Franz Pocci
Lustiges Komödienbüchlein – Drittes Bändchen
Franz Pocci

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Hansel und Grethel
oder
Der Menschenfresser.

Dramatisches Märchen in 2 Aufzügen.
Vorsatzblatt

Personen.

Peter, ein armer Holzhauer.

Mariane, dessen Weib.

Hansel und Gretel ihre Kinder.

Professor Doktor Fleischmann, Naturforscher und Menschenfresser.

Katharine, dessen Haushälterin.

Kasperl Larifari, wandernder Schneidergeselle.

Schnauzbart, Gerichtsdiener.

Die Nacht.

Der Mond.

l. Aufzug.

Das Innere einer ärmlichen Hütte.

Peter. Mariane.

Peter (mit der Holzaxt, indem er zur Arbeit geh'n will.) Marian wo ist mein Fruhstuck?

Mariane. s' Fruhstuck? Da schneid' Dir ein Stück'l Brod vom halben Wecken ab. Sonst hab'n wir nix. Unser Kuh giebt kein Milch mehr, weil's zu wenig Futter hat.

Peter. Und ich soll hungrig arbeiten? Das ist nit zum verlangen.

Mariane. So gib mir a par Kreuzer, damit ich was zum Essen kauf.

Peter. Hab nix; krieg erst am Samstag mein' lumpigen Wochenlohn vom Förster für die Holzarbeit.

Mariane. Ja ich weiß schon; für mich hast nie a Geld, aber zum Branntwein für Dich – da ist immer was in Deim ledernen Beutel.

Peter. Halt's Maul, Weib, oder ich sieh' Dich für ein' Baumstamm an und schlag drein.

Mariane. Bin ohnehin beinah schon einer; denn vor lauter Noth und Sorg bin ich wie eine alte Rinden word'n.

Peter. Bist aber doch kein' Batzen werth; da ist mir ein Eichstumpen lieber.

Mariane. Geh weiter und hör auf mit Deine Spassetteln; denk an die Kinder; wenn's jetzt aufsteh'n, hab'ns kaum a bißl trockens Brod.

Peter. Hast Recht, Marianl! was fangen wir mit ihnen an? Um die Armuth ist's schon ein rechts Elend. Seit unser Häusl abbrennt ist, sind mir halt z'Grund g'richte Leut. – Weißt was? verkaufen wir unser letzt's – die Kuh, eh's uns gar verhungert, denn Gras hab'n wir ja keins mehr.

Mariane. Gestern hab' ich das letzte Fleck'l abg'mäht; schau Du, daß' d' en Käufer findst, vielleicht kann's der Waldnazi brauchen, dem ist die seinige die vorig' Wochen verreckt.

Peter. Ich geh a so vorbei am Häusl, da probir ich's, b'hüt Gott. (ab.)

Mariane. (allein.) Er geht und ich muß da bleib'n bei die armen Schnecken.

(Vom Innern schreien die Kinder.) Mutter, was z'Essen!

Mariane. Da habn wirs schon! die schreien und ich hab nix als a winzigs Stückl altbachens Brod. Wart's nur ich komm gleich! – Ich weiß mir nit anders z'helfen als daß ich's in Wald nausschick zum Beeren brocken. Unser lieber Herrgott wird's doch nit verhungern lassen.

(Hansl und Grethl laufen herein.) Mutter uns hungert!

Mariane. Ja, ich glaub's schon, lieben Kinder! aber ich hab' nix als die alte Brodrinden da.

(Die Kinder weinen. Beide.) Da müß'n mir ja verhungern!

Hansl. Für was bist denn Mutter, wenn'st uns nix z' essen gibst?

Mariane. Wenn i halt nix hab.

Grethl. Aber weil's d' Mutter bist, sollst was haben.

(weint.)

Mariane. Seids nur still, der Vater ist grad fort und holt im Dorf was. Bis er wieder heimkommt, geht's in Wald 'naus und brockts euch Beeren. Die sind g'sund für euch.

Hansl. Das gsunde Essen haben wir alle Tag; wir möchten amal was anders. Zuletzt werden wir noch Vögel, weil wir nix als Waldbeerln essen.

Mariane. Sei nit so nasenweiß, Hansl oder Du kriegst noch was anders mit.

Hansl. Nix z' essen und Schläg auch noch, das wär doch gar z' arg.

Mariane. Geht's nur, seids brav. Vielleicht schenkt euch Jemand an Kreuzer.

Grethl. Ja, da draussen im Wald, da gibts keine Leut, die eim' Kreuzer schenken.

Hansl. Hasen und Füchs die tragen kein Geld im Sack.

Mariane (beschwichtigend.) So – so – geht's nur Kinder. Mittag kommt's wieder heim. Derweil hat der Vater was bracht. (schiebt sie zur Thüre hinaus.)

Hansl (weinend im Abgeh'n.) Wir kommen halt amal verhungert nach Haus.

Grethl. Ja, so wird's kommen, Mutter, wenn's draußen nix z' essen gibt.

(beide ab.)

Mariane (allein.) Gott lob, daß ich's naus bracht hab. Die armen, armen Dinger! O mein Gott. verlaß uns nit! – Ich will jetzt a bißl umanand schau'n, vielleicht find ich Schwammerling, daß wir doch a bißl was krieg'n. (ab.)

(Nach einer kleinen Pause schaut Kasperl zum Fenster herein.)

