Plautus
Die Zwillinge (Menaechmi)
Plautus

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Sechster Act.

Erste Scene.

Der Vater. (zurückkehrend)
Vom Sizen schmerzt die Lende mir, vom Sehen schmerzt
Das Auge, weil ich unsern Arzt erwartete,
Bis daß er sich von seiner Arbeit losgeschält.
Kaum kommt er endlich murrend von den Kranken her.
Ein Bein verbunden hat er wohl dem Aesculap,Man zog ihn als Arzt bei der Ausbesserung der Götterstatuen bei, um gegen die anatomischen Verhältnisse keinen Verstoß zu machen.
Und einen Arm dem Apollo. Ja, nun weiß ich nicht,
Ob ich den Arzt gerufen, ob den Zimmermann.
Doch seht, da kommt er, hebt, der Schnecke gleich, den Schritt.

Zweite Scene.

Der Arzt. Der Vater.

Der Arzt. Was, sagtest du, sei seine Krankheit? Alter, sprich.
Das muß ich wissen. Ist es Mondsucht, Raserei?
Packt' ihn die Schlafsucht, oder gar die Wassersucht?

Der Vater. Du solltest mir das sagen, darum rief ich dich,
Sollst ihn gesund mir machen.

Der Arzt.                                       Eine Kleinigkeit!
Genesen soll er wieder, dafür steh' ich ein.

Der Vater. Mit aller Sorgfalt sorge mir doch ja für ihn!

Der Arzt. Er soll des Tags mir ächzenIch lese mit Bothe: suspirabit. mehr denn tausendmal!
Mit solcher Sorgfalt, Alter, sorg' ich dir für ihn.

Der Vater. Da kommt er selbst.

Der Arzt.                                   Laß sehen, was er nun beginnt!

Dritte Scene.

Menächmus I. Der Arzt. Der Vater.

Menächmus I. Weiß es Zeus, am heut'gen Tage geht mir's schief und krumm und quer.
Was ich heimlich abzumachen dachte, hat der Parasit
Alles aufgedeckt, und mich mit Schmach und Schrecken überfüllt,
Mein Ulyß, der seinem König solches Unheil anfgeregt.»Mein Ulyß,« der mir, wie Ulysses dem Agamemnon und dem Diomedes, bei meinen Unternehmungen Rathgeber und Helfershelfer war.
Wenn ich selbst am Leben bleibe, blas' ich ihm sein Leben aus.
Doch ich Thor, daß ich das seine nenne, was doch meines ist!
Meine Speise zog ihn groß; ich treib' ihm Geist und Odem aus.
Aber wie's der Dirnen Art ist, so verfuhr die Dirne hier.
Als ich um den Mantel bat, den meine Frau zurückverlangt,
Sagt sie, daß ich ihn bekommen. Gott, ich bin doch schlimm daran!

Der Vater. Hörst du, was er sagt?

Der Arzt.                                       Er sei gar schlimm daran.

Der Vater.                                                                               Geh hin zu ihm.

Der Arzt. Sei gegrüßt, Menächmus! Weßhalb trägst du deinen Arm so bloß?
Weißt du nicht, daß deine Krankheit damit nur noch schlimmer wird?

Menächmus I. Packe dich zum Geier!

Der Vater. (zu dem Arzte)                   Merkst du jezt noch nichts?

Der Arzt. Wies                                                                               sollt' ich nicht?
Eine ganze Saat von Nieswurz schafft den Mann uns nicht gesund.Die Nieswurz galt bei den Alten für ein Hauptmittel gegen Wahnsinn und Raserei.
Sprich, Menächmus!

Menächmus I.                 Was verlangst du?

Der Arzt.                                                     Gib mir doch einmal Bescheid:
Trinkst du weißen oder rothen Wein?

Menächmus I.                                             So geh zur Hölle, du!

Der Vater. Nun beginnt das Rasen wieder.

Menächmus I.                                             Frage lieber, ob ich Brod,
Rothes oder gelbes esse, oder scharlachfarbenes,
Ob geschuppte Vögel, oder Fische gar mit Federn?

Der Vater.                                                                       Hu!
Hörst du, welch unsinnig Zeug er redet? Weßhalb zögerst du,
Ihm ein Tränkchen einzugeben, eh die Tollheit ihn ergreift?

Der Arzt. Nur Geduld! Ich frage weiter.

