Franz Pocci
Neues Kasperl-Theater
Franz Pocci

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VI.

Die Prüfung

Ein beispielloses Spektakelstück

Kasperl. Nein! das muß ich sag'n: meine Grethl ist halt doch das Muster aller Frauenspersonen. Wie die für mich sorgt – das ist kaum mehr zum aushalten! Ich glaub, daß sie mich nächstens aus Lieb frißt; aber mir gibt's nichts zum Essen aus purer Sorgfalt für meine Gesundheit. Möcht' ich Frühmorgens mein' Caffe, da sagts gleich: Nein, lieber Kasperl, ich geb Dir keinen, Du könntest Dir den Magen verderben. Iß lieber eine Wassersuppen. Da sitz ich denn vor meiner Wassersuppen und sie trinkt meinen Caffe. Mittag's schnappt sie mir die besten Bissen weg aus lauter Angst, daß ich zu viel erwisch' und mir eine Indischestion zuzieh! Und so muß ich denn immer in's Wirthshäusl geh'n, damit ich mich restaurir; denn mein Magen ist oft wirklich wie mein Geldbeutel: alleweil larifari, das heißt: nix drin. Jetzt ist mein Grethl auf'n Markt gangen um einzukaufen, da muß ich mir auch ein G'schäft machen und in mein Bureau geh'n, in den »goldnen Stiefel« – da ist das beste Bier. Ha! da kommt grad auch mein Herzensbrüderl, dessen Bekanntschaft ich erst gestern gemacht hab! Oh, das ist eine treue Seel! Wenn ich ihm's Bier zahl, so geht er mir nimmer von der Seit! Solche Freundschaft lass' ich mir gefall'n. Er sagt, daß er ein vacirender Jäger ist. Bon jourl, bon jourl, Freund Thomerl!

Jäger Ebenfalls bon jourl, Monsieur Kasperl! Wohin denn schon so früh am Tag?

Kasperl Ja, wissen Sie, Herr Thomerl – – (für sich), wenn ich ihm sag', daß ich in's Wirthshäusl geh, so muß ich ihm wieder Bier zahlen – (laut) ja, wissens, Herr Thomerl, ich hab halt die Melankolerie zu Haus g'habt, weil meine Grethl ausgegangen ist, da bin ich ein bißl auf d'Straßen herunter und hab den Fliegen abgewehrt, die in mein Haus hineing'wollt haben.

Jäger Ei was Fliegen und Mucken! Sie müssen sich aufheitern, Herr Kasperl! Sie sind als zu solid!

Kasperl Nun, das ist auch das erste Mal, daß mir Jemand das Laster vorwirft! Könnt' aber doch seyn! Wissens, Herr Thomerl, ich kann halt ein für allemal das Gstudieren nit lassen. Da sitz ich Ihnen oft ein' ganzen halben oder einen halben ganzen Tag vor einem Gstudierbuch und bring nix raus und nix in meinen Schedl hinein. Jetzt hab ich zum Beispiel eine Naturg'schicht gelesen und ich weiß doch noch nicht, warum die Menschen die Nasen mitten im G'sicht haben.

Jäger Gehn's mir mit den philosophischen Forschungen.

Kasperl Richtig! Von den tropfischen Forstungen steht auch was drin in der Naturg'schicht!

Jäger Wissen's, Herr Kasperl, wo man studieren muß? – Im Wirthshaus. Da lernt man Menschenkenntnis. Da zeigt sich die wahre Naturg'schicht! Da ist der Mensch im Naturzustand! Da wachen die eigentlichen Lebensgeister auf!

Kasperl Schaun's, Herr Thomerl, da hab'n Sie wieder recht! Sie sind ein ganz gescheiter Kerl! Aber heut hab' ich zu dem Menschenstudium kein Geld im Sack! Meine Grethl hat mir keinen Kreuzer g'lassen.

Jäger Thut nix, Herr Kasperl! Heut mach' ich die Honneurs.

