Hermann Pies
Kaspar Hauser Augenzeugenberichte und Selbstzeugnisse
Hermann Pies

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VII. Die gerichtlichen Vernehmungen Hausers.

I. Verhöre Hausers vor dem Kreis- und Stadtgericht Nürnbergs.

Am 17. Oktober 1829 war Hauser mit einer Wunde an der Stirn aufgefunden worden. Wegen dieses Vorfalls wurde von dem Kreis- und Stadtgericht Nürnberg eine Untersuchung angestellt, in deren Verlauf auch Hauser sowohl über den Unfall selbst als auch über seine Herkunft ausführlich vernommen wurde. Im folgenden sind die Protokolle darüber aus den Akten des betreffenden Gerichtes abgedruckt. Die ersten drei Verhöre wurden in der Wohnung Hausers bei Professor Daumer in dem Haubenstrickerschen Haus abgehalten.

1. Verhör vom 59. Oktober 1829.

In Gegenwart des K. Kreis- und Stadtgerichtsrats von Roeder und des K. Kreis- und Stadtgerichtsdiurnisten Pritting.

(Bd. 2a = Justizministerialakt 2099 Fol. 7-9)

Es begab sich (die)Die (eingeklammerten) Stellen sind von mir ergänzt und befinden sich nicht in den Akten. Kommissio(n) in das obengenannte (Haubenstrickersche) Haus (auf der Schütt) und traf dortselbst den dem Deputierten von Person bekannten K. H. zwar matt und schwach im Bette liegend, doch bei vollkommenem Gebrauch seiner Geisteskräfte, wie eine mit demselben gepflogene Unterredung bewährte, daher in Rücksicht der dem H. noch anklebenden Schwäche von dessen umständlicher Vernehmung Umgang genommen, derselbe dagegen nach vorgängiger Ermahnung zur Angabe der Wahrheit vernommen (wurde), wie folgt:

Frage: Woher rührt die Beschädigung auf Ihrer Stirn?

Antwort: Von einem Schlag, den ich am letztverflossenen Sonnabend den 17. Oktober erhalten, gerade als ich vom Abtritt aufgestanden war.

Fr.: Von wem erhielten Sie diesen Schlag?

A.: Von einem Manne, der plötzlich vor mir (mich) hintrat, als ich vom Abtritt aufgestanden war.

Fr.: Über die Gestalt und Größe des Mannes, der Sie geschlagen, was können Sie desfalls angeben?

A.: Der Mann, der mich geschlagen, stand in der Größe zwischen dem Herrn Bürgermeister Binder und meinem Herrn Professor Daumer, doch war er über die Brust ungleich breiter als letzterer.

Fr.: Über das Gesicht und dessen Züge, was können Sie desfalls angeben?

U.: Hierüber vermag ich Auskunft nicht zu geben, da der Mann ein vielleicht von der Luft aufgeblähtes schwarzes Tuch vor seinem Gesichte hatte.

Fr.: Was hatte der fragliche Mann am Leibe?

A.: Einen neuen Überrock und dergleichen lange Beinkleider. Die Farbe kann ich nicht angeben, weil es am Abtritte zu dunkel war, als daß ich hätte unterscheiden können, ob die Kleider blau, dunkelgrün oder schwarz gewesen. Genau nahm ich dagegen wahr, daß dessen Stiefel schön gewichst und ganz neu waren.

Fr.: Zu welcher Volksklasse dürfte der fragliche Mann zu zählen sein?

A.: Er schien zu den vornehmen Herrn in der Stadt nach seinem Aussehen zu gehören.

Fr.: Erinnern Sie sich, den Mann, der Sie geschlagen hat, bei irgend einer Gelegenheit schon gesehen zu haben?

A.: Nein, insoferne ich nämlich das Gesicht des Mannes garnicht erblickt habe. –

Fr.: Womit oder vermittelst welchen Instrumentes sind Sie geschlagen worden?

A.: Mit einem Instrumente, welches ich bereits heute früh dem Herrn Professor Daumer auf einer Tafel vorgezeichnet habe.

Fr.: Warum glauben Sie vom fremden Manne geschlagen worden zu sein?

A.: Ich vermute, daß jener Mann es fürchtet, es möchten mir Sachen in Sinne (in den Sinn) kommen aus meiner früheren Zeit. Mein Gefühl sagt in Sonderheit, daß dieser Mann es fürchtet und es bereits vernommen hat, daß ich den Weg, den ich hierher genommen, genau bezeichnet, und ihm hierdurch auf die Spur könnte gekommen werden. Diese Vermutung geht in Sonderheit aus den eigenen Worten des Mannes hervor, denn er sprach unmittelbar, nachdem er mich geschlagen hatte: »Du mußt doch noch sterben, ehe du aus der Stadt Nürnberg kommst,« welche Worte mir durch alle Glieder gingen.

Fr.: Nach den Angaben Ihrer Pflegmutter Daumer, so wurden Sie am 17. Oktober gegen 1 Uhr mittags aus dem Keller ihres Hauses herausgebracht. Wie kamen Sie in den bezeichneten Keller?

A.: Infolge des erhaltenen Schlages fiel ich auf den Boden vor dem Abtritte. Ich weiß es genau, daß ich geraume Zeit dort gelegen bin; wie lange jedoch kann ich nicht sagen, da ich meiner dortmalen nicht bewußt war. Nachdem ich wieder zu mir gekommen, spürte ich es warm über mein Gesicht laufen; ich wollte zur Pflegmutter eilen, kam in der Angst meines Herzens aber statt an die über zwei Stiegen gelegene Stube der Mutter in mein Zimmer. Dies beängstigte mich noch mehr, dergestalt, daß ich mich am Behälter des Haustennens, um aufrecht zu bleiben, anhielt. Nachdem ich mich erholt hatte, faßte ich abermals den Entschluß, zur Pflegmutter zu gehen, kam in der weitern Verwirrung aber statt die Treppe hinauf – die Treppe hinunter und bis an den Keller. Wie ich dortselbst so viele Kraft erlangt, als zur Eröffnung der Kellertüre erforderlich ist, begreife ich selbst nicht, immerhin aber ward die Türe des Kellers von mir selbst aufgezogen und ich ging in den Keller hinab, wo ich mich in einer Ecke desselben hinhockte. Als letzteres von mir geschah, schlug es eben 12 Uhr, und als ich das Geläute der Glocken hörte, dachte ich bei mir selbst: »Nun bist du hier so ganz verlassen, es wird dich niemand finden und du wirst daher hier umkommen.« Unter diesen Gedanken verlor ich mein Bewußtsein, so daß ich von jenem Zeitpunkte an durchaus keine weitere Wahrnehmung machte, geschweige denn etwas anzugeben imstande wäre.

Ansprache des Kommissärs: Sie haben über alles das, was Sie befragt worden und angegeben haben, tiefes Stillschweigen zu beobachten und mir hierüber ein feierliches Handgelübde abzuleisten.

A.: Ich verspreche Ihnen dieses auf meine Hand.Es ist möglich, daß sich die Angabe Feuerbachs in seinem vorn abgedruckten Werke, Hauser sei vor Gericht vereidigt worden, auf dieses »feierliche Handgelübde« bezieht

Womit beschlossen worden, ohne daß dieses Protokoll jedoch von dem H. unterzeichnet werden konnte, indem ihn die Vernehmung sehr mitgenommen und ermattet hatte.

2. Verhör vom 20. Oktober 1829 (Fol. 10-13)

Wurde heute K. H., nachdem derselbe nicht minder denn gestern bei vollkommenem Gebrauche seiner Geisteskräfte befunden worden, anderweit vernommen, wie folgt:

Fr.: Zur näheren Bezeichnung des entflohenen Verbrechers, was können Sie desfalls angeben?

A.: Schon gestern habe ich es gesagt, daß der Mann, der mich geschlagen hat, in der Größe meines Professors Daumer, über die Brust jedoch ungleich breiter denn dieser war, daß er Rock und Beinkleider von einer Farbe getragen und daß er ganz neue gewichste Stiefel an den Füßen hatte, welche mit Hufeisen nicht können versehen gewesen sein, weil ich das leise Auftreten desselben genau wahrgenommen. Er hatte den Rock übereinander geknüpft, so daß ich keines seiner etwaigen weiteren Kleidungsstücke sehen konnte, auch konnte ich keine seiner Züge wahrnehmen, weil er sein Gesicht, so wie schon gesagt, mit einem schwarzen Tuche und zwar dergestalt vermummt hatte, daß mir nicht einmal sein Haar zu Gesicht gekommen ist. Die Stimme, in der er zu mir sprach: »Du mußt doch noch sterben, ehe du aus der Stadt Nürnberg kommst,« war leise; doch erkannt ich auch in dieser leisen Sprache den Mann, der mich hierher nach Nürnberg geführt hat und auch schon dortmalen nur ganz leise oder mit verstellter Sprache mit mir gesprochen hat. Vergessen habe ich jedoch bisher zu bemerken, daß der Mann, der mich geschlagen, an beiden Händen weißgelbe Handschuhe trug, was vielleicht auch sein Glück ist, denn hätte ich auch nur eine seiner Hände gesehen, ich getraute mir, sie in vorkommenden Fällen sofort wieder zu erkennen. Eben deswegen betrachte ich alles, was mir zu Augen kommt, so genau, daß ich es bei meinem so guten Gedächtnisse immer wieder erkennen kann.

Fr.: Über die Art und Weise, wie der Verbrecher in Ihr Haus gekommen ist, was können Sie desfalls angeben?

A.: Es gehen gar viele Leute in dem Hause aus und ein, sie lassen die Türe hinter sich offen und ich traf selbst, als ich von meinem Unterrichte nach Hause kam, zum öftern unsere Türe offen stehend an. Daß der Mann schon lange darauf lauerte, ins Haus zu kommen, dessen bin ich überzeugt, und er wird zunächst eine solche Gelegenheit, wo die Türe offengestanden, benützt haben. Glaublich ist mir aber auch, daß der Mann imstande war, die Türe des Hauses selbst vermittelst irgend eines Instrumentes zu eröffnen. Da ich übrigens, während ich auf dem Abtritt gesessen bin, aus der unteren Holzkammer ein Geräusch vernommen habe, demjenigen Geräusche ähnlich, welches mit der Eröffnung der Türe der Holzkammer gewöhnlich verbunden und mir von daher recht wohl bekannt ist, so kann ich mit Recht annehmen, daß sich der bezeichnete Mann in der untern Holzkammer enthalten (aufgehalten), und allererst, während ich schon auf dem Abtritt gesessen, sich von dort herausgemacht und zu mir an den Abtritt hingegangen ist.

Fr.: Aus den Verhandlungen des Magistrats ergibt sich, daß Sie während Ihres dermaligen Zubetteliegens unter anderm wörtlich geäußert (haben): »nicht umbringen, nicht Mund zuhalten.« Erinnern Sie sich dieser Äußerung?Siehe den Abdruck dieser Äußerungen Seite 269

A.: Ich erinnere mich dieser Äußerung nicht, ich hatte auch keinen Grund, so etwas zu sagen, da mir der Mund am 17. Oktober nicht zugehalten worden ist.

Fr.: Daß Sie ferner geäußert: »gewiß der Mann, der mich in der Plattners Anlage hat umbringen wollen?«

A.: Von dieser Äußerung ist mir nichts erinnerlich, es sind Gedanken, die mir in meiner Krankheit vorgekommen.

Fr.: Es kömmt vor, daß Sie mit dem k. Rittmeister v. Wessenig bezüglich Ihrer Herkunft gesprochen?