Der Vater.                                               Dein Geschwäz bringt ihn noch um.

Der Arzt. Sage: pflegen dir die Augen nicht zuweilen hart zu sein?»Harte Augen,« d. i. starre, stier vor sich hinblickende Augen.

Menächmus I. Etwa gar für einen Seekrebs hältst du mich, Nichtswürdiger?

Der Arzt. Fühlst du nicht, daß dir's zuweilen in den Eingeweiden knurrt?

Menächmus I. Wenn ich satt bin, spür' ich's nie; nur wenn ich hungre, knurrt's im Leib.

Der Arzt. Diese Worte klingen wahrlich nicht wie eines Rasenden.
Schläfst du fort die ganze Nacht bis an den Tag? Und schläfst du leicht?

Menächmus I. Wenn ich meine Schulden zahlte, schlaf' ich leicht die ganze Nacht. –
Straften dich mit deinen Fragen alle Götter, Plaudermaul!

Der Arzt. (zu dem Vater)
Jezt beginnt die Raserei. (zu Menächmus)
                                        Mit solchen Reden bleibe fern!

Der Vater. (zu dem Arzte)
Geh doch; viel bescheid'ner ist ja seine Sprache, denn zuvor.
Hat er doch die eigne Frau jüngst einen tollen Hund genannt.

Menächmus I. Was hab' ich gesagt?

Der Vater.                                       Du bist von Sinnen, sag' ich.

Menächmus I.                                                                                 Ich?

Der Vater.                                                                                             Ja, du,
Der du mich in Grund zu schmettern drohtest mit dem Viergespann.
Sah doch ich dich also thun, ich klage selbst dich dessen an.

Menächmus I. Und ich weiß, daß du die heil'ge Krone stahlst dem Jupiter.
Daß du dafür im Gefängniß büßtest, daß man, als du frei
Wurdest, unter'm Galgen dich mit Ruthen peitschte, weiß ich auch;
Daß du dann verkauft die Mutter, und den Vater umgebracht,
Weiß ich auch. In dieser Antwort hast du Schimpf genug für Schimpf.

Der Vater. Arzt, ich bitte dich um Alles! Was du thun willst, thue bald.
Denn du siehst, der Mensch ist rasend.

Der Arzt.                                                     Weißt du, was das Beste? Laß
Ihn zu mir hinüberschaffen.

Der Vater.                                 Meinst du?

Der Arzt.                                                     Ja. Dort kann ich ihn
Ganz behandeln, wie mir's gutdünkt.

Der Vater.                                               Thue nur, wie dir's beliebt.

Der Arzt. (zu Menächmus)
In den nächsten zwanzig Tagen trinkst du Nieswurz.

Menächmus I.                                                                   Aber du
Sollst die nächsten dreißig Tage hängen, und ich zwicke dich.

Der Arzt. (zu dem Vater)
Hole Leute, die zu mir ihn bringen.

Der Vater.                                             Wie viel sind genug?

Der Arzt. Wie ich jezt ihn rasen sehe, bringe mir nicht unter vier.

Der Vater. Sollen gleich hier sein; indeß hab' Acht auf ihn.

Der Arzt.                                                                               Ich muß nach Haus,
Um, was Noth thut, anzuordnen. Du befiehl den Knechten nur,
Ihn zu mir zu bringen.

Der Vater.                         Wird gescheh'n.

Der Arzt.                                                     Ich gehe.

Der Vater.                                                                   Lebe wohl!
(Beide gehen zu verschiedenen Seiten ab.)

Menächmus I. (allein, sieht sich um)
Fort der Schwäher, fort der Arzt; ich bin allein. Du großer Gott!
Was ist das, daß hier die Leute sagen, daß ich rasend sei?
Nie, so lang ich auf der Welt bin, war ich krank, nicht Einen Tag.
Auch bin ich nicht toll, ich fange weder Streit noch Händel an.
Selbst gesund, seh' ich Gesundheit, frohen Muth gern um mich her,
Kenne wohl auch andre Leute, binde gern mit ihnen an.
Sind vielleicht, die mich für toll erklären, nicht gar selber toll?
Was zu thun? Ich möchte heim; doch meine Frau erlaubt es nicht.
Und hier läßt mich Niemand ein. Mir geht es allzu traurig doch.
Bleib' ich hier denn bis zur Nacht; dann, denk' ich, läßt man mich in's Haus.
(er sezt sich auf eine nahe Bank.)