Kasperl Juhe! Das ist der rechte Professor in der Naturg'schicht, der's Bier und 'n Wein zahlt! Kommen's, geh'n wir nur gleich zum Gstudieren! In den »goldenen Stiefel!«

Beide (singen)

In den goldenen Stiefel!
Gehen wir
Gleich zum Bier,
Du mit mir,
Ich mit Dir –
In den goldnen Stiefel!
Sti, sti, sti, sti, Stiefel!

(Beide ab.)

Grethl (die schon einige Zeit gelauscht hat) In den goldenen Sti, sti, sti, sti, Stiefel! – Wart, Du Erzlump, Du liederliches Tuch! Schon am frühen Morgen in's Wirthshaus, während ich mich den ganzen Vormittag aufm Markt herumgeplackt hab' und zur Stärkung im Schnapsladl kaum ein paar Gläsl Magenliqueur trinken hab' können. Wart! komm Du mir heut nach Haus! da kriegst Du Dein Fett, aber nicht in der Supp, sondern auf'n Buckel! Uebrigens weil er denn doch nicht zu Haus ist, werd' ich davon profitiren und meine guten Freundinnen auf e Kaffeeparthie einladen und der Herr Fuhrwesenlieutenant Pulvermann darf auch nicht dabei fehlen. Wart nur, Kasperl, was dem Einen recht ist, das ist dem Andern billig. Sitzst Du im Wirthshaus mit Deinen Saufbrüderln, so wird's mir wohl erlaubt seyn, zu Hause eine anständige Kaffeegesellschaft zu haben. Jetzt muß ich nur gleich Alles herrichten; heut werden wir wohl so beiläufig sechs Maaß Kaffee brauchen. (Ab)


Kasperl. Jäger (Ersterer etwas benebelt)

Kasperl Juhei!– Das laß ich mir gefall'n! Zuerst Bier, nachher Wein, zum Schluß gebrannten Wein, das heißt: Branntwein! Edler Mensch! (umarmt den Jäger) laß Dich an mein Herz drücken! Edelster aller edelsten Menschen! Ja Du bist würdig, ein Mensch zu seyn! Du Musterbursch aller zweibeinigen mit Vernunft begabten Wesen der Schöpfung! Edles geschöpftes Geschöpf!

Jäger Schon gut, schon gut, Freund Kasperl! mich freut's wenn's Dir geschmeckt hat! Ich hab Dir nur einen kleinen Beweis geben wollen von meiner Anhänglichkeit!

Kasperl Oh, diese Anhänglichkeit! Lassen wir sie niemals hängen! Laß uns auf ewig Freunde bleiben! (für sich) so lang er mir Bier und Wein zahlt!

Jäger Allerdings ist es um Anhänglichkeit und Liebe so eine eigene Sache. Man darf nicht immer darauf bauen!

Kasperl Das versteh' ich nit recht. Gewöhnlich baut man ja die Häuser aufn Erdboden.

Jäger Ich meine dieß allegorisch.

Kasperl Obligatorisch also? – Ja was die Liebe betrifft, so bin ich ein glücklicher Mensch; denn wer ein Weib hat, wie ich, der ist versorgt, wie die Engel im Himmel!

Jäger Nu, nu, nu! Hast Du Deine Grethl schon einmal auf die Probe gestellt mit ihrer Liebe?

Kasperl Das braucht's gar nit.

Jäger Bist Du so fest überzeugt!

Kasperl Ueberzogen oder nicht überzogen, ich glaub's einmal.

Jäger Wie wär's, wenn Du es doch einmal auf eine Probe ankommen ließest?

Kasperl Das Bier probirt man; den Wein probirt man – der Gedanken war auch nicht übel, daß ich einmal mein Grethel probir – ob sie Stich halt'.

Jäger Gut, mein Freund; die Prüfung wird euere gegenseitige Liebe nur noch mehr befestigen und stärken.

