Franz Pocci
Neues Kasperl-Theater
Franz Pocci

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V.

Kasperl in China.

Kasperl. Ds ist eine fatale G'schicht! Jetzt bin ich unter die Chinesen kommen – ich weiß gar nicht wie! Zu Haus hat's mir nimmer g'fallen, seit's überall ein so miserabl's Bier hergeben und die Batzenweckeln so klein sind, und da hat mich der Verdruß so weit gebracht, daß ich mich entschlossen hab', nach Amerika auszuwandern. So bin ich halt eine Zeitlang umeinander gewandert bis ich eine sogenannte Schiffsgelegenheit g'funden hab und da habens mich in ein leeres Brandweinfaßl hineing'steckt und auf ein Schiff gebracht. Mitten im Meer drin haben's das Faßl und mich in's Wasser g'worfen und an der chinesischen Grenz bin ich ausg'stiegen, wie's mein Faßl an's Ufer hinausg'spült hat, wo mich gleich die Schlavenhändler aufpackt hab'n und jetzt bin ich schon über zwei Monat Budienter oder Flurirschütz bei einem Mandarin! S'wär nit übel, aber alleweil Thee und immer nix als Thee, das will mir gar nit g'fall'n und täglich mei'm Herrn den Haarzopf wixen, das ist eine langweilige Beschäftigung für den Hanswurstl, und mit der Sprach komm ich auch nit recht fort! Und der dumme Nam', den mein Herr hat: »Quingquing!« Und mich heißen's »Tschingtsching« – da möcht' Einer ja gleich davonlaufen!

Mandarin (von Innen rufend): Tschingtsching!

Kasperl. Aha! da ruft mich schon mein Herr wieder. Quingquing! warten's e bißl, ich komm gleich. Vermutlich muß ich wieder ein paar Maaß Thee im Caffeehaus holen!

Mandarin. Tschingtsching!

Kasperl. Quingquing Exlenz, was schaffens?

Mandarin. Tschaopipipipizopfilipomadirling.

Kasperl. Tscha, tscha, tscha, tscha, ich muß erst den Pomaditigl holen.

Mandarin. Pipipipitschingtsching!

Kasperl. Pipipipipi, setz'n Ihnen derweil nieder!

Mandarin (setzt sich und Kasperl nimmt ihn beim Zopf).

Kasperl. So, Exlenzquingquing, halten's nur still!

Mandarin. Wixlipixlitschaotschao! (Kasperl wichst den Zopf.)

Kasperl. Exlenzquingquing müssen vermuthlich zum Kaiser hinein nach Hof, weil Sie sich so aufputzen?

Mandarin. Tschatschatscha!

Kasperl. Soll ich Ihnen vielleicht auch die neuen gelben Pantoffel holen und den himmelblauen Schlafrock mit dem goldenen Stern und Sonn und Mond darauf?

Mandarin. Tschatschatscha.

Kasperl. Ja, ja, ja.

Mandarin. Hongtongmonglongpipi.

Kasperl. Das versteh' ich nit! Sprechen's deutsch.

Mandarin. Hongtongmonglongtschingtsching!

Kasperl (gibt ihm eine Ohrfeige). Hongtongmonglong – wart' e bißl! (Mandarin fällt um.) Auweh! Jetzt hab ich – glaub ich – meinen Herrn todt g'schlag'n! Aber, daß so ein Chines nicht einmal eine einfache germanische Ohrfeig aushalten kann. (Beguckt ihn.) Richtig! der ist mauserltodt! – Was fang ich jetzt an, damit sie mich nit einfangen? – Ich zieh den blauen Schlafrock an und geh zum chinesischen Kaiser hinein, vielleicht erkennt er mich nicht und sieht mich für seinen Minister Quingquing an. Das wär' ein Mordgaudium! (Ab.)


Kaiser von China Schunschi (mit einem großen Parapluie).

Schunschi. Potz tausend Element! Heut ist's aber warm! Wo ist mein Premierminister Quingquing? Warum bleibt er so lang aus mit seinem Portefeuille der verwickelten Angelegenheiten.

Kämmerling Kakao. Vermutlich hat er wieder einen Opium-Rausch auszuschlafen, großer Kaiser.

Schunschi. Hab' ich nicht schon längst das Opiumtrinken verboten? Was soll das gemeine Volk, wenn meine Minister selbst mit dem schlechten Beispiel vorangehen? – Ich werde den Minister der verwickelten Angelegenheiten hängen lassen.

Kakao. Aber er ist ein trefflicher Geschäftsmann, der sich ganz besonders durch seine Energie auszeichnet!

Schunschi. Ich liebe zwar Energie an meinen Ministern, weil ich selbst zu sanfter Natur bin, aber potz tausend Element! das Opium hab ich eben deßhalb verboten, weil es alle Energie lähmt! – Ha! da kommt mein Premier!

Kasperl (als Minister im blauen Schlafrock, ein Portefeuille unter dem Arm, unter Verbeugungen). Ich hab die Ehre einen guten Morgen zu wünschen, großer Kaiser aller chinesischen Völker.

Schunschi. Warum heut so spät, mein Bester?