Kasperl. Niemand z' Haus? keine Madame, kein Mosieur? – Da ist's nix, jetzt muß ich's wo anders probiren. (guckt zur Thür herein.) Niemand z' Haus? ein armer reisender Handwerksbursch bitt' um ein' Kreuzer oder a par Gulden thät'ns auch. Da is' wieder nix, jetzt muß ich's wieder wo anders probirn.

(schaut auf einer andern Seite herein.)

Niemand z' Haus? – Ja wenn gar Niemand da ist, nachher muß ich selber herein.

(springt ins Zimmer und schaut überall herum.)

Dieses Haus scheint kein Wirthshaus zu sein, denn ich finde keinen Gegenstand, der es dazu qualiflixiren könnte. Erstens: wo ist die Kellnerin? Zweitens: wo sind die Halbe- oder Maßkrügeln? Drittens: wo ist Etwas, das wie ein Bierfaß aussieht? Mir scheint hier hat die Familie »Noth und Elend« logirt und die ist aus lauter Noth und Elend auf Michaeli auszogen; denn Georgi ist schon lang vorbei.

(Wird ungeduldig und schlägt mit dem Fuße auf dem Tisch.)

Heda, Wirthshaus! Schlipperment noch amal, ich will was z' Essen und z' Trinken, wenn's nix kost, und wenn's was kost, so will i aber nix zahlen, denn's zahlen ist nimmer Mod, aber's Schuldenmachen. Meine Schneiderseele verlangt nach Nahrung! Ein Schneidergesell soll und kann und darf nicht Hunger leiden, denn seinen eigenen Magen kann er sich nicht zunähen. – – Schlippermert! Wirthshaus! Bauer! Bäuerin! wer da ist, 'raus aus der Kammer oder ich zünd die Hütt'n an! – – Schauderhaft! Spectaculos! Kein Mensch, kein Bratl, kein Bier – gar nix als die Mutterseelenalleinsamkeit! was fang ich jetzt an mit meinem Hunger? (singt.)

O welche Pein, o welche Pein,
Ein hungeriger Schneider sein;
In meinem G'sellenwanderbuch
Steht nix vom leeren Tisch und Krug.

Jetzt lauf ich schon sechs Wochen rum,
Und finde kaum des Tags ein Trumm;
Zu Essen such ich – Arbeit nicht,
Denn's Essen ist die erste Pflicht.

Und gibt's zum Trinken auch Etwas
So setz ich mich gleich vor das Glas.
Mit Messer, Gabel mach' ich's gut;
Ich brauch nit Nadel und Fingerhut.

Auch dieses melodische Lied scheint Niemanden herbeigelockt zu haben.

(Eine Kuh schaut zum Fenster herein und schreit »Muh, muh«!)

Ah! Da ist ja doch ein Wesen irdischer Bestimmung! Aber ein Kalbsbratl auf'n Tisch wär mir lieber als die Kuh vorm Haus draussen. – Jetzt bin ich ganz caput. Ich leg mich da a bißl auf'n Boden hin und will's schlafen probiren. Derweil kann hinter meinem Rücken der Hunger mein' Durst fressen und der Durst mein' Hunger trinken.

(Legt sich hin und schlaft ein. Die Kuh tritt ein, schnuppert herum und fangt an, Kasperls Mantelsack zu fressen.)

Verwandlung.

Wald mit dem Häuschen des Professors Fleischmann.

Hansl und Grethl (treten auf.)

Hansl. Grethl! wo sind wir denn jetzt?

Grethl. Ich weiß nit, Hansl. Ich glaub, wir hab'n uns vergangen.

Hansl. Da waren wir ja noch nie im Wald.

Grethl. Schau, da ist ja gar ein Häusl!

Hansl. Aber das ist g'scheid! Da krieg'n wir vielleicht was z' essen.

Grethl. Klopf a mal an der Thür oder läut an.

(Hansl geht ans Haus und schellt an der Hausglocke.)

(Katherine schaut zum Fenster heraus.)

Katharine. Wer läutet? Wer ist draussen?

Hansl. Zwei arme Kinder, die hungrig sind. Ich bitt euch macht nur auf geschwind.

Katharine. Ja, wie habt denn ihr daher gefunden?

Grethl. Der Hunger hat uns hergetrieben, Sonst wären wir zu Haus geblieben.

Katharine. O ihr armen Dinger! wartet, ich komme hinaus.

Hansl. Das scheint mir eine gute Frau zu sein.

Grethl. Juhe! jetzt krieg'n wir was.

Katharine. (tritt heraus.) Das ist ja erstaunlich, daß ihr daher gefunden habt in diese Einsamkeit.

Hansl. Wir haben Beeren gebrockt und da sind mir von einem Strauch zum andern so fort gezappelt, bis wir daher kommen sind.

Katharine. Das war grad nicht euer Glück, liebe Kinder.

Grethl. Nicht unser Glück? – wenn mir arme Kinder was zu Essen kriegen? wir bitten gar schön.

Katharine. Ihr sollt was Gutes bekommen; aber nachher werdet ihr selber gegessen.

Hansl. Oho! wer wird denn Kinder essen?

Katharine. Hört Kinder: in dem Häuschen wohnt der Herr Professor Fleischmann; der ist ein gelehrter Naturforscher und hat sich deshalb in die Waldeinsamkeit zurückgezogen, nebenbei ist er aber auch Menschenfresser.

Grethl und Hansl. O weh, o weh! Da laufen wir wieder fort.