Kasperl Und wenn's aber die Prüfung nit aushalt, dann wird sie meine Faust befestigen und stärken; denn nachher setzt's Prügel ab.

Jäger Ich werde als treuer Freund Dir stets zur Seite steh'n.

Kasperl Aber, Freund! Jetzt sag mir einmal: Wie fangen wir's mit der Prüfung an?

Jäger. Das einfachste ist – Du stirbst – –

Kasperl. Wär nit übel? Ich soll sterb'n?

Jäger. Versteh mich recht! Du sollst zuerst eine Krankheit fingiren.

Kasperl. Eine Krankheit stringiren –

Jäger. Dann wirst Du scheinbar immer schlechter und schlechter und stellst Dich endlich, als ob Du g'storben wärst.

Kasperl. Und nachher? – dank recht schön, da krieg ich nix z' essen und zu trinken und vielleicht kommt gar der Todtengraber und grabt mich ein. Das ist ja gar keine Prüfung für meine Frau. Schlagen wir die zuerst todt und schau'n wir nachher was sie sagt?

Jäger. Dein Scheintod wird Dir ihre wahren Gesinnungen offenbaren; glaub mir, und was das Uebrige anbelangt, laß mich sorgen. Ich laß Dich nicht verhungern, nicht verdursten und nicht lebendig eingraben; denn ich werde mich als Doktor verkleiden, um diese ganze Intrigue zu dirigiren.

Kasperl Nun, so will ich mir's gefall'n lassen, wenn Du mir hilfst. Ich werde mit der feinen Intrigue eines Rausches beginnen, nachher kommt die Ohnmacht von selbst dazu. Drum geh'n wir nur gleich wieder in's Wirthshaus!

Jäger Nein Freund! bei dieser Operation mußt Du den Kopf beisammen haben und nüchtern seyn, sonst könntest Du Dich ja verrathen.

Kasperl Das ist auch wieder wahr!

Jäger Geh' jetzt nach Haus, sage, Du seyst unwohl, leg Dich ins Bett, laß den Doktor holen – der bin ich – das Weitere wird sich schon geben.

Kasperl Der bin ich, das Weitere wird sich schon geben. Also wollen wir's probiren. Jetzt thu ich gleich, als ob ich recht Bauchweh hätt' – das Weitere wird sich schon geben!

(Beide ab)


(In Kasperls Wohnung)

Grethl Das war einmal eine lustige Kaffeeparthie. Jetzt hab ich auch Alles so hübsch wieder zusammengeräumt, daß der Kasperl gar nichts davon merkt, wenn er nach Haus kommt. Nun, der wird so wieder seinen Rausch mitbringen wie gewöhnlich. Ich bin nur froh, daß er heut gar so lang ausbleibt, er hätt' mir mitten in die Gesellschaft hineinfallen können und das war ein Spektakel geworden! Da hätt's wieder Prügel gegeben!

Kasperl (von Außen.) Grethl, Grethl! mach auf! Ich hab meinen Hausschlüssel vergessen!

Grethl. Ja richtig! Du wirst wohl's Schlüsselloch nit finden!

Kasperl. Mach auf, mach auf! Mir ist nit wohl!

Grethl. Aha? hast schon wieder Einen bei Dir, der Dir Kopfweh macht. (Oeffnet die Thüre.)

Kasperl (eintretend). Ach, mein liebe Grethl! mir ist todtenübel!

Grethl. Glaub's gern, wenn man immer zu viel trinkt!

Kasperl. Ach, meine liebe Grethl! Ich hab heut gar nix trinken können und bin nur meinem Kameraden zu lieb sitzen geblieben im Wirthshaus! Ich bitt Dich, mach mir nur gleich einen Thee!

Grethl. Du willst einen Thee? Nu, da mußt' wirklich krank seyn. Willst ein' Kamomillenthee?

Kasperl. Ein' Kamorillenthee?