Vierte Scene.

Messenio tritt auf von der anderen Seite.

Messenio. Der Knecht, wie er sein soll, der nur seines Herrn Wohl
Bedenkt und besorgt, der bewacht, was des Herrn ist,
Auch wenn er entfernt ist, mit Sorgfalt und Umsicht,
Als wär' er zugegen, ja, wahrt es noch treuer.
Die Haut muß ihm mehr, als der Schlund, und die Beine
Ihm mehr als der Bauch sein, weß Herz nicht verkehrt ist.
Denk' er doch, welcher Lohn von dem Herrn denen wird,
Welche nichts taugen, die träg und unnüze sind:
Schläge, Ketten, Mühle, Mattheit, großer Hunger, bittre Kälte,
Das ist der Trägheit herber Lohn.
Vor solchen Uebeln scheu' ich mich; drum bin ich lieber gut als schlecht.
Denn lieber duld' ich Mahnungen, als Ahndungen, da graut mir vor,
Und esse so viel lieber auch Gemahl'nes, als ich mahle selbst.
Drum führ' ich, was mein Herr befiehlt, wohl aus, bedien' ihn ämsig, und
Das frommt mir auch. Die Andern mögen sein, wie's ihnen nüzlich dünkt;
Ich aber will mich halten, wie's die Pflicht gebeut, will stets in Furcht
Vor Strafe sein, damit ich stets mich rein erhalte von der Schuld,
So daß ich stets und überall dem Herr zum Dienst gewärtig bin.
Die Knechte, die sich kein Vergeh'n zu Schulden kommen lassen und
Die Strafe scheu'n, sind ihrem Herrn nur nüzlich. Jene, die sich sonst
Nicht fürchten, fürchten sich, sobald sie eine Strafe sich verdient.
Ich fürchte keine Strafe; nein, die Zeit ist nahe, wo mein Herr
Für meine treuen Dienste mich belohnen wird. Ich diene so,
Wie's meinem Rücken dienlich ist.
Nun ich im Gasthof nach Befehl Gepäck und Sklaven abgesezt,
So komm' ich her, ihn selber abzuholen. An die Thüre hier
Klopf' ich sofort, damit er merkt, ich warte sein, und daß ich mir
Aus der Verderbensgrube da mit heiler Haut ihn ziehen kann.
Doch komm' ich, fürcht' ich, wohl zu spät, nachdem die Schlacht geschlagen ist.
(er tritt zur Seite.)

Fünfte Scene.

Messenio. Menächmus I. noch vor dem Hause sitzend. Der Vater mit Knechten.

Der Vater. (zu den Knechten)
Bei den Göttern und den Menschen sag' ich euch, besorgt mir doch
Alles pünktlich, was befohlen ward und jezt befohlen wird.
Schafft den Mann dort auf den Schultern ungesäumt in's Krankenhaus,Die gemeinen Kranken wurden dem Arzte in's Haus gebracht, wo er sie verpflegte und versorgte.
Wenn ihr eure Bein' und Rippen nicht in Rechnung bringen wollt.
Kümmre sich um seine Drohung Keiner nur im mindesten!
Was steht ihr da? Was zögert ihr? Er sollte längst von hinnen sein!
Ich will zum Arzte, daß ich bei der Hand bin, wenn ihr kommt.

Menächmus I.                                                                                     O weh!
Was soll das sein? Was laufen denn die Leute dort auf mich heran?
(die Knechte gehen auf ihn los.)
Was wollt ihr denn? Was sucht ihr? Was umringt ihr mich? Was packt ihr mich?
Wohin mit mir? Wohin? Ich bin des Todes! – Ihr Epidamnier,
Bei eurer Treu, helft, helfet mir! – (zu den Knechten)
                                                      Laßt ihr mich denn nicht endlich los?

Messenio. (vortretend)
Ihr ewigen Götter, steht mir bei! Was muß ich hier mit Augen seh'n?
Da schleppen Leute meinen Herrn ganz schmählich auf den Schultern fort!

Menächmus I. Wagt Keiner denn mir beizusteh'n?

Messenio.                                                               Ich, Herr, und auf das Muthigste!
Ruchlos verwegne Frevelthat!
Am lichten Tag, in Freundesland, auf offner Straße schleppt ihr hier,
Ihr Epidamnier, meinen Herrn mir fort, der frei herkam zu euch!
Laßt ihn los!

