Plautus
Die Zwillinge (Menaechmi)
Plautus

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Erster Act.

Erste Scene.

Der Parasit Kehrwisch.

Mir hat das Volk den Namen Kehrwisch beigelegt;
Denn wann ich esse, kehr' ich alle Tische rein.
Traun, wer mit Ketten bindet die Gefangenen,
Fußeisen anlegt ausgerissenem Hausgesind,
Der handelt recht einfältig, mein' ich wenigstens.
Denn wenn dem armen Schelme Noth auf Noth sich häuft,
Treibt's ihn zu Flucht und schlechten Streichen nur noch mehr.
Er stiehlt sich aus den Ketten, wie es gehen mag:
Den Ring am Fuße feilt er durch; den Nagel stößt
Er aus mit Steinen. Mühe dich denn nicht umsonst!
Willst du den Sklaven fesseln, daß er nicht entflieht,
Den hältst du dir mit Essen und mit Trinken fest.
Bind' ihm an einen vollen Tisch den Schnabel an!
Gewährst du nur tagtäglich und nach seinem Wunsch
Ihm reichlich, was er essen, was er trinken mag,
Und hätt' er auch gemordet, er läuft nicht davon.
Mit solchem Bande bindest du die Leute leicht.
Ja wahrlich, Tellerbande sind die zähesten;
Je mehr du ausdehnst, um so fester zieh'n sie sich.
Nun will ich zu Menächmus, dem ich lange schon
Mich zugesprochen: bind' er mich auch heute fest!
Der nährt nicht seine Leute, nein, er macht sie fett,
Und labt sie tüchtig; besser weiß kein Arzt Bescheid.
Ein Held im Essen ist er selbst, der junge Herr,
Gibt CeresschmäuseEr gibt Schmäuse, wie an den Festen der Ceres, die wegen ihrer Ueppigkeit und Fülle sprichwörtlich waren. , solche Tische baut er euch,
Und solche Haufen thürmt er euch von Schüsseln auf,
Daß, wer von oben etwas will, sich strecken muß.Er muß sich strecken, muß aufstehen, so groß und voll beladen sind die Tische, welche den auf den Triclinien liegenden Gästen vorgesezt werden. Es läßt sich aus der Mitte dieser großen Tische nichts mehr liegend abreichen.
Jezt hab' ich manche Tage schon nichts mehr von ihm.
Ich war daheim mit meinen Theuren eingeheimst;Der Sinn dieser Worte ist folgender: doch ich bin jezt seit mehreren Tagen weggeblieben, weil ich wegbleiben mußte; ich habe mich beständig mit meinen Theuren innen gehalten; (ich kann sie mit Recht meine Theuren nennen) denn ich kaufe und esse immer nur das Theuerste; darum haben mich auch jezt die Kräfte verlassen, mir dergleichen Theure anzuschaffen. Danz.
Denn ich verzehre, kaufe nur das Theuerste.
Nun treten meine Theuren auch aus meinem Dienst.
Drum seh' ich nach Menächmus. Doch die Thüre geht;
Da tritt er, wie ich sehe, selbst aus seinem Haus.

Zweite Scene.

Menächmus I. (der Epidamnier) tritt aus seinem Hause. Kehrwisch.

Menächmus I. (ruft in's Haus hinein)
Wärst du nicht schlecht, wärst du nicht dumm, wärst du nicht ganz rasend und toll,Menächmus I. redet hier seine Frau an.
Müßte dir selbst widerlich sein, was für den Mann widerlich ist.
Machst du mir's noch einmal so wie heut, packst du dich,
Ungesäumt schick' ich dich wieder zum Vater heim.
Denn so oft ich aus dem Haus will, hältst du mich, und rufst du mir,
Fragst mich aus, wohin ich gehen, welch Geschäft betreiben will,
Was ich hole, was ich bringe, was ich auswärts denn gethan.
Hab' ich denn einen Thürwächter mir hier im Haus
Angestellt, daß ich dir immerfort beichten soll,
Was ich thue, was ich that, was zu thun willens bin?
Gar zu sehr hab' ich dich doch verwöhnt.
Doch jezt sag' ich, was ich thun will. Wenn ich Vorrath, Mägde dir,
Wolle, Gold, Gewande, Purpur reichlich schaffe, wenn dir Nichts
Mangelt, dann, wofern du klug bist, nimm auch du dich wohl in Acht;
Deinem Manne nachzuspüren, hüte dich. Doch daß du dich
Heute nicht umsonst bemühtest, will ich nach der Dirne geh'n,
Und des Abendbrodes wegen mich mit ihr verständigen.