A.: Vor 8 Tagen, oder etwas länger, ritt ich auf einem Pferde des Herrn Stallmeisters v. Rumpler ohne weitere Begleitung nachmittags zwischen 4 und 5 Uhr zum Laufertor hinaus gegen das Spittlertor zu. Unfern des Vestnertores begegnete mir der k. Rittmeister Herr v. Wessenig, welcher zu Pferde die Torwache visitierte und der mit mir bis an das Spittlertor ritt. Er, nämlich Herr Rittmeister v. Wessenig, erzählte mir bei dieser Gelegenheit, daß er einen Brief von meiner Mutter erhalten habe und daß ihm letztere geschrieben habe, ich solle mich nur gut aufführen, sie werde in zwei Jahren auftreten und daß ich dann Soldat, Chevauleger, werden könne. Ich frug den Herrn v. Wessenig hierauf, nicht einmal, sondern dreimal, ob ich denn das, was mir eben von ihm eröffnet worden, dem Herrn Bürgermeister (Binder) mitteilen dürfe, und da er mir jedesmal geantwortet hatte, »ja Sie können es dem Herrn Bürgermeister sagen,« so erzählte ich die bezeichnete Eröffnung noch desselbigen Tages abends der Frau Bürgermeisterin Binder und des andern Tags auch dem Herrn Bürgermeister selbst. Als Herr Bürgermeister Binder hierauf an den Rittmeister v. Wessenig geschrieben und ihn aufgefordert hat, den erhaltenen Brief meiner Mutter zu meiner Beruhigung mitzuteilen, stellte derselbe zwar nicht in Abrede, von einem Briefe meiner Mutter mit mir gesprochen zu haben, er erklärte jedoch, daß er denjenigen Brief gemeint, mit dem ich hierher nach Nürnberg gekommen, daß er einen zweiten, späteren Brief aber, nicht erhalten. Nach diesen Umständen muß ich glauben, daß sich Herr Rittmeister v. Wessenig durch die bezeichnete Erzählung einen Spaß mit mir gemacht hat, was er nicht hätte tun sollen und was um so weniger hübsch von ihm ist, als er ja ausdrücklich es mir erlaubte, es dem Herrn Bürgermeister zu erzählen, was er mit mir gesprochen hatte.Dieser Vorfall wirft ein bezeichnendes Licht auf den Charakter des Zeugen Wessenig.

Womit geschlossen, vorstehendes Protokoll jedoch, obwohl es von dem H. ausdrücklich genehmigt worden, dennoch wegen andauernder Schwäche nicht unterzeichnet werden konnte.

Gebärde(nnote der Kommission): Hauser deponierte mit aller Zuversicht, er war jedoch gegen jedes Geräusch empfänglich und erschrocken und bat verschiedentlich dringendst, ihn gegen seine Feinde zu schützen.

3. Verhör vom 28. Oktober 1829 nachmittags (Fol. 109 - 117).

Nachdem der Inquirent aus dem Munde des praktischen Arztes Dr. Osterhausen, welcher den Krankheitszustand des K. H. respizierte, in Erfahrung gebracht hatte, daß H. dergestalt hergestellt sei, daß er eine zusammenhängende Erzählung des Vorfalls ohne Nachteile für seine Gesundheit zu Protokoll geben könne, so begab sich (die) Kommission in das obenbezeichnete (Haubenstrickersche) Haus und vernahm den H., welcher bei vollkommenem Gebrauch seiner Geisteskräfte befunden worden, wie folgt:

Generalia:

Ich heiße, so viel mir bekannt ist, Kaspar Hauser.

Nach der hier herrschenden Religion erhalte ich im evangelisch-lutherischen Glauben bei dem Herrn Professor Daumer Unterricht, ohne daß ich jedoch bis zur Zeit von einem Herrn Geistlichen zur Kommunion selbst vorbereitet worden.

Nach dem Inhalte des Briefes, der mir mit hierher gegeben worden ist, soll ich den 39. April 1812 geboren und sohin 17 Jahre alt sein, ohne daß mir der Ort meiner Geburt oder meines jugendlichen Aufenthaltes jedoch bekannt ist.

Seit dem 26. Mai 1828 bin ich bekanntlich dahier und namentlich seit dem 18. Juni 1828 im Hause des Herrn Professor Daumer, der mich mit Liebe und Sorgfalt pflegt und erzieht. Ich bin meinen Nebenmenschen mit Liebe zugetan, jedoch ist mir der Herr Bürgermeister Binder, dessen Gattin und Professor Daumer wegen der mir bewiesenen Güte und Liebe besonders teuer.

Von meiner Aussage erwarte ich keinen Nutzen, fürchte aber auch keinen Schaden, zumal mir Schutz gegen meine Verfolger von allen Seiten zugesagt worden ist.

Kommissionsnote: Von der Beeidigung des Komparenten ward Umgang genommen, einesteils wegen Minderjährigkeit, andernteils aber, weil dem H. ohnedies der erforderliche Religionsunterricht annoch ermangelt.Die Angabe Feuerbachs, H. sei vereidigt worden, ist also aktenwidrig. Siehe jedoch Note 111.

Spezialia:

Fr. 1: Geben Sie eine zusammenhängende Erzählung des Vorfalls vom 17. Oktober d. J. zu Protokoll?

A.: Am Sonnabend den 17. d. M. stand ich früh um 7 Uhr wie gewöhnlich auf, ich wusch mich, machte mein Bett und ging dann zum Frühstücke zur Pflegmutter, der Mutter des Herrn Professor Daumer.

Als ich von dort aus in meine Stube zurückgekommen war, las ich die christliche Betrachtung des Tages und beschäftigte mich sodann insolange, bis mich die Schwester des Herrn Professor Daumer, Frln. Kathy, frug, ob ich sie etwa, wie schon oft geschehen, auf den Markt begleiten wolle. Es war schönes Wetter, daher ich von diesem Anerbieten Gebrauch machte und zirka um ¾ 8 Uhr mit der Frl. Kathy auf den Grünen Markt ging. Fräulein Daumer sprach geraume Zeit mit der ihr wohlbekannten Gärtnerin von Schniegling, während welcher Unterredung mir die Zeit wahrhaft lange wurde, weil ich von einem Gefühle innerer Beängstigung mich dergestalt ergriffen fühlte, daß ich Fräulein Daumer ausdrücklich ersuchte, bald mit mir nach Hause zu gehen. – Schon auf dem Wege nach dem Markte war uns der Dr. Preu begegnet, der mich um 10 Uhr zu sich bestellte, weil ein Fremder mich in seinem Hause zu sehen wünsche, daher ich vom Markte aus nur eigentlich, um eine Rechentafel zu holen, nach Hause gegangen und von da aus erst gegen 10 Uhr zu dem Herrn Dr. Preu ins Haus gekommen bin. – Dr. Preu befand sich dortmalen noch nicht zu Hause, traf jedoch bald nach mir ein, ohne daß übrigens aber der Fremde erschienen, welchem mich Herr Dr. Preu vorstellig machen wollte. Nachdem ich bis auf ¼ nach 10 Uhr bei Herrn Dr. Preu gewartet, ging ich nach Hause, weil ich mich infolge einer von Herrn Dr. Preu mir gegebenen welschen Nuß, von der ich jedoch kaum den vierten Teil gegessen, höchst unwohl fühlte. –

Ich setzte den Herrn Professor Daumer von diesem meinem Übelbefinden in Kenntnis, der hierauf verlangt hat, daß ich für jenen Tag die Rechnungsstunde, welche ich von 11 bis 12 Uhr bei Herrn Emmerling besuchen sollte, nicht nehmen, sondern zu Hause bleiben sollte. – Ich ging hierauf in mein Zimmer, zog den Rock aus und reinigte insonderheit meinen Mantel im Hausplatze vor meiner Stube. Während dieser Beschäftigung hörte ich an der Haustüre läuten, es war diese von der Mutter aufgezogen und ich nahm wahr, daß es die Günthers Magd gewesen, welche, wie täglich zu geschehen pflegt und an diesem Tage namentlich, zwischen ½ und ¾ auf 11 Uhr eingetroffen ist. Schon früher habe ich zum öftern bemerkt, es auch der Mutter ausdrücklich erzählt,Dieser Zusatz: »es auch der Mutter ausdrücklich erzählt«, fehlt in dem Meyerschen Abdruck. (S. 226.) daß die Günthersche Magd es verabsäumt, die Haustüre zuzumachen, vielmehr insolange, bis sie von oben herab zurückkehrt, die Haustüre lediglich anlehnt und obwohl ich es nicht wahrnehmen konnte, daß dies auch am 17. von der Güntherschen Magd nur geschehen, so bin ich doch des Dafürhaltens, daß die Günthersche Magd auch an diesem Tage die Türe nur angelehnt und dadurch Gelegenheit zum Einschleichen gegeben habe. – Als mein Mantel von mir gereinigt war, wollte ich mich im Schreiben etwas beschäftigen, ward von hier aus aber durch ein natürliches Bedürfnis auf den Abtritt geführt, wo ich kaum eingetroffen war, als es ¾ auf 11 Uhr schlug. Wegen Leibreißens ward ich länger denn eine halbe Viertelstunde auf dem Abtritte gehalten, von wo aus ich aus der unteren Holzkammer ein Geräusch wahrgenommen, demjenigen ähnlich, welches mit der Eröffnung der Türe der Holzkammer gewöhnlich verbunden und mir wohlbekannt ist. Auch nahm ich vom Abtritte aus einen leisen Ton der Haustürglocke wahr, welcher mir jedoch nicht vom Anschellen, sondern von unmittelbarer Berührung der Glocke selbst herzurühren schien. Ich rief: »Käthe, möchten Sie nicht etwan aufmachen, ich glaube, es hat jemand angeschellt«; sie antwortete mir jedoch nicht, was, wie die Folge zeigte, daher rührt, weil sie sich über zwei Stiegen enthalten (verhalten) und meinen Ruf sohin nicht vernehmen konnte. – Gleich nachdem ich angegebenermaßen gerufen, eine Antwort jedoch nicht erhalten hatte, hörte ich leise Fußtritte vom untern Gang her, nahm zugleich auch durch den Zwischenraum der vor dem Abtritte befindlichen Tapete und der Stiege selbst wahr, daß eine Mannsperson aus dem Gange hergeschlichen ist. – Bei dem Blick durch die Tapete und die Stiege bemerkte ich den ganzen schwarzen Kopf der Mannsperson. Ich dachte, es sei etwan der Schlottfeger, welcher, weil er die Stiege nicht hinaufging, etwan an der Haustüre sich verhalte; ich verweilte noch einen Augenblick auf dem Abtritt, um von dem Schlottfeger nicht gerade im Aufstehen bemerkt zu werden; als ich hierauf aber mich vom Sitze des Abtrittes aufrichtete, erhielt ich plötzlich einen Schlag auf den Kopf, in dessen Folge ich für den ersten Augenblick mit dem Kopfe in den Abtritt zurück, sogleich nachher aber mit dem ganzen Körper auf den Boden vor dem Abtritt niederfiel. Deutlich sah ich, als ich aus dem Abtritt heraustreten wollte, daß es eine Mannsperson in der Größe zwischen dem Herrn Bürgermeister und dem Herrn Professor Daumer gewesen, der vor dem Abtritte an der Mauer der Stiege gegenüber sich enthielt (verhielt) und von da aus mir den Schlag versetzt hat. Dieser Mann war seiner Statur nach ungleich breiter über die Brust, denn Herr Professor Daumer, ja sogar aber auch etwas breiter, als Herr Bürgermeister Binder. Vom Gesichte mit Einschluß der Haupthaare dieses Mannes konnte ich gar nichts wahrnehmen, denn er war verschleiert und zwar, wie ich glaube, vermittelst eines über den ganzen Kopf herübergezogenen seidenen schwarzen Tuches. Die Kleider desselben bestanden aus einem neuen Überrock und dergleichen langen Beinkleidern, ohne daß ich darüber zu urteilen mir getraue, ob die bezeichneten Kleider von dunkelblauer, dunkelgrüner oder schwarzer Farbe gewesen. Genau nahm ich dagegen wahr, daß er mit neuen, schön gewichsten Stiefeln ohne Hufeisen oder Nägeln auf den Absätzen, endlich mit gelbledernen Handschuhen an beiden Händen versehen gewesen. Endlich hörte ich im Niederfallen auf den Boden vor dem Abtritt aus dem Munde des bezeichneten Mannes die Worte: »Du mußt doch noch sterben, ehe du aus der Stadt Nürnberg kommst,« und obwohl er diese Worte nur ganz leise sprach, so erkannte ich dennoch an der Stimme denselben Mann, der mich hieher geführt und auch schon dortmalen nur leise mit mir gesprochen hat. Nachdem ich geraume Zeit bewußtlos vor dem Abtritt gelegen, endlich aber doch wieder zu mir selbst gekommen war, spürte ich etwas Warmes mir über das Gesicht laufen, griff mit beiden Händen nach der Stirn, die hiedurch blutig wurden. – Erschreckt hierüber wollte ich zur Mutter hinauf, kam in der Verwirrung und Angst aber statt zur Türe der Mutter an den Kleiderschrank vor meiner Stube. Hier verging mir das Gesicht, es wurde Nacht vor meinen Augen und ich suchte mich durch Anhalten mit der Hand am Schranke aufrecht zu erhalten, – woher die heute noch am Schranke befindlichen Blutspuren rühren. Als ich mich erholt hatte, wollte ich abermals zur Mutter hinauf, kam in der weiteren Verwirrung jedoch statt die Treppe hinauf – die Treppe hinunter, den Gang vor und an den Keller. Wie ich dazu gekommen, oder mit anderen Worten, wie ich die Kraft erlangt, die Falltüre des Kellers zu eröffnen, dies ist mir bis zur Stunde ein Rätsel; gleichwohl aber geschah es dennoch, daß die Kellertüre von mir eröffnet worden und daß ich hineingeschlupft bin. Durch das im Keller getroffene Wasser und dessen Kälte kam ich zu besserem Bewußtsein, ich bemerkte einen trockenen Fleck auf dem Boden des Kellers, woselbst ich mich niederließ. – Ich hatte mich kaum niedergelassen, als ich 12 Uhr läuten hörte und da bei mir selbst dachte, »nun bist du hier so ganz verlassen, es wird dich niemand finden und du wirst hier umkommen,« welche Aussicht meine Augen mit Tränen füllte, bis mich Erbrechen überfallen und ich in dessen Folge das Bewußtsein verloren habe. – Als ich mein Bewußtsein wieder erlangt hatte, fand ich mich in meiner Stube auf dem Bette; ich wollte meinen anwesenden Pflegeltern den Vorfall erzählen, ich war aber zu schwach dazu und konnte nur abgebrochene Worte als »schwarzer Mann, wie Schlotfeger, der schlug mich« vorbringen.

