Plautus
Parasit Kornwurm (Curculio)
Plautus

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Vierter Act.

Erste Scene.

Der Aufseher über die Theatergarderobe.
Phädromus hat, traun, an Kornwurm einen feinen Schalk erwischt.
Soll ich ihn Halunk betiteln, oder lieber Sykophant?
Was ich hierher lieh, die Kleider, fürcht' ich, krieg' ich nicht zurück.
Zwar mit Kornwurm hab' ich nichts; ich borgte sie dem Phädromus.
Dennoch will ich auf der Hut sein. Aber bis er wiederkommt,
Zeig' ich euch, an welchem Ort ihr jeden Menschen finden könnt,
Daß ihr euch nicht lange mühen dürfet, wenn ihr Einen sucht,
Einen Schlechten oder Guten, Schelmen oder Biedermann.
Sucht ihr wen, der falsch geschworen, gehet in's ComitiumComitium hieß ein öffentlicher Plaz in Rom am Markte, wo die Volksversammlungen gehalten wurden. Auf demselben befand sich das puteal Libonis (die Brunneneinfassung des Scribonius Libo), das auch schlechthin puteal hieß, der Ort, bei welchem die Wucherer sich versammelten, die am meisten wegen Meineids berüchtigt waren. ,
Nach dem Tempel Cloacina'sEine besondere Kapelle der Venus Cloacina befand sich im Comitium. , wenn ihr Lügner, Prahler sucht.
Ehemänner, die verschwenden, findet ihr am Königsplaz.
Auch die alten Buhlerinnen, auch die Kuppler trefft ihr dort,
Auf dem Fischmarkt Alle, die bei Pickenicks sich gütlich thun;
Biedre reiche Leute seht ihr an des Marktes Ende geh'n.
Mitten am Kanale steh'n Großsprecher und Bramarbasse.
Stolze Gecken, Schwäzer und Verläumder seht ihr über'm Teich,
Die den Nächsten kühn verlästern, ohne Grund, um nichts, indeß
Doch genug an ihnen haftet, was des Tadels würdig ist.
Bei den alten BudenBei den alten Buden (sub veteribus sc. tabernis)s stand nach Livius 44, 16 die Statue des Vertumnus, bei welcher Bücher und Gartenfrüchte feilgeboten wurden. Hier wurden auch Geldgeschäfte abgemacht. borgt man oder leiht auf Zinsen aus.
Leute, denen schwer zu trau'n ist, steh'n an Castors HeiligthumAuf der Seite des Marktes, wo der Tempel des Castor stand, hatten die öffentlichen Geldmäkler ihren Stand. Danz. .
Solche, die sich selbst verkaufen, hegt die TuskergasseIn der Tuskergasse hatten Kuppler, feile Dirnen und ähnliches Gesindel ihre Niederlage. Vgl. die Anmerkung zum Kästchen 2, 3, 26. dann.
Im VelabrumDen Namen Velabrum führten zwei Gegenden in Rom, die durch das Beiwort minus und majus unterschieden wurden; das kleine wurde zur achten, das größere zur elften Region gerechnet. Jenes stieß an das forum boarium, dieses an das Ufer der Tiber, und der Fischmarkt lag zwischen beiden. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß die ganze Gegend zwischen dem größeren und kleineren überhaupt das Velabrum genannt wurde, wiewohl einzelne Pläze, die dazu gehörten, von ihrer besonderen Bestimmung auch ihren eigenen Namen hatten. Alle Arten von Eßwaaren und alle möglichen Bedürfnisse der Ueppigkeit waren hier zu Kauf. S. Wieland zu Horaz Sat. 2, 3, 229. trefft ihr Bäcker, Fleischer, Zeichendeuter und
Die am Unglück Andrer schaffen, die dazu die Mittel leih'n.
Doch indessen knarrt die Thür: ich muß die Zunge bändigen.
(geht ab.)

