Gottlieb Conrad Pfeffel
Prosaische Versuche / 8. Theil
Gottlieb Conrad Pfeffel

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Die Bruderrache.

Eine elsassische Sage.

Vor Zeiten lebten, laut einer uralten Sage, auf der Burg Lichtenberg zween Brüder, deren Namen weniger bekannt sind, als die Schandthat, welche ihr Andenken der Nachwelt überliefert hat. Einige nennen sie Göz und Seyfried, und so mögen sie auch hier heißen. Sie waren tapfere Degen, und hatten sich in mancher Fehde den einzigen traurigen Ruhm erworben, nach dem der damalige Adel strebte. Nun ruheten sie auf ihrer Herrschaft von ihren Ritterzügen aus, und – vertauschten das Schlachtschwerd mit dem Jagdspieße.

Einst wurden sie von einem ihrer Vettern, dem Dynasten von Flekkenstein, zu seiner Hochzeit eingeladen, auf welcher alle Edeln der Nachbarschaft mit ihren Gemahlinnen und Töchtern erschienen. Das Fräulein Hildegard von Dachstuhl fesselte durch seine Schönheit und durch seinen Verstand sowohl, als durch die Anmuth, womit es das Amt einer Brautgespielin verrichtete, die Blicke der ganzen Gesellschaft. Die beeden Brüder wurden zu 171 gleicher Zeit und zum erstenmale von der Allgewalt der Liebe besiegt. Jeder bot nur ihr seine Hand zum Tanz an, jeder beeiferte sich, sie bei der Tafel zu bedienen.