Menächmus I.     Freund, wer du sein magst, hilf mir, ich beschwöre dich:
Dulde nicht das Ungeheure, daß man dies an mir verübt!

Messenio. Ja, zu deiner Seite steh' ich, helfe dir mit aller Macht,
Lasse nie dich untergehen: eh begegne das mir selbst!
Reiße dem, o Herr, das Aug' aus, der dich an der Schulter hält!
Diesem hier will ich das Antliz pflügen, säe Schläge drauf.
Euch zum Unheil, habt ihr den heut angefallen. Laßt ihn los!

Menächmus I. Diesen halt' ich schon am Auge.

Messenio.                                                           Sorge, daß ein leerer Plaz
Statt des Auges sichtbar werde. Schurken, Diebe, Räuber ihr!

Die Knechte. Wir sind hin. Ach, hab' Erbarmen!

Messenio.                                                             Ei, so lasset los!

Menächmus I.                                                                                 Warum
Fallet ihr mich an? (zu Messenio)
                              Mit Fäusten kämme sie!»Mit Fäusten kämme sie!« Kämmen, ein komischer Ausdruck für »prügeln,« findet sich auch bei Terenz.

Messenio.                                                               Fort, fort mit euch!
Fort an's Kreuz!
(Einen der Knechte, der noch zurückbleibt, erwischt er, und prügelt ihn.)
                          Da hast du auch was, weil du nicht abziehen willst. –
Schön, nach Herzenswunsch, gezeichnet hab' ich die Gesichter da.
Ja, bei Gott, zur rechten Stunde kam ich dir zu Hülfe, Herr!

Menächmus I. Ewig lohne dir's der Himmel, wer du sein magst, junger Mensch!
Wärst du nicht, ich lebte nicht mehr bis zu Sonnenuntergang.

Messenio. Nun, bei Castor, wenn du recht thun willst, o Herr, so laß mich frei.

Menächmus I. Ich dich frei?

Messenio.                             Warum nicht? Hab' ich denn dich nicht gerettet, Herr?

Menächmus I. Junger Mensch, du bist im Irrthum.

Messenio.                                                               Ich? Wieso?

Menächmus I.                                                                             Bei Jupiter
Schwör' ich, daß ich nicht dein Herr bin.

Messenio.                                                       Schweige doch!

Menächmus I.                                                                           Ich lüge nicht.
Auch hat mir mein Sklave nie gethan, was du mir heute thatst.

Messenio. Bin ich nicht der deine, gut, so laß mich frei von hinnen geh'n.

Menächmus I. Meinethalben magst du frei sein; geh, wohin es dir gefällt.

Messenio. Du befiehlst mir's?

Menächmus I.                         Ich befehl' es, wenn ich dir befehlen darf.

Messenio. Mein Patron, sei mir gegrüßt!

Ein Knecht. (im Hintergrunde)                 Ich freue mich, Messenio,
Daß du frei bist.

Messenio.                   Gerne glaub' ich's.
(zu Menächmus)                             Doch, Patron, ich bitte dich,
Daß du mir, wie sonst, gebietest, als ich noch dein Sklave war.
Künftig wohn' ich auch bei dir, und wenn du heimgehst, geh' ich mit.

Menächmus I. Nimmermehr!

Messenio.                               Jezt in das Gasthaus eil' ich, dein Gepäck und Geld
Dir herbeizuschaffen. Wohlversiegelt ist im Mantelsack
Der Beutel mit dem Reisegeld. Gleich bring' ich ihn.

Menächmus I. (sich fassend)                                               Ja, bring' ihn schnell.

Messenio. Unversehrt, wie du mir's gabst, erhältst du's wieder. Warte hier!
(geht ab.)

Menächmus I. (allein)
Wunderbar kam heute manches Wunderbare mir in Wurf.
Einer sagt, ich sei ein Andrer, als ich bin, und jagt mich fort.
Dieser nennt sich meinen Sklaven, und ich ließ ihn eben frei;
Er verspricht, den Beutel mir zu bringen samt dem Reisegeld.
Bringt er ihn, so zieh' er immer frei, wohin es ihm beliebt,
Daß er, wieder klug geworden, nicht von mir das Geld verlangt.
Arzt und Schwäher sagten, ich sei toll; das ist doch sonderbar.
Alles dies kommt mir am Ende wahrlich vor, als wär's ein Traum.
Muß zum Mädchen jezt hineingeh'n, will sie bitten, daß sie mir,
Wenn sie gleich mir zürnt, den Mantel wiedergibt für meine Frau.
(geht ab.)