Dies ist eine getreue Erzählung des mir am 17ten (Oktober) zugegangenen Unfalles, der nach meiner festen Überzeugung von eben jenem Manne herrührt, der mich gefangen gehalten und zuletzt hieher nach Nürnberg geführt hat, und welcher, weil er fürchtet, von mir verraten zu werden, mich ums Leben zu bringen trachtet.

Fr. 2: ... Sie wurden ersucht, nächst der Beschreibung auch eine Zeichnung des fraglichen Instrumentes hieher zu geben.

A.: Das ganze Instrument, mit dem ich geschlagen worden bin, war nach meinem Dafürhalten 12 bis 13 Zoll lang, nämlich einschlüssig des hölzernen Heftes. –

Das breite scharfe Eisen desselben war breiter denn 2 Zoll, ich entsinne mich nicht, ein dergleichen Instrument je gesehen zu haben, und zu dessen Versinnlichung ich nachstehendes hieher zeichne.

Wobei K. H. nach einer Feder griff und vermittelst derselben nachfolgende Zeichnung hieherIn den Akten Fol. 115 befindet sich beiliegende, von Hauser am 5. November angefertigte Zeichnung gefertigt hat.

Meine Augen sind noch leidend und daher rührt es, daß ich eine bessere Zeichnung des Instrumentes zu liefern nicht vermag.

Fr. 3: Nach einer früheren Äußerung sind Sie des Dafürhaltens, den Verbrecher schon an der Hand wieder zu erkennen, woher können Sie dieses behaupten?

A.: Zur Zeit, da ich in die große Welt eingetreten, habe ich die Menschen an zufälligen Merkmalen zu unterscheiden gesucht, ich habe namentlich in Gegenwart des Herrn Bürgermeisters Binder bemerkt, daß ich die Madame Ryß an den roten Korallen wieder erkannt habe, welche sie um den Hals zu tragen pflegt.– Herr Bürgermeister Binder verwies mir dieses und lehrte mich, den Menschen selbst und nicht die zufälligen Merkmale desselben genau zu beobachten. – Dies tue ich denn auch seitdem und habe infolge sorgfältiger Beobachtung wahrgenommen, daß keines Menschen Hand der des andern gleich ist. – An den Nägeln, den Gliedern der Finger und der breiten Hand selbst werden Sie an jeder Hand besondere Merkmale finden und ich erachte diese Beobachtung für verlässiger als das Wiedererkennen nach dem Gesichte, welch letzteres sich durch die Zeit, durch Krankheit und andere zufällige Ereignisse leicht verändern kann. – Ich habe Leute aus Ungarn, aus Frankreich, aus Dänemark und anderen Gegenden schon gesehen, ich würde sie vielleicht im Gesichte nicht wiedererkennen, daß ich sie an den Händen jedoch wieder erkennen würde, dies (dessen) bin ich nach der Stärke meiner Eindrücke und der Kraft meines Gedächtnisses fest überzeugt.

Fr. 4: Sie sagten, daß Sie infolge des erhaltenen Schlages zu Boden gefallen; der Verbrecher hatte daher Grund, zu glauben und anzunehmen, daß er den Zweck seiner Übeltat erreicht habe. Unter diesen vorwaltenden Umständen läßt sich nicht glauben, daß der Verbrecher dennoch gesprochen, namentlich geäußert habe: »Du mußt doch noch sterben, ehe du aus Nürnberg kommst«.

A.: Der Mann fühlte gar wohl, daß er an Ort und Stelle wegen Enge des Raumes und Nähe der spanischen Wand außerstande war, einen so kräftigen Schlag zu führen als erforderlich gewesen wäre, um mich zu morden. In diesem Gefühle und weil er sich vielleicht nicht Zeit genommen, mir einen zweiten tödlichen Schlag zu versetzen, sprach er die bezeichneten Worte, die ich recht wohl vernommen, die Stimme des Mannes auch sofort wieder erkannt habe. –

Fr. 5: Die Witwe Zeidtler bekundet, daß Sie kürzlich beim Nachhausegehen vom Herrn Bürgermeister Binder von einer wohlgekleideten Mannsperson mit »bst, bst« angesprochen worden?

A.: Ja, und zwar von einem mir wohlbekannten durchaus unverdächtigen Kommis des Buchhändlers Mainberger. –

Fr. 6: Haben Sie sonst noch etwas anzugeben?

A.: Nein. – Vorgelesen, genehmigt und unterzeichnet: Kaspar Hauser.

Gebärdennote: Hauser deponierte sehr unbefangen und mit vieler Zuversicht. Das geringste Geräusch, namentlich aber die Wahrnehmung, als unter der Vertäfelung vielleicht Ratten oder Mäuse hin- und herliefen, setzte denselben dergestalt in Angst und Schrecken, daß er in entgegengesetzter Richtung Platz nahm und dringendst um Schutz gegen allenfallsige Angriffe bat.

Anhang:

Äußerungen, die Hauser in der Nacht vom 17. auf 18. Oktober 1829 im Fieber machte, und die von den ihm vom Magistrat Nürnberg beigegebenen Wärtern sofort aufgezeichnet wurden. (Akten des Stadtmagistrats Nürnberg, den an K. H. verübten Mordversuch betr. vom Jahre 1829 Fol. 14)

Herrn Bürgermeister sagen – nicht einsperren – Mann weg – Mann kommt – Glocken weg – Gaul weg – Hundl weg, nicht einsperren – auf dem Markt gewesen – weg Mann, kommt Herr Bürgermeister Kartusch geben – weg – Mann kommt – nicht einsperren – schöne Musik – ich nach Fürth hinunter reiten – Mann weg – nicht einsperren – nicht mit nach Erlangen in Wallfisch (zweimal wiederholt) – nicht umbringen – nicht Mund zuhalten – nicht sterben – meine Notdurft verrichten – nicht umbringen – Hauser wo gewesen – beim Herr Dr. Preu – nicht nach Fürth heute – nicht – nicht mehr fort – schon Kopfweh – nicht nach Erlang in Wallfisch – der Mann mich umbringen – Gewiß der Mann, der mich in der Plattner's Anlage umbringen hat wollen – weg – nicht umbringen – ich alle Menschen lieb – niemand nichts getan – Frau Bürgermeisterin mir helfen – Mann dich auch lieb – nicht umbringen – warum Mann mich umbringen – ich auch gern lebe – warum du mich umbringen – ich dir niemals getan – mich nicht umbringen – dich doch bitten, daß du nicht eingesperrt wirst – du hast mich niemals herausgetan aus meinem Gefängnis – du mich gar umbringen – du mich zuerst umgebracht, ehe ich verstanden, was Leben ist – du mußt sagen, warum du mich eingesperrt hast gehabt. – (Diese Worte wiederholte er zum öfteren)

4. Verhör vom 6. November 1829

(Band 2 b = Justizministerialakt 2100, Fol. 40-47)

In Gegenwart (wie 1. Verhör).

Mündlicher Ladung gemäß erscheint Kaspar Hauser, dessen persönliche Verhältnisse dem Protokoll vom 28. Oktober d. J. angefügt sind, und wurde anderweit vernommen wie folgt:

Fr. 7: Auf welche Zeit geht Ihre Erinnerung zurück?

A.: Der Zeit meiner Jugend, welche ich außer der Gefangenschaft verlebt, bin ich mir nicht bewußt; alle meine Erinnerungen rühren aus der Zeit her, wo ich in einem engen Raum und von aller menschlichen Gesellschaft entfernt gehalten worden bin.

Fr. 8: Beschreiben Sie den Ort, wo Sie gefangen gehalten worden sind, und die Art Ihres Gefangenhaltens überhaupt, so treu als möglich?

A.: Der Platz, der zu meinem Gefängnisse auserwählt worden, war 6 bis 7 Schuh lang, vier Schuh breit und 5 Schuh hoch. Ich kann dieses mit Bestimmtheit sagen, da ich über Höhe, Breite und Länge Begriffe habe, auch wohl weiß, welcher Raum unter einem Schuh verstanden wird. Der Boden schien mir aus festgestampfter Erde bereitet worden zu sein und ich sah an derjenigen Stelle desselben, wo er mit Stroh nicht bedeckt war, gelblichen Sand.

In der Vorderseite dieses Kerkers befanden sich zwei kleine Fenster, welche mit Holz verschlichtet waren. Nach meinen inzwischen durch die Erfahrung erlangten Begriffen kann ich annehmen, daß beide Fenster mit klein gebautem Holze verschlichtet gewesen.

Die Fenster waren viereckigt, 8 bis 9 Zoll hoch und breit und bestanden aus einer Tafel von Glas, unterhalb der Decke angebracht.

Die Wände meines Gefängnisses waren von dunkler Farbe, ich meine von Sandsteinen, ohne desfalls jedoch mit Bestimmtheit urteilen zu können, weil ich mich nicht entsinne, die bezeichneten Wände je angetastet zu haben.

Im Innern meines Gefängnisses war es dunkel, immer gleich dunkel; daher ich, als ich frei ward, gegen die Helle sehr empfindlich gewesen bin, jedoch bei Nacht und in einer Dunkelheit, in welcher andere Menschen nichts sehen oder unterscheiden konnten, dennoch genau gesehen habe und unterscheiden konnte. Infolge dieser gleichmäßigen Dunkelheit meines Kerkers fehlte mir in jenem Zustande auch der Begriff zwischen Tag und Nacht.

Die Temperatur meines Aufenthaltsortes war nicht minder gleichmäßig, dergestalt, daß ich darin nie weder Hitze noch Kälte verspürte, mich in dieser Beziehung vielmehr behaglich befunden habe.

Der Boden meines Gefängnisses war etwan zur Hälfte mit Stroh belegt, welches mir zum Lager diente.

Im Boden meines Gefängnisses stand in ausgehöhlter Vertiefung ein Gefäß mit einem Deckel, dessen ich mich zur Verrichtung meiner körperlichen Bedürfnisse bediente, ich meine, daß ein irdener Hafen darin befindlich gewesen und ein- und ausgesetzt worden.

Über den Zugang zu meinem Aufenthaltsorte kann ich aus Wahrnehmung nichts sagen; ich meine jedoch, daß eine kleine Türe dahin geführt und daß solche von außen verriegelt worden.

Meine Füße waren von den Knien an mit einer weißen Decke aus Wolle bedeckt. Zur Bekleidung trug ich am Leibe kurze Beinkleider von schwarzem Leder, hinten offen, einen Hosenträger von schwarzer Wolle und über letzterem ein Hemd.