Kehrwisch. (bei Seite)
Der thut, als sagt' er seiner Frau was Böses, und er sagt es mir;
Denn wenn er außer dem Hause speist, so straft er mich, nicht seine Frau.

Menächmus I.
Heisa.
Endlich schafft' ich doch mit Schelten mir die Frau von meiner Thür!
Die ihr euch ein Liebchen haltet, Ehemänner, schnell heran,
Wünscht mir Glück, mit Gaben kränzt mich, der für euch so wacker stritt!
Eben stahl ich meiner Frau den Rock, und bring' ihn meinem Kind.
So muß man schlau der schlauen Frau, der Wächterin, ein Näschen dreh'n.
Das ist doch schön, ein kluger Streich, ein feiner Streich, ein Meisterstreich!
Arg führt' ich ihn der Argen ab; jezt schlägt man's in die Schanze.
Die Beute jagt' ich ab dem Feind, zum Heile meiner Freunde.

Kehrwisch. (näher tretend)
Junger Freund, he! Krieg' ich wohl auch meinen Theil an dem Gewinn?

Menächmus I. Wehe mir! Auf Hinterhalt wohl stieß ich.

Kehrwisch.                                                                       Sage lieber, auf
Einen Widerhalt, der deinen Rücken deckt. Sei unbesorgt!

Menächmus I. Wer da?

Kehrwisch.                   Ich bin's, ich!

Menächmus I.                                     O meine Lust, o meine Wonne, sei
Mir gegrüßt!

Kehrwisch.         Auch du!

Menächmus I.                   Was hast du?

Kehrwisch. (ergreift seine Hand)             Meinen Schuzgeist an der Hand.

Menächmus I. Nicht gelegner hättest du mir kommen können, als du kommst.

Kehrwisch. Also pfleg' ich's. Alle Theilchen kenn' ich der gelegnen Zeit.

Menächmus I. Willst du nicht was Hübsches sehen?

Kehrwisch.                                                                 Welcher Koch hat's denn gekocht?
Wenn ich Brocken sehe, weiß ich, wo man was verschüttet hat.

Menächmus I. Sage, Kehrwisch! Sahst du niemals ein Gemäld' an einer Wand,
Wo der Adler Ganymeden, Venus den Adonis raubt?Ganymedes und Adonis, zwei schöne Jünglinge, deren Schönheit sich dem weiblichen Charakter nähert, dem aber auch Menächmus durch den Frauenmantel, den er sich umwirft, näher tritt. Ganymedes ward von Zeus, der sich in einen Adler verwandelt hatte, in den Olymp entführt, und hatte das Amt des Mundschenken an der Tafel der Götter. Adonis war der Geliebte der Venus.

Kehrwisch. Oft; indeß was geh'n die Malerei'n mich an?

Menächmus I.                                                                   Betrachte mich!
(er wirft sich den Mantel seiner Frau um)
Seh' ich dir nicht völlig aus, wie jene?

Kehrwisch.                                                   Was soll dieser Puz?

Menächmus I. Sage, bin ich nicht ein feines Kerlchen?

Kehrwisch.                                                                     Herr, wo speisen wir?

Menächmus I. Sage nur, was ich dir heiße.

Kehrwisch.                                                   Nun, du bist ein feiner Kerl.

Menächmus I. Willst du nicht auch noch was Eignes sagen?

Kehrwisch.                                                                             Auch ein lust'ger Kerl.

Menächmus I. Rede weiter!

Kehrwisch.                           Nicht ein einzig Wort, bevor ich weiß wofür.
Hast du doch mit deinem Weibe Streit; ich hüte mich vor dir.

Menächmus I. Hältst dich selbst mit deinem Einspruch auf.

Kehrwisch.                                                                             Menächmus, red' ich nur
Noch ein Wort, das dir mißfällt, dann stoße mir mein einzig Aug' aus.

