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Zweites Buch.

Erstes Kapitel.

Als Malizia Caraffa vor dem Könige erschien, ließ er kein Mittel unversucht, denselben zu der in Vorschlag gebrachten Unternehmung anzufeuern. Was als Ruhmbegier jugendliche Gemüter begeistern kann, die Pflicht des Ritters, einer bedrängten Frau beizustehn, die großen Vorteile, die einem Könige von Sicilien aus dem Besitze Neapels erwachsen mußten, alles ward in Anregung gebracht, um Alfons zu bestimmen. Dieser wollte jedoch die um ihn versammelten Großen nicht ungefragt lassen, welche fast einstimmig von einem solchen Vorhaben abrieten. Eine Frau, meinten sie, könne sich nicht leicht so viele Feinde, außer durch eigene Verschuldung, erweckt haben; sie würde eines beständigen Schutzes bedürfen, ihr Unbestand mache den Gewinn einer Unternehmung, die schwierig und weitaussehend sei, zweifelhaft. Die Kräfte von Aragonien dürften nicht an ein Land verschwendet werden, das, von ewigen Parteiungen zerrüttet, seine Herrscher in raschen Umwälzungen zu wechseln pflege. Hierauf versetzte Alfons, er gedenke zu helfen, wo man seiner Hilfe bedürftig sei; den Räten eines Königs ziemten königliche Gesinnungen, wo nicht, so schicke sich doch für den Alexander nicht, was dem Parmenio schicklich wäre. Panormita.

Zu gleicher Zeit erschien bei Alfons auch ein Gesandter Ludwig III., der ihn zu einem Bündnisse mit letzterm (beide waren durch Verwandtschaft verknüpft) einlud. Alfons versetzte, da sich Ludwig mit den Genuesern, den erbitterten Feinden der Katalanen, verbunden hätte, so müßte er erst dieser Freundschaft entsagen, ehe er der seinigen teilhaft werden könne, wozu sich aber Ludwig keineswegs verstand. So traten denn zwei Jünglinge einander gegenüber, deren Väter bereits sich in den Ansprüchen auf die Krone von Aragon begegnet waren, und später sehen wir noch einmal Franz I. und Karl V., diesen Geschlechtern entsprossen, in unversöhnlicher Nebenbuhlerschaft sich bekämpfen.

Alfons ließ nun den Malizia rufen und erklärte ihm, daß er, trotz der ihm vorgestellten Hindernisse, der Königin Johanna 16 Galeeren zur Entsetzung Neapels senden wolle; um jedoch den Argwohn der Spanier zu beschwichtigen, müsse die Königin ihm ein Pfand ihrer Treue zusichern und ihm die Kastelle einräumen lassen. Hierauf sandte Malizia sogleich den Pasquale Cioffo, um der Königin die günstige Nachricht zu überbringen; er selbst schiffte sich mit der kleinen Flotte, zu deren Admiral Alfons den Raimund Perellos ernannt hatte, nach Sicilien ein, um sich dort mit Getreide und andern Lebensmitteln, deren die belagerte Stadt so sehr bedurfte, zu versehn. Pasquale war indes in Civita Vecchia, wo er einiges zu besorgen hatte, ans Land gestiegen; da übereilte ihn die Flotte Ludwigs, die nach Neapel segelte: er wurde gefangen, und seine Papiere fielen den Provençalen in die Hände, die daraus die Plane der Aragonesen kennen lernten. Das Fahrzeug jedoch, auf dem sich Pasquale befunden hatte, entwischte und brachte nach Neapel die Nachricht, daß zwar Alfons seine Hilfe versprochen habe, Ludwig aber herannahe und stündlich erwartet werden dürfe. Costanzo.

Dieser zeigte sich auch bald mit neun Galeeren und einigen genuesischen Lastschiffen, die Battista Fregoso befehligte. Sforza zog sich ans Gestad herab und empfing den Fürsten, der an der Mündung des Sebeto landete. Die Schiffe kreuzten nun täglich vor der Stadt, um die provençalische Partei zur Empörung anzulocken. Doch wußte Sergianni Neapel im Zaum zu halten, und den Baronen der Gegenpartei ward bei Lebensstrafe verboten, ihre Wohnungen zu verlassen. Endlich zeigten sich zur großen Freude der Belagerten die aragonischen Schiffe zwischen dem Kap Minerva und der Insel Capri. Ludwigs Galeeren konnten, ihrer Minderzahl wegen, in keinen Kampf eingehn; sie zogen sich nach Castellamare zurück, und Perellos landete mit den Seinigen am Castel nuovo. Ausgezeichnet war der Empfang, den ihm die Königin bereitete. Mit eigner Hand hing sie ihm eine goldne Halskette um, übergab ihm die Schlüssel vom Castel dell' Ovo und ließ am folgenden Tage den König Alfons öffentlich als ihren Nachfolger und als Herzog von Kalabrien ausrufen.

Die Stadt war nun von der Seeseite entsetzt und mit Lebensmitteln reichlich versorgt; auch kehrte Battista Fregoso mit seiner Flotte nach Genua zurück, da Ludwig alle seine Kräfte, einen Landkrieg zu führen, anspannte. Später verlor jedoch Battista unweit der Mündung des Arno eine Schlacht gegen den aragonischen Admiral Romeo de Corbera, der ihn gefangen nahm. Die Folgen hievon waren für Genua bedeutend. Der Doge Thomas Fregoso, Battistas Bruder, mußte abtreten und flüchtete sich nach Sarzana. Die Republik übergab sich dem Herzog von Mailand, Philipp Visconte, dessen Schiffe die Stadt einschlossen, während sie Carmagnola zu Land belagerte. Johannes Stella.

Die Lage Neapels war indes trotz der Abfahrt der Genueser bedenklich; um so mehr, da sich Sforza bald darauf Aversas bemächtigte und dieser nur ein paar Meilen von der Hauptstadt entlegene Ort nun zum Mittelpunkte der feindlichen Streitkräfte und den provençalisch gesinnten Baronen zur Zuflucht diente. Die Königin hatte daher sogleich einen Boten nach Umbrien gesandt, um Braccio da Montone in ihren Sold zu nehmen, welcher jedoch Aquila und Capua zu Lehen verlangte, was ihm zugesagt ward. Unterdessen hatten die Sforzesken einen nächtlichen Einfall in die Stadt versucht, während ihnen von einigen Verschworenen ein abgelegenes Thor geöffnet worden. Dies Unternehmen mißlang jedoch, da man einen vorgeschobenen Balken, ohne Lärm zu machen, nicht durchsägen konnte und daher die Pferde gar nicht, die Fußgänger aber nur einzelweise Zutritt erhalten konnten. Sie wurden wieder verjagt, die Verschwörung unterdrückt und einige Barone hingerichtet.

Nun schickte Johanna abermals drei Gesandte an Alfons nach Korsika und bat ihn, sein Werk zu vollenden und selbst in Neapel mit dem Rest seiner Flotte zu erscheinen. Worauf Alfons erwiderte, daß er nicht zaudern werde, sobald einmal Braccio mit den Seinigen sich dem Königreich nähere; denn ohne ihn würde er selbst bloß die Zahl der Belagerten unnütz vermehren. In der That war damals fast das ganze Reich in Ludwigs Händen. Nach Kalabrien hatte dieser den Francesco Sforza als Vicekönig geschickt, und auch die Abruzzen waren von der Königin abgefallen.

Zweites Kapitel.

Hierauf begab sich Alfons zuerst nach Sicilien, teils um in der Nähe zu sein, teils um sich dort zu verstärken, und von dort aus sandte er einen Botschafter an Ludwig, ihm die Wahl zwischen Krieg und Räumung des Königreichs anbietend. Nur mit Widerwillen, hieß es, ergreife Alfons die Waffen gegen einen Freund und Anverwandten; doch einer unglücklichen Frau, die seinen Schutz erfleht, beizustehen, halte er für unabweisliche Pflicht. Habe Ludwig Ansprüche auf das Reich, so solle er wenigstens den Tod der Königin abwarten. Uebrigens habe niemand ältere Rechte auf Neapel, als Alfons, weniger durch die Adoption Johannas, als durch Constanze, die Tochter Manfreds, seiner Vorfahren Ahnfrau. Unter diesem Titel besitze er bereits Sicilien, während die Herrschaft Karls von Anjou bloß auf Anmaßung beruht habe. Hierauf entgegnete Ludwig: Nicht das Alter der Ansprüche, bloß ihre Rechtmäßigkeit käme in Betracht; das Reich gehöre dem Papst, der die Anjous damit belehnt habe. Nicht Mitleid, Eroberungssucht sei der Beweggrund des aragonischen Monarchen; doch sollten ihn dessen Drohungen keineswegs abschrecken, und die gerechte Vorsehung würde den Kampf zwischen beiden entscheiden. Fazius, De rebus gestis ab Alfonso primo.

Endlich, nachdem florentinische Kaufleute sich für Alfons und die Königin Johanna wegen des Soldes verbürgt hatten, verließ Braccio Perugia und drang im Juni 1421 durch die Abruzzen ins Königreich ein. Weniger durch Waffengewalt als durch Ueberraschung und den Schreck seines Namens eroberte er Sulmona und Castel di Sangro nebst andern Schlössern und drang mit solcher Schnelligkeit nach Capua vor, welches noch der Königin zugehörte, daß die Feinde, die nicht weit davon in S. Maria Maggiore standen, seine Ankunft nicht gewahr wurden. Zwei feste Türme in der Nähe von Capua eroberte er durch List. Der eine schien durch seine ungeheure Höhe unbezwingbar. Braccio versteckte daher in einem benachbarten Hause eine Anzahl von Bogenschützen und trat selbst bewaffnet hervor, um mit den Befehlshabern, die sich auf der Zinne befanden, zu unterhandeln. Während nun jene sprachen und die Uebergabe verweigerten, wurden sie von Pfeilen durchbohrt, und die übrigen ergaben sich. Der andere Turm, ein antiker Bau in der Nähe des alten Theaters von Capua, war durch außerordentliche Festigkeit ausgezeichnet. Braccio ließ 20 bewaffnete Fußgänger in den umliegenden Fruchthainen sich verbergen, wo die tausendfach mit Reben verschlungenen Pappeln nach Art des dortigen Himmelstrichs ein undurchdringliches Dickicht bilden. Hierauf mußten zwei wehrlose Knaben als Flüchtige an der Festung vorüberlaufen, und da hier der Weg über antike Gewölbe führt, so wurden ihre widerhallenden Tritte von den Wächtern leicht vernommen. Die Knaben erkundigten sich um den Weg nach Maddalone, wo die Sforzesken standen, und gaben sich für Ueberläufer aus Braccios Lager aus. Da sie den Wächtern jedoch in dieser Gestalt eher entsprungene Diebe zu sein schienen, so eilten mehrere vom Turm herab, um sie einzufangen. Da brachen die Braccesken aus dem Versteck hervor, bemächtigten sich der Herabgestiegenen und brachten sie zu ihrem Anführer. Dieser bedrohte sie als Verräter der Königin mit den äußersten Martern, bis einer, um sein Leben zu retten, versprach, die Festung zu überliefern. Er wurde hierauf freigelassen, kehrte in den Turm zurück und fand Mittel, diesen dem Feinde zu öffnen. Campanus, Vita Braccii.

Ueber Marigliano, das er erstürmte, drang nun Braccio bis Neapel vor, ohne daß es Sforza verhindern konnte. Johanna schickte den erstern sogleich nach Castellamare, dessen feindliche Nachbarschaft ihr am meisten gefährlich schien. Braccio überfiel bei nächtlicher Weile die Stadt, nahm sie ein und ließ sie durch die Seinigen plündern. Da jedoch Sforza mit großer Uebermacht herankam, war Braccio genötigt, sich über Torre del Greco (von dem dort wachsenden Wein so genannt) in großer Eile zurückzuziehen, nachdem er beim Uebergang des Sarno einen Teil der Mannschaft in den Wellen verloren hatte.

Unterdessen hatte Alfons mit einer beträchtlichen Flotte auf Ischia Anker geworfen. Als die Königin seine Ankunft erfuhr, schickte sie ihm sogleich den Sergianni entgegen, der ihn einlud, sich samt den Schiffen nach dem Castel dell' Ovo zu begeben, bis seine feierliche Aufnahme in Neapel vorbereitet sei, – welcher Einladung der König folgte. Am Tage sodann, der zu seinem Einzuge bestimmt war, begab er sich zu Schiffe nach der Sebetomündung, wohin ihn die Galeeren der Königin mit Blumen bekränzt und mit Teppichen geschmückt begleiteten. Um der Stadt ein Schauspiel zu geben, hatte er dem Perellos mit seinen Truppen befohlen, den Strand zu besetzen und ihm gleichsam die Landung zu versagen, die er in einem vorgestellten Seetreffen erzwang. Die Reiter Braccios waren längs der Porta del Carmine aufgestellt. Ein langer Damm von Brettern, der auf Fahrzeugen ruhte, war ins Meer hinausgebaut, dessen Höhe der Höhe des königlichen Verdecks gleich kam. Auf dieser Brücke begrüßte Braccio den König, der den sich kniefällig Beugenden aufhob und umarmte. Da geschah es, daß eines der Bretter nachgab und Alfons in den untern, mit Wasser gefüllten Raum eines Schiffs versank. Wiewohl er dem Unfalle eine scherzhafte Wendung zu leihen wußte, so diente dieser doch vielen zur unglücklichen Vorbedeutung, und der Boden des Landes schien Fremdlingen zwar eine günstige Aufnahme, doch wenig Sicherheit zu gewähren. Collenucio

Durch die Porta Capuana betrat Alfons die prächtig geschmückte Stadt. Alle Seggi waren von den schönsten Frauen Neapels besetzt worden, die beim Schall der Halbtrommel teils in festlichen Tänzen den unter dem Baldachin reitenden König bewillkommten, teils in lauten Gesängen seinen Ruhm erhoben. An der Brücke des Castel nuovo empfing ihn die Königin, die ihn als Mutter umarmte und ihm die Schlüssel des Kastells zu übergeben befahl. »Dem Allmächtigen danke ich,« sprach sie, »daß ich dich, dem Gegenwärtigen gegenwärtig, erblicke, dem ich als Abwesenden schon mein Heil verdankte. Denn gern gestehe ich, daß alles, was ich besitze, durch deine Wohlthaten mein ist. Durch dich hat mich Raimund von der feindlichen Flotte und Braccio von den Angriffen des Landheers befreit, und deine Ankunft läßt den Rest meiner Furcht verstummen. Deine Würdigkeit und Klugheit, dein großer Sinn blieben auch uns im fernen Italien nicht unbekannt. Laß mich also diesen Tag als den glücklichsten meines Lebens preisen, an dem ich dich in dieser Stadt aufnehme, deren Bürger, wie du siehst, dich jubelnd begrüßen!« Hierauf erwiderte Alfons: »Wenn meine Hilfe dir nützlich war, o Johanna, so gereicht mir dies zur schönsten Befriedigung. Seitdem dein erster Gesandter mich in Sardinien antraf, hielt ich immer die Nichtachtung deiner Gefahren für schändlich. Jetzt, da ich dich in wachsender Bedrängnis erblicke, komme ich selbst, und für den günstigen Ausgang bürgt mir die Gerechtigkeit deiner Sache, die im Kriege der größte Schutz ist.« Fazius.

