Gottlieb Conrad Pfeffel
Prosaische Versuche / 5. Theil
Gottlieb Conrad Pfeffel

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Hesir und Jedida.

Salomo, der Sohn David, wohnte in dem Sommerhause, das er gebauet hatte im Thale Hermon. Und das Haus stund in einem Walde, der bepflanzet war mit allen Bäumen und Kräutern des Erdbodens, die der König hatte kommen lassen aus fernen Landen.

Es begab sich aber, daß Salomo ausgieng, des Morgens, da die Sonne aufstund, und er nahm zu sich zween seiner Knaben, die ihn geleiteten in den Wald, und ihm aufschrieben in ihre Tafeln, was er ihnen sagte, damit er es aufbewahrte in dem Buche, darin er redete von den Gewächsen der Erde, von der Ceder an auf Libanon bis zum Isop, der aus der Wand wächst.

Und da der König wandelte in dem Walde, siehe, da erblickte er an einem Brunnen eine junge Dirne, welche ihre Ziegen tränkte mit dem Wasser der Quelle. Und der König trat hin zu der Dirne, und sie gefiel seinen Augen, denn sie war lieblich und schön, und ihre Augen glänzten wie die Sterne des Himmels, und ihre Lippen waren roth wie Korallen, und ihre Haare, schwarz wie Ebenholz, wallten um ihre Schultern.

Und der König sprach zu ihr: sey mir gegrüßt, du holde Dirne, wie heissest du? Und die Dirne fiel auf ihr Angesicht, und betete an, und sprach; Jedida ist der Name deiner Magd. Und ihre Wangen wurden roth wie Granatäpfel, und sie schlug 206 ihre Augen nieder, und wagte es nicht, anzusehen das Antliz des Herrschers.

Der König aber hatte seine Lust an der Dirne, und sprach zu ihr: stehe auf, schöne Jedida, denn du hast Gnade gefunden vor meinen Augen. Und die Dirne richtete sich auf, und wollte ihr Angesicht verhüllen. Salomo aber zog ihr den Schleier von der Stirne, und sprach zu ihr: verhülle dich nicht vor deinem Könige, denn siehe er hat dich liebgewonnen, und will dich aufnehmen unter die Weiber seines Pallastes.

Da erblaßte die Dirne, und verstummte, und zitterte an allen Gliedern. Der König aber befahl den Knaben, und sprach zu ihnen, ergreifet sie an den Armen, und geleitet sie, denn sie ist schüchtern und blöde, und meine Rede hat sie erschrecket.

Alsbald gehorchten die Knaben, und führten sie in das Sommerhaus, und übergaben sie dem Hüter der Weiber und Kebsweiber des Königs. Da befahl der Hüter den Mägden, sie zu waschen mit Nardenwasser, und ihre Haare zu salben mit Oele von Zinnamet, und ihr einen Rock anzulegen von ägyptischem Linnen. Jedida aber war wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird, ihr Herz bebte unter den Händen der Mägde, und sie verschloß ihre Augen vor dem köstlichen Gewande.

Des andern Morgens aber ward Salomo angesagt: siehe, Jedida, die schöne Hirtin, hat die ganze Nacht geweinet, sie will weder Speise noch Trank nehmen, und ihre Gestalt ist verfallen vor Trauren.

20 NS207@Da ließ der König Jedida rufen, und redete freundlich mit ihr, und sprach: Was fehlet dir, meine Taube? Warum sind deine Augen roth geweinet, und deine Wangen erblasset? Jedida aber fiel auf ihr Antliz, und weinte laut, und Salomo sprach zu ihr: rede, was begehrest du von mir? Der Herr thue mir dis und das, wenn ich dirs nicht gewähre. Da hub die Jungfrau ihre Augen auf, und sah den König glaubig an, und sprach: ach Herr! ich bin die Braut Hesirs, deines Weingärtners.

Da ward Salomos Herz erweicht, und er richtete sie auf, und sprach: stehe auf! es sey ferne von mir, daß ich die Braut meines Knechtes zum Weibe nehme. Gehe hin in deine Kammer, bis ich dich rufen lasse.

Alsbald sandte Salomo einen Boten zu Hesir, und ließ ihm sagen, siehe, der König begehret dein, darum folge mir, daß du seine Worte vernehmest.

Hesir aber folgte dem Boten, und trat vor den König, wie einer, der dem Tode trotzet und achtete nicht der Fürsten und Gewaltigen, die vor seinem Throne stunden, denn seitdem er Jedida verloren hatte, war das Leben ihm eine Pein. Und Salomo sprach zu ihm: ist es wahr, Hesir, daß Jedida, die Ziegenhirtin, deine Braut ist? Und Hesir sah nieder zur Erde, und seine Augen füllten sich mit Thränen, und er seufzte und sprach: sie ists.

Salomo aber wollte den Jüngling versuchen, und sprach zu ihm: höre mich an, Hesir, einen Centner Silbers will ich dir geben, so du ablässest von Jedida, denn ich habe die Jungfrau lieb, und will sie aufnehmen unter meine Weiber.

208 Da erhub Hesir seine Stimme, und sprach: tödten kanst du mich; aber Jedida kanst du nicht aus meinem Herzen reissen.

Und es gefiel dem Könige, daß er also redete, und er sagte zu seinem Kämmerling: gehe, hole mir Jedida, die Hirtin, und der Kämmerling that also.

Da aber Jedida hereintrat, und ihren Bräutigam erblickte, ward ihr Angesicht glänzend, wie eines Engels Angesicht, und sie sah nicht auf den König, noch auf sein Hofgesind, und streckte ihre Arme aus nach dem Jüngling.

Und Salomo sprach zu Hesir, nimm deine Braut zu dir, sie gehet rein aus meinen Händen, und ich will dir deine Hochzeit halten, und den Centner Silbers, für den ich sie dir abkaufen wollte, will ich dir schenken zur Morgengabe. Und Hesir und Jedida warfen sich auf ihre Knie vor Salomo, und küßten den Saum seines Kleides, und benetzten seine Füsse mit Thränen.

Und sie zogen hinab in ihre Hütte, und ihr Herz war voll Freude, und ihr Mund voll Segens. Salomo aber that, wie er gesagt hatte; und als seine Fürsten seine Barmherzigkeit priesen, sprach er zu ihnen: wer seines Muthes Herr ist, ist stärker als der Städte gewinnt.

 


 


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