Sechste Scene.

Menächmus II. und Messenio kommen im Gespräche.

Menächmus II. Wie? Du kannst es wagen, Frecher, mir zu sagen, daß du mich
Schon gesprochen, seit ich dir befahl hieher zu kommen?

Messenio.                                                                                 Ja!
Macht' ich doch dich eben erst hier aus den Klau'n von Vieren los,
Die dich auf den Schultern schleppten, an dem Hause da. Du riefst
Alle Götter, alle Menschen an; da kam ich hergerannt,
Und entriß dich ihren Händen mit Gewalt durch meine Faust.
Deßhalb, weil ich dich gerettet, ließest du mich frei. Darauf,
Als ich dein Gepäck und Geld dir holen wollte, liefst du mir
Schnell voraus, um abzuläugnen, was du selbst an mir gethan.

Menächmus II. Wie? Dich hätt' ich freigelassen?

Messenio.                                                             Ganz gewiß.

Menächmus II.                                                                           Gewisser ist:
Eh ich dich frei lasse, will ich lieber selbst ein Sklave sein.

Siebente Scene.

Menächmus I. Messenio. Menächmus II.

Menächmus I. (ruft in's Haus der Erotion hinein)
Schwürt ihr's auch bei euren Augen, nimmermehr bewiest ihr doch,
Daß ich euch den Mantel und die Spange nahm, ruchloses Volk!

Messenio. Götter, ha! Was seh' ich hier?

Menächmus II.                                         Was siehst du?

Messenio.                                                                           Deinen Spiegel.

Menächmus II.                                                                                             Was
Ist denn das?

Messenio.           Dein Ebenbild, so ähnlich, wie's nur möglich ist.

Menächmus II. Wahrlich, nicht unähnlich ist es, kenn' ich anders mein Gesicht.

Menächmus I. (geht auf Messenio zu)
Junger Mensch, der mich gerettet, wer du bist, sei mir gegrüßt.

Messenio. Junger Mensch, was ist dein Name? Nenn' ihn, wenn dich's nicht verdrießt.

Menächmus I. Nicht um mich verdientest du's, daß mich ein Wunsch von dir verdrießt.
Freund, Menächmus ist mein Name.

Menächmus II.                                         Wie? Menächmus heiß' ich auch.

Menächmus I. Bin Sicilier, Syrakuser.

Menächmus II. Dort ist auch mein Heimatland.

Menächmus I. Ei, was hör' ich da?

Menächmus II.                               Die Wahrheit.

Messenio. (tritt zu Menächmus I. dem Epidamnier, den er für seinen Herrn hält)
                                                                        Der da, weiß ich, ist mein Herr;
Dieses Mannes Knecht bin ich, doch glaubt' ich dessen Knecht zu sein.
(indem er auf seinen wirklichen Herrn, den Syrakuser Menächmus, deutet)
Der da, meint' ich, seiest du, und machte mir mit ihm zu thun.
Drum vergib mir, (sich an seinen wirklichen Herrn wendend)
                              wenn ich etwa thöricht sprach aus Unbedacht.

Menächmus II. (zu Messenio)
Bist du toll, entsinnst dich nicht mehr, daß du heut zugleich mit mir
Aus dem Schiffe stiegst?

Messenio.                               Da hast du freilich Recht. Du bist mein Herr. –
(zu Menächmus I.)
Suche du dir einen Knecht.
(zu Menächmus II., seinem Herrn)
                                            Sei du gegrüßt!
(zu Menächmus I.)
                                                                      Du, lebe wohl! –
Dieser,
(auf Menächmus II. deutend)
              sag' ich, ist Menächmus.

Menächmus I.                                     Nein, ich bin's.

Menächmus II.                                                             O Faselei!
Du Menächmus?

Menächmus I.           Ja, der bin ich, meines Vaters Moschus Sohn.

Menächmus II. Du der Sohn von meinem Vater?

Menächmus I.                                                       Nein, von meinem, junger Mann.
Deinen mach' ich dir nicht streitig, nehme dir ihn nicht hinweg.