Drittes Kapitel.

Der Sommer verstrich hierauf in Festen. Dabei wurden häufige Gespräche zwischen Alfons und Braccio und ihren Hauptleuten über den Krieg und dessen Führung unter den verschiedenen Völkern gehalten. Ein einheimischer und gleichzeitiger Geschichtschreiber hat uns einiges davon aufbewahrt. Gian Antonio Campano, von seinem Vaterlande so genannt. Er war in einem Dorfe bei Capua zu Hause und zu seiner Zeit Braccios Unterthan. Seine Jugend brachte er in Neapel zu, wo er, als Hofmeister bei einer adeligen Familie, sich über die hier erzählten Begebenheiten genau unterrichten konnte. Später, an der Schule zu Perugia angestellt, welches damals von Braccios Ruhm noch voll sein mußte, schrieb er das Leben dieses Feldherrn ungefähr in den fünfziger Jahren; denn er erwähnt beiläufig, gegen das Ende des Werks, den eben vorgefallenen Tod des Alfons, der 1458 starb. Campano war übrigens, nebenbei gesagt, kein sonderlicher Freund von Deutschland, und als er dasselbe auf einer Gesandtschaftsreise verließ, richtete er folgenden Vers an dasselbe, den wir nicht zu übersetzen wagen:

»Adspice nudatas, barbara terra, nates!«
Die Spanier warfen den Italienern die Art vor, den Krieg im Kleinen und mehr durch List als Kraft zu führen. In ihren Schlachten zähle man kaum einen oder den andern Toten, und die Gefangenen würden nach vollendetem Treffen freigelassen. Die Spanier hingegen, nach Weise der Deutschen und Franzosen, die für die tapfersten Völker gehalten würden, stürzten sich mit ganzer Gewalt auf den Feind und suchten ihn, wären sie siegreich, bis auf den letzten Mann zu vernichten. Hierauf vom Könige selbst aufgefordert, die Ehre Italiens zu verfechten, entgegnete Braccio: Klugheit vermöchte im Kriege das Meiste, und große Massen wären in der Schlacht mehr hinderlich als nützlich. Ein Land, das man erobern wolle, vorher zu zerstören, wäre grausam und thöricht zugleich. Die überalpischen Völker führten den Krieg wie Tiere und suchten durch Ungestüm zu ersetzen, was ihnen an Geschicklichkeit gebreche. Die Anführer Italiens hingegen und ihre Scharen würden von frühster Jugend in Waffenübungen eingeweiht, an alle Beschwerlichkeiten und Gefahren der Feldzüge gewöhnt. Ihnen diene der Krieg als Handwerk, und sie suchten ihn zur Kunst zu steigern.

In diesen Tagen geschah es auch, daß der König mit seiner kriegerischen Begleitung eine Lustfahrt nach dem Golf von Bajä beschloß. Man bewunderte den schönsten Busen des tyrrhenischen Meers, seine heilsamen Quellen, seine myrtenreichen Gestade. Man besuchte den Avernersee und stieg in die Höhlen der Sibylle hinab. Campanus. In Pozzuoli zog vor allem das Amphitheater den Blick der Beschauenden an, wovon zwar gegenwärtig nur geringe Trümmer emporstehn, welches aber damals, vor mehr als 400 Jahren, der Zeit noch trotzen mochte. »Prominens auperata vetustate theatrum.« Campanus. Den Rückweg nahm der König zu Lande, und aus der Grotte des Posilipps hervortretend, begrüßte er das Grab Virgils. Campanus. An demselben Tage langten sicilische Schiffe mit Lebensmitteln beladen an; Ueberfluß erfüllte die Stadt, ritterliche Spiele und vaterländische Feste wurden mit Pracht gefeiert.

Braccio jedoch dachte bald an kriegerische Unternehmungen. Er durchzog das Land, bemächtigte sich mehrerer kleinen Städte und Festungen und drang bis ins Päpstliche vor, das er verheerte. Dadurch sah sich der Papst gezwungen, ihm auf sein Verlangen Citta di Castello, eine Stadt in Umbrien, abzutreten, worauf Braccio die eroberten Plätze frei gab. Martin V. hatte schon früher den Tartaglia, der in seinem Solde stand, mit tausend Reitern Sforzan zu Hilfe geschickt; denn er konnte nicht mit gleichgültigen Augen ansehn, daß Braccio, sein Vasall, derjenigen Partei entgegentrat, die von der Kirche begünstigt wurde.

Braccio verlangte nun von der Königin, daß ihm der Uebereinkunft gemäß Capua als Eigentum abgetreten würde. Sergianni widersetzte sich dieser Forderung; aber Alfons, der den erfahrenen Feldherrn auf keine Weise verlieren wollte, brachte es bei der Königin dahin, daß die Stadt dem Braccio überliefert wurde, wodurch die erste Mißhelligkeit zwischen dem König und Sergianni entstand. Die beiden Festungen Capuas wollten aber die Kastellane nur unter Erlegung einer bedeutenden Geldsumme abtreten; auch diese bezahlte Alfons, um den Braccio zu beschwichtigen. Die eine davon mußte dieser gleichwohl halb mit Betrug und halb mit Gewalt erobern. Ein Versuch übrigens, den Braccio machte, die Sforzesken, die zur Einbringung von Lebensmitteln sich aus Aversa entfernt hatten, von der Stadt abzuschneiden, mißlang durch Sforzas Wachsamkeit. Bei dieser Gelegenheit aber führte Braccio eine eigne List aus.

Zwischen Capua und Aversa befindet sich ein stehendes Gewässer, welches gegenwärtig unter dem Namen Regi lagni bekannt ist. Nur im höchsten Sommer war es zu durchwaten, und die wenigen Brücken oder Furten, die sich darboten, waren durch feste Türme geschützt. Einen davon mußte nun Braccio in seine Gewalt bekommen, wenn er den Uebergang ausführen wollte. Er ließ daher einen unbärtigen, aber tapfern jungen Soldaten in Weibertracht kleiden, und dieser mußte als fliehende und von der Unverschämtheit der Kriegsleute verfolgte Dirne dem Turm sich nähern, um Schutz und Aufnahme bitten. Der Wächter läßt ihn ein, und der Vermummte steigt auf die Zinne, unter dem Vorwande, sich nach den Verfolgern umzusehn. Dort zieht er sogleich die Leiter, auf welcher er emporgestiegen, weg, zieht das verborgene Schwert hervor, verwundet die Schildwache und stürzt sie hinab. Den Wächter, der sich noch im untern Raume befand, erschreckt er durch Drohungen und Steinwürfe, so daß dieser die Thür des Turms öffnet, um sich ins Freie zu retten. Dort wird er von den herbeieilenden Braccesken gefangen, nachdem der wieder herabgestiegene Jüngling ihn mit gezogener Klinge verfolgt hatte. So fiel der Turm in Braceios Hände. campanus

Da nun bereits die letzten Tage des Weinmonats herangerückt waren, so gedachte Alfons in diesem zu Ende gehenden Jahre, bei so bedeutenden Streitkräften noch irgend eine entscheidende Waffenthat auszuführen, und wählte dazu die Belagerung Acerras, eines in der Nähe der Hauptstadt gelegenen Orts, durch welchen letztere beunruhigt wurde. Hiezu ward er besonders durch Sergianni angefeuert, der einen tödlichen Haß auf die Familie Origlia geworfen hatte, welcher Acerra gehörte. Der König führte eine große Anzahl Truppen, worunter alle seine Seesoldaten, und viele Belagerungswerkzeuge nach jener Stadt. Ein Sturm jedoch, den er wagte, wurde von den Acerranern mit bedeutendem Verlust der Seinigen zurückgeschlagen. In Acerra befand sich außer Gian Pietro Origlia auch Santoparente Attendolo, ein Verwandter Sforzas, der den besten Kriegsmännern seiner Zeit beigezählt wurde. Sforza selbst zog mit seinem Heere gegen Acerra, um die Stadt zu entsetzen. Doch Alfons schickte ihm den Ventimiglia, einen Sicilianer, und den Piccinino mit allen Seesoldaten entgegen, zu denen sich später auch Braccio gesellte. Bei der Brücke von Casolla kam es zur Schlacht; ein Teil der Sforzesken hatte den Fluß bereits überschritten, sie wurden aber wieder zurückgedrängt. Sforza war bei der Ueberzahl der Feinde nicht imstande, die Brücke zu behaupten, und ging nach Aversa zurück. Auch Santoparente, der diese Zwischenzeit zu einem Ausfall benutzt hatte, ward von Alfons wieder in die Stadt gedrängt. Letzterer hatte bereits einen doppelten und durch Bastionen geschützten Graben um Acerra ziehn lassen, die Zufuhr abzuschneiden. Unterdessen bedrohten die Belagerungswerkzeuge, zum Teil vierrädrige Türme, welche die Höhe der Zinnen erreichten, die Stadtmauer unaufhörlich und richteten bedeutende Zerstörungen an; aber die Acerraner stellten bei Nacht mit großer Ausdauer die beschädigten Teile wieder her. Das Heer des Königs befand sich überdies in einer mißlichen Lage. Die Regenzeit war eingetreten, und die ohnedem sumpfige Gegend, schon bei den Römern als ungesund berüchtigt, bereitete den Gelagerten unerträgliche Beschwerden. Da beschloß Alfons, um den Krieg zu endigen, einen allgemeinen Sturm. Hievon wurde er durch die Anmahnungen des Papstes zurückgehalten, welcher an die beiden Könige zwei Kardinäle, Fonseca und Fiesco, gesandt hatte, um den Frieden zu vermitteln. Als jedoch Ludwig diese Zwischenzeit benutzte, um heimlich einige Verstärkungen nach Acerra zu werfen, so kehrte Alfons zu seinem frühern Vorhaben zurück. Die Stadt ward bestürmt, doch verteidigten sich die Acerraten mit Heldenmut, und da bedeutende Regengüsse eintraten, so wurde der Boden so schlüpfrig, daß weder Fußgänger noch Reiter sich zu halten vermochten. Alfons verlor ein paar seiner besten Hauptleute und eine große Anzahl Söldlinge, die durch Steinwürfe und Pfeile von der Mauer herab getötet wurden. Hierauf boten die Legaten abermals ihre Vermittlung an, und es wurde festgesetzt, daß ihnen, im Namen des Papstes, Acerra bis zur Herstellung des Friedens übergeben würde. Crivelli behauptet, Acerra sei nicht den Legaten, sondern erst später dem Könige, nach dessen Aussöhnung mit Sforza, übergeben worden. Diese Meinung ist wahrscheinlicher; aber alle übrigen Berichterstatter weichen von ihr ab. Alfons kehrte sodann nach Neapel zurück.

In dieser Zeit geschah es, daß Sforza den Tartaglia plötzlich bei einem Gastmahle verhaften ließ. Letzterer wurde des Einverständnisses mit Braccio beschuldigt und hatte auch vom Könige Alfons Pferde zum Geschenk erhalten. Der Papst sandte einen Abgeordneten, der die Sache untersuchen mußte. Tartaglia ward schuldig befunden und auf dem Platze von Aversa enthauptet. Seine Söldlinge jedoch, auf Sforza erbittert, gingen größtenteils zu Braccio über, der sich nach Capua begeben hatte.

Viertes Kapitel.

Im März des folgenden Jahrs (1422) ward endlich durch die Legaten der Friede oder vielmehr ein unbestimmter Waffenstillstand zwischen beiden Parteien abgeschlossen. Ludwig übergab den Kardinälen Aversa und das feste Schloß von Castellamare und begab sich, an Mitteln erschöpft, nach Rom an den Hof des Papstes. Bald nachher wurden die Schlüssel der den Legaten anvertrauten Städte von diesen dem Könige eingehändigt. Höchst auffallend würde diese plötzliche Nachgiebigkeit des römischen Stuhls erscheinen, wenn man nicht folgende Umstände in Erwägung zöge: Martin befand sich in entschiedener Geldnot und war großer Summen zur Wiederherstellung seiner ganz in Verfall geratenen Hauptstadt bedürftig, wie er denn auch wirklich in architektonischer Hinsicht der Gründer eines neuen Roms genannt zu werden verdient, – ein Beispiel, das fast von allen seinen Nachfolgern bis tief ins nächste Jahrhundert hinein aufs eifrigste befolgt wurde, so daß die Aufführung von Gebäuden eine Lieblingsbeschäftigung der Päpste geworden ist. Sodann war Martin V. auf seine unbestrittene Würde vor allem eifersüchtig, und Alfons bedrohte ihn beständig mit der in seinen Königreichen zu erfolgenden Anerkennung Benedikts XIII., der sich noch immer hartnäckig in Spanien verschanzt hielt. Ein zweiter Popanz, vom Papste wenigstens ebensosehr gefürchtet und dessen sich der König bediente, war Braccio da Montone, welcher auch wirklich bald darauf nach dem Kirchenstaate zog und Citta di Castello belagerte. Diese Stadt war ihm vom Papste zwar abgetreten worden; aber die Bürger, die sich als Freistaat regierten, waren mit dieser Abtretung keineswegs einverstanden.

Diejenigen, welche sich in damaliger Zeit eine Herrschaft im mittleren Italien oder vielmehr in Toscana (denn auch Perugia und alle auf der Westseite des Apennins gelegenen Städte wurden mit Recht zu Toscana gerechnet) gründen wollten, hatten einen schweren, ja unmöglichen Stand. Dieser kleine hetrurische Volksstamm, einer der begabtesten von allen, die uns die Weltgeschichte kennen lehrt, und welcher in seiner Blütezeit eine größere Fülle bedeutender Menschen, geistvoller Dichter, Geschichtschreiber, Politiker und Künstler hervorbrachte, als das übrige Europa zusammengenommen, – dieser Volksstamm, sage ich, war damals von dem entschiedensten republikanischen Geiste beseelt. Jedes Städtchen war eine Welt für sich und mußte besonders überwunden werden, worauf es dann immer, sobald es nur einigermaßen aufatmen konnte, die Freiheit wieder herstellte. Deshalb erhielten sich die toscanischen Republiken bis gegen die Hälfte des folgenden Jahrhunderts, während das übrige Italien, Venedig ausgenommen, längst unterlegen war. Dies mochte die Hauptursache sein, weshalb Braccio trotz aller Gewandtheit und kriegerischen Ueberlegenheit keine dauernde Herrschaft begründen konnte, ein Versuch, der den Sforzesken, welche die Lombardie und Genua zu unterwerfen hatten, gelang.

Von dieser, wie zu hoffen steht, erlaubten Abschweifung, kehren wir zum Gange der Erzählung zurück. Ehe noch Braccio das Königreich verließ, ward zwischen ihm und Sforza, dem bei dem Waffenstillstande vergönnt worden war, sich nach Benevent zurückzuziehn, eine Zusammenkunft verabredet, die im Walde Saccomano stattfand. Die alte Freundschaft ward, so weit es thunlich schien, erneuert, und Braccio wandte alles an, seinen ehemaligen Waffengefährten zu bereden, sich mit der Königin auszusöhnen, worauf auch Sforza, der sich ohne Sold in einer ziemlich beschränkten Lage befand, einging. Cribellus. Campanus.