Grethl. Oder einen Hollunder? einen Münzenthee?

Kasperl. Was für Münzen nimmst denn dazu? Pfenning oder Kreuzer, die kann ich besser schlucken.

Grethl. Was nit gar, Kronenthaler?!

Kasperl. Auweh, auweh, mich zwickts! Au, au – au!

Grethl. Du wirst Dich halt verkältet hab'n; oder hast wieder z' viel durcheinander gegessen?

Kasperl. Schau Grethl, was hab ich heut gessen? Zuerst eine Schoklatsuppen mit Weinbierl und Bratwürsteln drin; nachher eine Portion Schweinefleisch mit Sauerkraut und gelbe Rüben; nachher e bißl einen Kaffee; nachher ein halbes Gansl mit Kartoffelsalat und zum Schluß ein paar Salvenati!

Grethl So, und da soll Dir der Bauch nit weh thun? Das ist ja ein Durcheinander, der ein Pferd umbringt!

Kasperl Aber ich bin ja kein Pferd. Das Bauchweh muß einen andern Grund haben. Ich hab glaub ich zu wenig getrunken.

Grethl Ei was! Du führst eine unordentliche Lebensweise, da kann der Mensch nicht g'sund bleiben.

Kasperl Auweh, auweh! mich zwickt's als ob ich glühende Beißzangen verschluckt hätt', au, au, au! Mach mir mein Bett und hol mir den Doktor! Auweh, auweh – ich muß sterben. (Weint)

Grethl Lieber Kasperl, thu mir das nit an! ich müßt gleich mit Dir sterben!

Kasperl Au, au, au, auweh! zu Hülf! es zerreißt mich!

Grethl Leg Dich nur gleich ins Bett und nimm ein warmes Hafendeckerl. Ich hol g'schwind den Doktor! (Ab.)

Kasperl (gerührt). Und die Frau soll mich nit lieb hab'n! – Nein, Thomerl, Du thust ihr Unrecht. Aber die Prob muß ausghalten werden! Schad't ihr nichts! So, jetzt will ich mich geduldig in's Bett legen und schlafen, bis die Grethl den Doktor bringt. (Legt sich in's Bett und fangt gleich zu schnarchen an.)

(Träumend.)

So, so – das ist aber ein Durst – – ich – halts nit aus – Kellnerin, eing'schenkt – mein Krug ist leer – le – le – le – leer. (Musik.)


Grethl mit dem Jäger (welcher als Doktor verkleidet ist, und eine große Klystirspritze unter dem Arm hat).

Grethl. So, lieber Kasperl, da ist der Herr Doktor. Ich hab gleich den ersten besten mitgenommen, dem ich auf der Straße begegnet bin.

Jäger. Herr Kasperl! Nun wo fehlt's Ihnen denn? – – Herr Kasperl! Schlafen Sie denn? Hören Sie mich nicht? Ich bin der Doktor.

(Kasperl thut immer dergleichen, als ob er nicht hörte.)

Herr Kasperl! Wachen S' auf, daß ich Ihnen den Puls fühlen kann.

(Kasperl streckt den Fuß aus der Decke heraus.)

Den kann ich nit brauchen.

(Kasperl streckt das andere Bein heraus.)

Die Hand müssen Sie mir herausstrecken!

(Kasperl reckt den Arm heraus und seufzt)

So, jetzt wollen wir sehen, ob Fieber da ist. (Greift den Puls.)

Kasperl Au, au, auweh! mir zerspringt der Bauch!

Jäger Geduld, Geduld! (Greift unter die Decke.) Ihr Unterleib ist sehr gespannt und aufgebläht. Wir werden ein Clisterium Scheidwasserianum appliciren.

Kasperl (schreit). Nein, nein! Da dank ich! Das hab'n wir nit miteinander ausg'macht! Mir fehlt nix!