Messenio. (bei Seite)
Götter! Unverhoffte Hoffnung, ahn' ich recht, gewährt ihr mir.
Denn berückt mein Geist mich nicht, so stehen hier zwei Zwillinge.
Einen Vater, Eine Heimat geben sie gemeinsam an.
Ruf' ich meinen Herrn allein! – Menächmus!

Beide Memächmen zugleich.                               Was?

Messenio.                                                                         Nicht Beide will ich.
Wer von euch kam heut mit mir zu Schiff hieher?

Menächmus I.                                                             Ich war es nicht.

Menächmus II. Aber ich.

Messenio.                         Dich also will ich. Komm daher!

Menächmus II.                                                                       Da bin ich. Nun?

Messenio. (leise zu ihm)
Der dort ist dein Zwillingsbruder, wenn er nicht ein Gauner ist.
Denn ich sah noch keinen Menschen einem andern ähnlicher.
Nimmer seh'n zwei Tropfen Wasser oder Milch sich wohl so gleich,
Als du ihm, er dir. So gibt er auch dasselbe Vaterland
Und denselben Vater an. Auf, geh'n wir hin und fragen ihn!

Menächmus II. Traun, du hast mir wohl gerathen. Habe Dank, Messenio!
Fahre fort, mir beizusteh'n! Frei sollst du sein, ermittelst du,
Daß der hier mein Bruder ist.

Messenio.                                       Ich hoff' es.

Menächmus II.                                                 Und ich ebenfalls.

Messenio. (zu Menächmus I.)
Hast du nicht vorhin gesagt, Menächmus sei dein Name, Freund?

Menächmus I. Allerdings.

Messenio.                           Auch dieser
(auf Menächmus II. deutend)       heißt Menächmus. Und zu Syrakus,
Sagtest du, wärst du geboren; Gleiches ist bei dem der Fall.
Moschus hieß dein Vater, sagst du? So hieß dessen Vater auch.
Jezo könnt ihr beide mir und euch zugleich behülflich sein.

Menächmus I. Was du bittest, du verdienst es, daß man dir es nicht versagt.
Gleich als hätt'st du mich gekauft, so dien' ich dir als freier Mann.

Messenio. Daß ihr euch als Zwillingsbrüder finden werdet, hoff' ich fest,
Einer Mutter, Einem Vater beid' entstammt an Einem Tag.

Menächmus I. Wunderbar! O könntest du vollbringen, was du da versprachst!

Messenio. Wohl, ich kann's. Kommt jezt! Auf Alles, was ich frage, gebt Bescheid.

Menächmus I. Frage nur, ich bin bereit. Nichts, was ich weiß, verschweig' ich dir.

Messenio. Nennst du dich Menächmus?

Menächmus I.                                         Freilich.

Messenio.                                                               Und du nennst dich ebenso?

Menächmus II. Ja.

Messenio.               Dein Vater heiße Moschus, sagst du?

Menächmus I.                                                                     Ja.

Menächmus II.                                                                         Der meine auch.

Messenio. Und du bist aus Syrakusä?

Menächmus I.                                     Ja.

Messenio.                                                 Du gleichfalls?

Menächmus II.                                                                 Ganz gewiß.

Messenio. Alles stimmt recht schön bis hierher. Weiter nun! Was, sage mir,
Ist das Frühste, dessen du dich aus der Heimat noch entsinnst?

Menächmus I. Daß ich einst mit meinem Vater nach Tarent zum Markte ging,
Im Gewühl dort mich von ihm verlief, und dann ward weggeführt.

Menächmus II. Große Götter, rettet mich!

Messenio.                                                   Was schreist du denn? So schweige doch!
(zu Menächmus I.)
Als du wegzogst mit dem Vater, wie viel Jahre zähltest du?

Menächmus I. Sieben; denn die Zähne fielen da zum erstenmal mir aus.
Meinen Vater sah ich niemals wieder.

Messenio.                                                     Wie viel hatte denn
Euer Vater Söhne?

Menächmus I.               Wenn ich mich noch recht erinn're, zwei.

Messenio. Wer von euch war älter? Jener oder du?

Menächmus I.                                                           Wir waren gleich.

Messenio. Ist das möglich?

Menächmus I.                     Zwillingsbrüder.