Katharine. Das würde euch nichts mehr helfen; denn zu dieser Stunde kömmt der Herr Professor von seinem Spaziergange gewöhnlich nach Haus und da könntet ihr ihm gerade in den Weg laufen und ihr wäret dann verloren. Ich bin aber eine mitleidige Seele, bleibt also da, ich will euch was zu essen geben, und dann verstecken; während der Herr Professor sein Mittagsschläfchen macht, könnt ihr still wieder aus dem Hause kommen. Also schnell herein!

Grethl. Wir bitten gar schön, gute Frau!

Hansl. Gebt uns was und nachher helft uns wieder hinaus.

(Alle in's Haus hinein.)

(Professor Fleischmann tritt auf.)

(Auf seinem Hut steckt ein großer Schmetterling.)

Fleischmann (deklamirt.)

Süße, heilige Natur,
Laß mich geh'n auf deiner Spur;
Meine heutige Promenade
War doch einigermassen fade;
Denn ich fand auf meiner Tour
Dieses Papillönchen nur.

Dennoch hascht' ich ihn in Flug,
Aufgespießt ich heim ihn trug,
Weil ein solches Exemplar
Für die Sammlung tauglich zwar.
Süße, heilige Natur
Laß mich geh'n auf deiner Spur.

Herrlich ist das Studium,
Das Naturerforscherthum;
Gleich Linné und Martius,
Sibold und Copernicus
Gehe ich auf deiner Spur,
Süße, heilige Natur.

Aber – wie ist mir? Der Duft dieser Waldspireen und Wachholder scheint mir etwas durch Menschenfleischgeruch alterirt zu sein. Ich wittre etwas mehr als die gewohnte Hautausdünstung meiner Haushälterin Katharine. (Schnuffelt.) Nein, nein! Ich wittre frisch angelangtes Menschenfleisch! welch behaglicher Duft! (Schnuffelt am Haus herum.) Ganz frisches junges Fleisch muß das sein! Kathrine, Kathrine! kommen Sie schnell heraus! – Ah, vortrefflich! Da gibt es wieder einmal zufällig einen guten Bissen.

Katharine (kommt heraus.) Was befehlen Herr Professor?

Fleischmann. So wahr ich Fleischmann heiße – ich wittre Menschenfleisch. Was gibts da? Sprechen Sie, Katharine, reden Sie!

Katharine. Ich wüßte nicht – –

Fleischmann. Die Wahrheit! keine Flausen! Es muß Jemand in der Nähe sein.

Katharine. Sie irren Herr Professor!

Fleischmann. Ein Professor irrt nie, deßwegen heißt und ist er Professor. (drohend.) Wenn Sie nicht die Wahrheit sprechen! Kathrine, Kathrine! – Sollte Sie Ihr sanftes Gemüth wieder veranlassen, mir einen guten Braten vorzuenthalten? Weh Ihnen, wenn es so wäre! Sie wissen, daß ich Sie stets mit der zartesten Rücksicht behandelt habe. Trotz des großen Appetits, den ich nicht selten verspürt habe, Sie selbst anzubeißen, habe ich es bisher stets unterlassen, weil Sie mir zu meinem Hauswesen nothwendig sind. Aber, wenn Sie mich durch unzeitiges, ungeeignetes Benehmen allzusehr zum Zorne reizen sollten, so könnte ich nicht für mich gut stehen und – der gütige Himmel weiß – was dann geschehen könnte. Es wäre fürchterlich, wenn ich mich an Ihnen vergreifen müßte, um meinen antropophagischen Tendenzen Genüge zu leisten.

Katharine. Aber ich bitte Sie, Herr Professor!

Fleischmann. Bitten Sie nicht; sprechen Sie die Wahrheit! Es ist Menschenfleisch in der Nähe! wo? wie? wer? heraus damit oder ich beiße Sie an! denn ich bin zu aufgeregt und kann mich nicht mehr zurückhalten.

Katharine (für sich.) Weh mir, ich bin verloren! (zu Fleischmann.) Gnade, Herr Professor! Ich muß schon gestehen, daß ich zwei arme Kinder beherbergt habe, die sich hieher verirrt hatten; allein sie sind vor Hunger so mager, daß kein guter Bissen an ihnen ist.

Fleischmann. Ihr Glück ist's, Kathrine, daß Sie die Wahrheit gesagt haben. – Vortrefflich, wenn die Kinder auch mager sind, so können sie durch gute Behandlung und zweckmässige Fütterung ganz geeignet werden, meinem Appetit als normale Speise zu dienen. (sanft.) Führen Sie mich zu den lieben Kleinen, Kathrine. Ich will sie in Augenschein nehmen. Aber sprechen Sie ihnen nicht von meinen Absichten. Vor der Hand sollen sie gut genährt werden und ich will ihnen Unterricht in den Elementargegenständen ertheilen. Kommen Sie!

Katharine (für sich.) Noch ist nicht Alles verloren.

(beide ab ins Haus.)

(Mittlerweile ist es dunkel geworden. Kasperl tritt ein.)

Kasperl.