Menächmus I. Weißt du keine Grabesstätte, Freundchen, wo wir diesen Tag
Feierlich verbrennen könntenDer Tag soll mit einem guten Schmause geschlossen werden, oder unter dem Bilde eines Sterbenden gefaßt, er soll feierlich bestattet werden, Der Nachtschmaus ist seine Leichenfeier, der Ort desselben seine Grabstätte. Köpke. , ohne daß mein Weib es merkt?

Kehrwisch. Nun, du sprichst da recht gescheidt: wann zünd' ich dir die Scheiter an?
Ist der Tag doch schon zur Hälfte bis herab zum Nabel todt.

Menächmus I. Tritt hier weiter von der Thüre.

Kehrwisch.                                                         Gut!

Menächmus I.                                                           Noch weiter!

Kehrwisch.                                                                                     Meinethalb.
(er geht noch einige Schritte weiter.)

Menächmus I. Unbedenklich tritt noch weiter von der Löwengrube weg!

Kehrwisch. Meiner Treu, mich dünkt, du gäbest einen rechten Fuhrmann»Einen Fuhrmann,« eigentlich einen Wettfahrer in den circensischen Spielen. Diese sahen sich fleißig nach denen um, die ihnen zunächst folgten, um sie nicht vorzulassen. Vgl. V. 55. ab.

Menächmus I. Und warum?

Kehrwisch.                           Du siehst dich immer um, ob nicht die Frau dir folgt.

Menächmus I. Nun – was sagst du?

Kehrwisch.                                       Was du willst: ich sage ja und sage nein.

Menächmus I. Kannst du wohl aus dem Geruche, wenn du was gerochen hast,
Was es ist, errathen?

Kehrwisch.                       Freilich, troz der Augurn ganzer Zunft.

Menächmus I. (hält ihm den Mantel vor die Nase)
Gut: so riech' an diesen Mantel hier. Wie riecht er?
(Kehrwisch fährt zurück)                                       Du kehrst dich ab?

Kehrwisch. Nur von oben darf man riechen, was ein Weib am Leibe trägt;
Denn von unten sezt es unsrer Nase ganz unleidlich zu.

Menächmus I. Rieche hier denn, feiner Kehrwisch! Eckelt dich's?

Kehrwisch.                                                                                       Das muß es wohl.

Menächmus I. Nun, was riechst du denn?

Kehrwisch.                                               Ein Mädchen, einen Diebstahl, einen Schmaus.

Menächmus I. Meiner Freundin bring' ich jezt den Mantel, der Erotion,
Lasse gleich ein Mahl bereiten mir und dir und ihr zugleich,
Und wir zechen dann gemüthlich bis zum nächsten Morgenstern.

Kehrwisch. Wacker hast du da gesprochen. Klopf' ich an die Thüre?

Menächmus I.                                                                                     Nein;
Warte noch!

Kehrwisch.         Auf tausend Schritte rückst du mir den Krug vom Mund.

Menächmus I. Poche leise!

Kehrwisch.                         Wie? Du fürchtest wohl, die Thüre sei von Thon.

Menächmus I. Warte, wart! Sie tritt heraus, sie selbst. O schau zur Sonn' empor!
Wie verfinstert scheint sie doch vor dieses Körpers Strahlenglanz!

Dritte Scene.

Erotion. Menächmus I. Kehrwisch.

Erotion. (zu Menächmus)
Sei gegrüßt, mein Herz!

Kehrwisch.                           Und ich?

Erotion.                                               Du gehst als überzählig mit.

Kehrwisch. Etwa so, wie bei der Legion die Ueberzähligen.Nach dem Zeugnisse des Varro waren die Ueberzähligen (adscriptivi, adscripticii) unbewaffnet, und kamen erst in Reih' und Glied zu stehen, wenn einer der Bewaffneten gefallen war.

Menächmus I. Heute wünscht' ich eine Schlacht an deinem Tisch für mich bestellt.

Erotion. Soll gescheh'n.

Menächmus I.               In diesem Treffen zechen wir und wollen seh'n,
Wer von uns im Becherkrieg als erster Held erfunden wird.
Du gebeutst, du mußt entscheiden, wen du diese Nacht beglückst.
Seh' ich dich, mein süßes Herz, wie graut mir dann vor meinem Weib!

Erotion. Dennoch mußt du stets ein Kleid von ihr am Leibe tragen.
(indem sie auf das Frauenkleid deutet)                                     Was
Ist denn dies?

