Plautus
Parasit Kornwurm (Curculio)
Plautus

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Erster Act.

Erste Scene.

Palinurus. Phädromus.

(Phädromus ist in Schifferkleidern und trägt eine Fackel. Ihm folgen mehrere Sklaven, die Wein und Anderes dergleichen tragen.)

Palinurus. Wo willst du noch hinwandern in so später Nacht,
In solchem Kleide, solchem Aufzug, Phädromus?

Phädromus. Wohin mir Venus und Cupido winken, wo
Mich Amor hinlockt. Mag es sein um Mitternacht,
Sei's, wenn der Abend dämmert, oder sei's ein Tag,
Den man dem Gegner im Gerichte zugesagt –
Selbst wider Willen muß man geh'n auf ihr Gebot.

Palinurus. Doch endlich – endlich!

Phädromus.                                     Endlich bist du mir zur Last.

Palinurus. Das find' ich gar nicht lobenswerth, nicht schön: du machst
Selbst deinen Diener, trägst gepuzt die Leuchte selbst!Was sonst Obliegenheit der Sklaven war, ihren Herren die Fackel vorzutragen, thut hier Phädromus selbst.

Phädromus. Das Werk der Bienen»Das Werk der Bienen« ist das Wachs. Phädromus trägt eine Wachsfackel. , das der Süßigkeit entsproß,
Ich brächte das nicht meiner HonigsüßenDie »Honigfüße« ist Planesium, die Geliebte des Phädromus. selbst?

Palinurus. Was soll ich denken, wo du hingehst?

Phädromus.                                                         Frage mich,
So sag' ich dir's.

Palinurus.                 Ich frage; was erwiederst du?

Phädromus. Das ist der Tempel Aesculap's.

Palinurus.                                                     Das weiß ich längst.

Phädromus. Hier nebenan ist eine dichtverschloss'ne Thür.
(er geht darauf zu)
Willkommen! War dir's immer wohl, verschloss'ne Thür?

Palinurus. Du wurdest wohl seit kurzem erst von Fieber frei,
Und aßest gestern wieder was?

Phädromus.                                       Du spottest mein?

Palinurus. Wie toll, die Thür zu fragen: war dir's immer wohl?

Phädromus. 's ist wahrlich eine schöne, gar verschwiegne Thür,
Muxt nicht ein einzig Wörtchen: öffn' ich sie, sie schweigt;
Und kommt die Theure heimlich Nachts heraus zu mir,
Sie schweigt.

Palinurus.             Du thust wohl etwas, sinnst aus einen Streich,
Der dir und deinem Hause, Herr, Unehre bringt?
Suchst wohl ein keusches Mädchen, oder welches keusch
Sein soll, in's Nez zu locken?

Phädromus.                                   Keine Seele, nein!
Da soll mich Zeus behüten!

Palinurus.                                   Gleiches wünsch' ich auch.
Wenn du gescheit bist, richte so dein Lieben ein,
Daß keine Schmach dich treffe, wenn es ruchtbar wird.
Sorg' immer, daß du deinen guten Ruf behältst,
Und immer liebe, was du liebst, vor aller Welt.

Phädromus. Was willst du damit sagen?

Palinurus.                                               Daß du jederzeit
Vorsichtig geh'n sollst.

Phädromus.                         Wohnt ja doch ein Kuppler hier.

Palinurus. Kein Mensch verwehrt dir, wenn's an Geld dir nicht gebricht,
Zu kaufen, was man offen zum Verkaufe beut.
Kein Mensch verbeut auf offner Straße dir das Geh'n;
Nur durch verzäunte Gründe brich dir keinen Weg.
Enthältst du dich von Ehefrauen, ehrbaren
Jungfrau'n und Wittwen, magst du lieben, was du willst.

Phädromus. Dies Haus ist eines Kupplers Haus.

Palinurus.                                                             Zum Henker mag
Es geh'n!

Phädromus.   Warum denn?

Palinurus.                             Weil's im Dienst des Lasters steht.

Phädromus. (erzürnt)
O, widersprich!

Palinurus.                 Mit vollem Recht.

Phädromus.                                           Schweig' ungesäumt!

Palinurus. Du wolltest ja, ich solle widersprechen.