Jäger Ruhig, Ruhig! Herr Kasperl! (Ihm ins Ohr) Verrathe Dich nit, sonst merkt's Deine Frau. (Laut) Clisterium und dann ein Purgatorium Wienertranklianum! (Bei Seite zu Grethl) Madame Kasperl, der Fall ist sehr bedenklich. Es ist eine gefährliche inflammatio trommularia ventriculosa – nämlich eine Bauchtrommelfellentzündung!

Grethl Nein, das ist ein Unglück! Ach, retten Sie mir meinen Kasperl, Herr Doktor!

Kasperl. Ich hab' ja keine Trommel verschluckt! Das ist nit möglich!

Jäger (pulsgreifend). Das Fieber wird immer heftiger! Ich muß gleich etwas Medizin einschütten, die ich draußen stehen habe. Madame Kasperl, holen Sie's gefälligst herein.

Grethl. Gleich, gleich! (Geht hinaus, Kasperl springt aus dem Bett.)

Kasperl. Nein, Kamerad, das leid ich nit. Ich laß mir keine Medizin einschütten. S'is nix mit der Prob.

Jäger. Nur still – ich schütt Dir ja nur Bier ein!

Kasperl (springt wieder ins Bett). Das laß ich mir gefallen! Aber nachher werd' ich mich todt stellen.

Jäger. Ich sag Dir schon, wenn's Zeit ist.

Grethl (bringt eine große Flasche und einen Trichter herein). So, da ist die Medizin!

Jäger. So, so! Wir wollen jetzt gleich zum Werk schreiten. Stecken Sie den Trichter dem Herrn Kasperl in's Maul.

(Grethl hält den Trichter, der Jäger schüttet ein.)

Kasperl. Ah – das war gut! wenigstens zwei Maaß! Herr Doktor, noch so eine Portion! – Au weh! zwick! Auweh! Mir verbrennt der Magen! Ich stirb!

Jäger. Delirium tremens! Frau Kasperl! Da kann die Kunst nicht mehr helfen.

(Kasperl hüpft einigemale vom Bett in die Höhe.)

Grethl (jammernd). Auweh! auweh! – Kasperl, Kasperl, lieber Kasperl!

Jäger. Der Puls stockt! – es ist aus mit ihm!

(Grethl fällt in Ohnmacht, während Kasperl den Kopf aus dem Bett streckt und sie betrachtet.)

Jäger. Mach keine Dummheiten, Kasperl. Jetzt gilt's.

Grethl (erwachend). Wo bin ich?

Jäger. Sie sind nun eine Wittwe, Madame Kasperl!

Grethl. Gott tröst' ihn! er war ein guter Kerl, aber ein Lump!

(Kasperl fährt aus dem Bett.)

Jäger. Ha! das sind die Nachzuckungen, welche wir bei Gestorbenen häufig beobachten. (Zu Kasperl): Sey doch kein Narr! Jetzt geh ich fort, Madame, und schick Ihnen den Sarg und die Träger. Empfangen Sie meine aufrichtige Beileidsbezeugung! Ich habe als Arzt Alles angewendet zur Rettung Ihres Mannes; aber es gibt Fälle, wo die Natur ihren Tribut fordert, und alle Kunst scheitert. (Geht ab.)

Grethl. O mein Kasperl! Jetzt liegst halt da! Es thut mir wirklich herzlich leid, daß ich Dich nimmer hab! Aber was bleibt mir übrig, als daß ich mich bald um einen ander'n Lebenströster umschau! Wittwe kann ich nicht bleiben! – Wenn nur der Bursch nit Alles verthan hätt'; mit der Erbschaft wird's schlecht ausseh'n und der Lieutenant Pulvermann, der ein Aug auf mich hat, wird auch kein Vermögen haben! – Wenn jetzt nur mein Mann bald aus'm Haus wär! Es ist einmal vorbei! Da kann man nichts thun als sich trösten.

(Während des Monologs muß – unbemerkt von Grethl – Kasperl im Bett durch Mimik seine Entrüstung ausdrücken.)