Menächmus II.                                               Götter, ihr erhörtet mich!

Messenio. Unterbrichst du mich, so schweig' ich.

Menächmus II.                                                       Nein, da schweig' ich lieber.

Messenio.                                                                                                               Sprich:
Führtet ihr denselben Namen – beide?

Menächmus I.                                             Nein; mich nannte man
Damals, wie noch jezt, Menächmus, und den Andern Sosikles.

Menächmus II. Alles trifft hier zu; nicht länger halt' ich mich: umarm' ich ihn!
Bruder, Zwillingsbruder, sei willkommen! Ich bin Sosikles.

Menächmus I. Später aber, wie geschah's denn, daß man dich Menächmus hieß?

Menächmus II. Als uns Kunde kam, der Vater wäre todt und du geraubt,
Legte mir der Eltervater, Bruder, deinen Namen bei.

Menächmus I. Gerne glaub' ich deinem Vater. Nur noch Eines!

Menächmus II.                                                                             Frage nur.

Menächmus I. Sage, wie hieß unsre Mutter?

Menächmus II.                                               Theusimarche.

Menächmus I.                                                                         Ja, so ist's.
Sei gegrüßt, mein Unverhoffter, den nach langen Jahren ich
Wiederfand!

Menächmus II.     Auch du, Geliebter, den ich unter vielen Müh'n
Suchte bis auf diesen Tag, und den ich jezt (o Freude!) fand.

Messenio. (zu Menächmus II.)
Daher kam es, daß die Dirne dich mit seinem Namen rief.
Ihn vermeinte sie zu sehen, als sie dich zu Gaste lud.

Menächmus I. Sonder Zweifel! Heute hatt' ich mir ein Mahl bei ihr bestellt,
Ohne Wissen meines Weibes, der ich einen Mantel stahl,
Und an die wegschenkte.

Menächmus II. (holt einen Mantel hervor)
                                        Bruder, ist das wohl der Mantel hier?

Menächmus I. Wie kam der an dich?

Menächmus II.                                   Die Dirne, die mich mit zu Tische nahm,
Sagt, ich hätt' ihn ihr geschenkt. Ich speiste herrlich, trank mit ihr,
Und so fort; dann gab sie mir den Mantel mit und dieses Gold.

Menächmus I. Traun, mich freut's, wenn dir um meinetwillen etwas Gutes ward.
Denn sie wähnte mich zu sehen, als sie dich zu Tische lud.

Messenio. (zu Menächmus II.)
Wirst du mich nun endlich frei zieh'n lassen, wie du mir versprachst?

Menächmus I. Billig ist die Bitte, Bruder: mir zu liebe laß ihn frei.

Menächmus II. Geh' in Freiheit.

Menächmus I.                             Daß du frei bist, freut mich recht, Messenio.

Messenio. (bei Seite)
Doch bedarf's nun bess'rer Vorsicht, daß ich's sei auf immerdar.»Doch bedarf's nun bess'rer Vorsicht, daß ich's sei auf immerdar.«

Menächmus II. Weil sich nun das Alles, Bruder, ganz gefügt nach unserm Wunsch,
Zieh'n wir denn vereint zur Heimat!

Menächmus I.                                         Gerne thu' ich, wie du willst.
Was ich hier besize, schlag' ich los in einer Auction.
Jezt hinein!

Menächmus II.   Ich folge.

Messenio.                           Wißt ihr, was ich euch noch bitte?

Menächmus I.                                                                           Nun?

Messenio. Laßt mich ProclamatorProclamator, Ausrufer bei Versteigerungen. Dies war ein Geschäft für Freie und ziemlich einträglich. werden!

Menächmus I.                                                 Sei es!

Messenio.                                                                     Soll ich heute schon
Die Versteigerung verkünden?

Menächmus I.                                 Gleich, und auf den achten Tag.

Messenio. (laut ausrufend)
Heute nach acht Tagen, Morgens, hält Menächmus Auction.
Zum Verkauf steh'n Hausgeräthe, Sklaven, Aecker, Haus und Hof;
Kaufen kann, wer bietet, Alles, aber nur um baares Geld.
Zum Verkauf steht auch die Hausfrau, findet sich ein Käufer ein.
Sicher löst er keine fünfzig Thaler aus dem ganzen Kram.
Jezt, ihr Herrn hier auf den Bänken, lebet wohl und klatschet uns!


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