Phädromus.                                                               Jezt
Verbiet' ich dir's. Nun, was ich sagen wollte: der
Hat eine Magd –

Palinurus.                   Der Kuppler hier?

Phädromus.                                             Du hast's erwischt.

Palinurus. Ich fürchte nicht, daß mir's entwischt.

Phädromus.                                                         So schweige doch! –
Die soll zur Meze werden, und mich liebt sie so.
Ich bin zu dieser Mäkelei nicht aufgelegt.

Palinurus. Wie so?

Phädromus.           Mir eigen will ich sie: ich liebe sie
Nicht minder als sie selbst mich liebt.

Palinurus.                                                   Ein böses Ding
Geheime Liebe, richtet nichts als Schaden an.

Phädromus. (seufzend)
Du sagst die Wahrheit.

Palinurus.                           Hat sie nicht schon mitgemacht?

Phädromus. Sie ist von meiner Seite rein und unversehrt,
Wie meine Schwester, wenn das viele Küssen ihr
Nicht schon geschadet.

Palinurus.                             Merke dir: das Feuer ist
Dem Rauche stets sehr nahe. Zwar mit Rauche kann
Man nichts verbrennen, mit der Flamme geht es wohl.
Du mußt die Nuß aufknacken, wenn du aus der Nuß
Den Kern verlangst. Durch Küsse bricht sich seine Bahn,
Wer auf das Kissen kommen will.

Phädromus.                                           Doch dieses Kind
Ist viel zu sittsam, buhlte noch mit keinem Mann.

Palinurus. Wenn Kuppler sittsam wären, Herr, dann glaubt' ich es.

Phädromus. Was denkst du von dem Mädchen? Kann sie sich zu mir
Wegstehlen Einmal, küßt sie mich und huscht davon.
Das thut sie, weil in Aesculapius' Tempel hier
Der Kuppler krank liegtDie Alten pflegten sich in den Tempel eines Gottes zu legen, dessen Hülfe sie in Anspruch nahmen, und erwarteten wachend oder im Traume Belehrung von ihm. So legten sich die Kranken in den Tempel des Aesculap, des Gottes der Heilkunde, um im Traume Mittel von ihm zu erhalten. , Hu! Der quält mich recht!

Palinurus.                                                                           Wie so?

Phädromus. Bald will er dreißig Minen, und ein andermal
Verlangt er ein Talent für sie. Nichts Billiges
Kann ich von ihm erlangen.

Palinurus.                                   Und du thust nicht recht,
Verlangst von einem Kuppler, was kein Kuppler hat.

Phädromus. Nun sandt' ich meinen Parasit nach Karien,
Mir Geld von meinem Freunde dort auf Borg zu leih'n.
Wenn der es mir nicht bringt, wo wend' ich dann mich hin?

Palinurus. Rechts, denk' ich, wenn du deinen Gruß den Göttern bringst.»Rechts, denk' ich, wenn du deinen Gruß den Göttern bringst.« Vgl. die Anmerkung zu 3, 20. Wenn man den Göttern seine Verehrung bezeigte, pflegte man sich rechts zu wenden.

Phädromus. Nun, ein Altar der Venus ist vor'm Hause hier,
Und ihr gelobt' ich heute schon ein Morgenbrod.

Palinurus. Zum Morgenbrode willst du dich der Venus weih'n?

Phädromus. Mich, dich und alle diese»Alle diese,« d. i. alle Vorübergehenden. .

Palinurus.                                                 Daß sie speien muß?

Phädromus. (zu einem der begleitenden Sklaven)
Gib mir die Flasche, Bursch!

Palinurus.                                       Wozu?

Phädromus.                                               Das hörst du gleich.
Am Thore hier liegt eine graue Kupplerin
Als Wache; die trinkt gerne viel, und lauteren.

Palinurus. Ein Faß von altem Chierwein, das Odem hat!

Phädromus. Mit Einem Wort: es ist die ärgste Säuferin.
Bespreng' ich diese Thüre nur mit wenig Wein,
Gleich riecht sie meine Gegenwart und öffnet schnell.

Palinurus. Ihr bringt man diese Flasche mit dem Wein?

Phädromus.                                                                   Im Fall
Du's nicht verwehrst.

Palinurus.                         Ei, freilich wohl! Ich wollte, der
Sie trägt, er bräche sich den Hals. Ich dachte mir,
Die Flasche sei für uns bestimmt.