Meine Nahrung bestand aus Brot und Wasser. Das Brot war schwarz, sogenannter Auszug vom Roggenbrot, in Stücken geschnitten und, obwohl gut und schmackhaft, dennoch fortwährend sehr hart.

Das Wasser ward mir in einem irdenen Gefäße vorgestellt, welches gleich weit war, ohne daß ich jedoch zu urteilen vermag, ob es ein Krug oder Hafen gewesen.

Am Brote hatte ich nie Mangel, wohl aber oft an Wasser. Als mir noch die Begriffe vom Laufe der Dinge mangelten, glaubte ich, daß sich auch mein Trinkgeschirr nach Bedarf von selbst fülle, und ich entsinne mich noch im Gefühle des Schmerzes derjenigen Augenblicke, da ich, um brennenden Durst zu löschen, das leere Gefäß an meinen Mund geführt habe. Die Beschaffenheit des Wassers war meistens rein, doch fand ich dann und wann auch Wasser, das mir durchaus nicht schmeckte und auf welches ich, statt erquickt und erfrischt zu werden, besonderen Hang zum Schlafe fühlte.

Beim Erwachen nahm ich Brot und Wasser, spielte dann mit zwei kleinen Pferden, dann einem noch kleineren Hund aus Holz, bis ich wieder einschlief und wieder erwachte.

Erst in der letzten Zeit meiner Gefangenhaltung, nach meinem Dafürhalten in den letzten 8 bis 9 Tagen vor meinem Transporte hieher, erschien ein Mann bei mir, den ich jedoch nicht beschreiben kann, weil ich ihn weder gesehen noch dessen Stimme gehört habe, da er teils garnicht, teils in verstellter Stimme und leise mit mir gesprochen hat.

Dieser Mann kam in Zwischenräumen von 3 bis 4 Tagen zu mir; er erschien zu drei verschiedenen Malen. Beim ersten Erscheinen stellte er einen ganz niedrigen Stuhl vor mich hin, legte ein Stück Papier und einen Bleistift darauf, nahm meine Hand, gab mir den Bleistift in die Hand, drückte mir die Finger zusammen und schrieb mir etwas vor.

Während dieses ersten Besuches führte mir der Mann 7 bis 8 mal auf die bezeichnete Weise die Hand; diese Beschäftigung gefiel mir und ich schrieb hierauf ohne Führung das nach, was mir der Mann vorgeschrieben hatte.

Bei diesem ersten Besuch sprach der Mann auch nicht eine Silbe; ich habe auch nicht bemerkt, als er eingetreten oder weggegangen ist.

3 oder 4 Tage später kam der Mann zum zweitenmal, er legte mir ebenmäßig, wie beim ersten Male, von hinten her ein kleines Buch vor, nahm meine Hand, legte sie aufs Buch und sprach mir das Wort »Roß« so oft vor, bis ich solches nachsagen konnte; ferner äußerte der Mann dortmals auch: »Im großen Dorf, da ist dein Vater, da bekommst du schöne Roß und dieses merken«, wobei er abwechslungsweise auf die Rosse, dann wieder auf das Buch hinwies, womit er andeuten wollte, daß ich dergleichen Rosse erhalten, dagegen aber bezüglich der Anweisung im Buche gut merken solle.

Und so, wie ich beim ersten Besuche des Mannes die Buchstaben und meinen Namen so schreiben lernte, wie ich bei dem Gefangenwärter Hiltel dahier in der Folge geschrieben habe, so lernte ich beim zweiten Besuche des Mannes sagen »Roß, in dem großen Dorfe, da ist dein Vater und du bekommst schöne Roß«, ferner »ich mögt a sechener Reiter wärn, wie mei Vater g'wehn iß«, welche Worte mir der Mann ebenmäßig während seines zweiten Besuches vielfältig und in solange vorgesagt hat, bis ich solche nachgesprochen.

Nach weiterem Verlaufe von ebenmäßig 3 bis 4 Tagen erfolgte der dritte und letzte Besuch des Mannes.

Er erweckte mich aus dem Schlafs und als ich erwacht war, stand der Unbekannte vor mir, der mir sagte, »daß er mich fortführen wolle«.

Zugleich zog er mir, rücklings hinter mir stehend, Stiefeln an, wobei ich wahrnahm, daß dieser Mann einen kurzen Schalk, kurze schwarze Beinkleider, blaue Strümpfe und Stiefeln am Leibe getragen. Er nahm mich so, wie ich in meinem Gefängnisse gekleidet war, auf den Rücken und trug mich, mit einem Hute bedeckt, gleich vom Kerker aus ins Freie, unmittelbar darauf eine Anhöhe, bald nachher aber einen größeren Berg hinauf.

Es war damals auch im Freien noch nicht helle, was mir genau beifällt, wobei ich jedoch in einen Schlaf verfiel, aus dem ich auf dem Boden liegend erwachte.

Als der Mann merkte, daß ich erwacht war, hob er mich auf, faßte mich unter beiden Armen und lehrte mir das Gehen, indem er meine Füße mit den seinigen fortschob.

Durch die versuchten Schritte fühlte ich mich bald ermüdet, ich weinte über die Schmerzen des Gehens, was meinen Führer zu der Äußerung veranlaßte: »Du mußt gleich aufhören zu weinen, sonst bekommst du kein Roß«, er sagte auch ferner, daß ich die Worte ja recht merken sollte: »Ich möcht a sechener Reiter wärn, woi mei Vater g'wen ist« und plagte mich teils mit diesen Worten, teils mit dem Gehenlernen dergestalt, daß mir zum öfteren das Gesicht verging und ich ausruhen und schlafen mußte.

Beim Weitergehen, und als mein Gang etwas besser worden, neigte mir mein Führer den Kopf gegen den Boden zu und sagte: »Du mußt recht auf den Boden sehen«, was ich ohnedies tat, da mir das Tageslicht gar zu empfindlich fiel.

Nachdem ich, wie schon gesagt, oft ausgeruht und geschlafen, vom Regen durchnäßt und durch Kälte erstarrt worden, namentlich auch einmal Brot, dreimal aber Wasser zu mir genommen hatte, welches mein Führer in einer Bouteille bei sich getragen, so setzte mich der Mann, ohne daß ich es verlangt hatte, auf die Erde und legte mir diejenigen Kleider an, in welchen ich hieher gekommen bin.

Diese Kleider bestanden aus einer Jacke von grauem Tuch, dergleichen langen Beinkleidern, kurzen Stiefeln, rundem Hut, zwei Hemden und zwei Halsbinden. Zur Bezeichnung der Hemden kann ich angeben, daß solche mit einem »G« rot gezeichnet waren, während das Sacktuch, welches ich ebenmäßig mit hieher gebracht habe und auch noch besitze, mit »H« rot bezeichnet ist.

Während ich mit diesen Kleidern angetan worden, stand mein Führer ebenmäßig hinter mir, daher ich ihn auch damals nicht im Gesichte sehen konnte.

Beim Weitergehen sprach mir der Mann noch vielfältig vor: »In dem großen Dorf da ist dein Vater, der gibt dir schöne Roß«, »wenn du a sechener Reiter bist, wie dein Vater g'weh'n, so hole ich dich wieder«, fügte immer aber die ausdrückliche Aufforderung bei: »dieses merken und nicht vergessen.« Unter dieser Äußerung gab mir mein Führer den Brief, den ich mit hieher gebracht habe, in die Hand, und die letzten Worte, die ich von demselben gehört habe, lauteten: »dahin weisen, – wo der Brief hingehört.« Nachdem wir noch ein Weilchen zusammen gegangen waren, der Mann mich namentlich auch noch ein paar Male hatte ausruhen lassen, verließ mich derselbe oder vielmehr, er verschwand, ohne daß ich wahrnahm, ob er zurück oder beiseite gegangen.

An dieser Stelle, wo mich mein Führer verlassen hatte, stand ich ein gutes Weilchen und schon weinte ich ob des Schmerzens meiner Füße vom Gehen auf dem Pflaster der Stadt, als ich jenen kleinen Mann wahrnahm, der mir in der Folge als der Schuhmacher Weickmann vorstellig gemacht wurde, und von dem ich an das Haus des Herrn Rittmeisters v. Wesenich (Wessenig) geführt worden bin. Ich weiß es wohl, daß der Schuhmacher Weickmann angibt, er habe mich nur bis an das Neue Tor geleitet; es verhält sich aber nicht so, und ich kann mit Bestimmtheit versichern, daß ich durch ihn, den Weickmann, unmittelbar an das Haus des Herrn Rittmeisters v. Wesenich geführt wurde.

Fr. 9: Werden Sie die Kleider, in denen Sie hieher gekommen sind, auf Vorzeigen wieder erkennen?

A.: Ja freilich.

Wurden dem Komparenten die mit Schreiben des Magistrats anhero abgelieferten Kleider, bestehend aus einer Jacke von grauem Tuch, dergleichen langen Beinkleidern und einem runden Hute zur Einsicht vorgelegt, welcher hierauf erklärte:

Hut und Kleider sind diejenigen, in denen ich hieher nach Nürnberg gekommen bin. Die Hemden, die ich mit hieher gebracht, sind zerrissen, die Stiefel auch als zerlumpt weggeworfen worden, nur das Schnupftuch besitze ich noch.

Fr. 10: Werden Sie auch den Brief, den Sie mit hieher gebracht haben, auf Vorzeigen wieder erkennen? A.: Ja allerdings.

Wurde dem Komparenten der Fol. 7 der Magistratsakten vom Jahre 1828 befindliche Brief zur Einsicht vorgelegt, welcher hierauf erklärte:

Schon das Äußere des Briefs gibt mir die Überzeugung, daß der hier vorliegende Brief derjenige ist, den ich hieher gebracht und im Hause des Herrn Rittmeisters v. Wesenich abgegeben habe; aber auch nach dem Inhalte erkenne ich solchen an, weil mir der Herr Bürgermeister schon zur Zeit, als ich das Lesen gelernt hatte, diesen Brief gezeigt und zum Selbstlesen vorgelegt hat. Vorgelesen, genehmigt und unterschrieben: Kaspar Hauser.

Gebärde (Note der Kommission).

Hauser bat ausdrücklich um denjenigen Platz, der ihm den Blick auf die Türe gewährte, und obwohl er hier dicht an dem Inquirenten saß, so fuhr er dennoch bei jedem Geräusch an der Türe und deren Eröffnung heftig zusammen. Übrigens deponierte derselbe mit Zuversicht und Bestimmtheit.

5. Verhör vom 7. November 1829 (Fol. 50 – 55).

Fr. 11: Ad respons (Bezüglich Ihrer Antwort auf Frage) 8 dringt sich die Vermutung auf, ob der schwarze Gegenstand vor den Fenstern Ihres Aufenthaltsortes nicht etwan ein Gitter gewesen?

A.: Ich bin zwar in meinem Kerker nie aufgestanden, geschweige denn herum oder an die Fenster selbst hingegangen. Gleichwohl aber getraue ich mir schon aus meinen Wahrnehmungen aus der Entfernung und den inzwischen erlangten Begriffen vom aufgeschlichteten Holz, sogenannten Holzstößen mit Bestimmtheit angeben zu können, daß es Holz gewesen, welches sich vor den Fenstern meines Aufenthaltsortes befunden hat.

Fr. 12: Über die Art und Weise, wie der Mann in den Ort gekommen, der zu Ihrem Aufenthaltsorte bestimmt war, was können Sie desfalls Näheres angeben?

A.: Über die Art und Weise, wie der Mann in meinen Aufenthaltsort gekommen, habe ich eine Wahrnehmung nie gemacht. Da ich jedoch fortwährend mit dem Gesichte gegen die beiden Fenster auf dem Boden lag, so dürfte anzunehmen sein, daß er mir im Rücken eingetreten, welch letzteres ich jedoch sogar nie gehört habe.

Fr. 13: Ist es Ihnen vollkommen bewußt, daß Sie nur zu bestimmten Malen menschlichen Besuch in Ihrem Aufenthaltsort hatten?

A.: Es ist mir genau bewußt und ich kann daher mit Bestimmtheit behaupten, daß der Mann nicht öfter denn zu dreien Malen in meinen Aufenthaltsort gekommen ist. Das erstemal acht bis neun Tage vor meiner Wegschaffung, wo er mir Unterricht im Schreiben gab, das zweitemal, wo er mir das Büchlein vorlegte und (mich) davon unterrichtete, was ich zu sprechen habe, und das drittemal endlich, wo er mich abholte und mich fortgeführt hat.