Unterdessen hatte Alfons das Reich bis auf einen gewissen Grad beruhigt. Die provençalisch gesinnten Barone hielten sich in zweideutiger, doch unteilnehmender Entfernung; nur die Grafen von Maddalone und Caserta führten den Krieg fort. Das Schloß Maddalone, dessen schöne Trümmer noch heutzutage sichtbar sind, war dem Ottino Caracciolo zugehörig, der, wie wir schon wissen, gegen Sergianni erbittert war. Alfons, um zu schrecken, sandte die Gefangenen Ottinos als Landesverräter auf die Galeeren, worauf Ottino den katalanischen Gefangenen ein Auge ausreißen, Nase und Hände verstümmeln ließ und in diesem Zustande dem Könige zurückschickte. Costanzo. Cronica di Napoli.

Da brach im April dieses Jahres in Neapel die Pest aus, und der Hof begab sich nach Castellamare. Diese Stadt liegt, Neapel gegenüber, an der Wurzel eines Vorgebirgs, das sich 15 000 Schritte ins Meer hinausstreckt, durch seine gesunde Luft, seine Weine, seine Pomeranzengürten und Oelberge berühmt. Es scheidet den diesseitigen Golf von dem salernitanischen Meerbusen, und auf der Seite von Neapel liegen außer Castellamare noch Vico, Sorrent und endlich am Kap Minerva, der Insel Capri benachbart, Massa. Auf der salernitanischen Seite ist Amalfi der bedeutendste Ort. Alle diese Städte waren von Ludwigs Partei, und Alfons begann damit, Vico zu belagern, welches sich ihm, schlecht befestigt wie es war, bald ergab. Hierauf zog er nach Sorrent, wo man sich längere Zeit widersetzte. Als ihm jedoch Amalfi und Massa ihre Schlüssel übersandten, als er auch die Insel Capri durch eine nächtliche Landung überrumpeln ließ und seine Besatzung in den gleichnamigen Hauptort derselben legte, so glaubten auch die Sorrentiner nicht länger Trotz bieten zu können. Diese Städte wurden aber in des Königs Namen vereidet, ein Umstand, der der Königin und ihrem Sergianni aufs höchste mißfiel und der zuerst eine Spannung zwischen Mutter und Sohn hervorbrachte.

Beide begaben sich bald darauf nach Gaeta, sei es, daß sie der Pest so weit als möglich entfliehen wollten, sei es, daß Castellamare zwei Hofhaltungen nicht zu fassen vermochte. Da wir im Laufe dieser Geschichte noch mehrmals auf Gaeta zurückkommen werden, so ist es vielleicht nicht am unrechten Ort, von der Lage dieser Festung einen Begriff zu geben.

Zwischen dem Kap Fontania und dem Kap Mondragone erhebt sich ein Vorgebirg, dem sich ein seiner Länge nach gegen Süden gekehrter Bergrücken anschließt, so daß zwischen diesem und dem festen Land Italiens ein kleiner Golf entsteht, dessen Ufer zu den lieblichsten und fruchtbarsten Küstenstrichen der ganzen Halbinsel gehören. Hier gedeihen alle Südfrüchte, und zwischen Hainen von Granatbäumen, die in dieser Gegend vorzüglich häufig sind, erheben sich Trümmer des römischen Altertums. Unter ihnen die Villa Ciceros. in deren Nähe jener Römer ermordet wurde. Der vorerwähnte Bergrücken aber, den die jetzigen Festungswerke einfassen, ist ihretwegen kahl und durch die Natur schon von dem Rest des Vorgebirgs abgeschlossen; denn nur eine schmale Landzunge verbindet ihn mit demselben, und auch diese ist großenteils mit Sand bedeckt, da sie bei stürmischer Witterung zur Hälfte überspült wird. Auf der höchsten Spitze des Bergs steht das kolossale Grabmal des Munatius Plancus, vom Volke der Turm des Orlando genannt, welcher heutzutage als Telegraph benutzt wird. Ueber den Munatius Plancus sehe man die bekannte Ode im Horaz: »Laudabunt alii etc.«(I, 7.) Wohl ist dieser Punkt wert, einen Augenblick dabei zu verweilen; denn die Aussichten, die sich hier vom Vorgebirg der Circe bis zum Vesuv hin darbieten, mögen in der Welt nicht leicht ihresgleichen finden; sei es, daß man die offene, mit Inseln reich geschmückte See, sei es, daß man den lachenden Golf mit seinen Orangengärten und die herrlichen Gebirgsküsten Italiens, wo Hügel über Hügel sich auftürmen, betrachtet. Dieser Berg nun läuft gegen Süden in einen weit niedrigern, aber schroffen Felsen aus, und auf diesem Felsen ist das eigentliche Gaeta erbaut. Südwärts und westwärts fällt er steil ins Meer ab, so daß hier an keine Landung zu denken ist; nach der Seite des Golfs aber senkt er sich allmählich und bildet eine Fläche, die den untern Teil der Stadt enthält und durch Mauern geschützt ist, um welche ein Molo herumläuft. Aus dieser Lage geht hervor, daß Gaeta von der Landseite fast unbezwinglich ist und durch eine kleine Anzahl Truppen geschützt werden kann, von der Seeseite aber nicht allzulange haltbar, sobald einmal den feindlichen Schiffen der Eingang in den Golf offen steht.

Dieser schöne Landstrich war es, den das fürstliche Paar besuchte. Alfons jedoch bewohnte einen Palast an der Küste, jenseits der Landzunge, Johanna befand sich in der Stadt. Hieher kam Sforza von Benevent, um beiden seinen Hof zu machen; doch schien es, daß er von der Königin günstiger als vom König empfangen wurde, wiewohl er während eines mehrwöchentlichen Aufenthalts die katalanischen Großen häufig bei sich bewirtete. Mit ihm erschienen noch andere, ehedem provençalisch gesinnte Barone.

Als nun der spanische Kardinal Fonseca nach Gaeta kommen sollte, um dem König die päpstliche Bestätigung der Adoption zu überbringen, Zurita meint, daß diese Bestätigung wegen des plötzlichen Todes des Kardinals dem Könige nie übergeben worden. Wahrscheinlicher ist, daß sie der Papst niemals ausgestellt, wiewohl es auch Fazio behauptet. fuhr ihm Alfons auf einer Galeere entgegen, und Sforza stieg mit ihm zu Schiff. Die Biographen des letzteren erzählen uns einstimmig, daß der König bei dieser Gelegenheit einen Mordanschlag gegen Sforza gebrütet habe. Strick und Sack seien schon bereit gewesen, um ihn zu fahen und zu ersäufen. Bloß das schnellere Eintreffen des Kardinals habe diesen Plan zerstört, und die Sforzesken sollen ihren Führer, den sie für verloren hielten, mit großem Jubel empfangen haben. Letzteres mag gegründet sein; im übrigen ist es schwer, jemanden eines Verbrechens zu zeihen, das nicht wirklich begangen worden, und Alfonsens Charakter widerspricht einer solchen Beschuldigung ganz und gar. Auf der andern Seite aber mochte dem politischen Scharfblicke des Königs nicht entgehen, daß Sforza der einzige sei, der ihm den ruhigen Besitz des Reichs streitig zu machen, der einzige, der dem Argwohn der Königin einen hilfreichen und mächtigen Arm zu leihen imstande sei. Oeffentlich ward festgesetzt, daß beide den Sforza in ihren Sold nehmen sollten, daß dieser jedoch, wo es keine gemeinschaftliche Unternehmung gelte, demjenigen, der ihn zuerst beriefe, gehorchen sollte. Cribellus. Heimlich aber ermunterte Johanna, oder vielmehr Sergianni, der die Seele dieser Ränke war, den Sforza, die provençalische Partei nicht allzusehr schwächen zu wollen, damit sich die Königin derselben im Fall der Not gegen Alfons bedienen könne.

Als im September die Pest in Neapel nachgelassen, begab sich Johanna nach der Insel Procida und von dort in das nahe Pozzuoli. Alfons, um keinem Verdachte Raum zu geben, folgte ihr dorthin zu Lande und nahm unterwegs Capua in Augenschein, das er noch nicht kannte. Aber die Königin hielt diese rasche Einholung für Verfolgung und ward um so mehr in dem Argwohn bestärkt, daß sie Alfons, wie Sergianni behauptete, nach Katalonien senden wolle, um unbeschränkter Herr von Neapel zu sein. Als dieser daher nach Aversa ging, eilte sie schnell nach Neapel und schlug ihren Sitz im Castel Capuano auf, da sie fürchtete, im Castel nuovo als Gefangene behandelt zu werden. Es ist schon erwähnt worden, daß Castel nuovo und Castel dell Ovo den Katalanen übergeben worden waren.

Fünftes Kapitel.

Wiewohl der König fortfuhr, seine Mutter zu besuchen, so war doch die Entfremdung beider selbst bei dem Volk schon offenkundig geworden, und wo sich die katalanischen Barone blicken ließen, wurde ihnen »Durazzo! Durazzo!« oder: »Es lebe die Königin Johanna!« entgegengerufen. Collenuccio. Sergianni Caracciolo, der sich häufig ins Castel nuovo, um dem Staatsrate beizuwohnen, begeben und gar wohl die nicht unverdiente Abneigung Alfonsens gegen seine Person bemerken mußte, bat sich von diesem einen Schutzbrief, versehn mit dem königlichen Insiegel, aus, der ihm bewilligt wurde.

Aber im April 1423 veranstaltete der König nach seiner festlustigen Weise einen öffentlichen Aufzug, bei welchem ein Elefant, der einen Turm trug, vorgestellt wurde. In dem Turme befanden sich viele katalanische Ritter, die als Engel gekleidet sangen und die Laute schlugen. Da erfuhr er, daß Sergianni einen andern Aufzug von neapolitanischen Baronen, als Teufel vermummt, verabredet hatte, sei es, bloß mit dem Könige zu wetteifern, sei es, eine öffentliche Feindseligkeit anzuspinnen. Giornali del Duca. Cronika di Napoli. Dieser letztere Zug unterblieb zwar durch den Tod eines der Teilnehmer, mit dem alle übrigen verwandt waren; doch Alfons wurde dadurch noch mißtrauischer, und als ihm sein Gesandter in Rom, Francisco de Ariño, schrieb, daß eine Verschwörung gegen ihn angezettelt sei, an deren Spitze Sergianni stehe, so ließ er diesen trotz des Geleitbriefes im Castel nuovo verhaften. Hierauf begab er sich unmittelbar zu Pferde nach dem Castel Capuano, um der Königin diesen Gewaltstreich anzuzeigen, oder vielleicht, wie auch ein aragonischer Geschichtschreiber nicht in Abrede stellt, um sie selbst in seine Gewalt zu bekommen. Denn er glaubte dadurch den furchtbaren Parteikämpfen, von denen das unglückliche Königreich zerrissen war, auf immer ein Ende zu machen. Sein Vorhaben mißlang. Ein Knabe, der im Dienst eines Florentiners stand, wußte sich unbemerkt durch die Pferde Platz zu machen und eilte, die Königin zu benachrichtigen. Diese ließ sogleich dasjenige Thor schließen, das nach der Stadt führte, auf welchem gegenwärtig der kaiserliche Adler zu sehen ist; Alfons jedoch ritt auf das außerhalb der Stadt befindliche Thor zu (denn Castel Capuano lag damals zur Hälfte außer-, zur Hälfte innerhalb der Mauern), um sich dessen zu bemächtigen. Schon hatte das Pferd die Zugbrücke betreten, als diesem einer der Obenstehenden einen Mörser an den Kopf schleuderte, wodurch es zurückwich. Cronica di Napoli. Andere sagen, der Kastellan Sanuto da Capua, ein starker und handfester Mann, habe es beim Zügel ergriffen und mit Gewalt jenseits der Brücke zurückgestoßen, die sogleich in die Höhe gezogen ward. Juan de Bardaxi, der mit dem Könige gekommen, gab diesem seinen Helm, um ihn gegen die Steinwürfe, die von oben herabflogen, zu schützen. Verschiedene katalanische Barone wurden verwundet, einer getötet. Der König, um des Volkes wegen die engen Straßen zu vermeiden, begab sich nach dem Mercato und später ins Castel nuovo.

Daß die provençalische Partei über diese Vorfälle erfreut war, läßt sich vermuten, doch auch viele von den Durazzischen wollten Alfonsen belagern. Die Klügern aber, um den Bürgerkrieg zu vermeiden, rieten zu einem Vergleich und begaben sich unbewaffnet zum Könige. Dieser war um so mehr zu einer gütlichen Ausgleichung geneigt, als er aus Spanien betrübende Nachrichten, die seine Gegenwart dort nötig machten, erhalten hatte. Diese Nachrichten mochten auch das Meiste zu seinem Entschluß beigetragen haben, sich Sergiannis zu bemächtigen, um sich keine Feinde im Rücken zu lassen.

Kastilien war nämlich wegen der zarten Jugend Johanns II. der Schauplatz beständiger Zwistigkeiten und Unruhen geworden. Alfonsens Brüder Don Juan und Don Enrique, die große Lehne in Kastilien besaßen, hatten sich beide dort eine Partei gebildet und haderten wechselseitig. Don Enrique hatte sich überdies ohne die Einwilligung des Königs mit dessen Schwester Donna Catalina vermählt und verlangte von demselben das Herzogtum Villena als Mitgift. Johann verweigert es, lockt den Don Enrique nach Madrid und nimmt ihn gefangen. Hierauf belagert er seine Schwester in Segura. Der Konnetabel von Kastilien aber, von Enriques Partei, entführt sie glücklich nach Valencia. Auch andere von Enriques Anhang suchen Schutz in Alfonsens Staaten, und dieser wird nun durch kastilische Gesandte in Neapel zur Auslieferung aufgefordert. Zurita.

Unterdessen suchte die Königin Johanna, die jedem Vergleich entgegen war, durch Zögerung Zeit zu gewinnen und hatte sogleich Boten an Sforza geschickt, der sich damals in einem Kloster bei Mirabello befand. Im Namen der Gevatterschaft (denn durch dieses kirchliche Band war sie mit Sforza verknüpft) beschwor sie ihn, ihr augenblicklich zu Hilfe zu eilen. Sforza, wiewohl er nur 600 schlechtbewaffnete und schlechtberittene Streiter aufzubringen vermochte, während der König gegen 4000 Mann besaß, eilte sogleich herbei. Unterweg trafen ihn die Abgesandten Alfonsens, die ihn ebenfalls zum Beistand aufforderten. Sforza versetzte, daß der Ruf der Königin zuerst zu ihm gedrungen sei, daß er übrigens nichts so sehr als eine Versöhnung zwischen Mutter und Sohn wünsche und auf der Stelle zurückkehren wolle, wenn Alfons verspräche, die Königin nicht zu beunruhigen und ihr zu erlauben, sich an irgend einen festen Platz des Königreichs zu begeben. Dies wollte ihm Alfons keineswegs bewilligen und versetzte, daß er ihn, sobald er mit den Waffen in der Hand komme, weder zum Richter noch zum Vermittler wolle.