Zweite Scene.

Kornwurm. Cappadox. Lyco. Planesium.

Kornwurm. (zu Planesium)
Geh du voran; ich kann nicht seh'n, was hinten ist, o Mädchen.
(zu Cappadox)
Was sie besize, Schmuck und Puz, gehör' ihm, sagt er, alles.

Cappadox. Das läugnet Niemand.

Kornwurm.                                   Aber doch ist's besser, dran zu mahnen.

Lyco. (zu Cappadox)
Vergiß nicht, daß du mir versprachst, wenn irgendwer als Freie
Das Mädchen an sich nehme, mir mein Geld zurückzugeben,
Die dreißig Minen.

Cappadox.                     Werd' es nicht vergessen: sei nur ruhig.
Versprech' es wiederholt.

Kornwurm.                               Auch ich will dich daran erinnern.

Cappadox. Als eigen sprech' ich dir sie zu.

Kornwurm.                                                   Von einem Kuppler nähm' ich was
Als eigen an? Ein Kuppler hat nichts Eignes als die Zunge nur,
Um abzuschwören, was man ihm vertraut. Mit Fremden handelt ihr,
Ihr sezt in Freiheit Fremde nur, und über Fremde herrschet ihr.
Euch kümmert's nicht, von wem ihr kauft, und keinem Käufer steht ihr ein.
Die Kuppler sind vor aller Welt für nichts geachtet, scheint es mir,
Nichts weiter, als was Fliegen, Mücken, Wanzen, Flöh' und Läuse sind.
Zur Plage, zur Beschwerde nur, und nicht zum Nuzen seid ihr da.
Sich auf dem Markte neben euch zu stellen, wagt kein Ehrenmann,
Und thut er's, dann beschimpft man ihn, man spuckt ihn an, man schilt ihn aus.
Da heißt's, er bringe sich um Ehr' und Geld, auch wenn er nichts verbrach.

Lyco. Bei meiner Treu, Einäugiger, du kennst die Kuppler recht genau.

Kornwurm. (zu Lyco)
Euch stell' ich an denselben Plaz; ihr gleicht den Kupplern auf ein Haar.
Die stecken doch in Winkeln nur; ihr stellt am offnen Markt euch aus.
Ihr ruinirt durch Wucher, sie durch Liebesköder und Betrug.
Wie viele Staatsgeseze gab um euretwillen schon das Volk!
Doch ungescheut durchbrechet ihr das Garn; ihr findet stets ein Loch.
Für heißes Wasser achtet ihr die Sazungen, berührt sie keck,
Sobald sie kalt geworden sind.Wie das heiße Wasser, bemerkt Lambinus, Niemand zu berühren wagt, so lange es heiß ist, aber kein Bedenken trägt, es zu berühren, sobald es kalt geworden: also ist es auch mit den Gesezen; so lange sie noch neu sind, werden sie gefürchtet und gehalten; bald aber veralten sie, und Niemand achtet ihrer mehr.

Lyco.                                                 O hätt' ich doch geschwiegen!

Cappadox.                                                                                         Mir,
Der nichts Verkehrtes dachte, sagst du Böses und Verkehrtes nur.L. Haud male meditato male dicax es.

Kornwurm. Nur wenn es Einer nicht verdient, dann ist das Böse bös gesagt.
Doch wenn's verdient ist, ist es, traun, nach meinem Urtheil gut gesagt.
(zu Cappadox)
Ich brauche dich so wenig als sonst einen Kuppler zur Gewähr. –
Verlangst du noch was, Lyco?

Lyco.                                               Nein; leb wohl!

Kornwurm.                                                               Leb wohl!
(will gehen)

Cappadox. (zu Kornwurm)                                                         Du, noch ein Wort!

Kornwurm. Was willst du?

Cappadox. Sei dafür besorgt, ich bitte, daß ihr's
(auf Planesium deutend)                               wohl ergeht.
Ich zog sie fein und züchtig auf.