Von einem Ort zum Andern
Muß der Schneider wandern

– heißt's in meim Handwerksgesellenbüchl. Das ist aber miserabel. In dem Holzhauerhäusl hab ich nix kriegt als Grobheiten, wie der Kerl nach Haus kommen ist. »Was? hat er g'sagt – Handwerksburschen auch noch! und wir hab'n selber nix z' fressen. Naus da, hat er g'sagt, oder ich zeig ihm den Weg, elendiger Schneidergsell!« Diese unzarten Versicherungen von Seite eines ungebildeten Holzhauers, der von meiner nähern Bekanntschaft Umgang nehmen wollte, veranlaßte mich sein Dach zu meiden. Ich zog waldeinwärts, wo ich glücklicherweise einem Eichkatzl begegnete, welches mich um Ausbesserung seiner zerissenen Beinkleider ersuchte. Es ist sehr erklärlich, daß ein Eichkatzl durch das ewige Baum aus- und abkraxeln sich die Hosen zerreißt. Obschon die hungrige Kuh des hungrigen Holzhackers mein Gsellenranzl, während ich g'schlafen hab, ganz und gar mit Stumpf und Stiel aufgefressen hat, blieb glücklicherweise mein Packl englischer Nähnadeln und der Fingerhut noch übrig, auch etwas Zwirn. Mit diesen Gegenständen war ich im Stande, dem Eichkatzl seine Hosen zu flicken. Es schied dankbar von mir, drückte mir eine Haselnuß in die Hand und verschwand in einem kühnen Sprung hinter den Buchen. Aber wo bin ich den jetzt hingerathen? Obschon in nächtliches Dunkel gehüllt, zeigt mir die Dekoration dort hinten ein Haus, welches zart vom Mondschein, der nicht im Kalender steht, beleuchtet ist.

Kasperl, probiers halt wieder! vielleicht findst du freundlichere Aufnahme. (läutet am Haus.)

Katharine. (zum Fenster heraus.) Wer ist da?

Kasperl. Bitt gar schön, ein wandernder Schneiderg'sell; bitt gar schön, an Kreuzer Almosen oder was z' essen. Ein Stückl Brod und a Dutzend Bratwürsteln, mehr verlang ich nit. Bitt gar schön und a guts Bett mit einer Couvertdecken und a par Maßl Bier, wenns möglich wär!

Professor Fleischmann. (auch zum Fenster heraus sehend.) Bravo, bravo! nur herein da, guter Freund! Ihr seid mir willkommen; könnt mir meine Garderobe etwas in Stand setzen und dann gibts einen guten Bissen.

Kasperl. Juhe! einen guten Bissen. Juhe! laßt mich nur hinein. (ab ins Haus.)

Nun schwebt die Frau Nacht über die Bühne. (Schwarzes Schleppkleid mit Silbersternen gestickt, schwarzen Schleier) und spricht:

Ich bin die Nacht, vor der die Sonne flieht,
Wenn sie des Abends in die Tiefe zieht.
Mit schwarzem Schleier deck ich Alles zu
Und wiege Jung und Alt in süße Ruh.
Dort naht auch schon der Mond, mein Ehgemahl,
Und senket nieder seinen blassen Strahl.

(Der Mond erscheint und zieht oben vorbei.)

Du theurer Mann, sei herzlich mir gegrüßt,
Dein Licht die ernste Dunkelheit versüßt.
O leuchte mild mit Deinem Trostesschein
In dieses Haus auf die zwei Kinder klein.
Sie schlummern sanft – vielleicht die letzte Nacht –
Weil sie der Menschenfresser streng bewacht!
Sag's den Schutzengeln, die am Himmel schweben.
Daß sie beschützen dieser Armen Leben;
Und wem Du sonst begegnest, lieber Mann,
Sagst jedem noch, der etwa helfen kann.
Nun lebe wohl! wir seh'n uns wieder bald,
Ich wandle weiter durch den grünen Wald;
Erwarte mich beim ersten Morgenstrahl
Dort hinter jenen Neigen in dem Thal;
Dann haben wir den halben Erdenbogen
Auf unsrer Bahn stillwandert wohl durchzogen
Und ruh'n beisammen, bis die Vögelein
Zu singen heben an im Abendschein!

(Der Vorhang fällt langsam.)

Ende des ersten Aufzuges.

II. Aufzug.

Zimmer im Hause des Professors Fleischmann. An der hintern Wand stehen 2 große Hühnersteigen. In der einen sind Hansl und Grethl, in der andern ist Kasperl eingesperrt.)

Katharine (mit einer großen Schüssel.) So, liebe Kinder, da bring ich euch euer Futter. Gute Spatzeln in der Milch.

Kasperl (im Käfig.) Warum denn schon wieder Spatzeln? die hab'n mir erst gestern g'habt; da müßt ja Einer selber a Spatz werden. Und hör'ns amal, Mamsell Kathrin, da herin halt ich's nimmer lang aus.

Katharine. Nur Geduld, Schneidergesell, ich glaub, daß euch der Herr Professor heut ein wenig herauslaßt.

Hansl (weint.) Ach liebe Kathrine! ihr habt uns ja versprochen, daß wir heimlich davon laufen dürfen.

Grethl. Ich bin schon ganz steif geworden. Ich möcht´ hinaus.

Katharine. Nur still, Kinder, daß der Herr Professor nichts merkt. Ich muß den rechten Augenblick abpassen, wenn er einmal eine Flasche zu viel getrunken hat; dann schläft er besser.

Kasperl. (rappelt im Käfig.) Was hör' ich da vom trinken? Gebt's mir auch a par Flaschen. Es ist eine wahre Schand, daß man bei euch nix als Wasser kriegt, das bin ich gar nit g'wohnt. Ueberhaupt das Einsperren da ist eine Dummheit und kein Mensch weiß warum. Dem Herrn Professor seinen zerlumpten schwarzen Frack hab ich zusammen g'flickt und jetzt möcht ich mein Bezahlung und nachher wandr' ich wieder weiter.

Katharine. Der Herr Professor hat euch ja schon gesagt, warum er euch eingesperrt hält. Das gehört zu seinem Studium. Von Zeit zu Zeit werdet ihr gewogen, damit er studieren kann, um wie viel die Speisen den menschlichen Körper schwerer machen.