Menächmus I.       Dein Anzug, Röschen, und der Auszug meiner Frau.

Erotion. Du verstehst es einzurichten: leicht erringst du meine Gunst,
Leichter als die Buhler alle, die zu mir um Liebe fleh'n.
(sie küßt ihn)

Kehrwisch. (bei Seite)
Sieht sie noch den Raub vor Augen, schmeichelt ihm die Buhlerin.
(zu Erotion)
Liebtest du ihn recht, du bissest ihm die Nase glatt vom Kopf.

Menächmus I. (indem er ihm seinen Mantel reicht, unter dem er den Mantel seiner Frau trägt)
Halt' einmal, Kehrwisch; ich will die Beute weih'n, die ich gelobt.

Kehrwisch. (nimmt den Mantel)
Gib nur her; doch bitt' ich, tanz' uns auch im Frauenkleid einmal.

Menächmus I. Tanzen ich? Du bist verrückt.

Kehrwisch.                                                     Du bist es mehr vielleicht als ich.
Willst du denn nicht tanzen, zieh' ihn aus.

Menächmus I. (indem er den Frauenmantel auszieht)   Ein großes Wagestück
War es heute den zu stehlen. Wagte doch Held Herkules,
Als er einst Hippolyta den Gürtel nahm, viel weniger.Bekannt ist der Gürtel der Amazonenkönigin Hippolyta, den sie von Mars zum Geschenk erhalten hatte, und den Hercules auf Befehl des Eurystheus nehmen sollte.
(zu Erotion)
Nimm ihn hin! Du bist's allein doch, die sich mir zu fügen weiß.

Erotion. Wackern Liebesleuten ziemt es so gesinnt zu sein.

Kehrwisch. (bei Seite)                                                           Gewiß,
Wenn man ohne Säumen an den Bettelstab sich bringen will.

Menächmus I. Um vier Minen kauft' ich ihn für meine Frau vor einem Jahr.

Kehrwisch. (bei Seite)
Die vier Minen sind verloren, wie die Rechnung deutlich zeigt.

Menächmus I. (zu Erotion)
Weißt du, was du mir besorgen sollst?

Erotion.                                                       Ich schaffe, was du willst.

Menächmus I. Nun, so laß uns dreien denn ein Mahl bereiten hier bei dir;
Schaffe was von Leckereien uns dazu vom Markt herbei,
Als da sind: Schweinsdrüsen, Speck vom Schinken, dann geräuchert Fleisch,
Euter, auch ein Vorderkopfstück, oder sonst was dieser Art,
Das, wenn's dampfend auf den Tisch kommt, mir des Geiers Hunger weckt.
Aber gleich!

Erotion.               Es soll gescheh'n.

Menächmus I.                                   Wir geh'n inzwischen auf den Markt:
Unverweilt sind wir zurück. Indeß gekocht wird, trinken wir.

Erotion. Wann es dir gefällt, so komm. Es wird bereit sein.

Menächmus I.                                                                       Eile nur!
(zu Kehrwisch)
Folge du mir!

Kehrwisch.           Traun, ich halte fest an dir und folge dir,
Gäbe dich nicht hin, und böten Götter ihre Schäze mir.
(Beide gehen ab.)

Erotion. (zu den Sklaven vor dem Hause)
Ruft geschwind den Koch Cylinder aus der Küche mir heraus!
(Ein Sklave geht.)

Vierte Scene.

Erotion. Der Koch Cylinder.

Erotion. Nimm den Handkorb und das Geld! Drei Doppeldrachmen hast du hier.

Cylinder. Gut.

Erotion.           Nun geh, um einzukaufen, was für Drei genügend ist;
Nicht zu viel und nicht zu wenig.

Cylinder.                                             Welcher Art sind denn die Drei?

Erotion. Ich, Menächmus und sein Parasit.

Cylinder.                                                     Die machen Zehn bereits;
Denn der Parasit verwaltet leicht das Amt allein für Acht.

Erotion. Nun, du weißt die Gäste; geh und sorge nun für's Andere.

Cylinder. Gut; es ist schon Alles fertig. Laß indeß die Gäste nur
Gleich zu Tische rufen.

Erotion.                               Komm doch schnell zurück!

Cylinder.                                                                           Bald bin ich hier.
(Beide nach entgegengesezten Seiten ab.)


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