenimbiß haben; dann zieh'n wir in die Burgkapelle, wo Hildegardis euch die Hand reichen soll laut ihres Gelöbnisses.

Kasperl. O ja! Ich muß nur noch zuvor meinen spanischen Kragen umhängen als Brautgwand. Cragalo spaniolo! (beide ab.)

Verwandlung.

Burghof von Hoheneck.

Seitwärts Eingang in die Burgkapelle. Morgenbeleuchtung.

(Hans von Elend tritt durch ein Seitenthürchen ein. Ihm folgt ein Bauer, der auf einer Stange Asprians Kopf trägt.)

Hans. So, guter Mann, ich danke für dein Geleit. Hätte ich Dich nicht im Walde getroffen, weiß der Himmel, wenn ich mich wieder herausgefunden hätte.

Bauer. Ihr hattet euch freilich tüchtig vergangen im Gehölze. Der Wald ist auch gar groß. Und dabei hattet ihr noch das abgeschlagene Haupt des Kohlenbrenners Asprian zu schleppen. Gott sei Dank, der euch Kraft und Muth gab, den bösen Kerl todt zu schlagen! Er war der Schrecken des Waldes. Jetzt ist der Lümmel todt.

Hans. Steckt die Stange mit dem Kopf in's Erdreich dort an die Mauer und geht eures Weges.

Bauer. Ja, aber in der Nähe will ich doch bleiben; denn ich möchte den fremden Ritter sehen, mit dem das schöne, stolze Edelfräulein diesen Morgen noch vermählt wird, wie mir ein Burgknappe gestern Abends in der Dorfherberg erzählte.

Hans. Wie? ein fremder Ritter? Verlobung mit Hildegardis? – Geh, geh, laß mich allein!

Bauer. Wie ihr befehlt edler Herr; aber warum seid Ihr so aufgebracht?

Hans. Geh nur! geh!

Bauer. Gehabt euch wohl, Herr Ritter! (ab.)

Hans (allein.)Wer, beim Himmel, kann der Vermessene sein? oder hat Hildegard ihren Sinn geändert? hatte sie mir nicht beim Abschied heimlich zugeflüstert: »Lebt wohl edler Hans! Gott schütze euch!« Und jetzt sollte sie einem Andern die Hand reichen, nachdem sie mir doch ein Zeichen Ihrer Zuneigung gegeben hatte? – Welch ein Räthsel? Ha! wär' es möglich, daß vielleicht ein Anderer sich des Wahrheitspiegels auf irgend eine Weise bemächtigt hätte, den ich in der Höhle des erschlagenen Asprian nicht mehr fand?

(Trompeten schallen aus dem Innern der Burg.)

Schon nah'n sie. Licht soll werden! und weh' dem Verräther! (zieht sich zurück)

Das Thor rückwärts öffnet sich. Hochzeitszug ad libitum zu arrangiren. Am Schluße desselben Hildegard mit dem Brautschleier. Kasperl, einen großen Federhut auf und spanischen Mantel umgehängt. Kuno mit Gefolge. Im Vordergrunde macht der Zug Halt.

Kuno. Hört es Alle! beim Schein der frühen Morgensonne verkündige ich es als Vater der Braut: Fräulein Hildegardis von Hoheneck soll nun ihrem Gelübde entsprechend, dem Ritter ihre Hand zu reichen, welcher ihr den Spiegel der Wahrheit gebracht hat, mit diesem edlen spanischen Helden Don Guardarrama-Sierra-Morena in der Schloßkapelle vermählt werden. (Trompetenstoß.)

Hildegard (mit bebender Stimme.) Wohl weiß ich, daß ich mein Gelübde zu halten verpflichtet bin; allein ich verlange noch Aufschub, bis wir die bestimmte Nachricht haben, daß alle drei Ritter gefallen sind, die gestern mit Asprian gekämpft haben.

Kuno. Was Aufschub? Dein Trotz dauert mir allzulange! bis heute haben wir der Rückkehr der Ritter geharrt. Keiner kam zurück. Es ist kein Zweifel – alle drei sind gefallen.

Kasperl. Ha! Mordjo! Schlappermentico! Kein Aufschub! – alle drei sind gefallen.

Hans. (hervortretend.) Einer ist nicht gefallen, und der bin ich, Hans von Elend!

(Allgemeines Erstaunen. Kasperl fallt aus Erschrecken um.)

Hildegard. Die Vorsehung hat gerichtet!

Hans. Aber auch das Schwert richte. Unbekannter Ritter, ich fordere euch zum Zweikampfe!

Kasperl. Auweh! Jetzt bin ich weiter in keiner Verlegenheit! Da der Ritter und heut Nacht die Trud! (zu Hans) Nix da! Spaniolo!

Hans. Was Spaniolo! Wenn Ihr meinen Handschuh nicht aufhebt, seid ihr eine Memme.

Kasperl. Ich brauch' kein' Handschuh mehr; ich hab schon a Paar!

Kuno. Es bedarf keines Zweikampfes. Dieser edle Spanier hat den Spiegel gebracht.

Hans. Und wer hat aber den Riesen erlegt, in dessen Händen der Spiegel war?

Kasperl. Das versteht sich von selber!

Hans. Nein! Du hast den Spiegel gestohlen! Ich habe den Asprian erlegt. Seht, dort ist, sein Haupt, das ich als Siegeszeichen mitgebracht. Fragt den Spiegel selbst. Er wird euch die Wahrheit sagen.

(Donnerschlag. Asprians Haupt spricht feierlich.) »Hans von Elend hat mich überwunden und jener Betrüger hat den Spiegel aus meiner Höhle gestohlen, während die Ritter mit mir kämpften.«

(Donnerschlag.)

Hans. Wenn die Todten sprechen, ist kein Zweifel mehr!

Hildegard. Und ich erkläre es: Nur Hans von Elend wird mein Ehgemahl!

Kasperl (fällt auf die Knie.) Um Alles in der Welt! Ich bitt um Verzeihung! aber die Trud, die Trud!

Hans (lachend.) Ha, das ist ja mein Knappe, der Kasperl! Armer Teufel! Dein Plan war nicht schlecht ausgedacht.

Kuno. Elender Frevler, Du sollst gezüchtigt werden.

Hans. Laßt ihn, edler Herr! Wir wollen ihm verzeih'n!

Hildegard. Verzeihung dem Narren! – Die Freude unserer Vermählung soll nicht gestört werden.

Kuno. So sei's denn!

Kasperl. Ich bedank mich gar schön! Aber die Trud wird mich weiter nit drucken.

(Donner. Wiltrud fährt herein und auf Asprians Kopf.)

Wiltrud. Huiauf! Meine Zeit ist aus! Ich muß auf den Blocksberg. Meine Hütte ist verbrannt! Lebt wohl! Wiltrud kömmt nimmer wieder!

(fährt mit Asprians Kopf ab.)

Rothe Beleuchtung.

Der Vorhang fällt.

Ende des Stückes.


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