Als Sforza der Stadt sich näherte, schickte er noch einmal Friedensunterhändler an den König, doch mit demselben Erfolg. Alfons hatte das Heer unter Bernaldo Centellas auf der Straße von Acerra, woher Sforza zog, in Schlachtordnung treten lassen, und so kam es bald zwischen Poggio Reale und dem Castel Capuano zu einem blutigen sechsstündigen Gefecht. Sforza machte die Seinigen auf die schönen Harnische und Pferde der Katalanen aufmerksam, mit denen sie ihrer eignen Armut ein Ende zu machen hoffen konnten. Er rief: »Alli ben vestiti, alli bene a cavallo«, Giornali del Duca. Dem Cicco Antonio, einem Neapolitaner, entriß er selbst die königliche Fahne, und als die Seinigen vor der Ueberzahl zu weichen begannen, bahnte er sich durch die umliegenden Gärten den Weg und stürzte plötzlich im Rücken des Feindes hervor, indem er eine Gartenmauer, die von Lehm war, durchbrechen ließ. Hierauf erfolgte eine gänzliche Flucht und Niederlage des königlichen Heers. Bedeutend war die Beute der Sforzesken. Achthundert Pferde fielen in ihre Hände, und hundertundzwanzig der vornehmsten sicilianischen und aragonischen Barone wurden gefangen. Der König mußte sich ins Castel nuovo flüchten, die Häuser der Katalanen wurden geplündert, und Johanna empfing den Sforza mit ehrenvollem Jubel als ihren Retter. Dieser, nachdem er bei der Königin bewirkt hatte, daß die Barone der französischen Partei nach Neapel zurücklehren durften, wandte sich gegen Aversa, um es zur Uebergabe zu zwingen.

Jene Schlacht war am 30. Mai 1423 gekämpft worden; noch vor Mitte Juni erschien eine katalanische Flotte vor Neapel. Einige behaupten, daß Alfons sie berufen habe, um seine Unternehmungen gegen Korsika fortzusetzen; andere, daß sie bestimmt gewesen sei, die Königin mit Gewalt nach Aragonien abzuführen. Wie dem auch sein mag, nichts konnte Alfonsen erwünschter kommen, als jene Flotte, die von dem Grafen von Cardona befehligt wurde. Die Landung konnte von der Königin nicht verhindert werden. Alfons ließ den Platz vor dem Castel nuovo, der damals außerhalb der Stadt lag, mit Wällen und Gräben befestigen, damit die Reiterei den Seinigen keinen Schaden zufügen konnte. Da jedoch die in diesem Lager eingeschlossenen Aragonesen von den Neapolitanern beständig geneckt wurden, so wagten sie einige glückliche Ausfälle, ja, einer Schar gelang es, sogar in die Stadt selbst einzudringen. Innerhalb der Porta Petruccia nämlich (die jetzt nicht mehr vorhanden ist) befand sich ein Haus, an dem sich ein Weinstock emporschlang, um die offenen Arkaden desselben, wie man es noch jetzt häufig sieht, zu beschatten. Dieser Weinstock wurzelte außerhalb der Stadtmauer, und desselben bedienten sich die Katalanen, um hinaufzuklimmen, worauf sie die Thorwache überwältigten. Zu gleicher Zeit drang der Infant Don Pedro, Alfonsens Bruder, von der Seeseite in die Stadt ein, wovon der gegen den Hafen gelegene Teil in Flammen aufging. In dieser Not sandte die Königin Boten an Sforza, der von Aversa herbeieilte. Aber da die Neapolitaner anfingen, sich leidend zu verhalten, und dem Kampf wie einem Schauspiele zusahen, so war Sforza mit seiner Reiterei nicht imstande, sich in den Straßen zu behaupten; denn die Katalanen hatten sich in den Häusern verschanzt und warfen Ziegel und Steine auf den Feind, der, ohne sich widersetzen zu können, vertrieben wurde. Da begab sich Sforza ins Castel Capuano und entführte die Königin mit ihren Kostbarkeiten nach Nola. Ein großer Teil der Bevölkerung Neapels, über 5000 Männer und Weiber, folgten ihr weinend und wehklagend nach. Weithin leuchteten die Flammen. Collenucolo. Summonte, Stora di Napoli.

Indessen hatte Juanotto Pertusa, ein Katalonier, der in Aversa befehligte, dem Sforza zu wissen gethan, daß er ihm die Stadt übergeben wolle, mit der seltsamen Bedingung, daß sie Sforza plündern und zerstören solle. Man glaubt, daß Pertusa dadurch an den Aversanern, die ihn beleidigt hatten, Rache nehmen wollte. Sforza nahm die Stadt, erfüllte jedoch die Bedingung keineswegs, wofür die Aversaner ihn mit Dank überhäuften. Johanna begab sich nun der Sicherheit wegen nach Aversa. Das Castel Capuano jedoch war von Sforza einem Faentiner, Namens Graziano, zur Verteidigung übergeben worden; dieser, wahrscheinlich bestochen, überlieferte es dein Könige unter der Bedingung eines freien Abzugs. Er wurde dafür von Sforza, wie einige behaupten, mit eigner Hand aufgeknüpft. Giornali del Duca.

Johanna hegte nun keinen sehnlichern Wunsch, als die Auslieferung Sergiannis. Auch hiezu bot Sforza, wiewohl zu gunsten seines Todfeinds, bereitwillig die Hand. Denn als der König, der die Schwachheit der Königin kannte, zwölf, nach anderen zwanzig der vornehmsten katalanischen Barone für den Caracciol verlangte, gab sie Sforza heraus und erhielt von der Königin dafür die Städte Trani und Barletta, in deren eigentlichen Besitz er aber wegen seines frühzeitigen Todes nie gelangt ist. Nach seinem Tode wußten auch die übrigen Gefangenen aus Benevent zu entfliehen.

Sechstes Kapitel.

In diesen Tagen erschien vor Alfons Michael Cossa, ein Ischiot, der Sergiannis Feind war, und lud den König ein, Ischia zu erobern, wozu er ihm behilflich sein wolle. Fazius. Die Insel selbst, von einem Vulkan gebildet, dessen verwitterte Laven mit Weinpflanzungen bedeckt sind, konnte wenig Schwierigkeiten darbieten. Wohl aber die Hauptstadt. Diese, wiewohl sie sich gegenwärtig weiter verbreitet, war damals auf den Fels beschränkt, der an der südöstlichen Spitze des Eilands aus dem Meer hervorragt und durch eine Brücke mit der Insel verbunden ist. Dieser Fels, wegen seiner Steilheit, ward für unersteiglich gehalten. Jedoch behauptete Cossa, daß man sich leicht der Brücke bemächtigen und, der Stadt alle Zufuhr abschneidend, dieselbe durch Hunger besiegen könne. Alfons schickte in der Nacht sogleich einige Fahrzeuge aus, die die Brücke besetzten und die Tiefe des Meers, die sie für größere Schiffe empfänglich fanden, ausmaßen. Er machte sich hierauf selbst mit einer kleinen Flotte auf den Weg und forderte die Ischioten zur Uebergabe auf, behauptend, daß er nicht der Feind der Königin Johanna, wohl aber ihrer schlechten Ratgeber sei. Die Stadt war jedoch in zwei Parteien geteilt, wovon die eine dem Cossa, die andere dem Christoph Manoccio gehorchte. Dieser letztere wußte die Uebergabe zu hintertreiben, und Alfons rüstete sich zum Kampf. Er ließ eines der größern Schiffe, so nahe es möglich war, an den Fels anlegen und bemühte sich, eine Brücke auf denselben werfen zu lassen. Da jedoch die See zu stürmisch war, so forderte er drei Jünglinge auf, den Fels schwimmend zu erklettern und die Brücke mit Seilen an Bäume und Gestrüpp zu befestigen. Zwei von ihnen wagten es, an Gesträuchen sich festhaltend, weiter emporzuklimmen, da sie der Steilheit des Abschusses wegen von den Feinden nicht gesehn werden konnten. Ihnen folgten nun viele aus dem Schiff und hielten die Schilde übers Haupt, um vor den Steinwürfen der herbeieilenden Ischioten gesichert zu sein. Alfons suchte nun die Feinde von dem bedrohten Orte abzulenken, indem er die am Fuß des Felsen auf der andern Seite gelegene Vorstadt angreifen ließ. Um die Seinigen zu ermuntern, stieg er selbst in einen Kahn und näherte sich den Schiffen. Aber der Kahn, zu voll von Menschen, schlug um, und der König war in Gefahr zu ertrinken; doch ward er glücklich von einigen Matrosen aus dem Wasser aufgefangen. Die Stadt, von zwei Seiten angegriffen, konnte ihrer geringen Bevölkerung wegen nicht widerstehen, und die Ischioten wurden gezwungen, die Waffen niederzulegen. Da Alfons die Gefangenen frei ließ und mit Milde behandelte, so ergab sich auch bald die feste Burg, und der König kehrte nach Neapel zurück. Fazius

Unterdessen hatten seine Feinde in Aversa bei der Königin alles angewandt, ihn zu verderben. Besonders war Sergianni erbittert und behauptete, daß man ihn während seiner Gefangenschaft durch Schlaflosigkeit zu töten gestrebt habe, indem sich Tag und Nacht Besuche bei ihm einfanden, die durch fortgesetztes Gespräch ihn wach zu erhalten versuchten Tristanus Caracciolus Johanna ward leicht dahin gebracht, die Adoption Alfonsens aus dem Beweggrund seines Undanks feierlich zu widerrufen; ja, es gelang, wiewohl nicht ohne große Schwierigkeit, sie zu bewegen, Ludwig III. zu ihrem Nachfolger zu erklären. Hiezu wirkte besonders auch der Papst, der zugleich den Herzog von Mailand in den Bund zu ziehen gewußt hatte. Letzterer, der, wie schon erwähnt worden, damals im Besitz von Genua war, versprach, eine Hilfsflotte nach Neapel zu senden. Alfons, über diese Nachrichten aufs höchste beunruhigt und durch die Umstände genötigt, nach Spanien zurückzukehren, ließ dringende Bitten an Braccio ergehn, sich sogleich mit den Seinigen nach Neapel zu begeben. Braccio hatte während dieser Zeit Citta di Castello erobert, sodann sich in Perugia, das er durch Bauwerke verschönte, aufgehalten und in Foligno sich zum Fürsten von Capua krönen lassen. Campanus Als des Königs Gesandte ankamen, befand er sich in Aquila, das ihm, wie schon gesagt, zuerkannt worden, das er jedoch mit Gewalt erobern mußte, da es der provençalischen Partei ergeben war. Auf keine Weise wollte er nun von dieser Belagerung ablassen; denn sein Ehrgeiz beredete ihn, das ganze Königreich in seiner Gewalt zu haben, sobald er Capua und Aquila besäße. Doch sandte er dem Könige den Jakob Caldora nebst andern Feldhauptleuten zu Hilfe.

Unterdessen war Ludwig III. bereits in Aversa angekommen und von der Königin freundlich empfangen worden. Festgesetzt wurde, daß er den Königstitel beibehalten solle, um desto würdiger einem Könige entgegenzutreten; sonst aber solle er bloß das Herzogtum Kalabrien besitzen. Sforza zog nun mit seinem Schützlinge nach Neapel; Alfons schickte ihnen den Caldora mit einer Anzahl Truppen entgegen. Bei der Magdalenenbrücke, wo der Sebeto ins Meer fließt, kam es zur Schlacht; Sforza warf die Aragonesen zurück und pflanzte seine Zeichen vor den Thoren der Stadt auf. Alfons, der zu Wasser auf einer Galeere dem Kampfe zusah, ward von Sforzas Tapferkeit zur Bewunderung hingerissen und befahl den Seinigen, ihn zu schonen. Costanzo

Endlich, Mitte Oktobers 1428, schiffte sich Alfons nach Katalonien ein, da er fürchten mußte, daß die Kastilianer seine Erbstaaten mit Krieg überzögen. In Neapel ließ er als seinen Statthalter den Infanten Don Pedro zurück. Die See war ihm lange Zeit ungünstig. Er mußte sich zuerst in den Hafen von Gaeta flüchten und ward später noch einmal dahin zurückverschlagen. Endlich sammelte er die Flotte bei Ponza und beschied sie nach der Inselgruppe, die Marseille gegenüber liegt. Denn diesen Ort, als die Hauptstadt seines Feindes, gedachte er zu erobern. Ein Teil der Schiffe fand sich wirklich ein, und Alfons bemächtigte sich Marseilles durch einen nächtlichen Sturm. Drei Tage wurde geplündert. Ein großer Teil der Stadt verbrannte, weniger durch die Schuld der Katalanen als durch den mehrmals nach allen Seiten sich drehenden Wind. Die von Aix kamen den Marseillern zu Hilfe; allein da sie gleiche Feldzeichen mit den Katalanen hatten, vermehrten sie nur die Verwirrung. Bouche, Histoire de Provençe Die Frauen hatten sich in die Kirchen geflüchtet, und Alfons sorgte dafür, daß sie nicht beleidigt wurden. Sie wollten ihm hierauf ihren Schmuck zum Geschenk reichen lassen, den er zurückwies. Doch nahm er den Körper des heiligen Ludwigs, Bischofs von Toulouse, mit sich, der später in Valencia verehrt wurde. Besatzung ließ er nicht in Marseille, da er seiner Mannschaft in Spanien benötigt war. Noch mannigfach von den Winden umhergeworfen, landete er zuletzt in Barcelona.

Siebentes Kapitel.

Unmittelbar nach Alfonsens Abreise ward Sforza von der Königin nach den Abruzzen geschickt, um Aquila, von Braccio belagert, zu entsetzen. Mit häufigen Botschaften hatten die Aquilaner um Hilfe gefleht. Sforza, nachdem er seinen Sohn Francesco und eine andere Schar, die sich in Apulien befand, an sich gezogen, drang in die Abruzzen vor und nahm mehrere kleine Städte, die in Braccios Gewalt waren. Die Weihnachten feierte er in Ortona. Als sich nach vollendetem Hochamt die Hauptleute um ihn versammelten, erzählte er ihnen seinen Traum in der verwichenen Nacht. Er habe sich mitten in einem See befunden, den heiligen Christoph aber von fern gesehen und um Beistand angerufen. Jener habe sich aber von ihm abgewandt. Cribellus. Jovius. Simoneta Vita Francisci Sfortii. Francesco und die übrigen baten ihn, seinen Aufbruch zu verschieben; denn er wollte am andern Morgen bei Pescara über den Sangro gehen. Sforza jedoch versetzte, daß niemals Eile so nötig gewesen sei als eben jetzt.