Kasperl. Schlipperment, ich bin kein Ochs, den man mästen muß für den Metzger. Jetzt hab ich's bald satt das Traktament.

Hansl. Ruhig Schneider, sonst wird der Herr Professor bös und mir kriegen alle Schläg.

Kasperl. Nachher geht's in Ein'm hin. (rüttelt furchtbar an seinem Käfig.)

Katharine. Ruhig, sag ich – da kommt der Herr Doktor selbst.

(Professor Fleischmann tritt ein, ein großes Buch in der Hand.)

Fleischmann Was ist da wieder für ein Spektakel? Wird wohl dieser Schneider Ruhe geben? oder ich werde ihn Manier lehren. (sanft zu den Kindern tretend) Ihr lieben Kleinen, wie geht's euch denn? Seid ihr doch bei Appettit? schmeckt euch das Essen? – Kathrine, Sie haben doch ordentlich gefüttert?

Katharine. Wie Sie befohlen haben, Herr Doktor.

Fleischmann Laßt einmal sehen, Kinderchen: Streckt die Finger heraus, damit ich sie befühlen kann. (die Kinder strecken die die Händchen heraus) Nun ganz passabel; aber noch nicht genug zu meinem anatomischen Experimente. (für sich) Acht Tage noch – und sie sind fertig! – (An Kasperls Käfig tretend) Und was macht denn Monsieur Schneidergeselle?

Kasperl. Nichts macht er, mann Sie's wissen wollen. Aber hören's Herr Professor,'s ist Zeit, daß S' mich rauslassen aus der Steigen. Jetzt hock ich schon 8 Tag lang herin. So lang ich Ihre Kleiderfetzen z'samgericht hab, da hat's es noch gethan, denn wir Schneider sind an die eingeschränkte Positur gewohnt; aber jetzt, möcht ich 'raus; verstanden, Herr Professor? Sie sind mir auch ein rechter Professor – Sie! –

Fleischmann Ruhig Schneider. (für sich) Ich muß den Kerl etwas kirre machen, er könnte mir endlich den Käfig zerbrechen in seinem Unmuth. (laut) Nun weiß er was, Schneider? wenn er sich ordentlich benimmt, darf er mit mir eine Flasche ausstechen.

Kasperl. Ausstechen? – was ist das wieder für a gelehrte Dummheit. Wissen Sie was? Sie können ausstechen; aber ich thu' aussaufen.

Fleischmann. Schon gut, schon gut. Kathrine, bringen Sie ein par Flaschen in mein Studierzimmer hinaus.

(Kathrine ab, indem er den Käfig öffnet.)

So – jetzt heraus Schneider!

Kasperl. Juhe!

(Kasperl springt heraus und fällt samt dem Professor hin, den er im Falle niederschlägt.)

Fleischmann. Potz Blitz! sei er nicht so heftig

Kasperl. Wenn man an Vogel aus'm Käfig laßt, so fliegt er davon, und ich sollt kein Sprung machen bei der Gelegenheit?

Fleischmann. (betastet den Kasperl, für sich.) Der Bursch ist ja hübsch fett geworden; vortrefflich! – Ich werde ihn betrunken machen, dann durch eine Incision seciren, hierauf anatomisiren, um zu erfahren, wie die Intestina eines Schneiders beschaffen sind, dann werd' ich ihn schnabuliren und schließlich hoffentlich digeriren.

Die Kinder (im Käfig) Lassen's uns auch heraus; uns auch herauslassen, Herr Professor! wir bitten.

Fleischmann. Jetzt nicht, aber später dürft ihr etwas an die Luft. (Zu Casperl) So – Monsieur Kasperl: nun komm' Er mit mir in mein Studierzimmer; da wollen wir gemüthlich Eins zusammen trinken.

Kasperl (fällt ihm um den Hals.) Bravo, das laß ich mir gefallen, Herr Professor, wenn Sie so was dociren. Jetzt wollen wir zusammen Eins studieren. (beide ab.)

Grethl. Wenn nur die Kathrin käm. Vielleicht wär's bald Zeit.

Hansl. Halt dich nur ruhig, Grethl.

Grethl. O mein Gott! was werden Vater und Mutter für eine Angst um uns ausstehen! Jetzt sind wir schon acht Tag aus 'm Haus, und sie wissen nit, was mit uns g'schehn ist!

(Kasperl schreit draussen:) Juhe! vivat hoch!

Hansl. Hörst'n Schneider draussen?

Grethl. Ja wenn nur der Professor auch recht viel trinkt, damit er einschlaft und wir fortkönnen.

Hansl. Still, da kommt er wieder.