Phädromus.                                          So schweige doch!
Im Falle sie was übrig läßt, das ist für uns,
Für Zwei genug.

Palinurus.                 Wo ist der Fluß wohl, den das Meer
Nicht faßte?»Wo ist der Fluß wohl, den das Meer nicht faßte?« Der Sinn ist: es mag in der Flasche noch so viel Wein sein, die Alte wird ihn dennoch austrinken so wie das Meer auch die größten Flüsse in sich aufnimmt.

Phädromus.             Komm, Palinurus, an die Thür mit mir.

Palinurus. Recht gern.

Phädromus. (indem er vor der Thüre Wein aufgießt)
                            Wohlan jezt, allerliebste Thüre, trink:
Trink wacker, sei mir aber auch recht hold dafür!

Palinurus. (thut nachspottend)
Verlangst du nicht Oliven, Braten, Kapern auch?

Phädromus. Erwecke deine Hüterin, sie rufe mir!

Palinurus. Du strömst den Wein aus: aber, Herr, was ficht dich an?

Phädromus. O laß mich! Siehst du, wie das allerliebste Haus
Sich öffnet? Muxt die Angel auch ein Bischen nur?
Das ist doch schön.

Palinurus.                       So küsse sie.

Phädromus.                                         Sei stille doch!
Laß uns das Licht, laß uns die Stimme bergen.

Palinurus.                                                                 Gut!
(sie verbergen die Fackel.)

Zweite Scene.

Die Kupplerin. Phädromus. Palinurus.

Die Kupplerin. Mir duftet die Blume von altem Wein
In die Nase herauf: mich Lüsterne lockt
Sein Reiz hierher in der finsteren Nacht.
Nun wo, wo ist er? Er ist mir nah.
Ich hab' ihn, o Wonne! Willkommen, mein Herz!
Bacchus' Stolz! Wie sehn' ich mich
Nach dem uralten Stoff! Balsam riecht gegen dich,
Wie Unflat im Schiffsgrund.
Myrrhenöl bist du mir, Zimmet und Rose du,
Duftest, wie Casia, Crocus und Bdellium.Die arabische Casia, deren zimtartige Rinde schon Theophrast unter den Würzen wohlriechender Salben nennt, ist wahrscheinlich der wilde oder Mutterzimt, verwandt mit dem edlen Zimt oder Kanelbaum; sie wuchs in römischen Kunstgärten, wo sie Columella (3, 8) sah, und nach Plinius (12, 19, 42) an der Reichsgränze des Rhenus, in hölzerne Bienenrümpfe gepflanzt, aber unvollkommen an Farbe und Geruch: Voß zu Virg. LB. 2, 466. und die Ausleger zu Plin. 1. 1. Aus der Casia, die man in Oel auflöste, welches Gerüche sehr leicht annimmt und behält, wurden im Alterthum die köstlichsten Salben bereitet. – Crocus, Safran. – Bdellium, Gummi, das aus dem gleichnamigen schwarzen Baume quillt, von dem Plinius spricht 12, 9, 19.
Ja, wo du ausgegossen bist, da möcht' ich wohl begraben sein.

Phädromus. Durst hat das Weib.

Palinurus.                                   Wie viel?

Phädromus.                                                 Nicht viel; ihr gnügt an einem Eimer.

Palinurus. Dann wächst allein für sie nicht Wein genug in einem Jahre.

Die Kupplerin. Doch da du, süßer Duft, mir in die Nase stiegst,
Schaffe nun, Theurer, auch meinem Gaum eine Lust!
Bleib mir jezt ferne! Wo ist er selbst? Seinen Saft
Will ich in langem Zug aus der Flasch' in mich zieh'n.
Laß mich ihn schlürfen! Weg ist er: ich folg' ihm nach.

Palinurus. Zu einem Jagdhund hätte die recht gut gepaßt:
Hat eine feine Nase, die.

Die Kupplerin.                       Wen hör' ich da von ferne?

Phädromus. Muß sie anreden, die Strunzel da. Komm daher,
Sieh mich an, Kupplerin!

Die Kupplerin.                         Welcher Mensch herrscht mich an?

Phädromus. Bacchus, der liebliche Spender des Weines,
Der, wenn du dich räusperst und dürstest halb schläfrig,
Dir den Trunk bringen, dir deinen Durst löschen will.