Kornwurm.                                       Wenn ihr Geschick dich jammert, sprich,
Was gibst du, daß ihr's wohl ergeht?

Cappadox.                                               Nun, Schläge.

Kornwurm.                                                                     Schläge brauchst du selbst.
(Planesium weint)

Cappadox. (zu Planesium)
Was weinst du, Thörin? Fürchte nichts; ich habe dich ganz gut verkauft.
Betrage dich nur gut, und folge dem da schön, mein schönes Kind.

Lyco. (zu Kornwurm)
Langfinger, willst du weiter was von mir?

Kornwurm.                                                       Leb wohl und bleib gesund!
Hast mir zulieb dich wacker umgethan, mich wohl mit Geld verseh'n.

Lyco. Ich lasse deinen Herrn Patron auf's Beste grüßen.

Kornwurm.                                                                     Danke schön.
(geht ab.)

Lyco. (zu Cappadox)
Verlangst du sonst was, Kuppler?

Cappadox.                                           Gib die zehen Minen, mich davon
Zu pflegen, bis mir besser wird.

Lyco.                                                 Du sollst sie morgen haben; laß
Sie holen.

Cappadox. (für sich)
                Alles ging nach Wunsch: ich will den Göttern dankbar sein.
Die kauft' ich um zehn Minen einst; da war sie noch ein kleines Kind.
Den Menschen, der sie mir verkauft, den hab' ich nachher nie geseh'n.
Wohl wird er todt sein. Was verschlägt es mir? Ich habe ja das Geld.
Ja, wem der Himmel gnädig ist, dem wirft er Gold mit voller Hand
In seinen Schooß. An's Opfer jezt! Dann will ich mich recht gütlich thun.
(er geht ab.)

Dritte Scene.

Therapontigonus. Lyco.

Therapontigonus. Nicht gering ist, traun, der Zorn, von dem erzürnt ich jezt einher
Trete, nein, derselbe, der bei'm Sturm der Städte mich durchflammt.
Wenn du nicht die dreißig Minen eilig mir zu geben eilst,
Die bei dir ich hinterlegte, legst du flugs dein Leben ab.

Lyco. Nicht gering ist, traun, das Unglück, das ich dir bereiten will,
Nein, dasselbe, welches strafend die ereilt von meiner Hand,
Denen ich nichts schuldig bin.

Therapontigonus.                           Nur nicht so trozig! Glaubst du wohl,
Daß ich bitten werde?

Lyco.                                   Niemals zwingst du mich, was ich bereits
Dir bezahlt, dir noch einmal zu zahlen; nein, das thu' ich nicht.

Therapontigonus. Als ich dir das Geld vertraute, hab' ich doch sogleich gedacht,
Daß du nichts heimzahlen würdest.

Lyco.                                                     Was verlangst du's jezt von mir?

Therapontigonus. Wissen will ich, wem du's gabst.

Lyco.                                                                         Dem blinden Freigelass'nen, der,
Wie er sagt, Langfinger heißt, dem zahlt' ich's aus, dem nämlichen,
Der mir einen Brief von dir zustellte.

Therapontigonus.                                     Brief? Was faselst du
Mir von Briefen, Freigelass'nen, was von langen Fingern da?
Keinen Freigelass'nen hab' ich, keinen. Was hast du gethan?

Lyco. Was du selbst befohlen, that ich nur aus Achtung gegen dich.
Konnte doch den Boten, der dein Siegel brachte, nicht verschmäh'n.

Therapontigonus. Mensch, du warst der Thoren größter, daß du diesem Brief getraut.

Lyco. Hätt' ich dem nicht trauen sollen, was im Staat, im Hause gilt?
Geh' ich nun! Du hast dein Geld. Ich wünsche wohl zu leben, Held!

Therapontigonus. Wohl zu leben?