Fleischmann (etwas benebelt.) Der Bursche ist schon toll und voll. Mittlerweile hole ich mein großes Secirmesser. Ha, ha, ha – einen Schneider habe ich noch nicht verschnabulirt, der muß wohl eigenthümlich schmecken! – Es ist doch etwas Großes um die Naturwissenschaften! Sie sind es eigentlich, die uns am Gründlichsten auf den Realismus hinweisen. Insoferne nämlich die Philosophie den Geist in die Höhen und Tiefen eines potenzirten Idealismus führt, wodurch wir den realen Boden, die physische Basis, verlieren, sonach unsere Forschungen unhaltbar werden, indem sie sich in Hypothesen labyrintisch verirren, ist es andererseits die Naturwissenschaft, deren Studium am Objekte ohne Hypertendenz festhält. Wir können nicht irren! Die Wirklichkeit fesselt unsere Beobachtung und läßt uns nicht transcendental umherschweifen. Wir bleiben an und in dem Gegenstande! Das Reale täuscht nicht und während der Idealismus in der Schwebe agirt und vagirt, folgen wir Realisten den Andeutungen des Seciermessers oder des Microscopes. Allein selbst diese Mittel zur Forschung genügten mir nicht mehr und ich bin durch meine unablässigen Studien dahin gelangt zu ergründen, daß die Summe aller wissenschaftlichen Forschungen im Betreffe des menschlichen Körpers nur darin gefunden werden kann, wenn man den Menschen selbst ißt, insoferne dadurch die Incorporation und Amalgamirung der realen Essenz am deutlichsten und auf einfachstem chemischem Reductionswege bewerkstelligt wird. – Aber sieh' da! ich vergesse mich in meinen Betrachtungen – der Wein hat wohlthätig auf meine Organe gewirkt – ich fühle, wie ich allmählig durchdrungen werde, von der realen Wirkung des Getränkes, – meine Sinne wurden sanft berührt und neigen sich der stagnirenden Tendenz des Fluidums , – (er schläft allmählig ein, indem er auf den Boden sinkt.) ich fühle – ich empfinde – ich – ich – o Wissen – schaft – – –

(Er ist eingeschlafen und schnarcht.)

Kasperl (kömmt betrunken herein.) Holla! wo ist denn der Pro – pro – profisor? (singt.)

Lirum, larum, Löffelstiel
Wer zu viel trinkt, hat zu viel –

Juhe! Das ist mein Element! – Juhe!

(macht einen Sprung und fällt auf den Professor hin; schläft ebenfalls ein; beide schnarchen fürchterlich.)

NB. (Beide müssen soweit zurückliegen, daß der Vorhang der folgenden Dekoration vor ihnen fallen kann.)

Katharine (tritt rasch ein.) Da liegen sie! alle zwei haben genug, (lauscht.) Sie schlafen fest – Kinder, jetzt will ich's wagen, aber ich gehe mit euch, denn diesem schändlichen Menschen will ich nicht länger dienen. (öffnet den Käfig.)

Hansl und Grethl (treten heraus.) Gott sei Dank! Jetzt sind wir frei!

Katharine. Nur schnell fort! ich denke, daß wir einen Vorsprung gewinnen und in Sicherheit sind, ehe uns der Professor wieder einholt, wenn er uns verfolgen sollte. – Kommt Kinder! (mit den Kindern ab.)

Verwandlung.

Das Innere der Holzhauerhütte , wie im ersten Aufzuge.

Peter und Mariane treten traurig ein.

Mariane. Wieder nichts g'funden! o mein Gott im Himmel!

Peter. Heut sind's grad 8 Tag und keine Spur von ihnen!

Mariane. Die armen, armen Kinder! vielleicht hat's der Wolf g'fressen! – Da bist Du dran Schuld! Hättst Du mir was gegeben, so hätt' ich ihnen kochen können und sie hätten sich nit aus Hunger im Wald verlaufen.

Peter. Hab' ich Dir nit g'sagt, daß ich die Kuh verkaufen will? hab ich's Dir's denn g'schafft, daß Du die Kinder allein in Wald 'nausschickest? Du bist dran schuld, nit ich!

Mariane. Meinetwegen ich oder Du! verloren sinds, – verloren sind's amal! es ist erschrecklich; jetzt hab'n mir keine Kinder mehr und haben 25 Gulden für die Kuh kriegt, und Du hast dein Wochenlohn eingenommnen. Jetzt könnt' ich ihnen was Guts kochen und derweil sinds verhungert!

Peter. Unser lieber Herrgott lebt auch noch. Vielleicht haben's doch wo an Unterschluf g'sunden. Wir geh'n halt nacher wieder zum Suchen aus und ich lauf in die Stadt und gib's bei der Polizei an.

Mariane. Ja, nachher ist's gwiß nix, wenn'st's auf der Polizei angibst; die weiß gar nix.

(Es pocht an der Thüre.)

Peter. Wer klopft denn? herein, wenn's was Gut's ist!

(Der Gerichtsdiener Schnauzbart tritt ein.)

Schnauzbart (immer sehr wichtig thuend.) Guten Tag, liebe Leute.

Peter. Grüß'n Herrn Gott. Wem hab ich die Ehre?

Schnauzbart. Ich bin der Gerichtsdiener Schnauzbart und befinde mich in Amtsgeschäften in dieser Gegend.

Mariane. Aber was wollt's denn amtiren in dem einsamen Wald? Gottlob, bei uns gibts keine Spitzbub'n und keine Rauba.

Schnauzbart. Das hohe Amt und ich, dessen Bote – wir wissen sehr wohl, daß es in diesem Walde keine Spitzbuben und Räuber gibt – Dank unserer weisen Fürsorge; allein man ist dennoch einem fürchterlichen Wesen auf der Spur.

Peter. Da wissen wir nichts davon.

Schnauzbart. Möglich – aber dem hochweisen Amte und mir, dessen Boten, ist Nichts unbekannt. Es scheint mir oder vielmehr ich weiß es, daß ihr ehrliche Leute seid; also hört: Es ist dem hochweisen Amte durch ein Frauenzimmer angezeigt worden, daß in diesem Walde an einem sehr verborgenen Orte ein Häuslein steht, in welchem ein gelehrter Professor logirt, der neben seinem Studium die sonderbare Gewohnheit hat, Menschen zu fressen.