Die Kupplerin. Ist er weit weg von mir?

Phädromus. (zeigt ihr die Flasche)           Sieh doch hier, sieh das Licht!

Die Kupplerin. Ungesäumt komm zu mir, komm, verdopple deinen Schritt!

Phädromus. Guten Tag!

Die Kupplerin.               Guten Tag, wenn man vor Durst vergeht?

Phädromus. Gleich sollst du trinken.
(er geht zu seinen Sklaven)

Die Kupplerin.                                   Lange währt's.

Phädromus. (kommt mit der Flasche zurück)                 Hier hast du, gute Alte.

Die Kupplerin. Willkommen, Allerliebster!

Palinurus.                                                     Auf, schnell gieße das in deinen Schlund,
Und spühle frisch die Gurgel aus.

Phädromus.                                           O schweige doch! Du darfst ihr
Nichts Uebles sagen.

Palinurus.                         Also will ich's lieber thun.

Die Kupplerin. (indem sie Wein auf den Altar tröpfelt)
Von Wenigem, Venus, geb' ich dir dies Wenige,
Nicht gerneVom vollen Becher gießt sie der Venus einen Tropfen aus; aber auch diesen Tropfen gibt sie, wie sie hinzusezt, »nicht gerne.« ; denn Verliebte, Tischgenossen, Zechgesellen,
Sie geben alle dir; mich trifft dergleichen Erbschaft selten.
(sie trinkt)

Palinurus. Da sieh mir an, mit welcher Gier die Vettel in den vollen Schlund
Den lautern Wein hinunterstürzt!

Phädromus.                                         Ich bin des Todes, weiß nicht,
Was ich zuerst ihr sagen soll.

Palinurus.                                       Gerade, was du mir gesagt.

Phädromus. Das ist?

Palinurus.                 Daß du des Todes seist.

Phädromus.                                                     Daß dich der Henker hole!

Palinurus.                                                                                                   Das
Sag' ihr.

Die Kupplerin. (trinkend)
              Ah, ah!

Palinurus.                   Wie steht es, Alte? Schmeckt dir's noch?

Die Kupplerin.                                                                             Es mundet.

Palinurus. Mir mundet's auch, ein Bischen dich zu prügeln.

Phädromus.                                                                           Nicht doch! Schweige.

Palinurus. Ich schweige schon. Doch siehe nur, der Regenbogen trinkt: es wird
Noch heute regnen.»Siehe, wie der Regenbogen trinkt: gewiß wird's heute regnen.« Die Alten glaubten, der Regenbogen ziehe Dünste aus Meer und Landgewässern zu den Wolken hinauf, und verursache dadurch Regen. Einige fabelten, sagt Stobäus ecl. 1, 31, daß er mit einem Stierhaupte die Flüsse ausschlürfe: Voß zu Virgil's LB. 1, 380. Wahrscheinlich spielt Palinurus zugleich auf die gekrümmte Stellung der alten Kupplerin an.

Phädromus.                   Soll ich's ihr jezt sagen?

Palinurus.                                                             Was denn?

Phädromus.                                                                             Daß es ganz
Um mich gescheh'n ist.

Palinurus.                           Sag' es nur.

Phädromus.                                           Hör', Alte, dieses will ich dir
Zu wissen thun: ich bin verloren.

Die Kupplerin. (forttrinkend)               Aber ich,
Ich bin gerettet. Doch warum soll's denn um dich geschehen sein?

Phädromus. Was ich liebe, muß ich, ach! entbehren.

Die Kupplerin.                                                           Lieber Phädromus,
Weine nicht, ich bitte dich!
Sorge nur, daß ich nicht dürste: gleich will ich dir
Bringen, was du liebst.
(geht in's Haus)

Phädromus.                         Und dir
Sez' ich, wenn du dein Versprechen
Lösest, für ein goldnes Standbild
Eine Statue von Wein als Monument für deine Gurgel.
Palinur, wer auf der Erde wird so glücklich sein, als ich, wenn
Sie zu mir kommt?

Palinurus.                   Traun, wer liebt und arm ist, ist in schlimmer Lage.

Phädromus. Dem ist nicht so; denn ich hoffe, heute wird mein Parasit noch
Mit dem Gelde kommen.