(Es klopft an der Thüre.)

Grethl. Wer wird das seyn? – Herein!

Lieutenant Pulvermann. Mit Bedauern habe ich soeben das schreckliche Unglück vernommen, das Sie betroffen hat, verehrte Madame Kasperl! Ihr edler Gatte – –

Grethl (stellt sich sehr traurig und weint). Er ist nicht mehr!

Lieutenant. Oh! Oh! Oh! –

Grethl. Der gute Mann!

Lieutenant. Ja! der edle, allgemeingeschätzte Mann! aber gewiß war sein Tod die Folge seiner leichtsinnigen, sozusagen liederlichen Lebensweise!

(Kasperl droht mit der Faust.)

Grethl. Allerdings! Er ist ein Opfer der Trunksucht, wie mir der Doktor gesagt hat; denn er ist am laxirium clemens gestorben!

Lieutenant. Am laxirium clemens! – Wieder eine neuerfundene Krankheit!

Grethl. Aber ich bin und bleibe eine verlassene Wittwe!

Lieutenant. Wenn Sie einer Stütze bedürfen, wenn ich würdig wäre, Ihnen diese Stütze zu seyn – wie glücklich würde ich mich schätzen!

Grethl Oh, ich bitte, Herr Lieutenant!

Lieutenant Ja! ich beschwöre es bei dieser edlen Leiche, die hier vor uns liegt – Madame, Ihr Besitz würde mich zum Seligsten auf Erden machen!

Grethl Wenn ich bedenke, daß eine Wittwe so allein da steht in der Welt, wenn ich bedenk – –

Lieutenant O, bedenken Sie nichts, Madame Kasperl! Verfügen Sie über mein Leben! Es gehört Ihnen ganz und gar!

Grethl Edler Pulvermann!

Lieutenant Nicht Pulvermann! Nein! bald Dein Mann!

Grethl Kühner Freund eines schwergedrückten Herzens? Was soll ich sagen?

Lieutenant An mein Herz! (Umarmung)

(Kasperl wirft ihm Decke und Kissen an den Kopf und springt aus dem Bett)

Kasperl. Ah! das ist aber gar z' arg! Du abscheuliche, heuchlerische Grethl!

Grethl. Herr Jemine! Was ist das?

Kasperl. Ja! »Was ist das« hab ich zu fragen, Crocodill von einem Weibsbild! Und der saubere Herr Pulverstoffl da hilft auch dazu! (Schlägt um sich.) Ich bin nicht gestorben, nein ich bin so gesund, daß ich schon wieder den größten Appetit hab und Euch alle zwei aus Rache verschlingen könnt, wenn ihr nit so miserable Bissen wär't.

Lieutenant. Herr Kasperl! vergessen Sie sich nicht gegen mich, ich bin Offizier!

Kasperl. Was Offizier! (Nimmt den Nachttopf und zerschlägt ihn an seinem Kopf.) Da haben Sie Ihren Theil, miserabler Kerl! Kaum hat der Mann die Aug'n zug'macht, so woll'ns gleich die Wittib heurath'n!

Lieutenant. Ha! ich bin verwundet! Rache, Rache!

Kasperl. Und Du auch, wart ich komm Dir! Jetzt leb ich Dir zum Trotz extra noch recht lang. (Prügelt sie.)

Lieutenant. Ich bin der Beschützer dieses edlen Weibes!

(Allgemeine Prügelei, in welcher der Lieutenant von Kasperl todtgeschlagen wird.)

(Kasperl wirft ihn in die Kulissen.)

Ein Polizeidiener (tritt ein). Was ist da für ein Spektakel? Die ganze Straße ist voll Leute. Was hat's gegeben?

Kasperl. Schläg hat's gegeben, Herr Polizarius, und Sie können auch welche kriegen, wenn S' nit bald weiterspazieren.