Die Besorgnisse der Freunde vermehrten sich, als beim Auszuge aus der Stadt der Fahnenträger mit dem Pferde stürzte und die Standarte zerbrach. Man gelangte an den Fluß. Der Feind stand auf der andern Seite der Furt und hatte dort Pfähle eingerammelt und Bogenschützen aufgestellt. Da versuchte Francesco mit seiner Schar den Uebergang an der Mündung des Stroms ins Meer, das hier lagunenartig und sumpfig ist. Er kam glücklich ans andere Ufer und jagte den Feind nach Pescara zurück. Mit begeisterter Freude gewahrte Sforza von fern die Tapferkeit seines Sohns und forderte nun die Seinigen ebenfalls zum Uebergang auf. Aber diese zauderten, da sich eben ein heftiger Ostwind erhob und die Wellen des Meers den Fluß anschwellten und zurücktrieben. Um den Untergebenen Mut einzuflößen, ritt Sforza mit einem Knaben, der ihm den Helm trug, voran; niemand folgte. Als sie sich in der Mitte des Wassers befanden, begann der Knabe zu sinken. Sforza griff nach ihm und wollte ihn bei den Haaren emporziehn. Da wichen dem Pferde auf dem schlammigen Boden die Hinterbeine, und Sforza glitt vom Sattel. Schwer geharnischt, wie er war, vermochte er nicht zu schwimmen. Zweimal wurden seine eisernen Handschuhe über dem Wasser gesehn; dann verschwand er. Vergebens ward späterhin sein Leichnam gesucht, den der Fluß ins Meer schwemmte. Cribellus. Jovius. Flavius Blondus Historia. Merkwürdig ist, daß Sforzan in seiner Jugend einmal ein ähnliches Wagestück glücklich gelungen war. Bei der Belagerung von Pisa setzte er an der Mündung des Arno über diesen von Regengüssen mächtig angeschwollenen Fluß.

So starb Sforza am 3. Jänner 1424 im fünfundfünfzigsten Jahr seines Alters, nachdem er so vielen Schlachten getrotzt, so vielen Nachstellungen entgangen war. An Geist mochten ihm vielleicht andere Feldherrn seiner Zeit überlegen sein, an Tapferkeit kam ihm keiner gleich. Gegen Feinde war er großmütig, gegen Verräter unerbittlich, in der Mannszucht streng, zum Schutz des Landvolks stets bereitwillig, von Habsucht so weit entfernt, daß er die Truppen häufig mit den Einkünften seiner Schlösser bezahlte. Bei wichtigen Unternehmungen pflegte er alle seine Hauptleute um Rat zu fragen; doch um nicht ihren Dünkel zu nähren, fing er von gleichgültigen Dingen zu sprechen an und gelangte wie von ungefähr auf den Gegenstand, den er beraten wollte. Jovius. In Religionsübungen war er pünktlich und unterschied sich hierin von Braccio, dem die Zeitgenossen vorwarfen, daß er nie in die Messe ginge. Seine Verwandten behandelte er mit Zärtlichkeit, und als zwei seiner Brüder an der Pest krank lagen und von allen verlassen waren, hielt er bis zum letzten Atemzuge bei ihnen aus und ließ ihnen nach ihrem Tode eine Kapelle bauen. Er haßte die Schalksnarren und das Spiel. In müßigen Stunden beschäftigte er sich mit Leibesübungen, schleuderte große Steine und Wurfspieße, oder übte sich im Springen und Laufen. Des Abends oder bei Regenwetter las er. Da er kein Latein verstand, so begnügte er sich mit den Abenteuern der Paladine. Doch war er besonders wißbegierig nach Geschichten und suchte sich die Alten in Übersetzungen zu verschaffen. Einem gewissen Porcello, der ihm den Cäsar und Sallust übersetzen mußte, schenkte er ein Haus und einen Garten. Schreiben konnte er nicht und bediente sich zu diesem Geschäft der Mönche, die er auch als Spione verwendete, wozu er sie vor allen andern wegen ihrer Schlauheit und Straflosigkeit für tauglich hielt. Jovius.

Was die äußere Gestalt betrifft, so war Sforza von ungewöhnlicher Größe, breitschultrig, von starkem Muskelbau, um die Mitte des Leibs aber so schlank, daß man ihn fast mit den Händen umspannen konnte. Dabei von dunkler Gesichtsfarbe, die Augen blau, tiefliegend, mit buschigen Brauen, die Nase gebogen. In der Kleidung einfach, liebte er jedoch die Blankheit der Waffen und Harnische. Er war im Essen und Trinken mäßig, bei Feldzügen aber und besonders in der Schlacht oft einem plötzlichen Durst unterworfen, so daß er beständig einen Knaben an der Seite hatte, der ihm Wein oder Wasser nachtrug und ihn auch in der größten Hitze des Gefechts nicht verlassen durfte. Oefters äußerte er, nicht durchs Eisen, wohl aber durch Wassermangel fürchte er zu sterben. Jovius.

Als Braccio die Nachricht vom Tode seines Gegners erfuhr, wollte er derselben lange keinen Glauben schenken. Er empfing die Botschaft schwermütig, mit finstrer Stirn; sei es, daß er sich der Jugendfreundschaft erinnerte, sei es, daß er seines eignen Schicksals gedenk war. Denn die Astrologen hatten ihm vorhergesagt, daß Sforza eines plötzlichen Todes sterben, er selbst aber ihm in kurzer Zeit nachfolgen werde. Jovius.

Achtes Kapitel.

Mit tiefem Schmerz, doch mit voller Besonnenheit des Geistes ertrug Francesco das Ende seines Vaters. Da seine Gegenwart am andern Ufer nötiger schien, wo der größte Teil des Heeres sich befand, so ruderte er sich allein in einem kleinen Nachen hinüber und ermunterte in einer Rede, zusammenzuhalten und ihn nicht zu verlassen. Hierauf ließ er eine Besatzung in Ortona zurück und begab sich nach Benevent, um des väterlichen Besitztums nicht verlustig zu gehen, und von dort nach Aversa zur Königin. Diese bestätigte ihn in seines Vaters Rechten und verordnete, daß er und seine Brüder den Namen Sforza dem ihrigen beifügen sollten, dem Verstorbenen und ihnen selbst zu Ehren. Simoneta. Cribellus Hierauf gedachte sie ihn vorerst zur Eroberung Neapels zu verwenden, welche Stadt fast allein noch in den Händen der Feinde war.

Denn es hatte unterdessen der Visconte, unter den Befehlen des Guido Torello, eine Flotte von 12 größern Schiffen und 22 Galeeren gesandt, von denen einige durch Ludwig III. ausgerüstet wurden. Die Flotte erschien zuerst vor Gaeta, wo Alfons den Antonio de Luna zurückgelassen. Da dieser die Einwohner wenig geneigt sah, eine doppelte Belagerung auszuhalten (denn Guido Torello hatte auch eine bedeutende Anzahl Truppen mit sich geführt), und da vom Könige zuvörderst durchaus keine Hilfe zu hoffen war, so übergab er die Stadt unter Bedingung eines freien Abzugs. Torello fuhr sodann gegen Neapel. Er bemächtigte sich der Insel Procida, und die Bürger von Castellamare kamen ihm freiwillig entgegen, nachdem sie den katalanischen Statthalter ermordet hatten. Ebenso die übrigen Ortschaften auf der Nordseite des Golfs. Er belagerte hierauf die Hauptstadt zur See und schiffte einen Teil seiner Truppen am Carmine aus, zu denen sich Francesco Sforza gesellte. Der Infant, auf diese Weise bedrängt und wenig Vertrauen auf die Neapolitaner setzend, von denen sich täglich viele ins Lager der Feinde begaben, um mit ihnen zu turnieren oder Brüderschaft zu trinken, beschloß, die Stadt eher verbrennen zu lassen, als zu übergeben. Diesem Vorhaben widersetzte sich jedoch aufs eifrigste Jakob Caldora. Weder der Infant, sagte er, noch dessen Vorfahren hätten jemals eine so schöne Stadt wie Neapel erbaut, und der König hätte sie ihm anvertraut, um sie zu behüten, und nicht, um sie anzuzünden. Cronica di Napoli. Giornali del Duca.

Die Mißverständnisse zwischen den Spaniern und den italienischen Feldhauptleuten wuchsen überhaupt mit jedem Tage, da überdies Don Pedro dem Caldora den verlangten Sold nicht auszubezahlen imstande war. Als daher ein Waffengefährte des letzteren von den Feinden gefangen ward und diese ihn mit heimlichen Aufträgen an Caldora zurücksandten, so horchte dieser einem Vorschlag zur Ausgleichung um so lieber, als er, da Sforza tot war, hoffen konnte, die erste Stelle im Heer der Königin zu bekleiden. Da nun der Herzog von Mailand sich anheischig machte, ihm den rückständigen Truppensold zu bezahlen, so versprach er die Uebergabe Neapels, dessen Schlüssel er in seiner Gewalt hatte. Als daher Guido und Francesco scheinbar die Mauern bestürmten, machte Caldora einen Ausfall und ließ sich von den Feinden bis in die Mitte der Stadt verfolgen, die somit von dem Heer der Königin erobert wurde. In den Sold der letztern trat nun auch Caldora. Castel Capuano ward eingenommen, und der Infant behielt bloß die beiden Kastelle an der Seeküste. Hierauf kehrte Guido Torello mit seiner Flotte nach Genua zurück.

Vor allem lag nun der Königin die Befreiung Aquilas am Herzen. Nur höchstens vierzehn Tage, erklärten die Gesandten, könne die Stadt sich halten, wegen des gänzlichen Mangels an Lebensmitteln. Auch der Papst, dem Braccio hatte drohen lassen, er wolle ihn zwingen, hundert Messen für einen Pfennig zu lesen, wünschte die Vertilgung seines Todfeindes. Ebenso der Herzog von Mailand; denn die Florentiner, mit denen er in Krieg verwickelt war, wollten den Braccio nach der Einnahme von Aquila in ihren Sold nehmen und hatten ihm zu diesem Zwecke bereits eine bedeutende Geldsumme zugesandt. So wurde nun bald ein Heer gerüstet und im Juni 1424 gegen Aquila geschickt. Das Schicksal Italiens sollte von einer Schlacht abhangen. Dem Jakob Caldora ward der Oberbefehl übertragen; ihm folgten die Sforzesken unter Francesco, und Ludwig Colonna führte die päpstlichen Truppen an. Tausend Maultiere mit Lebensmitteln zogen vor ihnen her. Man besitzt ein eignes lateinisches Gedicht über die Schlacht von Aquila, aus welchem jedoch, außer der Langenweile, wenig zu erbeuten ist. Die meiste Auskunft über diesen Feldzug geben Simoneta und Campanus.

Aquila liegt auf Hügeln, die ein anmutiges, mit Wein und Korn gesegnetes Thal umgibt. Der Aterno durchströmt dasselbe, ein mäßiger Fluß; gegenwärtig kahle, damals aber waldige Berge schließen es ein. Als die Verbündeten den letzten Gebirgszug überschritten, der sie noch von der Ebene trennte, erschraken sie über die Schwierigkeit ihrer Lage. Nur schmale und schroffe Pfade führten hinunter, nur zwei Mann hoch konnten sie sich reihen, die Rosse am Zügel führend. Zwei Millien standen sie von dem feindlichen Heere entfernt, vier von der Stadt. Vor den Thoren derselben hatte Braccio den Niccolo Piccinino mit den Seinen sich aufstellen lassen, um die Aquilaner von einem Ausfalle abzuhalten. Geratener schien es daher dem Caldora, eine Schlacht mit Braccio zu vermeiden, doch alles zu versuchen, um die Stadt mit Lebensmitteln versorgen zu können. Dieser Plan, den Braccio voraussah, widersprach seiner Ungeduld. Mit einem Schlage wünschte er dem ganzen Kriege ein Ende zu machen, mit einem Schlage den Papst, die Königin und die lange belagerte Stadt zu überwältigen. Die Feinde verachtete er. Dem Caldora, der unter ihm gedient hatte, wußte er sich überlegen; Francesco galt als Knabe. Er schickte deshalb einen Herold an die Verbündeten und verpflichtete sich mit einem Schwur, sie nicht eher angreifen zu wollen, als bis sie ins Thal herabgestiegen seien. Diese Bedingungen schienen annehmbar. Ludwig Colonna begann den Zug mit den Päpstlichen; ihm folgte Francesco. Dieser wie seine Truppen waren in Trauer gekleidet wegen Sforzas Tod. Zuletzt kam Caldora mit den übrigen Anführern. Vergebens ward Braccio von den Seinigen beschworen, die einzeln Herabsteigenden zu überfallen, um so mehr, da seine Reiterei kaum ein Drittel so zahlreich war als die feindliche. Nicht eine einzelne Schar, versetzte er, alle wolle er ins Netz locken, und alle Pferde, die er den Felsenweg sich herabwinden sehe, sollten bald an seiner eignen Krippe fressen. Simoneta.

Francesco Sforza unterdes befeuerte die Seinigen in einer Anrede, da ihm eine natürliche Beredsamkeit eigen war. Sie sollten ihrer frühern Thaten gedenken und einsehn, daß ihnen keine Wahl als Sieg oder Tod gelassen war. Denn auf der einen Seite hemme sie das Gebirg, auf der andern der Fluß, durch welchen Braccio einen Teil der Felder hatte überschwemmen lassen.

Als nun ein großer Teil der Verbündeten das Thal erreicht hatte, begann der Kampf. Erst stritt man mit Lanzenwürfen, dann ward zum Schwert gegriffen. Im Anfange des Gefechts ward Francescos Bruder Leone (nach dem Wappen so benannt, das Kaiser Ruprecht seinem Vater gegeben) aus dem Sattel gehoben und gefangen. Dies entmutigte die Sforzesken. Lang schwankte die Schlacht; endlich schien sie sich auf Braccios Seite günstig zu neigen. Da verließ Niccolo Piccinino seinen Posten vor den Thoren von Aquila; sei es, daß er dem Kampfe den Ausschlag geben wollte, sei es, daß er ihn für beendigt hielt und nach Beute lüstern war. Augenblicklich stürzten die Aquilaner hervor, die sich längst bewaffnet hatten. Nicht Männer bloß, auch die Frauen kamen in Harnische gekleidet, und die Braccesken sahen sich unvermutet von beiden Seiten angegriffen. Nun fassen auch die Verbündeten neuen Mut; die päpstlichen Scharen, die bereits zerstreut schienen, sammeln sich aufs neue und dringen dem Feind entgegen. Ueberall sieht man den schwarzen Federbusch Francescos, der den Seinigen zum Sammelpunkte dient. Simoneta. Vergebens erhebt Braccio seine Stimme, sie verhallt im Getöse; vergebens winkt er mit dem Schwert, der Staub verhüllt es. Ein Sforzeske, Pellino aus Cotignola, erbeutet die feindlichen Feldzeichen. Leone wird wieder befreit, Braccio zieht sich zurück, um Zuflucht in einem nahen Kastell zu finden. Um nicht erkannt zu werden, nimmt er den Helm ab, der mit einem silbernen Kranze geziert war. Aber Francesco hat ihn während des Treffens nie aus dem Blick verloren; er verfolgt ihn mit seiner Schar, und der vorderste, ein gewisser Armaleo Brancaleone aus Foligno, ruft ihm zu, sich seinem Herrn zu ergeben. Dieser Name, der sonst nirgend erwähnt wird, findet sich in: Frammonto d'una storia die Foligno in der Sammlung Tartinis. Die Aquilaner, wie ich in Aquila erfuhr, nennen einen ihrer Landsleute als Braccios Ueberwinder. Aber Braccio antwortet nichts, und Armaleo verwundet ihn am Genick, so daß jener vom Pferde sinkt. Nun ward er auf einem Schilde in Sforzas Zelt getragen. Dieser beschied sogleich die Wundärzte und sprach dem Gefangenen auf das freundlichste zu. Aber Braccio äußerte keinen Laut, sei es, daß ihn die Wunde daran verhinderte, oder der Seele Stolz. Sprachlos, Trank und Speise zurückweisend, starb er am dritten Tage. Er war sechsundfünfzig Jahre alt; seine Mutter überlebte ihn.