Palinurus.                               Du hast große Dinge, Herr, im Kopfe,
Wenn du was erwartest, was doch nirgendwo zu finden ist.

Phädromus. Soll ich an die Thüre geh'n und singen?

Palinurus.                                                                   Wenn es dir beliebt,
Meinethalben; weder will ich's dir gebieten, noch verbieten;
Denn ich sehe, Herr, du bleibst bei deiner Sitte, deiner Denkart.

Phädromus. Riegel, ihr Riegel, euch grüß' ich, aus Herzensgrund.
Lieb' ich euch, wünsch' ich euch, such' ich euch, fleh' ich euch,
Seid mir zu Willen doch, liebliche, dem liebenden:
Tanzet nach meinem Wunsch lustigen LydertanzDie Lyder waren im Alterthum durch ihre Tanzsucht und Trunkliebe bekannt. ,
Springet auf, hüpfet auf, sendet mir sie heraus,
Die dem unglücklichen Freund das Blut ausgesaugt.
Häßliche Riegel, ihr! Seht, wie fest schlafen sie!
Wollt ihr nicht schneller euch regen, ach! mir zulieb?
Nichts macht ihr euch aus meiner Gunst, ich seh' es nun.
Doch stille, still!

Palinurus.                   Ich bin ja still. Was ist es denn?

Phädromus.                                                                   Ich höre
Ein Rasseln. Endlich werden doch die Riegel mir gehorsam.

Dritte Scene.

Die Kupplerin. Planesium. Phädromus. Palinurus.

Die Kupplerin. (zu Planesium)
Komm behutsam, daß die Thür nicht lärmt, daß nicht die Angel knarrt.
Was wir hier thun, darf der Herr nicht merken, meine Planesium.
Halt, ich gieße Wasser drauf.
(sie begießt die Thüre mit WasserDie Kupplerin begießt die Thüre mit Wasser, damit sie kein Geräusch macht. )

Palinurus. (zu Phädromus)
                                                Herr, siehst du, wie die zitternde
Alte da die Thür kurirt? Sie trinkt den Wein, die Thüre muß
Wasser trinken.

Planesium.               Nun, wo bist du, der vor Venus' Richterstuhl
Mich gefordert, Liebesklage wider mich erhoben hat?
Siehe da, hier bin ich, habe mich gestellt vor deinen Stuhl,
Rathe dir nun aber auch, dich mir zu stellen.

Phädromus.                                                           Ich bin da.
Wenn ich wegblieb, dann verdient' ich Strafe wohl, mein Honigkind.

Planesium. Liebes Herz, dem Liebenden geziemt es nicht, entfernt zu sein.

Phädromus. Palinur!

Palinurus.                 Was rufst du mich?

Phädromus.                                             Ein allerliebstes Mädchen!

Palinurus.                                                                                           Ganz
Allerliebst!

Phädromus.       Ich bin ein Gott, Freund.

Palinurus.                                                 Nein, ein Mensch von wenig Werth.

Phädromus. Sahst du jemals etwas, oder kannst du jemals etwas seh'n,
Was den Göttern näher käme?

Palinurus.                                       Daß du krank bist, macht mir Schmerz.

Phädromus. Bist mir schlecht zu Willen; schweige!

Palinurus.                                                                   Selber schlägt sich an das Kreuz,
Wer in Liebchens Auge sieht, und, wenn er kann, sie nicht genießt.

Phädromus. (für sich)
Hat ganz Recht.
(laut)             So sehnlich und so lange wünscht' ich nichts wie das.

Planesium. (geht auf ihn zu)
Nun, umarme mich!

Phädromus.                   Allein dies macht mir noch das Leben werth.
Weil es dir dein Herr verwehrt, so soll es heimlich sein.

Planesium.                                                                                 Verwehrt?
Kann es, soll es nie verwehren; nur der Tod trennt mich von dir.

Phädromus. Königen gönn' ich ihre Länder, Reichen lass' ich gern ihr Gold:
Habe Jeder seine Würden, seine Schlachten, seinen Kampf;
Wenn sie mich nur nicht beneiden, gönn' ich Jedem, was er hat.