Kasperl (spricht affektirt hochdeutsch). O ja! ich habe mich etwas verspötet, jedoch aber immerhin dennoch gewissermaßen –

Schunschi. Genug der Entschuldigungen. Für dießmal will ich es passiren lassen. Das nächste Mal werden Sie baumeln.

Kasperl. Taumeln – ja getaumelt hab ich schon oft!

Schunschi. Zur Sache! Was haben Sie heute zu referiren?

Kasperl. Nix hab ich zu despektiren.

Schunschi. Wie steh'n die verwickelten Angelegenheiten?

Kasperl. Die verzwickelten Angelegenheiten steh'n halt so und so.

Schunschi. So?

Kasperl. So! –

Schunschi. O!

Kasperl. O!

Schunschi. Erläutern Sie mir diesen Gegenstand.

Kasperl. Den Gegenstand kann ich nicht erweitern, denn er ist schon weit genug.

Schunschi. Wie so? Ich verstehe Sie nicht ganz.

Kasperl. Ich auch nicht. Es ist halt so eine Geschicht mit den verzwickelten Angelegenheiten.

Schunschi. Sie kommen mir heute sehr sonderbar vor; Ihr Vortrag ist so verworren.

Kasperl. Und Sie kommen mir auch sehr sonderbar vor. Jetzt bin ich schon über e halbe Stund' da und hab noch nix zu trinken kriegt!

Schunschi. Welche Unverschämtheit! – Ich erwarte, daß Sie nach solch einem Benehmen Ihr Portefeuille niederlegen.

Kasperl. Ja, das kann ich gleich niederlegen, aber wenn ich's niederglegt hab', möcht ich was z' trinken haben.

Schunschi. Sie sind von Sinnen! Heda! Kakao!

Kakao. Was befehlen Euer kaiserl. Majestät?

Schunschi. Fort mit diesem unverschämten Menschen! In's Gefängniß mit ihm!

Kasperl. Oho! das ist doch e bißl gar zu arg! Ich beruf mich auf meine Konstitution! Das leid ich nit. (Prügelt den Kakao und wirft ihn hinaus.) So, der ist abgethan. Was schaffen S' jetzt noch?

Schunschi. Ihr Benehmen setzt mich in das größte Staunen! Wie? Sie wollen noch Minister seyn? Es ist unmöglich. Sie haben sich unmöglich gemacht.

Kasperl. Möglich oder unmöglich – ich bin halt der Kasperl!

Schunschi (wüthend). Sie sind ein Narr! (Geht ab.)

Kasperl. Jetzt bin ich so gescheit wie zuvor; aber so ganz umsonst möcht ich doch nit Minister g'wesen seyn. (Schreit.) Heda! Heda!

Ein Sklave (tritt auf) Was befehlen Euer Excellenz!

Kasperl Elender Gschlav! Augenblicklich begib Dich in die Hofkellerei und bring mir was zu trinken.

Sklave (ab)

Kasperl Ministerbesoldung hab' ich keine, also will ich mir die Gagi heraustrinken.

Sklave (kommt mit einem großen Fasse) Hier bring ich ein ganzes Faß vom Besten!

Kasperl Brav gemacht! Trinkt der Mensch gleich aus dem Faß und man braucht nit einzuschenken. Wenn das Faß ausgetrunken, wirst Du Dein Trinkgeld erhalten. Einstweilen entferne Dich, damit ich in meinen Minsterbetrachtungen da nicht gestört bin.

Sklave (ab)

Kasperl (betrachtet das Faß von allen Seiten) Dieses Faß hat zwar eine brandweinartige Ausdünstung, aber das ist doch chinesisch, daß ich kein Spundloch find und überhaupt nix wo was h'rauslaufen kann! Kehr' ich's um, wie ich's will – ich finde keine beliebige Gelegenheit mir den fraglichen Inhalt zuzueignen. Das Kürzeste ist: ich schlag den Boden ein. (Springt hinauf und schlägt mit dem Fuß drein. Aus dem Fasse schaut der Geist des Tschingtsching heraus.) Oho! – das wär mir eine saubere Geschicht! Ja, was thun denn Sie darin, verstorbene selige Exlenz?

Mandarin Tschaopipipipi.

Kasperl Auweh! geht der Discurs wieder an? (Stößt ihn hinein) Marsch, in das Reich der Unterwelt zurück! Vermessener, Du gehörst nicht mehr diesem Leben an!

Mandarin (erscheint wieder) Tschaopipipipi.

Kasperl Tschaopipipipi! wart das wird gleich anders werden. (Zieht ihn heraus und pufft dessen Kopf auf die Brüstung) So, jetzt ist's gut. (Wirft ihn wieder in das Faß.) Was hab ich aber jetzt davon? Die Tschingtschingexlenz kann ich doch nit trinken? Es bleibt mir nichts übrig, als daß ich ins Caffehäusl geh, mich unter das dumme chinesische Volk setz' und mir mit einigen Maaß Thee den Durst lösch. Aber nachher mach' ich, daß ich z' Haus komm in mein geliebtes Vaterland; vielleicht kann ich dort ein Ministerium übernehmen, wenn Ein's vakant ist. Aber da beding' ich mir gleich mein richtiges Deputat zum Trinken aus und laß mich nit mit so einem Faßl Tschingtsching abfinden!

(Macht sein Compliment gegen das Publikum)


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