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Ich übergebe meinen Freunden und dem größeren Publikum in diesen Blättern eine Reihe kleiner Bilder, und es sei mir erlaubt, darauf aufmerksam zu machen, daß dieselben – wie alles, was ich geschrieben – auf den Namen Dichtungen (Erdichtungen) keinen Anspruch zu machen wagen.
Bei allem, was ich schrieb, bei allem, was ich zu schreiben fähig bin, ist höchstens der die Begebenheiten und Charaktere zusammenknüpfende Faden Dichtung. Die Menschen, die ich schildere, habe ich gekannt, die Begebenheiten, die ich erzähle, sind unter meinen Augen durchlebt worden. Mein Ich, daß diese Zeichnungen reproducirt, ist wie jene kleinen Instrumente, die man unter dem Namen Camera obscura kennt, es giebt das Wirkliche, wie es in ihm sich abspiegelte.
Von diesem Gesichtspunkte bitte ich diejenigen Leser, die meinen einfachen Produktionen ihr Wohlwollen schenkten, auch diese neue Arbeit zu betrachten, wie ich ihn auch für alle früheren in Anspruch nehmen muß.
Ich habe das hohe Glück gehabt, mir durch meine Schriften Freunde zu erwerben, die mir nicht selten Zeichen ihres Wohlwollens selbst aus weiter Ferne zu Theil werden ließen, und namentlich hat nicht viel angefochtenes » Frauenloos« mir die Anerkennung manches warm fühlenden Herzens, manches klar denkenden Menschengeistes gebracht.
Mehr verlange und erwarte ich – für meine Person – nicht, und ich kann es mit Ruhe, ja mit stolzer Freudigkeit ertragen, daß Männer von Ruf in der literarischen Welt, diesen Ausbruch der tiefsten Indignation, diesen Nothschrei eines Frauenherzens unschön, unästhetisch genannt. Ich habe gelächelt, als ich las, daß Herr Professor Rosenkranz in Königsberg in seinem Buche über das Häßliche eine Schilderung in meinem Frauenloos in die Kategorie des Widrigen einreiht, und ich kann diesem Manne, den ich sicherlich schätze und verehre, nur dasselbe sagen, was ich Herrn Ferdinand Gregorowius, als Erwiederung aus seine Rezension sagte, welche mit den Worten schließt:
»Dies ist nun das keck in Schmutzfarben gemalte naturwahre Buch, welches die Kritik vom Standpunkte der Aesthetik schonungslos verdammen, vom Standpunkte des moralisirenden Verstandes bestens anerkennen muß.
Die Schmutzfarben, mit denen mein Buch Ihnen gemalt scheint, mischte nicht ich, sondern das Laster, und es ist nach meiner Kenntniß der deutschen Sprache nicht keck, sondern kühn, diesem den Spiegel vorzuhalten.«
Was ich schreibe, macht keinen Anspruch auf ästhetische Schönheit, denn es ist kein Kunstwerk und giebt sich nicht als solches aus, es ist ein kleines Spiegelbild des wirklichen Lebens, wie sich dasselbe in meiner Individualität zeigt.
Auch auf den Vorwurf, den die Kritik mir macht, daß ich mich zu gern in Schilderungen der Natur verliere, habe ich nur dieselbe Antwort, wie auf den ersten. Ich gebe nicht Geschaffenes, sondern Empfangenes!
Die Natur in ihrer Schönheit und Erhabenheit, mit ihrer liebevollen Milde und Freigebigkeit, spiegelte sich in meiner Seele so lebhaft, so treu wieder, daß ihr Abdruck immer wieder und wieder auf der Oberfläche jenes Glases erscheint, das als meine Schriften sich in der Welt zeigt.
Für mich ist die Natur nichts Todtes, nichts Untergeordnetes, sie ist das Leben, sie ist das Höchste, sie ist Gott! wenigstens alles was wir auf diesem Erdenstern von Gott zu erkennen fähig sind, sein Gewand, sein Leib, wenn ich so sagen darf.
Möge die Kritik die Schönheit, die man allgemein freundlichst meinen Naturschilderungen zuerkennt, als Ausgleichungsmittel für die Häßlichkeit meiner Schilderungen des menschlichen Lebens nehmen. Beide haben Eins mit einander gemein, – sie sind wahr, so weit nämlich ein Mensch fähig ist, das Wahre wiederzugeben – wahr nach meiner besten Erkenntniß. –
Und warum ich mich nicht an die Wahrheit nur in so weit halte, sie wenigstens nur so weit in meinen Schriften reproduzire, als sie schön ist, könnten hier meine Leser fragen.
Ich will diese Frage beantworten, wahr und stolz, so stolz, als wäre ich nicht eine arme deutsche, wenig bekannte Schriftstellerin, sondern die würdige und ehrenwerthe Amerikanerin, die ein Buch geschrieben, in welchem sie, wie ich in meinem Frauenloos, kühn den Schleier von den schmutzigen Abgründen hebt, die die Civilisation ihres Landes erzeugt.
Es ist in mir eine lebendige Kraft, ein kühner Muth, es ist eine Stimme in mir, die mir zuruft:
Wirke mit nach deinem besten Verständniß, damit einst auf dieser Erde alles Wahre auch schön, das Schöne nicht mehr ein bloßes Scheinbild und die Wahrheit keiner Hülle bedürftig sei.
Bromberg, im Juni 1853.
Julie Burow
(Frau Pfannenschmidt).