Als die Gäste heimgezogen waren, sagte Göz zu seinem Bruder: Die Hildegard gefällt mir, ich will sie mir zum Weibe nehmen. Auch mir gefällt sie, antwortete Seyfried, ich habe mir vorgenommen, zu ihrem Vater zu reiten, um sie zur Ehe zu begehren. Göz warf ihm einen finstern Blik zu, und sagte: ich hoffe, Du wirst Deinem ältern Bruder nicht in's Gehäge gehen. Es wird wohl auf das Fräulein ankommen, versezte der Jüngere, laß uns beede um sie anhalten; sie mag dann den Ausspruch thun. Göz war nicht mit diesem Vorschlage zufrieden; sein Stolz aber erlaubte ihm nicht, an dem glüklichen Erfolge seiner Anwerbung zu zweifeln. Nach einigen Tagen machte er sich auf, und ritt nach der Burg Dachstuhl, während sein Bruder auf der Jagd war. Als dieser heimkam, und Gözens Abreise erfuhr, schwung er sich ebenfalls auf sein Roß, und langte wenig Stunden nach ihm bei Herrn Ludemann, dem Vater des Fräuleins, an. Man hatte sich eben zur Tafel gesezt, und Göz ließ vor Zorn den Becher schwanken, als er seinen Bruder erblikte. Dieser that, als merkte er nichts, und als Göz den Ritter Ludemann nach der Mahlzeit um ein Gehör bat, blieb er bei dem Fräulein zurük, 172 um ihr seine Liebe anzutragen. Hildegard hörte ihn mit jungfräulicher Zucht an, und sagte: Edler Herr, Ihr müsset Euch an meinen Vater wenden; es ziemt sich nicht, daß ich Euch antworte, ehe er mir die Erlaubniß dazu ertheilet. Hildegard hatte schon auf der Burg Flekkenstein mehr Gefallen an Seyfrieds, als an seines Bruders Bedienung gefunden. In der That war auch seine Gestalt weniger wild, ohne daß sein Herz sanfterer Eindrücke fähig gewesen wäre. Als Göz mit dem Ritter in den Saal zurükkam, ersuchte ihn auch Seyfried um eine Unterredung. Dieser führte ihn, wie seinen Bruder, in seine Waffenstube, die mit braunem Nußbaum getäfelt, und an den Wänden mit stattlichen Harnischen, Schwerdtern und Speeren ausgeziert war. Lieber Nachbar, antwortete Ludemann, als er seinen Antrag vernommen hatte, es ist mir leid, daß ich nicht zwo Töchter habe, so könnte ich Euch und Euern Bruder befriedigen; denn auch er hat sich eben um meine Hildegard beworben. Ihr seyd mir beede lieb und werth, und um Euch dieses zu beweisen, so will nicht ich, sondern meine Tochter soll unter Euch wählen. Da sie nun zu dem Fräulein zurükkamen, von welcher Göz ungefähr eben die Antwort, wie sein Bruder, nur in einem kältern Tone, erhalten hatte, sprach Ludemann zu ihr: Diese beiden edlen Herren halten um Deine Hand an; Du hast sie auf der Hochzeit deiner Baase Adelheid kennen 173 gelernt; ich lasse es auf Dich ankommen, welchen von beeden Du zu Deinem Gemahl erkiesen willst. Ich lade Euch, liebe Nachbarn, auf künftige Fastnacht zu mir ein; da wollen wir die Sache richtig machen. Beede Freier nahmen nun ihren Abschied von dem Fräulein und ihrem Vater; aber Göz blieb mit Fleiß mit seinen zween Edelknechten zurük, um nicht mit seinem Bruder heimzureiten. Seyfried hatte eben so wenig Lust mit seinem Nebenbuhler zu reisen, und beschloß, die zwölf Tage, die der alte Ritter seiner Tochter zur Bedenkzeit gegeben hatte, bei einem seiner Waffenbrüder auf der Burg Schirmek zuzubringen. Hildegard wartete nicht so lange, ihrem Vater ihre Wahl zu eröfnen. Auch mir gefällt Seyfried besser, antwortete dieser, indem er seiner Tochter die Backen streichelte, und ihr befahl, auf die Herrenfastnacht ein stattliches Mahl anzurichten. Der Tag erschien, und die beeden Brautwerber trafen beinahe um die nemliche Stunde auf der Burg ein. Der Zwingherr hatte noch ein Paar seiner Freunde eingeladen; alles war fröhlich und guter Dinge; man zechte bis gegen Abend, und als die Gesellschaft von der Tafel aufstand, gieng Ludemann, von seiner Tochter und den zween Brüdern begleitet, in ein Nebengemach, wo er diese also anredete: Liebe Freunde und Nachbaren, es ist mir leid, daß Ihr nicht beede gleich vergnügt von mir abreisen könnet; allein, da dieses unmöglich ist, so 174 hoffe ich, daß derjenige, dem meine Hildegard nicht zu Theil wird, sie als seine Schwester lieben werde. Reiche Du nun selbst, meine Tochter, demjenigen die Hand, den Du zu Deinem ehelichen Gemahl erwählet hast. Hildegard erröthete, und strekte mit niedergeschlagenen Augen ihre Hand Seyfrieden dar, der einen köstlichen Ring von seinem Finger zog, und ihn dem Fräulein anstekte. Dieses war noch nicht geschehen, so hatte schon Göz sich aus dem Zimmer verlohren. Unter den schröklichsten Flüchen befahl er seinem Buben aufzuzäumen, und jagte wie ein Rasender zum Burgthor hinaus. Seyfried brachte die Nacht bei seinem künftigen Schwiegervater zu; der Ehevertrag wurde abgeredet, und ein Edelknecht nach Straßburg geschikt, um Urlaub zu begehren, die Hochzeit wegen der Fasten zu beschleunigen.