Mariane (im größten Schrecken.) Gott im Himmel, der hat unsre Kinder g'fressen!

Peter. Auweh, auweh! das Unglück!

Schnauzbart. Insoferne ihr Kinder habet und diese Kinder besagtem verdächtigem Individuum zu Händen gekommen sind, ist wohl an deren gesetzwidriger Verschlingung schwerlich zu zweifeln. Kurz! – ob besagte eure angeblichen Kinder gefressen sind oder nicht – die erwähnte Weibsperson, welche bei dem Professor in Diensten gestanden und die Anzeige gemacht hat, wurde von dem hochweisen Gerichte allsogleich incarcerirt und ich wurde mit einigen Stadtsoldaten ausgeschickt, um Spähe zu treffen und möglichst eine geeignete Arretirung vorzunehmen.

Peter. Aber sag'n S' mir doch, Herr Gerichtsdiener, warum haben's denn das Weibsbild nit mitgnommen? die hätt' Ihnen ja am besten gleich den Weg zum verdächtigen Häusl zeigen können.

Schnauzbart. Daran hat das hochweise Amt nicht gedacht und auch mir ist diese spitzfindige Maßregel nicht eingefallen; allein trotzdem wird die Entdeckung vor sich gehen; denn die Untersuchung ist bereits eingeleitet und das Protokoll eröffnet. Da ihr nun als Holzhauer in diesem Walde bekannt sein müßt, so fordere ich euch auf, mich auf meinem Streifzuge zu begleiten.

Peter. Da bin ich gleich dabei. Ich hab auch schon a mal so was g'hört, daß ganz hinten im Schwarzeckerforst ein Einsiedlerhäusl steht; aber die Leut hab'n immer g'sagt, es ist nit recht sauber dort und da hat sich Niemand hintraut.

Schnauzbart. Diesem Umstande gemäß könnte man die Spur finden. Wie weit ist ungefähr in jene Gegend?

Peter. So a 2 bis 3 Stunden braucht man halt bis an's Schwarzeck und's Häusl wird nacher bald g'funden sein.

Schnauzbart. Gut – also treten wir den Weg an. Ihr geht voran, eine Viertelstunde hinter euch will ich geh'n, damit ich euch nicht aus den Augen verliere; um mich vertheilt marschirt dann die Mannschaft.

Peter. Ich nimm aber meine Holzaxt mit, und wenn ich den Kerl find, nachher schlag ich ihm gleich sein' Professorschädl ein.

Schnauzbart. Alles nach Umständen, – also fort!

Peter. B'hüt Gott Marianl! vielleicht find ich bei der Gelegenheit unsern Hansl und unser Grethl!

Mariane. Will's Gott! – wenn's nur nit schon g'fressen sind von dem Wüthrich!

Schnauzbart. Aber nur vorsichtig, lieber Mann, damit uns nicht selbst ein Unglück zustoßt! So ein Streifzug hat immer Etwas Gefährliches an sich. – Langsam, aber sicher also! – (Alle geh'n hinaus.)

Verwandlung,

wobei es wieder Nacht wird. Waldiges Felsenthal. Im Mittelgründe ein Hügel, unter welchem eine Höhle ist.

(Die Nacht tritt auf. Der Mond erscheint am Himmel.)

Nacht.

Die Nebel stiegen aus den Thalen auf
Und ich beginne meinen stillen Lauf,
Dort oben schwebt mein lieber Mann,
Will hör'n, was er mir sagen kann.
Sei mir gegrüßt, erzähle mir
Was sah'st Du in dem Walde hier?

Der Mond.

Lieb Weib, ich wünsch Dir guten Abend.
Die Luft ist heute lieblich labend,
Hieroben schweb' ich gern spazieren,
Da läßt sich manches observiren.
Zwei Kinder hab ich laufen seh'n,
Die auf dem Wege hieher geh'n. Sie scheinen müd – –

Nacht.

Das sind die zwei.
Gottlob, daß Keines gegessen sei!

Mond.

Und hinter ihnen seh ich auch,
Da läuft ein Mann mit dickem Bauch.

Nacht.

Das wird der Menschenfresser sein.
Den Kindern leucht' mit Deinem Schein,
Daß Sie zum Schutz die Höhle finden;
Dann mußt Du hinter Wolken schwinden,
Damit der Mann in Finsterniß
Nicht sehen kann den Felsenriß. (ab.)

Der Mond.

Geh' nur; wie Du gesagt, so wird's gescheh'n,
Die armen Kinder soll der Mann nicht seh'n.

(Hansl und Grethl.)

Grethl. Hansl, ich kann nicht mehr! ich bin todt müd!

Hansl. Grethl, mir thun auch die Füsse weh vom Laufen.

Grethl. Sieh! dort scheint der Mond auf eine Felsenhöhle; da schlüpfen wir hinein und können versteckt ausruh'n.

Hansl. Hast Du's gehört, wie der böse Professor uns nachgelaufen ist und immer geschrieen hat; »halt! halt, Kinder!« – ?

Grethl. Ja, aber wir sind besser gelaufen, als er mit seinem dicken Bauch!

Hansl. Komm, schnell! Dorthinein!

Sie verstecken sich in der Höhle. Der Mond verschwindet hinter Wolken.)