Fr. 14: Daß Sie schon auf den Grund eines einzigen Unterrichts das Schreiben so erlernt haben sollten, wie bei Hiltel geschehen und durch die Anlage nachgewiesen wird, ist beinahe zu bezweifeln. Unter Vorlegung der Fol. 10 der Magistratsakten befindlichen Schrift mit Bleistift.

A.: Ich entsinne mich recht wohl, die hier vorliegende Schrift beim Hiltel gefertigt zu haben. Daß diese Schrift hübsch ist, kann nicht gesagt werden, und ich schrieb ganz anders und ungleich hübscher und besser, nachdem ich nur zweimal durch Herrn Professor Daumer Unterricht im Schreiben erhalten hatte. Und obwohl ich, wie schon gesagt, nur ein einziges Mal Unterricht im Schreiben während meiner Gefangenschaft erhalten hatte, so beschäftigte ich mich dennoch auch ohne den Mann damit, dasjenige nachzuschreiben, wozu er die Hand geführt und ich in der Folge ohne diese Leitung nachgeschrieben hatte, und daher rührt es, daß ich schon beim Hiltel wenigstens einige Fertigkeit im Schreiben gehabt habe. Übrigens schrieb ich die Buchstaben sowie meinen Namen durchaus ohne allen Begriff. Fr. 15: Auch Ihr Spiel mit den hölzernen Rossen setzt einen Unterricht voraus, daher auch in dieser Hinsicht die Vermutung vorliegt, daß mindestens vielleicht früher ein Mensch sich bei Ihnen eingefunden habe?

A.: Daß weder der Mann noch irgend ein menschliches Wesen, denn zu den drei Malen, die ich bezeichnet habe, in meinen Aufenthaltsort gekommen, kann ich mit Bestimmtheit behaupten. Die hölzernen Pferde befanden sich seit meines Gedenkens zur linken Hand meines Lagers; wie es mir in den Sinn gekommen, damit zu spielen, kann ich mir selbst nicht erklären, obwohl ich mich fortwährend damit beschäftigte, die an den hölzernen Rossen befindlich gewesenen Bänder abzulegen und wieder an die Pferde hinzulegen.

Fr. 16: Zur näheren Bezeichnung der in Ihrem Aufenthaltsorte befindlich gewesenen Pferde, was können Sie desfalls angeben?

A.: Die beiden Pferde waren von Holz, 8 -9 Zoll hoch. Doch getraue ich mir nicht zu behaupten, ob die weiße Farbe derselben Natur oder Folge eines Anstriches gewesen. Das eine Pferd, deren beide gleich groß gewesen und hölzerne Schweife hatten, war mit roten, das andere mit blauen Bändern, 7 bis 8 Stückchen an der Zahl, belegt. Jedes Stückchen Band war 10 bis 12 Zoll lang und ein Zoll breit, entweder aus leinen Zeug oder von Leder, und meine ganze Beschäftigung bestand darin, diese Bandstückchen vom Rücken des Pferdes herab und wieder hinaufzulegen, und obwohl ich den Pferden auch von meinem schwarzen Brote zuerst gereicht und solches dann selbst hinuntergeschluckt, weshalb ich nach meinen damaligen Begriffen gemeint, das Brot sei von den Pferden gefressen worden, so wurde dennoch keines der Pferde von dem ursprünglichen Platze weggerückt. – Erst als der Mann bei mir erschienen war und mir Unterricht im Schreiben erteilt hatte, wobei die Pferde von ihm auf die Seite geschoben worden sind, machte ich die Beobachtung, daß die Pferde von Ort und Stelle weggerückt werden können. Dies freute mich sehr und ich fuhr die Pferde, welche mit vier kleinen Rädern versehen waren, auf meinem Lager liegend hin und her. Dies machte Geräusch, das selbst meinen Ohren wehe tat, aber auch noch die weitere Folge hatte, daß ich einstens während meines Fahrens mit den Pferden einen derben Schlag auf den rechten Arm erhielt, ohne daß ich jedoch den Mann selbst bemerkt oder besonders wahrgenommen habe.

Von diesem Schlage hatte ich damals durchaus keinen Begriff, noch weniger aber kannte ich den Zweck desselben, gleichwohl aber unterließ ich hierauf das Fahren, weil ich bei mir selbst mutmaßte, daß ich bei fernerem Fahren einen abermaligen Schlag als Folge meines Fahrens erhalten könnte.

Was endlich den hölzernen Hund betrifft, der ebenmäßig zur linken Seite meines Lagers stand, so war derselbe nur halb so groß als meine Pferde, höchstens 4½ Zoll hoch und hatte herunterhängende geschnitzte Ohren und dergleichen kurzen Schwanz, weiß wie die Pferde. Auch auf dem Rücken dieses Hundes befanden sich mehrere Stückchen Band von roter Farbe und er war nicht minder mit vier kleinen Rädern versehen.

Das Schnitzwerk an den Pferden und an dem Hund war nicht schlecht, keineswegs aber so schön und regelmäßig wie an denjenigen Spielsachen, welche ich während meines Hierseins gesehen habe oder öffentlich verkauft werden.

Fr. 17: Schon aus Ihren Angaben zu Frage 8 geht hervor, daß Sie auch in dem mehrerwähnten Aufenthaltsort an Ordnung gewöhnt waren; es hat auch der Gefangenwärter Hiltel [s. Note 93] ausdrücklich bekundet, daß Sie einen reinlich gehaltenen Körper mit hieher gebracht haben, was alles eine besondere Anweisung voraussetzt? Da Sie sich desfalls noch nicht erklärt haben, so hat dies nachholend zu geschehen?

A.: Vom Waschen des Körpers hatte ich in meinem Aufenthaltsorte durchaus keinen Begriff. Nie aber habe ich meinen Aufenthaltsort durch meine Leibesöffnung verunreinigt; ich habe mich hiezu jederzeit des schon bezeichneten Loches bedient, dessen Deckel ich auch jedesmal weggeschoben und sodann wieder daraufgeschoben habe. Daß mir dies gelehrt worden, davon bin ich lebhaft überzeugt, es ist mir desfalls jedoch durchaus nichts erinnerlich.

Nach meinen nun erlangten Kenntnissen von der Beschaffenheit des Körpers bin ich zwar wohl selbst überzeugt, daß mir auch während meiner Gefangenschaft die Hemden gewechselt und Haare und Nägel abgeschnitten worden, da ich mir desfalls aber nicht das Geringste bewußt bin, so dürfte anzunehmen sein, daß die bezeichneten Verrichtungen, während ich geschlafen, vor sich gegangen, zumal mein Schlaf vornehmlich sonst außerordentlich fest war.

Fr. 18: Über die Art und Weise, wie Sie selbst aus dem Orte Ihrer Gefangenschaft herausgekommen, und Ihre Wahrnehmung hierbei, was können Sie desfalls näher angeben?

A.: Nachdem mich der Mann auf seinen Rücken genommen und sich beim Fortgehen auch gebückt hat, so stieß mein Kopf dennoch bei einem Hinweggleiten etwas an, was mir die Überzeugung gewährt, daß ich durch eine niedere Türe des Ortes meiner Gefangenhaltung hindurch getragen worden.

Eine besondere Wahrnehmung machte ich aber dabei nicht, ich muß über die Art meiner Wegschaffung jedoch noch bemerken, daß mir der Mann, ehe er mich auf den Rücken genommen, mir zuvor auch die beiden Hände mit einem weißen Tuche bei den Handgelenken zusammengebunden hat, diese meine beiden Hände sich sodann um seinen Hals gelegt und mich auf diese Weise fortgetragen hat.

Übrigens habe ich deutlich wahrgenommen, daß ich von meinem Aufenthaltsorte unmittelbar aus ins Freie und gleich nachher eine Anhöhe oder einen Berg hinaufgetragen worden.

Fr. 19: Wie lange Zeit glauben Sie von dem Orte Ihrer Gefangenschaft bis hieher sich unterwegs befunden zu haben?

A.: Vor allem muß ich bemerken, daß ich bei meinem Eintritt in die große Welt, oder als ich hier zum Bewußtsein gekommen bin, so oft mir das Gesicht durch die Sonne oder infolge allgemeiner Ermüdung vergangen, ich jederzeit gesagt habe: es wird Nacht.

In meiner Lebensgeschichte habe ich daher auch oft vom Nachtwerden gesprochen, was nur in dem oben erwähnten Sinn zu verstehen ist. Übrigens kann ich über die Dauer meiner Reise nach Tag und Nacht nicht urteilen.

Wenn ich jedoch berücksichtige, daß ich während meiner Hieherschaffung nur ein einzigesmal Brot und das in geringer Quantität, gegessen habe, daß ich nicht mehr denn dreimal Wasser getrunken, auf der ganzen Tour mein Wasser nur einmal abgeschlagen, eine Leibesöffnung aber gar nicht gehabt habe, so möchte aus diesen Umständen wohl mit Bestimmtheit anzunehmen sein, daß ich nicht länger denn eine Nacht und einen Tag unterwegs gewesen, daß ich nimmermehr aber viel länger denn diese Zeit unterwegs gewesen.

Daß jedenfalls aber auch in dieser Zeit nur ein sehr geringer Raum von mir und meinem Führer durchwandert worden sein kann, ist mit Bestimmtheit anzunehmen, weil ich, als des Stehens und Gehens durchaus unkundig, nur wenige Schritte gehen, dann ausruhen mußte und dann erst wieder gehen konnte.

Fr. 20: Nachdem Sie an dem Manne wahrgenommen, daß er mit einem Schalk, kurzen Beinkleidern, Stiefeln und blauen Strümpfen angetan gewesen, so läßt sich annehmen, daß Sie auch dessen Gestalt, Größe, Gesichtszüge und dergleichen ins Auge gefaßt?

A.: Ich entsinne mich, wahrgenommen zu haben, daß der Mann keinesfalls klein war, er näherte sich vielmehr mehr der größeren als der mittleren Statur. Brust und Schultern waren breit, was ich besonders wahrnahm, als ich mich auf dessen Rücken befunden. Würde ich eine nähere Bezeichnung des Mannes geben, so spräche ich nicht aus eigener Wahrnehmung und kann daher lediglich versichern, daß ich insonderheit über das Gesicht des Mannes durchaus keine Auskunft zu geben imstande bin. Vorgelesen, genehmigt und unterzeichnet: Kaspar Hauser.

6. Verhör vom 9. November 1829 (Fol. 64 - 68).

Fr. 21: Über äußere Dinge, Ereignisse usw., welche Wahrnehmungen haben Sie desfalls hieher auf Ihrer Reise gemacht?

A.: Der Eindruck der äußern Luft, das Sonnenlicht und die verwirrende Masse der unendlichen Mannigfaltigkeit von Gegenständen in der mir ganz neuen Welt betäubte dergestalt meine Sinnen, daß mir das Gesicht oft ganz verging und daß ich mich fortwährend in einem betäubten Zustande befand. Zur gestellten Frage vermag ich daher nur soviel anzugeben, daß ich einen andern Berg oder Anhöhe, denn jene ganz am Anfang meines Transportes nicht hinaufgekommen bin. Ebenso glaube ich mit Bestimmtheit sagen zu können, daß ich einen Berg hinunter während der ganzen Reise nicht gekommen, daß mir endlich auch nicht erinnerlich ist, Wasser oder eine Brücke auch nur mit einem Blicke auf der Reise gesehen zu haben.

Fr. 22: Über die Beschaffenheit des Weges und dessen Umgebung, was haben Sie desfalls bemerkt?

A. Während der ganzen Reise kam ich auf keinen Fahrweg, geschweige denn auf Chausseen.

Der Weg ging fortwährend auf weichem Sand von gelblicher Farbe und ich entsinne mich, zu verschiedenen Mal über sogenannte Fußsteige geschritten zu sein. Ich bin noch nie weit über die Stadt hinausgekommen, daher ich denn auch nur auf der Peterhaide Ähnlichkeit mit dem Wege meiner Reise bemerkt habe.

Fr. 23: In welcher Richtung hatten Sie während Ihrer Reise hieher die Sonne?