Polizeidiener. Es ist die Pflicht der hohen Polizei, sich überall in's Mittel zu legen und möglichst alle Differenzen auszugleichen.

Kasperl. Legen Sie sich hinein wo Sie wollen, in die Mitten oder auf die Seiten und weichen Sie allen Konferenzen aus, aber mich und meine Frau lassen's in Ruh!

Grethl. Ja, Herr Polizeisoldat, stören Sie nicht das häusliche Glück einer stillen Familie.

Polizeidiener. Die Familie muß nicht sehr still gewesen seyn, da sie einen solchen Straßenauflauf veranlaßt hat.

Kasperl. Was geht mich der Chocoladauflauf an? Ich bitt mir's aus, sonst gebrauch ich mein Hausrecht. (Gibt dem Polizeidiener ein paar Ohrfeigen.)

Polizeidiener. Unverschämter Flegel, das sollst Du büßen. (Schlägt den Kasperl.)

Grethl. Was, Sie – meinen Mann schlagen? (Zaust ihn.)

Kasperl. Brav, Grethl! helfen wir zusammen!

Allgemeine Prügelei.

Polizeidiener. Halt! halt! Unter diesen Umständen werde ich mich entfernen, aber ich weiche nur der Gewalt!

Kasperl. Weichen Sie wem Sie wollen!

Polizeidiener. Leben Sie wohl, Herr und Madame Kasperl!

Kasperl. Leben Sie wohl und kommen Sie nie wieder, wenn S' nit den Buckel voll Schläg wollen!

(Polizeidiener geht ab.)

Kasperl. Grethl! ich verzeih Dir Alles; Du hast Dich jetzt brav g'halten!

Grethl. O mein Kasperl, ich war ja immer Dein gutes Weiberl! Und wegen dem Pulvermann – schau –

Kasperl. Geh, geh – sey nur still! Ueber diesen Punkt woll'n wir den Schleier der Vergessenheit fallen lassen.

Grethl. Wir wollen unsere Schwächen gegenseitig ertragen.

Kasperl (mit erhabenem Tone). Mir ist's recht! Aber bleiben wir dabei, wenn ich manigmal etwas schwach aus'm Wirthshäusl heim komm, so ertrage auch diese Schwachmatigkeit und dulde als ein standhaftes Weib!

Grethl. Ich versprech Dir's! – Weißt was? Zu unserer Versöhnungsfeier geh'n wir gleich zusammen in's Wirthshaus.

Kasperl. Großartiger Gedanke, dem Gehirne eines schwachen Weibes entsprungen! Weib, ich folge Dir, und ging es durch die Hölle!

Grethl. Geh, sey nit gar so hochdeutsch!

Kasperl. Ha! dieser ergreifende Monument hat mich auf das Tiefste erschüttert. (Umarmt Grethl.) Laß mich an Deinem liebenden Busen die Thränen der wiedererwachten Menschheit aushauchen! – (In seinem gewöhnlichen Tone.) Aber gelt, zur Versöhnungsfestivität werden z'erst einige Backhendln gegessen; nachher schmeckt's Bier besser, und zum Schluß lassen wir eine Poli Punsch auftragen, welche mein Freund Thomerl zahlen muß; denn er hat den ganzen Dechtmechtl erfunden.

Grethl. Wie, der abscheuliche Mensch?

Kasperl. Er ist weder abscheulich noch Mensch, sondern vacirender Chasseur und mein Freund! also keine Einred. Jetzt komm; Du kannst auch ein paar Frau Basen mitnehmen.

Grethl. Dann laß ich mir auch den Thomerl gefallen.

Kasperl. Arm in Arm, Hand in Hand wandeln wir jetzt in den »goldnen Stiefel!« Juheisaschnuderibix! Heut setzt's einen priviligirten Rausch ab; auf meine schwere Krankheit brauch ich eine gewaltige Stärkung! (Tanzt mit Grethl hinaus.)


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