Göz wurde zwar freundlich dazu eingeladen, aber er erschien nicht, und der Edelknecht, der die Bottschaft machen mußte, brachte die Nachricht zurük, er sei mit zwanzig Reitern davon gezogen, und habe gesagt, daß er dem Grafen zu Simmern in einer Fehde gegen den Bischof von Worms Hülfe leisten wolle. Seyfried und seine Braut waren dessen sehr froh, und acht Tage nach der Hochzeit schikten sie sich zu ihrer Heimfahrt nach Lichtenberg an. Allein am Abend vor ihrer Abreise erhielt Seyfried von seinem Bruder einen 175 Fehdebrief, worin er ihm meldete: daß, wenn er so kek wäre, mit seinem Weibe seine Burg zu betreten, so würde er sie auf einem Esel nach Dachstuhl zurükschicken, und ihn im Burgverließ verhungern lassen. Diese Unbilde entrüstete den Ritter Ludemann und seinen neuen Eidam so heftig, daß sie auf den folgenden Morgen ihre Leute aufboten, und alle ihre Freunde zur Rache anriefen. Sie machten sich mit hundert und zwanzig Reisigen auf den Weg, und stießen eine Meile von der Burg Lichtenberg auf Göz und seine Leute, dem der Graf zu Leiningen mit fünfzig Knechten zu Hülfe gezogen war. Beede Theile geriethen an einander; niemand aber stritt mit größerer Wuth, als die zween Brüder. Ihre Speere brachen in Splitter, ihre Schilde waren zerhauen, und Göz stand im Begriffe seinem Bruder den Helm zu spalten, als dieser auf ihn einrannte, und ihn vom Rosse warf. Nun ergriff der Leininger mit seiner Mannschaft die Flucht, und Göz wurde gefangen auf die Burg geführt. Du hast mir gedrohet mich verhungern zu lassen, sprach Seyfried zu ihm, wohlan, so magst Du nun verdursten. Er ließ ihn in den unterirdischen Kerker des Burgthurms einsperren, und befahl seinem Vogt bei Lebensstrafe, ihm keinen Tropfen von irgend einem Getränke zu reichen. Vergebens bat Hildegard, als sie nach zween Tagen auf dem Schlosse ankam, ihren Herrn bei der ersten Umarmung, dieses grausame Urtheil 176 zu mildern, und das Vergangene zu vergessen. Seyfried war unerbittlich, und verbot ihr mit einem drohenden Blicke, kein Wort mehr für den Verräther zu sprechen. Sie wandte sich an den Burgpfaffen, und beschwor ihn mit der sanften Beredsamkeit eines arglosen Herzens, ihrem Gemahle mildere Gesinnungen einzuflößen. Allein dieser war ein rachgieriger Fuchsschwänzer, der es für zuträglicher hielt, die Tirannei des Ueberwinders zu begünstigen, als durch eine unzeitige Fürbitte seine fette Pfründe aufs Spiel zu sezen. Ach! edle Frau, erwiederte er, Ihr wisset nicht, was Ihr begehret. Göz ist ein böser Mann, der weder Euch noch seinem Bruder jemals vergeben würde. Ueberlasset ihn seinem Schiksal; er hat es an mir verdient. Hezte er nicht neulich, als er über den Hof gieng, seine Hunde auf mich, den Geweihten Gottes, und wollte vor Lachen bersten, als sie mir den Mantel zerrissen. Noch einmal, er ist ein Höllenbrand, der keine Barmherzigkeit verdient. Die göttliche Rache hat ihn Euerm Gemahl in seine Hände gegeben. Hildegard seufzte, und dachte, indem sie sich in ihr Zimmer verschloß: und diese Hände sollen mich liebkosen? Heiliger Gott; werde ich nicht, so oft sie mich berühren, fürchten müssen, mit Bruderblute beflekt zu werden? Fünf Tage waren verstrichen, und an jedem Morgen fragte Seyfried den Vogt: ist er noch nicht todt? Nein, edler Herr, war jedesmal seine 177 Antwort, und so verflossen fünf Wochen, ohne daß Seyfried die gewünschte Botschaft erhielt. Diese unbegreifliche Erhaltung brachte ihn auf den Argwohn eines Betrugs. Er durchsuchte selber zu verschiedenen Malen den Kerker, und gab genau Acht darauf, daß dem Gefangenen keine andere, als trockene Speisen, gereicht wurden. Allein er lebte noch immer fort, bis die heilige