A.: Am Anfang meiner Reise und nachdem mir schon zu verschiedenen Malen Unterricht im Gehen erteilt worden war, bemerkte ich ganz besondere Hellung im Gesicht und sohin gegen mein Gesicht gekehrt, welches Licht sich beim weiteren Fortschreiten minderte. Dies ist mir erinnerlich, ohne weitere Wahrnehmungen gemacht zu haben.

Fr. 24: Nach dem, was Sie am Schlusse Ihrer Angabe ad inter (zu Frage) 8 sagten, so wurden Sie innerhalb der Stadt von Ihrem Führer verlassen? Warum haben Sie Ihrer Gefühle, Ihrer Wahrnehmungen nicht erwähnt, als Sie die Stadt, deren Gebäude usw. erblickt?

A.: Wie ich in die Stadt gekommen, dessen bin ich mir durchaus nicht bewußt, ich habe auch die Stadt weder in der Entfernung noch in deren nächster Umgebung bemerkt, weil ich, mit der Haltung meines Körpers beschäftigt, nur vor mich hin auf den Weg sah, auch durch die Schmerzen meiner Augen und aller meiner Glieder von äußeren Gegenständen durchaus abgezogen war.

Fr. 25: Zwischen dem Manne, der Sie hieher geführt und jenem, der Sie in Ihrem Aufenthaltsorte besucht hat, welche Ähnlichkeit oder welche Verschiedenheit haben Sie desfalls wahrgenommen?

A.: Die Stimme, welche ich in meinem Aufenthaltsorte, auf meiner Reise hieher und endlich am 17. v. Mts. auf dem Abtritte meines Hauses vernommen, gibt mir die feste Überzeugung, daß es ein und derselbe Mann gewesen, der mich zu dreimalen im Orte meiner Gefangenschaft besucht, mich darauf hieher geführt und es endlich am 17. Oktober versucht hat, mich umzubringen.

Dieser Mann sprach zwar jederzeit leise und mit verstellter Sprache, jedoch dergestalt gleichförmig, daß ich mit Bestimmtheit sagen kann, daß es ein und dieselbe Person war, mit der ich angegebenermaßen zusammen gekommen bin und deren Stimme ich vor allen übrigen der Welt wieder erkennen werde.

Fr. 26: Besinnen Sie sich und geben Sie an, ob Ihnen der bezeichnete Mann auch sonst bei irgend einer Gelegenheit zu Gesicht gekommen oder dessen Stimme vernommen?

A.: Der fragliche Mann ist mir sonst nie zu Gesicht gekommen, ich habe auch seine Stimme nie vernommen.

Eine große Angst fühlte ich zwar am 24. Juni d.J., als ich ganz allein bei schönem Wetter durch die Plattnersche Anlage ging und aus einem Gesträuche ein Geräusch der Art vernahm, als wolle jemanden hinter der Hecke aufstehen. Da ich jedoch damals weder irgend eine Gestalt gesehen noch irgend eine Stimme, geschweige einen Wortlaut gehört habe, so kann ich über den Ursprung des wahrgenommenen Geräusches denn auch keine Auskunft geben. Ich kann mir meine Ängstlichkeit daher zwar nicht erklären, dennoch aber war mein Gefühl von ganz besonderer Furcht; es kam mir der Mann im Sinne (in den Sinn), der mich hieher geführt hatte und ich fürchtete, wie schon gesagt, ganz ohne nähere Veranlassung, daß mir jener Mann etwa Leides zufügen möchte.

Fr. 27: Durch Spaziergänge, sonderheitlich aber durch Ihr Reiten, haben Sie die Umgegend der Stadt wohl kennen gelernt; in welcher Richtung glauben Sie, hieher gekommen zu sein?

A.: Was ich nicht überzeugt bin und was ich nicht gewiß weiß, darf und kann ich nicht sagen, daher ich denn zu dieser Frage Auskunft zu geben nicht vermag.

Fr. 28: Daß Sie unterwegs auf Menschen gestoßen, muß allen Umständen nach angenommen werden; welche Wahrnehmungen haben Sie desfalls gemacht?

A.: Auf meiner ganzen Reise entsinne ich mich nicht, weder einen Menschen, noch irgend ein Gebäude bemerkt oder wahrgenommen zu haben. Der Schuhmacher Weickmann, der mich, wie er mir selbst erzählte, in der Gegend des Unschlitthauses gefunden hat, ist das erste menschliche Wesen, dessen ich mir bewußt bin, daher ich auch nicht wenig erstaunte, als ich vor dem Hause des Herrn Rittmeisters v. Wesenich noch mehrere Menschen gesehen habe.

Fr. 29: Außer den Ihnen schon am 6. November vorgezeigten Kleidungsstücken brachten Sie noch einiges mit hieher. Was ist Ihnen desfalls bekannt?

A.: Wie ich aus dem Munde des Herrn Bürgermeisters Binder vernommen, so fanden sich in den Kleidern, die ich am Leibe hieher gebracht habe, ein Gebetbuch, ein Rosenkranz und ein Schlüssel vor; ich weiß jedoch nicht, wie diese Stücke in meine Kleider gekommen sind, noch wie es sichs desfalls überhaupt verhält. Diese Stücke sind mir auch lediglich in der Folge und zwar aus der Hand des Herrn Bürgermeisters Binder zu Gesicht gekommen.

Wurden dem Komparenten die mit Schreiben des Magistrats de pr. 3ten abgegebenen Gegenstände zur Einsicht vorgelegt, welcher hierauf erklärt:

Nur hinsichtlich des in Leder gebundenen Gebetbüchleins (Geistliches Vergißmeinnicht betitelt), kann ich angeben, daß solches dasjenige Büchlein ist, welches mir der Mann bei seinem zweiten Besuche vorgelegt und hinterlassen hat. Was hier weiter vorliegt, kam mir, wie schon gesagt, erst bei dem Herrn Bürgermeister Binder zu Gesicht und ich kann desfalls nichts angeben.

Fr. 39: Wenn man Sie in diese und jene Gegenden hinausführen sollte, um sie genau zu besehen und anzugeben, ob Ihnen solche bereits zu Gesicht gekommen, werden Sie sich in dieser Beziehung zu urteilen getrauen?

A.: Über die Gegenden und sonstigen Gegenstände der Natur werde ich wohl schwerlich je zu urteilen vermögen; dagegen würde ich den Ort meiner Gefangenhaltung, und wenn er auch inzwischen sollte verändert worden sein, alsbald wieder erkennen, vorausgesetzt nämlich, daß er nicht ganz zusammengerissen oder vernichtet worden; denn mein Gefühl ist äußerst stark und treu und leitet mich auch ohne zureichenden Grund richtig und vollständig, ja es sagte mir sogar am 16. und 17. Oktober durch eine innere fortwährende Angst, daß ich einen Unglücksfall werde zu bestehen haben, wesfalls ich mich auch mitgeteilt haben würde, wenn ich nicht schon hie und da ein Hasenfuß genannt worden wäre, welcher Äußerung ich mich nicht abermals aussetzen wollte.

Fr. 31: Sie sagten ad inter. (zu Frage) 9, daß sich das Schnupftuch, welches Sie mit hieher gebracht haben, noch in Ihrem Gewahrsam befindet; übergeben Sie solches.

A.: Das hier vorliegende Sacktuch ist von mir hieher gebracht worden, daher ich solches, wie hiermit geschieht, übergebe.

Wobei Komparent ein weiß und rotes Sacktuch, K. H. bezeichnet, übergeben hat.

Fr. 32: Haben Sie sonst noch etwas anzugeben?

A.: Nein, durchaus nichts.

Vorgelesen, genehmigt und unterzeichnet: Kaspar Hauser.

Gebärde(nnote der Kommission): Ruhig und gelassen, und hat K. H. ausdrücklich erklärt, daß er sich seit gestern, wo ihm das Allerhöchste Reskript dd. München, 1. November 1829Durch dieses Reskript wurde eine Belohnung von 500 fl. auf die Entdeckung des Täters ausgesetzt und befohlen, daß alle Vorsichtsmaßregeln zur künftigen Sicherung Hausers ergriffen werden sollten. vorgezeigt worden, sehr beruhigt fühle. –

7. Verhör vom 4. Dezember 1829.

(Bd. 2d = Justizministerialakt 2102, Fol. 63 – 64)

In Gegenwart (wie oben).

Fr. 33: Die Beschaffenheit Ihres Kerkers betreffend, bestehen Sie desfalls auf dem, was Sie bisher und insonderheit über die Beschaffenheit der Fenster angegeben haben?

A.: Meine Angabe über die Beschaffenheit meines Kerkers ist so genau und auf meine genaueste Wahrnehmung gegründet, daher ich durchgehends dabei bestehen muß. Insonderheit liegt es mir in der Erinnerung klar vor Augen, daß mein Kerker mit zwei kleinen viereckigen Fenstern, 8 – 9 Zoll hoch und eben so breit, versehen war und daß diese Fenster 9 – 10 Zoll, höchstens aber ein Schuh von einander gestanden sind.

Fr. 34: Aus dem Orte Ihrer Gefangenhaltung entsinnen Sie sich von daher der sinnlichen Wahrnehmung des Läutens mit Glocken?

A.: An dem Orte meiner Gefangenhaltung habe ich gar nie auch nur das geringste gehört. Als ich den ersten Laut der Glocke hier in Nürnberg auf dem Turme des Hiltel vernommen, gefiel mir solches zwar wohl, es machte jedoch einen ganz besonderen Eindruck auf meine Ohren, welche es sonderbar erschüttert hat.

Übrigens habe ich nie irgend einen Laut oder Geschrei eines Tieres, ja sogar nie weder Donner noch Blitz wahrgenommen. Das erste Gewitter, dessen ich mir ebenmäßig beim Hiltel bewußt bin, flößte mir Angst und Schrecken ein, dergestalt, daß ich heftig weinte.

Fr. 35.: Werden Sie den Hosenträger, den Sie bei Ihrer Gefangenschaft getragen, auf Vorzeigen wiedererkennen?

A.: Nicht leicht, weil ich den Hosenträger nicht gesehen habe und nur auf Grund meiner hier erlangten Begriffe zu sagen vermag, daß der Hosenträger von Wolle war und mich, weil er auf dem bloßen Leibe lag, sehr auf der Schulter kratzte.

Wurde dem Komparenten der im Hause des Mesners SchreyDer Mesner Schrey, genannt Agathen, zu Mariahilf (bei Neumarkt, Oberpfalz) war in Verdacht geraten, daß er derjenige sei, bei dem Hauser gefangen gehalten worden war. Bei einer Haussuchung waren bei ihm die oben erwähnten Hemden, Hosenträger und Lederstückchen gefunden worden, die in dem Verhör Hauser vorgelegt worden sind. Nach umfangreichen und langwierigen Untersuchungen mußte jedoch der Verdacht gegen Schrey fallen gelassen werden. Hickel beschreibt im Briefe Nr. 15 S. 51 seine Recherchen in dieser Sache. zur Hand genommene Hosenträger aus Tuchwand zur Einsicht vorgelegt, welcher hierauf bemerkte:

Dieser hier vorliegende Hosenträger kann unmöglich von mir getragen worden sein; einesteils ist derselbe viel zu lang, andernteils aber glaube ich nicht, daß mein Hosenträger, so wie der vorliegende, Querleisten über die Brust herüberlaufend gehabt hat.

Fr. 36: Sie sagten, in dem Orte Ihres Gefangenhaltens mit schwarzledernen Beinkleidern angetan gewesen zu sein. Da sich Lederstücke vorgefunden haben, welche man Grund hat, Ihnen zur Einsicht vorzulegen, so geschieht solches. Unter Vorlegung der im Hause des Mesners Schrey zu Gerichtshänden genommenen Lederstücke.

A.: Ich trug in meinem Gefängnis allerdings schwarzlederne Beinkleider, deren Leder war jedoch milder und weniger steif als das hier vorliegende Leder.

Fr. 37: Auch alte Hemden wurden vorgefunden, welche man Ihnen vorzuzeigen sich veranlaßt findet. Unter Vorlegung der im Hause des Meßners Schrey zu Gerichtshänden genommenen Hemden.