Braccio war aus einem der ältesten und vornehmsten Geschlechter Perugias entsprossen; auch hielt er, so lange er lebte, beständig die Partei des Adels aufrecht. Nach manchem Kampf ward er Herr seiner Vaterstadt. Doch wiewohl man die damaligen kleinen Fürsten Italiens Tyrannen zu schelten pflegt, und wiewohl der Vertrag, den die Peruginer und Braccio abschlossen, mit den Worten beginnt: »Das peruginische Volk übergibt dem Braccio die Stadt, das Feld, die Straßen, die Kirchen, die Brunnen und sich selbst,« so würde man doch sehr unrecht haben, sich einen Tyrannen nach unsern ukasischen Begriffen darunter vorzustellen. Das damalige Volk behielt sich immer bedeutende Rechte vor, und am Schlusse desselben Vertrags heißt es: »Neue Steuern, wider den Willen des Volks, darf Braccio nicht ausschreiben. Gewaffnete Scharen darf er, ohne Befehl des Volks, in der Stadt nicht halten. Die Decemvirn darf er nicht verachten. Der Altvordern Gesetze muß er aufrecht halten. Die Einrichtungen des Staats, wenn das Volk sie nicht abschafft, darf er nicht verletzen.« »Novas exactiones invito Populo ne cogito. Delectus in urbe, nisi Populus jusserit, ne habeto. Decemviros ne contemnito. Majorum decreta servato. Civitatis instituta, nisi quea Populus abrogasset, ne violato.« Campanus.

Von seinen Zeitgenossen ward ihm, außer einem unbegrenzten Ehrgeiz, zu große Nachsicht gegen seine Truppen, Grausamkeit und Haß gegen die Geistlichkeit vorgeworfen. Er habe weder an Gott noch an die Heiligen geglaubt und sich gerühmt, daß er dreißig Jahre lang in keine Kirche gekommen. Einmal habe er sogar sechs Franziskanermönche, die auf einem Kirchturme in sol fa sangen, herabwerfen lassen, so daß sie sämtlich den Geist aufgaben. Giornali del Duca. Corio. Cronica di Napoli. So viel ist gewiß, daß Braccios Leiche dem Ludwig Colonna übergeben wurde, um dem Papst ein Geschenk damit zu machen. Feuerwerke und Tänze wurden in Rom über diesen Todesfall angeordnet, und im feierlichen Zuge zu Pferd begleiteten die Römer mit Fackeln in den Händen den Bruder des Papstes durch die Stadt. Infessura, Diarium Romanum. Martin ließ den im Banne Gestorbenen außerhalb des Weichbilds, unweit der Basilika S. Lorenzo beerdigen und eine Säule auf das Grab setzen. Später aber, als Braccios Neffe Rom eroberte, grub er den Leichnam wieder aus und ließ ihm ein prächtiges Denkmal in Perugia aufrichten.

Kurze Zeit nach Ludwig Colonna kam auch Francesco Sforza nach Rom, um den päpstlichen Segen zu empfangen. Vorher hatte er noch samt Caldora das Kastell Paganica bei Aquila belagert, in welches sich Niccolo Piccinino geflüchtet hatte und wo Braccio die von den Florentinern empfangenen Gelder aufbewahrte. Ein Vergleich ward geschlossen, Niccolo sollte frei abziehn und die Hälfte der Geldsumme behalten. Aber Caldora wollte ihm einen Hinterhalt legen, um ihn seines Anteils zu berauben. Dies verhinderte jedoch Francesco, indem er dem Niccolo eine Bedeckung von Sforzesken mitgab. Eine edle Erkenntlichkeit für den einst seinem Vater von Piccinino geleisteten Dienst. Siehe das fünfte Kapitel des ersten Buchs. Francesco ward nun vom Papste gegen den Tyrannen von Foligno, Braccios Freund, verwendet.

In demselben Jahre hatte Martin noch ein anderes Freudenfest ähnlicher Art zu feiern. Benedikt XIII. starb in Spanien in einem Alter von beinahe neunzig Jahren. Aber Alfons, dem es mehr als je darum zu thun war, dem heiligen Vater ein Gegengewicht zu halten, ließ von den beiden übrigen Kardinälen einen neuen Papst wählen, der sich Clemens VIII. nannte.

Neuntes Kapitel.

Sobald Alfons von der Einnahme Neapels Nachricht erhielt, sandte er einen Teil seiner Flotte von Barcelona aus dahin, unter der Anführung des Don Fadrique de Luna, eines natürlichen Sohns König Martins von Sicilien. Früher hatte schon ein aus Sicilien kommendes Proviantschiff Mittel gefunden, ins Castel nuovo einzudringen und dasselbe mit Lebensmitteln zu versehn. Das Unternehmen der Flotte jedoch mißlang. Johanna hatte sogleich die vornehmsten Barone mit ihren Heerhaufen in der Hauptstadt versammelt; man trieb die Schiffe, die sich des kleinern Molo bemächtigen wollten, von allen Seiten zurück, und diese mußten sich begnügen, den Infanten aus dem Kastell zu befreien, in welchem ein Katalonier, Namens Dalmeo Cacirera, als Kastellan zurückgelassen ward. Zurita.

Der Infant hatte sich unterdessen eine andere Kriegsthat ausgedacht. Er war mit dem vertriebenen Dogen von Genua, Thomas Fregoso, in Verbindung getreten, und die Absicht war, diesen aufs neue in Genua einzusetzen und den Visconte der Herrschaft zu berauben. Wobei der Doge versprach, nach erlangter Gewalt auch dem Könige zur Wiedereroberung Neapels zu verhelfen. Don Pedro begab sich mit seiner Flotte nach Porto Pisano, wo sich einige florentinische Schiffe mit den seinigen vereinigten, da die Florentiner in einem langwierigen Kriege mit dem Visconte begriffen waren. Zugleich erschienen die Brüder des Dogen, Battista und Abraham. Zuerst versuchten sie, im Hafen von Genua sich zeigend, die Stadt aufzuwiegeln, indem sie den Ruf: »Es lebe das Volk und die Fregosen!« ertönen ließen. Doch selbst die fregosische Partei hielt sich ruhig, da man die Gemeinschaft mit den verhaßten Katalanen verabscheute. Hierauf wurden genuesische Küstenstädte von der Flotte verheert, Sestri und Rapallo, ersteres auf einer blühenden Landzunge gelegen, eingenommen. Die Genueser sandten fünfzehn Galeeren und einige größere Schiffe unter der Anführung des Antonio Doria. Mehrere Schlachten wurden gekämpft, doch ohne glücklichen Erfolg für Genua, wiewohl auf der andern Seite auch Giovanni Fregoso, der jüngste Bruder des ehemaligen Dogen, tödlich verwundet wurde. Endlich entschloß sich der Herzog von Mailand zum Frieden, da er zugleich in der Lombardie von den Venetianern, in deren Dienste Carmagnola übergetreten war, hart bedrängt wurde. Er wollte dem König von Aragon Calvi und Bonifazio abtreten; diesem widersetzte sich jedoch der genuesische Senat aufs entschiedenste, und der Visconte übergab nun den Katalanen Porto Venere und Lerici zum Pfand, zwei damals stark befestigte Orte, wovon der erstere auf einem Vorgebirge des Golfs von Spezzia, der andere in einer östlichen Bucht desselben, am Fuß des Gebirgs liegt. Der Infant fuhr hierauf mit seiner Flotte nach Sicilien. Zurita. Johannes Stella.

Das Königreich Neapel genoß während dieser Zeit und eine Reihe von Jahren hindurch der Ruhe, welche bloß durch die Ränke und das ehrgeizige Umsichgreifen Sergiannis und die Habgier des Papstes unterbrochen wurde. Martin V. glaubte seine Verwandten noch nicht hinlänglich begabt. Vor allem wünschte er Astura und Nettuno zu besitzen, welche dem Grafen von Nola, einem Orsino, zugehörten. Der Graf trat sie ab; die Königin mußte ihm jedoch Sarno und Palma dafür versprechen, und die Familie Gianvilla ward gezwungen, sie abzutreten. Hierauf verlangte der Papst für seinen Neffen Antonio, der bereits Salern besaß, das benachbarte Eboli nebst andern umliegenden Kastellen. Sie gehörten dem Francesco Mormile, einem Hause entsprossen, dem Johanna ehemals ihre Befreiung zu danken hatte. Nichtsdestoweniger sandte sie ihre Truppen nach Eboli, und Francesco ward aus seinen Besitztümern verjagt. Antonio Colonna vermählte sich nun mit der Erbin von Cotrone und Catanzaro, wodurch ihm auch ein großer Teil von Kalabrien zufiel, und seine Schwester gab er dem Gian Antonio Orsino, Fürsten von Tarent, zur Gemahlin. Bonincontrius, Annales. Dieser, der älteste Sohn der Königin Maria, war der mächtigste Vasall des Reichs.

Im Jahr 1428 kamen Johanna und Ludwig III. von Aversa nach Neapel, und letzterer wünschte um so mehr seinen Wohnsitz in Neapel aufzuschlagen, als dies dem Willen der Barone gemäß war, die ihn wegen seiner Milde und Bescheidenheit ebensosehr liebten, als sie den Einfluß des Seneschalls fürchteten. Aber Sergianni bestand bei der Königin darauf, daß Ludwig nach Kalabrien geschickt werde, teils weil ihm diese Provinz zugeteilt war, teils weil noch einige der dortigen Städte der katalanischen Partei huldigten, welche Ludwig erobern solle. Dieser hatte bald ganz Kalabrien unter sich gebracht und genoß die allgemeine Liebe des Volks, bei welchem er bis zu seinem Tode verblieb. Doch behaupten einige, daß er im Jahre 1429 der Krönung seines Vetters, Karls VIl., in Reims beigewohnt. Bouche.

Durch mächtige Verbindungen suchte nun Sergianni sein Ansehn immer mehr zu befestigen. Eine seiner Töchter vermählte er mit dem Sohne Jakob Caldoras, welcher letztere unterdessen Herzog von Bari geworden war, und eine andere ward dem Gabriel Orsino, Bruder des Fürsten von Tarent, angetraut. Auch dem Einflusse des ohnedem entfernten Ludwigs wußte er auf mehrfache Weise zu begegnen. Die Belagerung des Castel nuovo ließ er auf das lässigste betreiben und durch Waffenstillstände unterbrechen; und so geschah es, daß die Katalanen bis zum Tode der Königin im Besitz des Kastells blieben und täglich sogar, um Lebensmittel zu kaufen, sich in die Stadt begaben. Auch verschmähte er nicht, heimlich mit Alfons zu unterhandeln, und da er nicht wagte, etwas Schriftliches von sich zu geben, so ließ er den König mündlich an eine Prophezeiung erinnern, die ihm dieser früherhin unter vier Augen vertraut hatte. Zurita.

Papst Martin hatte gleichfalls für gut gehalten, den König von Aragonien nicht aller Ansprüche zu berauben, und unterhielt mit ihm einen Briefwechsel, worauf Alfons den Gegenpapst fallen ließ. Clemens VIII. entsagte seiner Würde und ward zum Bischof von Majorka ernannt. Martin selbst genoß der Alleinherrschaft jedoch nur kurze Zeit: er starb im Februar 1431 im dreiundsechzigsten Jahre seines Lebens und ward im Lateran bestattet. Sein größter Ruhm ist, daß er Rom im Zustande der äußersten Auflösung gefunden und im tiefsten Frieden hinterließ.

Dieser Friede überlebte ihn jedoch nicht lange. An seiner Stelle ward im März desselben Jahrs ein Venetianer aus der alten Familie Condolmieri gewählt, der sich den Namen Eugen IV. beilegte. Seine frühern Jahre hatte er im Kloster zugebracht, welches er zugleich mit seinem Jugendfreunde Antonio Cornaro betrat, nachdem er sein Vermögen der Kirche geschenkt. Als Antonios Oheim, Gregor XIII., den päpstlichen Stuhl bestieg, machte er seinen Neffen zum Kardinal, welche Würde dieser jedoch nur unter der Bedingung annahm, daß auch Condolmieri derselben teilhaftig werde. Vespasiano, Vita del Papa Eugenio. Als Kardinal hatte sich Eugen durch Stillung eines Aufruhrs in Bologna und durch Wiederherstellung des von Trajan erbauten Hafens von Ancona einen würdigen Ruhm erworben. Seine Gestalt überdies war ausgezeichnet, sein Aeußeres ehrfurchtgebietend auf eine seltene Art. Ohne gelehrt zu sein, besaß er viele historische Kenntnisse, und die berühmtesten Geschichtschreiber der Zeit, worunter Poggio Bracciolini, Flavia Biondo und Leonardo Bruno, waren an seinem Hofe versammelt. Die Baukunst liebte er, und zu den Kunstwerken, die unter seiner Regierung entstanden, gehören die ehernen Thüren von Sankt Peter. Vespasiano. Platina.

Im Leben beobachtete er gegen sich und andere eine mönchische Strenge, und sein erster Regierungsakt war gegen die Familie seines Vorgängers gerichtet. Denn man beschuldigte die Colonnesen, daß sie nicht nur den bedeutenden Geldschatz Martins V., sondern auch Juwelen und kostbare Kirchengeräte an sich gebracht. Auf der andern Seite wurde dem Papste schuld gegeben, daß er bloß im Interesse der Orsini, die an seiner Wahl Anteil hatten, verfahre. Wie dem auch sei, der Schatzmeister Martins und der Bischof von Tivoli wurden gefangen gesetzt, Stefano Colonna, Antonio, des vorigen Papstes Neffe, und dessen Bruder, der Kardinal Prospero Colonna, flohen aus der Stadt. Sie sammelten auf ihren umliegenden Gütern, wozu besonders Genzano und Marino gehörten, einige Heerhaufen, bemächtigten sich der Porta S. Sebastiano und drangen in Rom ein, wo es gegen die päpstlichen Truppen, zu denen sich die römischen Sackträger gesellten, auf dem venetianischen Platz und der Piazza Colonna zur Schlacht kam. Da die Colonnesen jedoch von ihrem Anhange schlecht unterstützt wurden, mußten sie sich zurückziehn. Eugen rief den Jakob Caldora aus Neapel in seinen Sold; doch diesen bestach Antonio Colonna, dessen Reichtümer unermeßlich waren. Da nun aber der Papst den Caldora, dem alles feil war, ebenfalls bestechen ließ und sowohl die verbündeten Venetianer und Florentiner dem Papste ein Hilfsheer schickten, als auch die Königin Johanna ein anderes unter Marino Caracciolo, dem Bruder des Seneschalls, so trat Caldora auf die päpstliche Seite zurück, und die Colonnesen wurden vollständig besiegt. Fünfundsiebzigtausend Dukaten mußte Antonio der Kirche herausgeben; Eugen schleuderte eine Bannbulle gegen die Familie Colonna, in welcher er sie aller ihrer Güter, Lehne und Würden entsetzt, ihre Paläste der Zerstörung preisgibt, die gekrönte Säule, welche sie im Wappen führen, allenthalben auszumerzen befiehlt, ihnen ein ehrliches Begräbnis versagt und selbst ihren entferntesten Nachkommen einen ewigen Fluch hinterläßt. Sie sollen nie ein Amt bekleiden, nie ein Erbe erwerben können, beständige Armut soll ihr Los, das Leben ihnen zur Last, der Tod zur Erquickung sein. »De testamento aliorum nihil capiant, sint semper egentes et pauperes, ut iis perpetua egestate sordentibus sit mors solatium et vita supplicium.« Bulla Eugenii Papae IV. adversus Prosperum de Columna Cardinalem. Dies war bereits der dritte Bannsfluch, der von den Päpsten gegen die Colonnesen geschleudert wurde. Der erste rührte von Alexander III., der zweite Von Bonifatius VIII. her.