Zeit herbei kam, da jeder Christ sich durch die Beichte zur Feier des Osterfestes vorbereitet. Göz begehrte ebenfalls zu beichten, und Seyfried gewährte ihm seine Bitte um desto williger, da er durch dieses Mittel ein Geheimniß zu erfahren hoffte, das er bisher mit keiner Mühe hatte entdecken können. Freund Benno, sagte er zum Burgpfaffen, Ihr müßt meinem Bruder die Absolution versagen, bis er Euch entdekt, auf welche Art er seine Tage fristet. Gott behüte! edler Herr, antwortete der Priester, Ihr wißt ja, daß ich das Siegel der Beicht nicht brechen darf, und daß die heilige Kirche diesen Verrath mit dem Bann und dem Tode bestraft. Ei Narr! versezte Seyfried, ich weiß wohl, daß Du nicht im Ernste so sprichst, und will mich allenfalls mit der Kirche durch die Stiftung einer Kapelle, dort unten am Kreuzwege, aussöhnen. Fünfzig Gulden bestimme ich jährlich dem Kaplan für eine Messe, die er darin lesen soll, und dieser Kaplan sollst Du seyn. Nun verschwanden die Skrupel des Priesters, er küßte seinem frommen Gönner die Hand, 178 und am folgenden Morgen begab er sich zu Gözen in das Gefängniß, um seine Beicht anzuhören. Als er damit fertig war, und um die Absolution bat, sagte Benno: die kann ich euch nicht ertheilen, bis Ihr mir eröfnet, durch was für ein Wunder Ihr bisher am Leben geblieben seyd. Der Gefangene erschrak über seiner Weigerung. Ihr wollt meinen Untergang, sagte er zu Benno; lieber will ich der Absolution entbehren, als Euch mein Geheimniß entdecken. Wißt Ihr nicht, sprach der Priester, der seinen Zorn verbiß, daß die Verschwiegenheit das heiligste Gesez des Beichtigers ist? Das weiß ich, erwiederte Göz, allein Ihr wäret nicht der Erste, der für Geld und gute Worte das Siegel derselben gebrochen hätte. Nun zwang Benno sich nicht mehr: er trat zurük, hub seine Hände empor, und sprach über den gottesschänderischen Sünder mit donnernder Stimme das Anathem und alle zeitliche und ewige Strafen der heiligen Kirche aus. Göz hatte sich bisher wenig um die heilige Kirche bekümmert; allein der Ort, wo er sich befand, und der schrökliche Ton des Pfaffen erschütterten izt seine Seele. Blaß und zitternd flehete er ihn um Vergebung an: gebt Euch nur zufrieden, ehrwürdiger Herr, ich will Euch alles bekennen. Nach und nach besänftigte sich Benno, und der Gefangene entdekte ihm mit leiser, zitternder Stimme, daß er jedesmal sein Brod in ein Blendloch des Kerkers lege, und das von 179 der dicken Mauer abfließende Wasser auffasse.Dieser Umstand, so wie die Verrätherei des Pfaffen und die Todesart des Gefangenen, sind eine treue Nacherzählung der Tradition. Dieses Brod, fuhr er fort, sauge ich dann aus, und es war noch immer feucht genug, um mich vor dem Verdursten zu bewahren. Der Pfaffe schien an dieser Aussage zu zweifeln, und gab sich nicht eher zufrieden, als bis der Gefangene einige Stücke Brods aus dem Blendloche hervorgelangt und ihm bewiesen hatte, daß sie gleich einem Schwamm durchnezt waren. Mit freundlicher Miene sprach er nun Göz von seinen Sünden los, und reichte ihm noch denselben Morgen das Nachtmahl. Hierauf kam der Vogt, und brachte ihm sein gewöhnliches Essen, und sprach zum Gefangenen, als er es aufgezehrt hatte: Edler Herr, Euer Bruder hat vernommen, daß es so feucht in Euerm Gefängnisse sey, und hat mir daher befohlen, Euch ins Trockene zu bringen. Nun merkte Göz, daß er verrathen war; seine Wuth kannte keine Gränzen, er stieß die gräßlichsten Verwünschungen gegen seinen Bruder und den meineidigen Pfaffen aus, und es waren vier Knechte nöthig, um ihn niederzuwerfen, und in das Warthäuslein des Burgthurms zu schleppen. Hier trieb er es nicht lange; am sechsten Morgen