Palinurus. (für sich)
Nein, es ist nicht auszuhalten, tadeln muß ich meinen Herrn.
Gut ist's, mit Vernunft zu lieben; unvernünftig liebt der Thor.
Aber lieben bis zum Wahnsinn, das vermag mein Herr allein.
(laut)
Phädromus, hast wohl der Venus eine Nachtwach' angelobt?
Denn gewiß, nicht lange währt's, so graut der Tag.

Phädromus.                                                                   Sei still!

Palinurus.                                                                                     Warum?
Willst du noch nicht schlafen geh'n?

Phädromus.                                             Ich schlafe schon; nur schreie nicht!

Palinurus Nein, du wachst.

Phädromus.                         Das ist mein Schlaf; ich schlafe so nach meiner Art.

Palinurus. (zu Planesium)
Höre: Wohlthat nicht vergelten, Mädchen, das ist Unverstand.

Planesium. Zürntest doch, wenn dich dein Herr vom Essen jagte.

Palinurus.                                                                                       Meinethalb!
Beide lieben sich zum Sterben, seh' ich, beide sind verrückt.
Sehe nur ein Mensch, wie kläglich die sich winden, wie sie sich
Nicht genug umarmen können! Wollt ihr aus einander geh'n?

Planesium. Keinem Menschen ward ein ungestörtes Glück. Auch unsrer Lust
Haftet diese Qual (auf Palinurus deutend)
                              beständig an.

Palinurus.                                           Was sagst du Nikel da?
Du sogar mit deinen Eulenaugen nennst mich eine Qual?»Du sogar mit deinen Eulenaugen nennst mich eine Qual?« Schwarze Augen, bemerkt Danz, standen bei den Römern in größtem Ansehen; blaue Augen schon weniger; den wenigsten Beifall hatten die grünen Augen, die daher auch Eulenaugen (oculi noctuini), Grasaugen (herbei), oder auch Kazenaugen (felini) genannt wurden.
Du versoffne Gans, du Kröte!

Phädromus.                                   Meine Venus schimpfst du mir?
Daß ein durchgepeitschter Sklave solchen Hohn mir bieten soll!
Mensch, zu deinem größten Unheil, wahrlich, hast du das gesagt!
(er schlägt ihn)
Da für deine bösen Reden, daß du dich ein andermal
Mäßigst!

Palinurus.       Hilf, Nachtwächt'rin Venus!

Phädromus.                                                 Machst du noch, du Schlingel, fort?
(er schlägt ihn wiederholt)

Planesium. (zu Phädromus)
Laß den Kloz, mein Lieber, daß dir nicht die Hand zu Schanden geht.

Palinurus. Du vergehst dich schwer, verübst hier eine Schandthat, Phädromus:
Schlägst mit Fäusten, der dir Gutes räth, und liebst das eitle Ding.
Kannst du dich in deiner Zügellosigkeit nicht mäßigen?

Phädromus. Bringe mir Einen, der mit Maß liebt, und ich zahle Gold dafür.

Palinurus. Bringst du mir 'ne kluge Herrschaft, kriegst du mehr als Gold von mir.

Planesium. Lebe wohl, mein Herz! Ich höre, wie der Riegel knarrt und dröhnt;
Denn der Küster schließt den Tempel auf. Wie lange werden wir
Den verstohl'nen Liebeshandel unter uns noch pflegen?

Phädromus.                                                                           Nicht
Lange mehr. Ich sandte meinen Parasiten wohl vor vier
Tagen schon nach Carien, Geld zu holen: der kommt heut zurück.

Planesium. Gott, wie spät!

Phädromus.                       So wahr mir Venus gnädig ist, ich lasse dich
Länger als drei Tage nicht in diesem Haus: dann wirst du frei.

Planesium. Halte Wort! Da nimm zulezt noch, eh' ich scheide, diesen Kuß.

Phädromus. Diesen Kuß, ich gäb' ihn nicht, und böte man ein Königreich
Mir dafür! Wann werden wir uns wiederseh'n?

Planesium.                                                                 O kaufe mir
Nur die Freiheit. Liebst du mich, so löse mich um jeden Preis.
Lebe wohl!
(sie geht in's Haus)

Phädromus.       Nun steh' ich einsam. Ich vergehe, Palinur!

Palinurus. Und ich auch: mich tödten Schlaf und Schläge.

Phädromus.                                                                       Komm in's Haus mit mir.


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