Zehntes Kapitel.

Da in der Bulle des Papstes die Colonnesen nicht nur ihrer Besitztümer verlustig erklärt, sondern zugleich verboten war, dem Antonio Colonna auch nur den Titel eines Fürsten von Salern zu geben, so zog die Königin Johanna alle Güter jener Familie ein, und Caldora war hiezu behilflich, da er selbst einen Teil des Raubs zu erhalten hoffte. Antonio verlor auch Catanzaro und Cotrone, da seine Gemahlin ermordet ward und das Erbe der jüngern Schwester zufiel. Unter diesen Umständen begehrte Sergianni von der Königin Salern und den Fürstentitel. Die Königin versetzte, daß er bereits Capua besäße und sich Fürst von Capua nennen könne. Hierauf entgegnete Sergianni, daß Capua fast immer mit der Krone vereinigt gewesen und ihm daher von einem allenfallsigen Nachfolger im Königreich gewiß entzogen werden würde. Er bestand daher auf dem Besitz von Salern, Johanna beharrte auf ihrer Weigerung. Denn teils war ihr persönliches Verhältnis zu dem Seneschall wegen des vorgerückten Alters erkaltet, teils ward sie von Covella Ruffa, der Herzogin von Sessa, zur Festigkeit aufgemuntert. Diese Frau, die der Sprödigkeit ihres Charakters willen von ihrem Gemahl getrennt lebte, hatte sich in der letzten Zeit an die Königin, mit welcher sie verwandt war, besonders angeschlossen und wohnte mit ihr im Castel Capuano. Stolz und Herrschbegierde waren die Triebfedern ihres Wesens, und so konnte sie nicht lange mit dem Seneschall in friedlichen Verhältnissen ausharren. Letzterer, da er abschlägiger Antworten ungewohnt war, wurde durch die Weigerung Johannas aufs äußerste erbittert und vergaß sich so weit, daß er sie mit pöbelhaften Vorwürfen überhäufte. Als er dieselbe verlassen, trat die Herzogin hervor, die das beiderseitige Gespräch belauscht hatte, und als sie die Königin in Thränen fand, warf sie sich derselben zu Füßen und beschwor sie mit Leidenschaft, nicht länger die Sklavin eines armen Edelmanns sein zu wollen, den sie aus dem Staube gezogen, was der Enkelin so vieler Könige nicht gezieme. Nichts fehle mehr zum Uebermut des Seneschalls, als daß er selbst an die geheiligte Person der Monarchin Hand anlege, und nichts könne sie davor schützen, da sie völlig in seiner Gewalt und selbst der Kastellan des Schlosses ein Verwandter und Geschöpf Sergiannis sei.

Johanna umarmte hierauf die Herzogin und versprach, die herrische Selbstsucht des Seneschalls nicht länger zu dulden. Der Kastellan wurde gewechselt und ein Vasall der Herzogin an dessen Stelle gesetzt. Die Edelleute des Hofs waren längst gegen Sergianni aufgebracht; ja, es ging ein Gerücht, daß dieser nach dem Tode der Königin mit Caldora und dem Fürsten von Tarent eine Art von Triumvirat errichten und das Land mit denselben teilen wolle, welches sie dann als päpstliche Statthalter zu regieren gewillt seien. Constanzo. Die Herzogin wandte sich vor allem an Ottino Caracciolo, den wir schon als einen alten Feind des Seneschalls kennen. Diesem verschaffte sie Gehör bei der Königin zugleich mit Pietro Palagano von Trani und Marino Boffa, die ebenfalls vor Begierde brannten, den Sergianni zu stürzen. Doch vermochten sie der Königin kein Todesurteil zu entlocken. Sie sei zu alt, um sich mit einem Verbrechen zu beladen, und müsse bald vor ihren Richter treten; doch wünsche sie die Verhaftnahme des Seneschalls. Im Rat der Verschworenen wurde jedoch beschlossen, ihn zu ermorden; denn eine bloße Gefangensetzung schien bei dem Wankelmute der Königin allzugefährlich und hätte das Verderben auf die Häupter der Teilnehmer zurückwälzen können.

Unter diesen Planen war der August des Jahrs 1432 herangekommen. Sergianni, um sich mit Caldora, dem er mißtraute, noch näher zu verbinden, hatte dessen Tochter mit seinem einzigen Sohne Trojano Caracciolo verlobt. Die Hochzeit sollte mit großer Pracht und auf Kosten der Königin im Castel Capuano gefeiert werden. Acht Tage waren dazu anberaumt, die unter Tänzen, Ritterspielen und Gastmählern verbracht werden sollten. Der Abend des sechsten Tags war von den Verschworenen zur Ausführung ihres Vorhabens festgesetzt worden. Das Brautpaar hatte sich bereits in seine Behausung zurückgezogen und Sergianni, der im Kastell wohnte, in sein Schlafgemach. Da sandten die Verschwornen einen Deutschen, der als vertrauter Diener der Königin ihr aus Oestreich gefolgt war, voraus. Dieser pocht an die Thür und meldet dem Seneschall, daß die Königin durch einen heftigen Anfall von Gicht auf dem Tod liege und ihn auf der Stelle zu sprechen verlange. Sergianni richtet sich sogleich auf, begehrt von einem Knaben die Kleider und befiehlt diesem, die Thür zu öffnen, um sich näher zu unterrichten. Der Knabe öffnet und ruft: »Sie sind bewaffnet!« Worauf Sergianni versetzt: »Schließe! Schließe!« Zugleich bemächtigt er sich des Schwerts, das zu seinen Häupten hing. Aber die Verschworenen brachen durch die geöffnete Thüre mit Gewalt herein und stürzten sich auf den nur zur Hälfte Bekleideten, den sie bald mit Dolchen und Messerstichen niederstrecken. Giornali del Duca. Tristanus Caracciolus.

Dies waren vorzüglich der Bruder Ottinos, Pietro Palagano, und ein Diener der Herzogin. Ottino selbst und Marino Boffa waren im Hofe des Kastells geblieben, um sogleich, wenn der Streich mißlingen sollte, zu entfliehen. Diese befahlen nun, die Thore zu schließen und niemanden herauszulassen. Hierauf ließen sie den Sohn und Bruder Sergiannis nebst andern Verwandten desselben unter dem Vorwande ins Kastell entbieten, daß die Königin im Sterben sei. Alle kamen und wurden sogleich verhaftet, ihre Häuser geplündert. Caldora selbst war jedoch nicht bei der Hochzeit gegenwärtig und in den Abruzzen zurückgeblieben.

Sergiannis entstellter Leichnam ward, das eine Bein noch barfuß, ins Vorzimmer auf eine Bahre gelegt. Mit Tagesanbruch erschien die Herzogin von Sessa, welche die Nacht außer dem Kastell zugebracht hatte, betrachtete den Toten und rief: »Dies ist der Sohn der Isabella Sarda, der mir den Rang wollte streitig machen.« Sergiannis Mutter war die Tochter eines pisanischen Kaufmanns. Siehe Fra Luigi Contarino, Antichità di Napoli. Des Abends kamen einige Mönche aus S. Giovanni in Carbonara, wo sich Sergianni eine Kapelle hatte bauen lassen, und bestatteten ihn ohne Sang und Klang. Die Königin erteilte den Mördern einen Schutzbrief, erklärte jedoch, daß sie keineswegs den Tod des Seneschalls gewollt habe. Jene entschuldigten sich, daß der Seneschall sich widersetzt und ihn lebendig zu fahen unthulich gewesen sei.

So starb Sergianni im sechzigsten Jahr seines Alters. In der erwähnten Kapelle, die hinter dem großen Denkmal des Königs Ladislaus befindlich, wurde ihm später ein Monument errichtet, das noch heutzutage wohlerhalten zu sehen ist. Sergianni ist auf demselben geharnischt in Lebensgröße abgebildet; seine kräftigen, aber wenig sympathischen Züge verraten einen Mann, der nicht immer die lautersten Wege, um zu seinen Zwecken zu kommen, einschlug. Das Volk übrigens haßte ihn, wie jeden Günstling, und noch lange nach seinem Tode wurde in den Straßen Neapels ein Lied in der Landesmundart auf ihn gesungen, von welchem jede Strophe mit den Worten schloß:

»Muorto è lo pulpo e sta sotto la preta,
Muorto è Ser Janne, figlio de Poeta.«
Pulpo (ital. polpo), der Polyp, ist das Wappen der Caraccioli, preta das neapolitanische Wort für pietra. Sergiannis Vater war Notar; ob er nebenbei auch ein Dichter gewesen, steht sehr zu bezweifeln. Wahrscheinlicher ist, daß man in der damaligen Zeit, wo die Schreibekunst so selten war, jeden Verfertiger von Schriften einen Poeten nannte. Ein Umstand, der auch in unsern Tagen vorkommt. Das angeführte Distichon steht in den Giornali del Duca.

Elftes Kapitel.

Als Ludwig III. den Tod des Seneschalls erfuhr, gedachte er sich nach Neapel zu begeben; die Königin aber verhinderte es auf den Rat der Herzogin, und der stets Gehorsame gehorchte. Die Herzogin hatte nicht nur die Absicht, selbst zu regieren, sie war zugleich den Franzosen abgeneigt und im Interesse des Königs von Aragonien. Dieser letztere, der sich damals in Sicilien befand, wollte eine so günstige Gelegenheit, seinen Einfluß zu erneuern, nicht ungenutzt verstreichen lassen. Noch in demselben Jahre begab er sich trotz der Winterstürme nach der Insel Ischia, die von den Seinigen noch besetzt war. Ehe wir aber in dieser Erzählung fortfahren, dient es vielleicht zur Aufklärung, Alfonsens bisherige Unternehmungen seit dem Jahre 1424 nachzuholen.

Sogleich nach seiner Ankunft in Spanien wurden Unterhandlungen mit dem Könige von Kastilien wegen der Freilassung des Infanten Don Enrique angeknüpft. Der König von Kastilien jedoch, der ganz von seinem Günstlinge Don Alvaro de Luna beherrscht wurde, suchte dieselben in die Länge zu ziehn und wich jeder entschiedenen Antwort aus. Don Alvaro war ein Neffe des verstorbenen Gegenpapstes Benedikt. Seine an sich selbst nicht unweise Politik hatte große Ähnlichkeit mit jener Sergiannis, indem er jeden fremden Einfluß zu entfernen suchte, um sich selbst desto fester zu behaupten. Da Alfons nun aber mit einem Einfall in Kastilien drohte und da es ihm gelang, seinen Bruder, den Infanten Don Juan, auf seine Seite zu bringen, so ward der kastilische Hof zur Nachgiebigkeit veranlaßt. Don Enrique ward freigelassen, mußte jedoch sowohl dem König von Kastilien als dem Don Juan Ergebenheit angeloben. Letzterer war unterdessen durch den Tod seines Schwiegervaters König von Navarra geworden (1425). Er ward mit seiner Gemahlin Bianca in Pampeluna gekrönt, und beide wurden nach damaliger Sitte von den Großen des Reichs auf Schilden emporgehoben. Zurita.

Alfons, der indes mit seinen eignen Cortes nicht immer im besten Vernehmen stand, strebte vor allem dahin, die ganze Halbinsel in sein Interesse zu ziehn. In dieser Absicht vermählte er auch seine Schwester Donna Leonora mit dem Infanten von Portugal, eine Ehe, deren Frucht jene Leonora war, die später mit Kaiser Friedrich verbunden wurde. Der Stein des Anstoßes für Alfons war Don Alvaro, der den Anmaßungen der beiden Infanten beständig entgegentrat. Denn selbst Don Juan schätzte seine Besitzungen in Kastilien höher als sein Königreich Navarra und nahm es für eine Art von Verweisung, als ihm der kastilische Hof zu verstehn gab, er solle sich in seine eignen Länder begeben.

Als nun im Jahre 1429, kurz vor dem Erscheinen des Mädchens von Orleans, der Dauphin von Frankreich sich in der äußersten Bedrängnis befand und Alfonsen um Hilfe anflehte, benutzte dieser einen solchen Vorwand, um gegen Kastilien zu rüsten, in das er wirklich einrückte. Don Alvaro zog ihm mit einem Heere entgegen. Da eilte der Kardinal von Foix, den Papst Martin gesandt hatte, zur Ausgleichung herbei, und die Königin von Aragonien, des kastilischen Monarchen Schwester, ließ ihr Zelt zwischen beiden Lagern aufrichten, um die Schlacht zu verhindern. Die Heere zogen sich nun wirklich zurück, ein gutes Verhältnis ward aber keineswegs hergestellt. Zurita.

Noch über ein Jahr lang dauerten die gegenseitigen Ränke, der kleine Krieg, die nutzlosen Unterhandlungen fort. Auf beiden Seiten schien es jedoch an bedeutenden Hilfsmitteln zu fehlen. Zumal wollten die katalanischen und aragonischen Stände die Notwendigkeit eines solchen Kampfes nicht einsehn und verweigerten dem Könige Subsidien. Nur im Falle eines Angriffs der Kastilianer erklärten sie zu seinem Beistand bereit zu sein. Alfonsens Angelegenheiten verschlimmerten sich sehr durch den Abfall eines seiner mächtigsten Vasallen, des Don Fadrique de Lima. Dieser, wie schon erzählt worden, war ein natürlicher Sohn des verstorbenen Königs von Sicilien und also Enkel des letzten aragonischen Herrschers aus der frühern Dynastie. Er besaß große Besitztümer in Aragonien, und Alfons behandelte ihn wie einen seiner Brüder. Aber sei es nun, daß der eigene unruhige Charakter ihn verführte, sei es, daß der Kriegszug gegen Neapel und der Aufenthalt, den er mit Don Pedro in Sicilien gemacht, seinen Ehrgeiz geweckt hatte (denn die Sicilianer waren ihm sehr zugethan), oder auch, daß Don Alvaro ihn heimlich anspornte, genug, er entfernte sich plötzlich von Alfonsens Hof. Zum Vorwande diente, daß er mit seiner Schwägerin in einem blutschänderischen Verhältnis lebte, worüber die Verwandten derselben laute Klagen bei dem Könige erhoben. Alfons jedoch gewährte dem Don Fadrique einen Schutzbrief, um ohne Furcht zurückkehren zu können; dieser aber begibt sich 1430 nach Kastilien, spricht laut von seinen Erbrechten auf das aragonische Reich und noch mehr auf Sicilien und fordert endlich Alfonsen zu einem Zweikampfe heraus, welcher zurückgewiesen wurde. Der König von Kastilien empfing den Don Fadrique mit großer Auszeichnung und schenkte ihm die Stadt Arjona, worauf Alfons sich der Güter desselben in Aragonien bemächtigte. Diesen Anlaß benutzte der König von Kastilien, um auch die Besitzungen der Infanten in seinem Reiche mit Beschlag zu belegen.