Lyco.                                             Meinethalb sei immer krank, wenn dir's behagt!
(geht ab.)

Therapontigonus. Himmel! Was beginn' ich nun? Was hilft es mir, daß Könige
Mir gehorchten, wenn ein solcher Stubenkauz mich narren darf?

Vierte Scene.

Cappadox. Therapontigonus.

Cappadox. Wem die Götter gnädig sind, dem, glaub' ich, sind sie nicht erboßt.
Nun ich dargebracht mein Opfer, kommt es mir in meinen Sinn,
Mir das Geld zu holen, eh der Wechsler aus dem Staub sich macht.
Besser ist es doch, ich habe was zu essen, als wie er.

Therapontigonus. Ich begrüßte dich.

Cappadox.                                         Therapontigonoplatagidor,
Sei gegrüßt! In Epidaurus bist du glücklich angelangt;
Doch in meinem Hause leckst du heute nicht ein Körnchen Salz.

Therapontigonus. Schönen Dank! Ich bin bereits versagt – zu deinem Untergang.
Aber was macht meine Waare denn bei dir?

Cappadox.                                                           Nichts, nichts bei mir.
Rufe keine Zeugen: ich bin nichts dir schuldig.»Bemühe dich nicht um Zeugen, um die Sache vor Gericht anhängig zu machen; es wird dir nichts helfen.«

Therapontigonus.                                                       Was ist das?

Cappadox. Was ich schwur, das hielt ich.

Therapontigonus.                                     Gibst du mir das Mädchen, oder nicht,
Ehe dich mein Sarras hier zusammenhaut, du Galgenbrand?

Cappadox. Derbe Prügel sollst du mir bekommen: laß dein Drohen nur!
Sie ward weggeführt, und du wirst weggetragen, wenn du mich
Länger schmähst. Bin ich dir etwas schuldig, sind es Schläge nur.

Therapontigonus. Schläge drohst du mir?

Cappadox.                                                 Ich drohe nicht, dir geben werd' ich sie,
Wenn du fortan mich belästigst.

Therapontigonus.                             Was? Ein Kuppler will mir droh'n?
Meine tausend Schlachten alle lägen so zertreten da?
Ja, so wahr mir Schild und Sarras
Helfen soll im Schlachtgewühle: gibst du mir das Mädchen nicht,
Schaff' ich gleich, daß hier die Aemsen fort dich schleppen Stück für Stück!

Cappadox. Ja, so wahr der Kamm, die Zange, Kräuseleisen, Spiegel mir,
Meine Scheere samt dem Handtuch helfen soll bei meinem Puz,
Acht' ich deine großen Worte, deine stolzen Drohungen
Höher nicht, als meine Dienstmagd, welche mir den Abtritt wäscht! –
Der das Geld von dir gebracht hat, diesem gab ich sie zurück.

Therapontigonus. Wer ist der?

Cappadox.                                 Er gab sich aus für deinen Freigelass'nen, der,
Wie er sagt, Langfinger heißt.

Therapontigonus.                         Für meinen Freigelass'nen? Ha!
Diesen Streich hat (überleg' ich's,) nur der Kornwurm mir gespielt.
Er hat mir den Ring entwendet.

Cappadox.                                       Einen Ring verlorest du?
(bei Seite)
Der Soldat, ich merk' es, ist vom abgedankten Regiment.

Therapontigonus. Doch wo find' ich jezt den Kornwurm?

Cappadox.                                                                           Im Getreide, sag' ich dir,
Findest du mit leichter Müh statt Eines Kornwurms hundert. Ich
Gehe weiter. Glück und Heil dir!
(geht ab.)

Therapontigonus.                               Alles Unheil über dich!
Was beginn' ich? Bleib' ich? Geh' ich? So geprellt und angeschmiert?
Dem versprech' ich ein Geschenk, der von dem Kerl mir Kunde gibt.
(ab.)


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