Fleischmann (läuft herein und fällt auf den Bauch.) Potz Element! – gerade war noch heller Mondschein; da wird's auf einmal dunkel und ich stolpere über einen Stein. Die Kinder hab' ich aus dem Gesicht verloren. Verfluchte Geschichte! Der Henker hole den Schneidergesellen! Der ist mir auch ausgekommen; Und die Kinder waren schon so hübsch herausgefüttert! Der vermaledeite gute Wein! – Auch die Kathrine ist mir durchgegangen! – Alles geht mir der Quere! – Müd bin ich wie ein alter Postgaul; was ist zu machen als hier ein Bischen ruhen? Dort sehe ich einen Hügel im Halbdunkel. Ich will mich niederlegen und ein wenig schlafen.

(Er legt sich auf den Hügel und schläft ein)

(Der Mond tritt hinter den Wolken hervor und leuchtet wieder.)

Der Mond.

Er schläft, nun kann ich wieder scheinen,
Vielleicht nütz' ich den lieben Kleinen;
Doch wie? Da naht sich dieser Stelle
Ganz abgehetzt ein drolliger Geselle.

Kasperl. Tausendschlipperment, das war aber eine Hetz! Wie der Professor sein Rausch ausg'schlafen hat und ich den meinigen und wir so aufenand g'legen sind, das heißt, er unter mir und ich auf ihm, da sind wir gleich umanand kugelt; er hat mich packen wollen, aber ich hab'n beim Gnack g'habt; endlich spring ich auf und zum Fenster naus, er will nach, fallt aber auf d' Nasen; ich voraus im Wald hinaus, er nach; ich kraxl gleich auf an Baum, daß er mich nimmer sieht; er stolpert wüthend fort und will die zwei Kinder fangen, ich nach und will'n bei der Hosen packen; pumps dich, liegen mir alle zwei auf der Nasen; unterdessen hat sich eine solche Mondsfinsterniß eingstellt, daß keiner nicht einmal seine verkehrte Seiten gseh'n hat; – jetzt bin ich da – und – (indem er den schlafenden Professor erblickt) potz Schlipperement, da oben liegt er ja wieder und schlaft! Jetzt könnt ich'n erwischen den abscheulichen Menschenfresser. Nadel und Faden hab' ich bei mir, ich näh ihm in der Mondbeleuchtung sein Hosen z'samm, daß er d' Füß nimmer rühren kann, nacher kann er uns nimmer auskommen. (Er steigt auf den Hügel und näht.) So jetzt steh auf, wenn'st kannst? – Ich versteck mich derweil in das Felsenloch da unten.

(Kriecht in die Höhle, in welcher bereits die Kinder sind.)

Fleischmann (erwachend.) Wer hat mich da an den Beinen gekitzelt? Potz Tausend! ich kann mich ja nicht rühren! – (versucht aufzustehen und fällt wieder hin.) Sind mir den die Füsse zusammengewachsen? Das ist ein infamer Streich! Ich kann nicht stehen, ich kann nicht gehen; was soll da mit mir geschehen?

Schnauzbart (hinter der Scene.) Nur langsam, langsam! wir sind auf der Spur! vorsichtig! (er tritt herin.) Um Gotteswillen! dort liegt er, ganz nach der amtlichen Personalbeschreibung, wenn mich das Mondlicht nicht täuscht! Ich muß mich verstecken, um meine Beobachtungen ohne Gefahr fortsetzen zu können, bis die Mannschaft nachkömmt. (Kriecht ebenfalls in die Höhle.)

Peter (mit der Axt.) Holla, wo seid ihr Herr Gerichtsdiener?

Fleischmann (auf dem Hügel.) Ach helft mir auf die Beine, lieber Mann! Ich weiß nicht, wie mir geschehen ist; ich kann nicht gehen. Ich belohne euch königlich, wenn ihr mir auf die Beine helft.

Peter. Wer seid ihr denn da oben?

Fleischmann. Ich bin Professor Fleischmann, Privatgelehrter und Mitglied mehrerer wissenschaftlichen Gesellschaften, Naturforscher und Doktor der Philosophie.

Peter. So? ihr seid der Halunk, der meine Kinder g'fressen hat? Wart, ich will Dir gleich helfen.

(springt auf ihn los und versetzt ihm mit der Axt Schläge)

So – so – so – einmal – zweimal – dreimal!

Fleischmann (schreit) Hülfe, Hülfe! ich bin verloren.

Peter (schlägt immer zu.) Pumps, pumps, pumps! So – jetzt könnt's genug sein!

(Fleischmann fällt todt nieder.)

Schnauzbart (guckt aus der Höhle.) Was ist das für ein Mordspektakel?

Peter. Ich hab'n todt gschlag'n mit meim Hackel.

Schnauzbart. Also keine Gefahr mehr?

Peter. Aus ist's mit ihm.

Schnauzbart (kömmt heraus.) So hat die Gerechtigkeit gesiegt und der Umsicht der Behörden ist es gelungen, einen Verbrecher unschädlich zu machen.

Kasperl (guckt aus dem Versteck.) Da ist auch noch Einer, wenn's erlaubt ist! (kömmt heraus)

(Hansl und Grethl gucken aus dem Versteck.)

Hansl. Ich hab ja 'n Vater sein Stimm g'hört.

Grethl. Vater, Vater – da sind wir ja wieder beisammen!

Peter. Gott sei's gedankt! meine lieben Fratzen! Jetzt ist Alles wieder gut.

Kasperl.

Ja, Alles geht jetzt wieder gut
Der Böse liegt in seinem Blut,
Das Laster hat nun seinen Lohn,
Die Tugend geht belohnt davon.

Juhe! jetzt geh'n wir gleich Alle in's Wirthshaus.

Der Vorhang fällt.

Ende des Stückes.


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