fand ihn der Vogt mit dem Tode ringend auf seinem Lager. Er hatte sich eine Ader seines Armes aufgerissen, und suchte mit 180 seinen verschrumpften Lippen vergebens das Blut heraus zu saugen. Sage meinem Henker, brüllte er mit hohler, heiserer Stimme ihm zu, daß wir in drei Tagen eins mit einander trinken werden. Hier hauchte er seinen Geist aus; aber sein starres Auge und die verzerrten Muskeln seines bleifarbigten Gesichts redeten so laut fort, daß der Burgvogt, wie von einem Gespenste verfolgt, davon floh, und seinem Herrn mit stammelnder Zunge den schröklichen Auftritt hinterbrachte. Seyfried schalt ihn eine Memme, ließ aber doch seinen vertrauten Benno rufen, mit dem er sich einschloß; indeß Hildegard auf die eingezogene Kunde baarfuß und mit fliegenden Haaren in die Schloßkapelle hinabstieg, und ohne Worte, blos mit Thränen der Andacht, für die Seele ihres Feindes betete. Auch der Gottesschänder Benno betete für sie; so war es in der geheimen Unterredung zwischen ihm und Seyfried beschlossen worden. Dreimal entweihten seine verruchten Hände den Altar der Versöhnung durch ein Todtenopfer, das die göttliche Rache aufforderte. Göz wurde in die Gruft seiner Väter versenkt, und Seyfried glaubte, seinen Schatten, und selbst den Himmel, versöhnt zu haben, indem er den Sarg des Gemordeten mit Weihwasser überschwemmte. Gleichwohl erinnerte er sich am Abend des dritten Tages an seine lezten Worte. Um sie zu vergessen, ließ er sich seine Humpe zum zweitenmal füllen, und 181 Hildegard mußte ihm ein Minnelied vorsingen. Erst gegen Mitternacht legte er sich mit düsterm Kopfe zu Bette, und sie bemerkte, daß er zum erstenmale, während ihrer Ehe, sich mit dem Kreuze bezeichnete. Kaum war er an ihrer Seite eingeschlummert, als er eine kalte Hand fühlte, die ihm über die Wange fuhr. Er schauerte auf, und sah das Bild seines Bruders, blaß und hager, mit feuersprühenden Blicken vor seinem Bette stehen. Seine dürre Rechte bot ihm in einem Pokal von schwarzer Lava ein schwefelgelbes Getränk an. Da thue mir Bescheid, sprach das Phantom, dessen klaffende Lippen seine Zähne nicht decken konnten, thue mir Bescheid, ich habe getrunken. Seyfried stieß einen brüllenden Schrei aus, der seine schlafende Gattin aufschrökte. Das Gespenst war verschwunden; er aber lag in gräßlichen Zuckungen, daraus die Sorgfalt der trostlosen Hildegard ihn erst gegen Morgen wecken konnte. Stumm und finster, wie Judas, als er in den Tempel schlich, um die blutigen Silberlinge hineinzuwerfen, verließ er sein Lager, und befahl, den Benno zu holen. Es ist ein lieblicher Morgen, Benno, komm, laß uns auf dem Altan des Kerkers mit einander kosen. Er sprach's und führte den Pfaffen hinaus auf den Altan. Hier erzählte er ihm sein nächtliches Gesicht, das wohl nichts anders, als das Werk eines Traumes, oder vielmehr seines erwachenden Gewissens, war. Am Ende sezte er mit 182 höhnischem Lächeln hinzu: ich will Gözen Bescheid thun; allein, du mußt mit, Benno, und zuvor den schwarzen Becher weihen, damit der Trunk mir nicht schade. Benno wollte fliehen; allein Seyfried umklammerte ihn mit der Riesenstärke eines Rasenden, und warf sich mit ihm in das Felsenthal hinab. Hildegard, die eben am Fenster stand, um ihre Blumentöpfe zu begießen, und, gleich der eingekerkerten Philomele, einen traurenden Blik auf den Garten der Natur warf, sah sie hinunterstürzen. Sie sank in eine Ohnmacht, aus der sie nur auf einige Minuten erwachte, um ihrer Dienerin zu befehlen, daß ihr Leichnam nicht in dieser Wohnung des Verbrechens, sondern zu Dachstuhl in der Gruft ihrer Väter begraben würde. 183

 


 


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