Es ist nicht unsre Aufgabe, in diese Geschichten näher einzugehn, genug, daß der diplomatischen Winkelzüge unzählige waren. Alfons zog den König von Granada in sein Interesse, und dieser mußte der Infantin Catalina (Don Enriques Gemahlin) zu Hilfe eilen, die in Segura von den Kastilianern belagert wurde. Dafür wandten sich die letzteren an die Genueser und versprachen denselben, ihnen wieder zur Freiheit zu verhelfen, wenn sie eine Flotte gegen Alfons auszurüsten willens seien. Desto fester verband sich nun Alfons mit dem Visconte in Mailand. Endlich ward auf Vermittelung des Königs von Portugal ein fünfjähriger Waffenstillstand zwischen Kastilien und Aragonien abgeschlossen. Don Fadrique jedoch schwur dem König von Kastilien feierlich den Vasalleneid und gelobte, nach damaliger Sitte, im Fall eines Wortbruchs barfuß nach Jerusalem zu wallfahrten.

Durch jenen Waffenstillstand ward Alfons ermächtigt, seine Kräfte wieder auswärts zu verwenden, da der Aufenthalt in Spanien ihm zu keiner Zeit zu behagen schien. Er beschloß einen Kriegszug nach Afrika, teils aus eigenem Unternehmungsgeist und zum Schutze Siciliens, teils als Vorwand, um sogleich bei veränderten Umständen in Neapel gegenwärtig sein zu können. Mit sechsundzwanzig Galeeren und neun Lastschiffen segelte er von Barcelona hinweg. In Sardinien erhielt er Nachricht, daß die Stadt Tropea in Kalabrien, die seine Truppen noch besetzt hielten, von Ludwig belagert werde und nach zwanzig Tagen die Uebergabe versprochen habe. Alfons beeilte sich, den Seinigen Hilfe zuzuführen; allein die Ungunst der Winde warf ihn nach den sardinischen Häfen zurück, wo er zwölf Tage verweilen mußte. Endlich gelang die Fahrt nach Palermo, wo er nur ein paar Stunden blieb, um sogleich nach Tropea zu schiffen. Er langte noch an demselben Tage an, an dem die Uebergabe erfolgen sollte; allein der Wind verhinderte die Ausschiffung der Truppen, und als sie bewerkstelligt werden konnte, war die Stadt, die nicht unmittelbar an der See liegt, bereits in den Händen der Provençalen. Der König kehrte hierauf nach Sicilien zurück und segelte von dort nach der Insel Gerbes, die in der Nähe des festen Landes von Afrika mit demselben durch eine Brücke verbunden ist. Schwierig war es, sich derselben zu nähern, teils einiger Untiefen wegen, teils weil die Eingeborenen eine große Menge von Steinen zu beiden Seiten ins Meer gesenkt hatten. Als jedoch Alfons einen Teil derselben hatte hinwegräumen lassen, gewannen einige Schiffe Platz. Mehrere der tapfersten Katalanen sprangen ans Land und trieben den Feind von der Brücke zurück, die sie bald in ihre Gewalt bekamen. Da langte auf einem Dromedar ein Gesandter des Königs von Tunis an, der Alfonsen einen Brief überbrachte. Fazius. Die Eroberung einer so kleinen Insel, hieß es darin, sei eines so großen Monarchen unwürdig, vielmehr solle er die Ankunft des Königs von Tunis mit seinem Heere abwarten, damit auf eine würdige Art König und König sich gegenüberstünden. Alfons ging diese Bedingung ein, und nach einigen Tagen erschien der afrikanische Fürst mit einem unermeßlichen Heere. Eine Schlacht entspann sich, in welcher die Geschichtschreiber den Sieg Alfonsen beimessen. Da dieser jedoch, wie erzählt wird, sich bald darauf wegen Mangels an Lebensmitteln von der Insel wieder entfernen mußte, so scheint jener Sieg von sehr zweifelhafter Natur gewesen zu sein und hatte in jedem Fall keinen Erfolg.

Auf der Insel Gozzo erfuhr Alfons den Tod Sergiannis und segelte sofort nach Ischia, wie bereits erwähnt worden. Vermittelst der Herzogin von Sessa gelangen ihm neue Unterhandlungen mit der Königin, welche ihn abermals an Kindesstatt annahm und zum Erben einsetzte. Zurita gibt das ganze Dokument; es ist vom 4. April 1433. Dieser Beschluß ward aber nie öffentlich bekannt gemacht und bald wieder zurückgenommen, indem die Herzogin mit Alfons zerfiel, weil dieser mit ihrem Gemahl, den sie haßte, ein Bündnis eingegangen war. Alfons schloß hierauf einen zehnjährigen Waffenstillstand mit der Königin und begab sich nach Sicilien.

Zwölftes Kapitel.

Im Anfange des folgenden Jahres 1434 erschien zu Schiffe im Golf von Neapel Margarete von Savoyen, die mit Ludwig III. verlobt war. Ihr Vater war jener Herzog Amadeus, der um dieselbe Zeit die Regierung niederlegte und sich mit seinen Vertrauten in eine Einsiedelei am Genfersee begab, später aber zum Gegenpapst vom Baseler Konzil gewählt wurde. Als Johanna die Ankunft der Prinzessin erfuhr, wollte sie dieselbe nach Neapel einladen, dahin auch den König Ludwig bescheiden, um das Hochzeitfest feierlich begehen zu lassen. Ihre Umgebungen rieten ihr jedoch davon ab. Wenn sie ruhig herrschen wolle, müsse sie ihren Adoptivsohn so sehr als möglich von sich entfernt halten. Die Prinzessin mußte daher trotz eines heftigen Sturmes in Sorrent landen, wohin ihr die Königin ein unbedeutendes Geschenk sandte. Sie schiffte sich hierauf nach Kalabrien ein, und die Vermählung ward in Cosenza gefeiert.

In dieser Zeit kam Gian Antonio Orsino, Fürst von Tarent, nach Neapel. Auch gegen ihn betrug sich die Königin auf den Rat ihrer Ratgeber mit großer Kälte, und als er einst das Castel Capuano verlassen wollte und den ganzen Hof von Soldaten besetzt fand, geriet er in solche Furcht, daß er aus einem Fenster herausspringen wollte, um sich in Sicherheit zu bringen. Costanzo. Doch wurde er durch Ottino Caracciolo beschwichtigt, der ihm sagte, daß die Truppen wegen der Soldbezahlung versammelt seien, und ihm die Thore, welche verschlossen waren, öffnen ließ. Der Fürst begab sich jedoch spornstreichs nach Acerra, das sein Eigentum war. Ohne Zweifel rührte seine Furcht von seinen Verbindungen mit Alfons her, wiewohl die Geschichtschreiber darüber schweigen. Die Königin suchte ihn wieder zu begütigen und machte ihn zum Oberfeldherrn gegen die Sanseverinesken, welche damals (man weiß nicht, aus welcher Ursache) in Ungnade gefallen waren. Gian Antonio bemächtigte sich ihrer Besitzungen. Aber die Mutter des Grafen Sanseverino lag der Königin flehentlich an, ihre Söhne zu begnadigen, worauf Johanna dem Fürsten befahl, die eingenommenen Städte wieder zurückzustellen. Gian Antonio behielt jedoch diejenigen, die seinem Gebiet am nächsten lagen, und wollte dieselben bloß nach bezahlten Kriegskosten herausgeben. Diesen Umstand benutzten seine Feinde bei Hof, worunter vorzüglich der Graf von Caserta und Marino Boffa, die sich auf seine Kosten zu bereichern hofften. Auch Jakob Caldora, aus demselben Grunde, reizte die Königin gegen den Fürsten auf. Er wurde nach Neapel vorgeladen, und als er nicht erschien, ward ein Kriegszug gegen ihn angeordnet, den Caldora befehligte, während auch König Ludwig den Bescheid erhielt, ihn von Kalabrien aus anzugreifen.

Der Fürst von Tarent, der fünftausend Reiter und viele Fußtruppen in Sold hatte, verzweifelte nicht an seiner Verteidigung. Er selbst trat dem König Ludwig entgegen, seinen Bruder Gabriel und seinen Feldhauptmann Ruffino, einen Lombarden, sandte er nach Ascoli di Satriano, um Caldora aufzuhalten. Als jedoch Gabriel sich nach Minerbino begab, wußte Caldora den Ruffino zu bestechen, und dieser verriet seinen Herrn und Wohlthäter, indem er Ascoli übergab. Er wurde aber später von Caldora auf das schnödeste behandelt und endigte sein Leben als Bettler in der Lombardie Giornali del Duca. Caldora eroberte nun die Besitzungen des Fürsten in Terra di Bari und vereinigte sich mit Ludwig, um Castellaneta zu belagern, welches sich auch ergeben mußte. Diesem Beispiele folgten viele andere Kastelle, und Gian Antonio mußte sich nach Tarent zurückziehn, das den Feinden widerstand. Ebenso Lecce, Gallipoli und einige andere feste Schlösser; alles übrige Land nahm Caldora für die Königin in Besitz, und da Ludwig kränkelte, wollte er demselben nicht einmal ein in gesunder Gegend gelegenes Kastell abtreten, um sich zu pflegen. Giornali del Duca. Ludwig, weil der Winter herannahte, ging daher nach Cosenza zurück. Aber ohnedem von zartem Körperbau, durch den Feldzug über Verhältnis angestrengt und durch die schlechte Luft in den Niederungen von Terra di Otranto mit Fiebern heimgesucht, erholte er sich nicht mehr, und im Ehebett überfiel ihn ein plötzliches Uebel, das ihn in wenigen Tagen ins Grab führte. Er starb Mitte Novembers 1434. In seinem letzten Willen verordnete er, daß sein Herz zu seiner Mutter nach der Provence gebracht werde und sein Leib im Dom von Neapel begraben. Dieses letztere ward jedoch nicht zur Ausführung gebracht, und er liegt in Cosenza. Seine Witwe wurde späterhin mit einem Pfalzgrafen von Bayern vermählt.

Die Königin Johanna empfing die Nachricht von Ludwigs Tode mit dem größten Schmerz. Sie weinte und warf sich zur Erde, indem sie laut den Gehorsam und die sanften Gemütseigenschaften des Verstorbenen erhob und sich selbst über die kalte Behandlung, die sie ihm angedeihen ließ, anklagte. Hierauf legte sie die tiefste Trauer an, wie Mütter für ihre Söhne zu tragen pflegten.

Desto schnöder betrug sich Caldora, und als er die Todesbotschaft erhielt, zog er ein scharlachenes Wams an, um seine Verachtung zu bezeigen. Giornali del Duca. Er hatte sich bereits nach Bari begeben und wollte dort seine Reichtümer in Ruhe genießen. Die beiden Unterfeldherren jedoch, die er zurückgelassen, Minicuccio von Aquila und Graf Onorato Gaetano, konnten sich nach Ludwigs Abzug gegen den Fürsten von Tarent nicht lange halten. Gaetano ward gefangen genommen, und in kurzer Zeit eroberte der Fürst, der die Liebe seiner Unterthanen in hohem Grade besaß, die ganze Provinz von Otranto wieder. Als Statthalter nach Kalabrien ward von der Königin Giovanni Cossa geschickt.

Aber schon am 2. Februar 1435 starb Johanna II., die seit geraumer Zeit leidend war, nach zwanzigjähriger Regierung und im fünfundsechzigsten Jahre ihres Alters. Schwäche und Unbestand wird ihrem Charakter wie ihren Sitten vorgeworfen; doch verletzte sie niemals den äußerlichen Anstand. Ihr Ruf war übrigens so schlecht, daß einmal sogar ein florentinischer Gesandter es wagen konnte, ihr Liebesanträge zu machen, woraus sie ihn lachend fragte, ob dies auch in seiner Vollmacht stehe. Summonte. Außer den schon Erwähnten sollen besonders Artugio Pappacoda und Urbano Origlia ihre Gunst genossen haben. Auch wird erzählt, daß sie einige ihrer Liebhaber heimlich töten ließ, um mit ihnen die eigene Schuld zu begraben. Mazzella. Im übrigen erschien sie stets freigebig und herablassend und versagte zu keiner Zeit ihren Unterthanen Gehör. Ihren Hof unterhielt sie mit großer Pracht und zeigte sich selbst immer voll Würde und in königlicher Kleidung. Sehr frühe des Morgens stand sie auf, und nachdem sie eine Stunde lang in ihren Sälen auf- und niedergegangen war, hörte sie die Messe. Die kirchlichen Feste und Umgänge versäumte sie nie, und in der Fastenzeit besuchte sie sämtliche Kirchen zu Fuß. Sie war so wohlthätig, daß sie einmal hundert arme Mädchen zu gleicher Zeit ausstattete. Ein paar Stunden des Tags brachte sie jedesmal mit Musik zu. Sie war nicht ohne Kenntnisse und auch des Lateins kundig, in welcher Sprache noch im sechzehnten Jahrhundert einige Liebesbriefe von ihr vorhanden waren, die sie dem Pandolfello geschrieben hatte. Auf die Erhaltung ihrer Gestalt verwandte sie viele Sorgfalt, und jeden Morgen mußten hundert Eselinnen vor den Palast kommen, deren Milch sie zum Bad gebrauchte. Nichts jedoch kann ungereimter sein, als daß man ein berühmtes Bild von Leonardo da Vinci, das namentlich in der Galerie Doria zu Rom vorhanden ist, für eine Johanna II. ausgibt, mit deren authentischem Marmorbildnis (welches, nebenbei gesagt, nach Art griechischer Statuen einen leichten Anstrich von Farbe hat) es nicht die geringste Aehnlichkeit besitzt. Ein früheres Bild der Johanna zu kopieren, konnte Leonardo in seiner Zeit nicht die mindeste Aufforderung finden. Jenes einzige und unschätzbare Bildnis stellt übrigens allerdings eine Johanna vor, die Königin von Neapel gewesen. Es ist entweder Johanna von Aragonien, die zweite Gemahlin Ferdinands I., oder ihre gleichnamige und unglückliche Tochter, die mit Ferdinand II. vermählt war. Beide waren gleichzeitig mit Leonardo.

Ihr marmornes Bild ist uns auf dem Grabmale des Ladislaus aufbehalten, wo sie sitzend, mit dem Reichsapfel in der Hand, abgebildet ist. Es verrät mehr starke und junonische als schöne Züge, die Augen groß, die Brauen sehr hoch, der Blick nicht ohne Verstellung. Die Geschichtschreiber schildern sie jedoch von üppigen Formen, blendender Gesichtsfarbe, blonden Haaren, hellen und heitern Augen. Ihre Art zu reden soll einschmeichelnd, ihr Anstand abgemessen und königlich gewesen sein. Mazzella.

Als die letzte ihres Stamms fand sie niemanden, der ihr ein Grabmal errichtet hätte. Sie liegt unweit des Hauptaltars in der Annunziata unter einem einfachen Leichensteine.


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