A.: So garstige Hemden hatte ich nie am Leibe. Die meinigen waren jederzeit weiß, nicht vergraut, nicht zerrissen. In Hemden der Beschaffenheit, wie die vorliegenden, hätte ich ja Ungeziefer, das ich nie gehabt, bekommen müssen.

Fr. 38: Haben Sie sonst noch etwas anzugeben?

A.: Nein. – Vorgelesen, genehmigt und unterschrieben: Kaspar Hauser.

Note: Höchst unbefangen, jedoch ad int. 37 unter Abscheu und Schütteln vor Entsetzen.

II. Verhöre Hausers vor dem Kreis- und Stadtgericht Ansbach.

Hauser wurde nach seiner im Ansbacher Hofgarten am 14. Dezember 1833 erhaltenen Verwundung von einer Kommission des Ansbacher Kreis- und Stadtgerichts auf dem Totenbette dreimal vernommen. Im folgenden die darüber aufgenommenen Protokolle.

l. Verhör vom 14. Dezember 1833, abends 5 ½ Uhr.

(Bd. 5a – Justizministerialakt 2113, Fol. 6 ff.)

In Gegenwart des Kgl. Kreis- und Stadtgerichtsrats Waltenmeir und des Kgl. Kreis- und Stadtgerichtsschreibers Traumüller.

Unmittelbar nach geschehener Wundbeschau schritt man, so viel es tunlich war, zur Vernehmung des K. H. selbst, wie folgt. Vor allem wird vorausgeschickt, daß K. H. gleich beim Eintreffen der Gerichtskommission teils zu den Umstehenden, teils gegen den unterzeichneten Gerichtskommissar selbst sich in folgenden abgebrochenen Sätzen äußerte:

»Hofgarten, bei Uz, großer Mann, schwarzer Backenbart und schwarzer Schnurrbart, mehr alt als jung, hatte einen Mantel an.«

Auf kurze Fragen um nähere Bezeichnung erwiderte er:

»Kann nicht angeben; als ich den Stich hatte, gleich davon gelaufen, – an dem Ort muß ein Beutel liegen.«

Darauf gründete man nun die nachstehende Vernehmung.

Fr. 1: Sie haben angegeben, heute im Hofgarten gewesen zu sein. Wann war dieses?

A.: Nach 3 Uhr.

Fr. 2: Was hat Sie denn bewogen, in den Hofgarten zu gehen?

A.: Ach, es hat mich ja jemand bestellt.

Fr. 3: Wo ist diese Bestellung geschehen?

A.: Da herunten vor der Stiege, wo man in das Appellationsgericht hinaufgeht.

Fr. 4: Um welche Stunde wurden Sie bestellt?

A.: Zwischen 3 und 4 Uhr wurde ich in den Hofgarten hineinbestellt, aber um 9 Uhr vormittags, wie ich in das Appellationsgericht hineinging, kam der Mann.

Fr. 5: Mit welchen Worten erfolgte denn die Bestellung?

A.: Warten Sie noch ein wenig, ich habe Schmerzen auf der Brust.

Man hat dieser Äußerung zufolge die Vernehmung abgebrochen, besonders da H. hierauf etwas irre sprach und, wie es schien, Herrn Pfarrer Fuhrmann, der inzwischen kam, nicht kannte. Auch rief er: »Die Mutter (Lehrer Meyers Schwiegermutter meinend) will ich.«

Als man später um 9 Uhr die Vernehmung mit H. fortsetzen wollte, fand es der k. Medizinalrat Dr. Horlacher, der sich inzwischen eingefunden hatte, nicht mehr ratsam, ihn heute noch zu stören, besonders da er schlummerte.

2. Verhör vom 16. Dezember 1833, vormittags 9 Uhr (Fol. 46 ff).

In Gegenwart (wie oben).

Nachdem Herr Medizinalrat Dr. Horlacher und Herr Landgerichtsphysikus Dr. Albert dem unterzeichneten Kommissär mündlich erklärt hatten, daß die Vernehmung des K. H. heute geschehen könne und daß man hiebei nur zu berücksichtigen habe, daß sie nicht zu lange in einem fort dauere, so begab man sich in die Wohnung des K. H. und traf denselben im Bette liegend bei vollkommenem Bewußtsein an. Man schritt hierauf zur Vernehmung selbst, wie folgt:

Fr. 6: Sie haben schon bei Ihrer Vernehmung am verflossenen Samstag angegeben, daß Sie an diesem Tage im Hofgarten gewesen seien, geben Sie genau die Stunde an, wann dieses geschah?

A.: Um halb 3 Uhr bin ich von Herrn Pfarrer Fuhrmann fort und in den Hofgarten gegangen.

Fr. 7: Was hat Sie denn veranlaßt, in den Hofgarten zu gehen?

A.: Ich bin bewogen worden durch die Einladung, daß mir alles im Hofgarten gezeigt werden würde von dem Brunnen, der dort gegraben wird.

Fr. 8: Wer hat diese Einladung Ihnen gemacht?

A.: Derjenige, der mich eingeladen hat auf dem Tennen, wo man ins Appellationsgericht hinaufgeht, schien mir ein Arbeiter zu sein.

Fr. 9: Wie sah denn dieser Mensch aus?

A.: Er war nicht großer, sondern mittlerer Statur, im mittleren Alter und hatte einen blondenDas Wort »blonden« ist in dem Text des Protokolls hineinkorrigiert, so daß die Behauptung Hausers im 3. Verhör, er habe den Schnurrbart des Mannes als schwarz bezeichnet und der Gerichtsschreiber müsse sich verschrieben haben, in diesem Umstand eine Stütze findet. Schnurrbart. Er trug einen Kittel.

Fr. 10: Können Sie seine Gesichtsfarbe, die Farbe seiner Augen und Haare nicht mehr beschreiben?

A.: Seine Gesichtsfarbe war blaß, seine Augen schwarz und seine Haare braun oder schwarz. Er trug eine Kappe auf dem Kopf.

Fr. 11: Was hatte er für Beinkleider an?

A.: Das weiß ich nicht, da hab' ich ihn nicht angesehen.

Fr. 12: Um welche Stunde kam dieser Mann zu Ihnen, der Sie in den Hofgarten eingeladen hatte?

A.: Um ein Viertel über 9 Uhr, da ging ich vom Herrn Pfarrer Fuhrmann weg ins Appellationsgericht hinein. Der Mann stund schon da in dem Tennen zur ebenen Erde, ehe man die Treppe hinaufgeht. Er sagte zu mir: »Eine schöne Empfehlung vom Herrn Hofgärtner und ich sollte so nach 3 Uhr in den Hofgarten hineingehen, wo mir die Tonarten am artesischen Brunnen gezeigt würden.«

Fr. 13: Was haben Sie auf diese Einladung erwidert?

A.: Ich sagte darauf: »Ich komme.«

Fr. 14: Hat dieser Mann denn nichts weiteres gesprochen?

A.: Nein, er ging fort.

Fr. 15: Wie war denn seine Sprache, sowohl inbezug auf den Klang derselben als auch auf den Dialekt?

A.: Er hatte eine Baßstimme, den Dialekt konnte ich aber nicht erkennen, weil er zu wenig sprach.

Fr. 16: Welchen Weg haben Sie vom Herrn Pfarrer Fuhrmann aus in den Hofgarten und in diesem selbst genommen?

A.: Durchs neue Tor hinaus, zum Herrn Generalkommissar (Präsidentenhaus) herunter und bei Freiberg hinein. Wie ich im Hofgarten angekommen war, ging ich gerade auf den artesischen Brunnen zu und als ich dort niemanden antraf, ging ich weiter den Weg auf das Uzsche Denkmal zu. Wo die zwei Sitzsteine sind, links, wenn man vom Glashause herkommt, wo sich ein Gebüsch befindet, gab mir dieser Mann einen Beutel, und als ich ihn nehmen wollte, stach er mich in die Seite.

Fr. 17: Sie haben in Ihrer Antwort zu dieser Frage sich des Ausdruckes bedient »dieser Mann«; was verstehen Sie darunter?

A.: Ich meinte: der Mann, der mir den Beutel gab, gab mir einen Stich.

Fr. 18: Was hat sich dieser Mann hiezu für eines Instrumentes bedient?

A.: Das weiß ich nicht, weil ich mehr auf den Beutel sah, ich glaube, es wird ein Stilett gewesen sein, es hat mir lang geschienen.

Fr. 19: Beschreiben Sie auch diesen Mann, der Ihnen im Hofgarten den Stich beigebracht hat.

A.: Der war etwas größer als jener, der mich bestellt hat, und hatte einen schwarzen Schnurrbart und schwarzen Backenbart.

Fr. 20: Wie war die Farbe seiner Augen, Haare und seines Gesichts?

A.: Er hatte ein rotes Gesicht, dunkelbraune Haare; wie aber die Farbe der Augen ist, weiß ich nicht. Ich gewahrte ihn erst, als ich schon ganz nahe am Denkmal war.

Fr. 21: War er groß oder klein, jung oder alt?

A.: Er war über die mittlere Statur und mag 50-54 Jahre alt sein.

Fr. 22: Hat dieser Mann etwas gesprochen?

A.: Er sagte: »Ich mache Ihnen den Beutel zum Präsent«, und wie ich ihn nehmen wollte, hat er mich gleich hineingestochen.

Fr. 23: Wie war dieser Mann gekleidet?

A.: Daß er einen Mantel trug, das weiß ich, aber von welcher Farbe dieser war, weiß ich nicht. Doch hatte der Mantel nur einen Kragen, der, glaube ich, über die Ärmel hinunterreichte. Auch hatte er einen runden schwarzen Hut auf. Was er unter dem Mantel anhatte, weiß ich nicht.

Fr. 24: Was geschah nach dem Stich?

A.: Ich lief gleich nach Hause und ließ den Beutel fallen und lief so stark, daß mich niemand einholen konnte. Ich sah mich nicht mehr um und weiß daher auch nicht, was der Mann getan oder wohin er sich gewendet hat.

Nachdem H. über zunehmende Schwäche klagte, hat man die Vernehmung vorläufig geschlossen, demselben noch einmal wortdeutlich vorgelesen und an ihn nur noch die

Fr. 25 gestellt: Ist alles richtig niedergeschrieben und haben Sie daran nichts abzuändern oder beizusetzen?

A.: Ja, ganz richtig, und ich habe nichts abzuändern.

Die Leute meinen immer, es hätte mich niemand gestochen. Ich hab's schon gehört, vom Herrn Meyer, sie haben leise unter einander gesprochen.

Zur Bestätigung unterschreibt derselbe eigenhändig.

Gebärdennote: Trug die Antworten auf die an ihn gestellten Fragen mit anscheinender Gemütsruhe und zusammenhängend vor.

Die Antworten wurden wörtlich, wie er sie gab, niedergeschrieben. –

3. Verhör vom 17. Dezember 1833, vormittags 11 Uhr. (Fol. 94 ff.)

In Gegenwart (wie oben).

Heute verfügte man sich abermals in die Wohnung des K. H., traf denselben zwar im Bette liegend, jedoch bei vollkommen gutem Bewußtsein an, ermahnte ihn sofort zur Angabe der Wahrheit und vernahm ihn weiters, wie folgt:

Fr. 26: Sie haben angegeben, vergangenen Samstag um ein Viertel nach 9 Uhr vormittags in dem Gebäude des Appellationsgerichtes von einem Mann in den Hofgarten hinein bestellt worden zu sein, haben Sie diesen Mann früher niemals gesehen?

A.: Nein, ich hab' mir gedacht, es sei ein Arbeiter, weil er vom Herrn Hofgärtner eine Empfehlung ausrichtete; man möchte darüber doch auch den Herrn Hofgärtner fragen, ob er keinen solchen Arbeiter hat, mit einem schwarzen, breiten Schnurrbart.

Fr. 27: Sie haben aber gestern angegeben, der Schnurrbart desjenigen, der Sie bestellt hatte, sei blond gewesen?S. vorige Note.

A.: Da haben Sie sich verschrieben, ich habe deutlich gesagt, daß er einen bräunlichen, ins Schwarze gehenden Schnurrbart hatte. Vergessen Sie nicht, daß das abgeändert wird. Ich muß es beim Vorlesen überhört haben, denn sonst hätte ich es auf der Stelle bemerkt.

Fr. 28: War irgend jemand zugegen oder ist irgend jemand vorbeigegangen, während Sie mit dem Manne sprachen, der Sie in den Hofgarten bestellte?

A.: Nein, ich habe wenigstens niemand bemerkt. Wenn arme Leute kommen, die passen auch immer da auf, so z. B. eine gewisse Feigelein, der ich immer etwas gebe, so auch die Tuchmacherswitwe Weigel, die paßt immer da auf.

Fr. 29: Haben Sie auch außer dem Manne, der Ihnen im Hofgarten den Stich beibrachte, im Hinein- oder Hinausgehen vom Hofgarten niemand gesehen, der mit Ihnen gleichzeitig im Hofgarten war?

A.: Nein, es ist mir niemand begegnet. Wenn mir nach dem Stich auch jemand begegnet wäre, so hätte ich ihn nicht gesehen, denn ich war ganz außer mir vor Schrecken. Ich habe auch gehört, daß mir außer dem Hofgarten viele Leute begegnet sind, ich habe aber keinen Menschen gesehen.

Fr. 30: Auf welchem Weg sind Sie denn nach dem Stich zurückgelaufen?

A.: Ich bin gleich über alle Felder und das Gras hinüber und (in) ganz gerader Richtung auf das eiserne Gittertor zugelaufen und habe gar den Weg nicht beobachtet und gekannt.

Fr. 31: Sie haben angegeben, vorerst, als Sie in den Hofgarten hineingingen, auf den artesischen Brunnen zugegangen zu sein und erst, als Sie dort niemand antrafen, in die Gegend des Uzschen Denkmals hingegangen zu sein. Da Sie nun einmal an den artesischen Brunnen bestellt waren, was bewog Sie denn, ihrem Wege diese soweit veränderte Richtung zu geben?

A: Das war mein gewöhnlicher Spaziergang. Ich ging öfters im Hofgarten spazieren.

Fr. 32: Haben Sie von Ihrer Einladung in den Hofgarten irgend jemand etwas gesagt?

A.: Keinem Menschen. Auch früher war ich schon einmal in den Hofgarten eingeladen, wie bei Herrn Generalkommissär der letzte Ball war, da war mir aber das Wetter zu schlecht. Damals habe ich es der Frau Oberleutenantin HickelDiese Angabe Hausers wird von Frau Hickel in ihrem Verhör vom 24.12.33 (2114 F. 336 – 38) bestätigt. gesagt. Die wird es Ihnen auch sagen können, wenn sie sich noch erinnert.

Fr. 33: Wer hat Sie denn damals eingeladen?

A.: Derselbe Mensch, der mich am Samstag eingeladen hat. Eben darum war ich überzeugt, daß es ein Arbeiter vom Hofgärtner sein müsse, und habe deswegen zum zweiten Male nichts mehr gesagt.

Fr. 34: Wann und wo geschah denn diese erste Bestellung?

A.: Um halb 9 Uhr beiläufig, etwas nachher, und an dem nämlichen Platze wie am Samstag.

Fr. 35: Mit welchen Worten geschah denn damals die Bestellung?

A.: Er sagte: eine Empfehlung vom Herrn Hofgärtner und ich sollte hineinkommen auch in den Hofgarten zwischen 3 und 4 Uhr an den artesischen Brunnen, wenn ich die Tonarten sehen wollte.

Fr. 36: Sie haben angegeben, von dem Mann, der Ihnen den Stich beibrachte, einen Beutel erhalten zu haben; wie sah denn dieser Beutel aus?

A.: Ja, einen leeren Beutel meinem Anfassen nach, weil er mir ihn in die Hand gab, wo die Schnüre zusammengehen; wie er aber aussah, weiß ich nicht, weil, wie ich den Beutel anfaßte, ich gleich den Stich erhielt und ich ihn fallen ließ. Ich habe Herrn Meyer gesagt, man möchte sogleich hineingehen, um ihn, wenn man ihn noch fände, mitzunehmen.

Fr. 37: Würden Sie wohl diesen Beutel auf Vorzeigen wieder erkennen?

A.: Nein, das würde ich nicht, doch, soviel ich mich noch dunkel erinnere, so müssen die Schnüre desselben blau sein.

Fr. 38: Unter Vorzeigen des zu Gerichtshänden gekommenen violettseidenen Beutels. Was sagen Sie zu diesem Beutel?

A.: Ich meine, den Schnüren nach könnte er es sein, doch ist mir jener Beutel etwas größer vorgekommen; es war auch garstiges Wetter und schon dunkel.

Fr. 39: Sie sind gleichwohl bei diesem garstigen Wetter ohne Mantel in den Hofgarten gegangen, warum das?

A.: Weil ich bei Herrn Pfarrer Fuhrmann ein Pappkästchen gemacht habe und da hätte mich der Mantel gedauert, wenn ein Leim daran gekommen wäre und ich schone ihn überhaupt, weil er schön ist.

Fr. 40: Bei einem schon früher vorausgegangenen, Ihnen in Nürnberg begegneten Unfall, wie mochten Sie es wagen, einer Einladung Folge zu leisten an einen einsamen Platz von einem Ihnen gänzlich unbekannten Menschen?

A.: Ich habe nicht mehr geglaubt, daß mir noch nach dem Leben gestrebt werde, da ich einen Pflegvater habe und deshalb die Sache leichter genommen.

Fr. 41: Für wen haben Sie denn das Pappkästchen gemacht?

A.: Für die Frau des Herrn Pfarrers Fuhrmann zum Weihnachtsgeschenk, weil Herr Pfarrer Fuhrmann damit nicht umgehen kann und ich es bei Buchbinder Schnerr in Nürnberg gelernt habe. Des andern Tages wollte ich wieder hinuntergehen, weil es nicht fertig wurde. Auf Vorlesen:

Fr. 42: Ist alles richtig niedergeschrieben und haben Sie daran nichts abzuändern oder beizusetzen?

A.: Es ist alles richtig und wörtlich niedergeschrieben und ich habe nichts beizusetzen und nichts hinein zu korrigieren.

Zur Bestätigung unterschreibt derselbe eigenhändig. Kaspar Hauser.

Gebärde(nnote): Deponierte ruhig, mit sichtlicher Gemütsruhe, anscheinend gänzlich unbefangen und ohne alle Verlegenheit.

Anhang:

Äußerungen Hausers in seinen letzten Lebensstunden.

Protokoll vom 17. Dezember 1833.

(Bd. 5b = Justizministerialakt 2314 Fol. 169a bis h.)

In Gegenwart (wie oben).

Nachdem dem Inquirenten in rubr. Untersuchungssache vom Herrn Medizinalrate Horlacher abends, etwas vor 1/2-8 Uhr, die Anzeige erstattet wurde, daß K. H.s Krankheitszustand plötzlich eine solche gefährliche Wendung genommen habe, daß selber diese Nacht (vom 17. auf den 18.) schwerlich überleben werde, so begab sich Inquirent alsbald in die Wohnung des K. H., schickte auch zugleich nach dem Kommissionsaktuar, da man es der Wichtigkeit der Untersuchung angemessen erachtete, daß die Untersuchungskommission in den letzten Sterbestunden des Damnifikaten zugegen sei, um allenfallsige Äußerungen desselben, die für die Untersuchung von Relevanz sein konnten, aktenmäßig zu konstatieren.

K. H. wurde in einer tiefen Ohnmacht angetroffen und erwachte aus derselben nur allmählich. Seine ersten Äußerungen waren Fragen an die Umstehenden – wo er sei. –

Nach 8 Uhr kehrte sein Bewußtsein mehr zurück. Sein Lehrer Meyer näherte sich ihm mit Ermahnungen zum Gottvertrauen und fragte ihn, ob er ihm denn nichts mehr zu sagen habe. – K. H. äußerte: »Ich will ja gerne verzeihen, aber ich weiß nicht, wer mir's getan hat.« Über eine Weile äußerte derselbe: »Das erinnere ich mich noch, daß ich alle, die um mich waren, um Verzeihung gebeten habe.«

Auf Veranlassung des Inquirenten wurde dessen Beichtvater Pfarrer Fuhrmann geholt, der ihm in religiöser Hinsicht zusprach und mit ihm betete.

Um halb 9 Uhr trat wieder ein, (einer) Ohnmacht ähnlicher Zustand ein. Er erholte sich jedoch wieder und äußerte nunmehr: »ich bin recht müde, ich bin recht schwach, ich werde vielleicht in einigen Stunden von hier scheiden von diesem Lasterleben. Gott hat mir immer die besten Menschen gegeben, doch war das Ungeheuer größer.«

(Im Nachsatze fehlen ein paar Worte, die nicht verständlich waren, oder doch von der Kommission nicht verstanden wurden.)

Er fuhr fort: »Ich will jetzt gehen zu dem, der mich den rechten Weg geführt hat.«

Auf die Frage, ob er nicht etwas Wasser oder Wein wünsche, erwiderte er: »Der Höhere stärkt mich mit anderem Wein und Wasser.«

Als Herr Gendarmerie-Oberleutnant Hickel zu ihm trat und fragte, ob H. ihm nichts an den Grafen (Stanhope) aufzugeben habe, machte H. eine Äußerung, welche der Kommission im Vordersatze unverständlich blieb, daher auch der Nachsatz dieser Äußerung H.s: »daß er (der Graf) viel getan hat, ist eigentlich noch sein Schutz, sonst wäre er auch verloren,« nicht wörtlich verbürgt werden kann, sondern von dem Inquirenten so verstanden wurde.

Näher eruiert kann diese Äußerung nur durch Vernehmung der übrigen Zeugen seiner TodesstundeDie »Hauserakten« enthalten zahlreiche Protokolle über Vernehmungen von Augenzeugen der Todesstunde Hausers, in denen diese und ähnliche Äußerungen Hausers angeführt sind. werden.

Um halb 10 Uhr wandte er sich wieder an Meyer und äußerte: »Meinen verbindlichsten Dank, den ich niemals abtragen kann.«

Er fragte auch nach Herrn Meyers Gattin, welche aber nicht zugegen war, und äußerte auch für sie Gefühle des Dankes. –

Hierauf äußerte er nach einer Weile für sich: »Das ermüdete Haupt erbittet sich Ruhe, indem es so schwer gegangen ist, bis es auf den rechten Weg gegangen ist.«

Das Bewußtsein schien ihn nun wieder zu verlassen und es war bemerklich, daß er mit dem Zeigefinger auf dem Deckbett eine solche Bewegung machte, als ob er schreiben wolle, was jedoch nicht lange währte.

Um dreiviertel auf 10 Uhr schwand das Bewußtsein, er antwortete auf keine Frage mehr.

Um 10 Uhr starb er, ohne harten Todeskampf oder Verzerrung der Gesichtszüge.

Kommissionsaktuar Traumüller hat noch nachstehende Reden Hausers notiert, die dem Inquirenten (nicht) erinnerlich oder nicht mehr gegenwärtig sind.

(Zu Lehrer Meyer gewendet):

»Es ist nur eine Einbildung, diese wird sie»sie« kleingeschrieben. Bezieht sich vielleicht auf Hausers Äußerung in der Antwort auf Frage 25, Verhör vom 16.12. 33 (S. 293). aber bald verlassen.«

»Dem geht es schlecht, der es auf den rechten Weg macht, nicht wie ich.« –

»Der wird seine Abrechnung finden, der nicht Gutes getan hat, wie ich, sonst wäre er auch verloren wie ich.« –

»Wenn's möglich ist, mich auf der Welt zu lassen, nur alles Törichte zurücklassen auf den Weg, den sie hier nicht mehr kennen. – –

»Ich war auf dem Weg, Gutes zu wirken, wie lange, weiß ich nicht.« – – In der Todesstunde waren teils beständig teils abwechselnd zugegen:

  1. Herr Pfarrer Fuhrmann.
  2. Herr Schullehrer Meyer.
  3. Herr Gendarmerie-Oberleutnant Hickel,
  4. Herr Rechnungskommissär Apell.
  5. Herr Landarzt Dr. Koppen.
  6. Der Sohn des Herrn Appellationsrats Schumann.
  7. Hausers Krankenwärter.
  8. Die Schwiegermutter des Herrn Lehrers Meyer.
  9. Jedoch nur anfangs Herr med. Dr. Heidenreich.
  10. Herr Medizinalrat Dr. Horlacher und
  11. Herr medic. Dr. Albert.

Sonst fand sich nichts Relevantes zu bemerken.


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