Oskar Panizza
Deutsche Thesen gegen den Papst und seine Dunkelmänner
Oskar Panizza

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Papst

Mocht jemand hie denken, ich büßete hiemit die Lust, mit so spöttischen, verdrießlichen, stachlichen Worten an den Papst. O, Herr, Gott, den Papst zu spotten, bin ich unmäßlich zu geringe. Er hat nu wohl über sechs hundert Jahre die Welt gespottet, und ihrem Verderben an Leib und Seel, Gut und Ehre, in die Faust gelacht, höret auch nicht auf, kann auch nicht aufhören.

Luther

Wir lachen heute über den Dalai-Lama. Und doch war und ist er eine der gefürchtetsten Persönlichkeiten; sogar Gott; und trotzdem lachen wir über ihn; und wenn wir eine in irgendeinem Kreise einflußreiche Persönlichkeit, die, geschwollen und aufgeblasen von eingebildeter Würde, ihre Funktionen mit gottähnlichen Allüren ausüben sehen, so sagen wir: er sitzt auf seinem Sessel oder auf seinem Präsidentenstuhl wie ein Dalai-Lama. – Und warum lachen wir über den Dalai-Lama? – Weil er uns so unendlich entfernt ist, geographisch wie bildlich, und weil er uns gar nichts mehr angeht.

Wer war Dalai-Lama? – Die Priester in Tibet in Hinter-Asien, heißen Lamas, und sind zugleich gewissermaßen Götter. Sie sind für das Volk der Grund der Existenz (Nicht in Tirol, in Tibet), die Quelle des Heils, die Substanz des geistigen Lebens. Die Mitglieder der Priesterschaft sind sehr zahlreich; fast aus jeder Familie wird einer der Söhne ein Lama. Hauptbeschäftigung der Priester ist Betrachtung, Meditation, Gebet, Umgang und Assimilation mit dem Göttlichen. Daher leben sie zurückgezogen von der Welt, ohne Teilnahme an den weltlich materiellen Beschäftigungen (in Tibet, nicht in Tirol) größtenteils in Klöstern, mäßig, enthaltsam (oder soll es heißen: mäßig enthaltsam), ehelos. Da aber die ganze Leitung des Volkes, auch die politische, in ihrer Hand liegt (in Tibet, nicht in Bayern), so haben sie sich auch positiv geistig zu beschäftigen. (Unerhört!), Ihre Hauptarbeit ist die geistige Bildung des Volkes, Unterricht und Erziehung, (wir sind in Tibet) mithin auch (!!) Pflege der Wissenschaft. – Daß sie hierarchisch geordnet seien, versteht sich von selbst. An der Spitze steht der Groß-Lama, oder Dalai-Lama, der im südlichen Tibet residiert und herrscht. Einzelne der höchstgestellten Lamas haben sich von diesem mehr oder weniger unabhängig gemacht. Aber auch noch heutigen Tags gilt doch im Grunde der Dalai-Lama als der absolut höchste. Er empfängt selbst durch den (römisch-deutschen? nein, den tibetanischen) Kaiser göttliche Verehrung. Der Kaiser kniet vor ihm, während er sich nicht erhebt, sondern sitzend die Hand auf des Kaisers Haupt legt, um ihn zu segnen. Mit göttlicher Verehrung ist es überhaupt daß dem Dalai-Lama begegnet wird; daher nie jemand aus dem Volk ihn zu sehen bekommt. Was hiermit ausgesprochen ist, nämlich daß er Gott sei, ist buchstäblich zu nehmen. (Kein Katholik faßt es anders auf.) Er ist der inkarnierte, als Mensch existente Gott. (Genau so haben Veuillot und der Bischof Mermillod Pius IX. bezeichnet.) Stirbt er, so ist es nur, um alsbald in einem anderen Menschen wieder zu erscheinen. (Genau wie in Tibet.) Daher bestimmt in der Regel er selbst, kurz vor dem Tode, seinen Nachfolger. Die Lamas haben dann diesen neuen Dalai-Lama zu erkennen. Nicht selten ist es ein Kind.« (Benedikt IX. bestieg als zehnjähriger, Johann XII. als achtzehnjähriger Junge, den päpstlichen Stuhl.)-

Kann man eine köstlichere Parodie lesen? – Das ganze, außerhalb der Klammern Mitgeteilte stammt aus dem katholischen Kirchen-Lexikon von Wester und Welte, Freiburg 1851, unter dem Artikel »Lamaismus«. Es fehlt nur noch der Zusatz: daß die Lamas, die gewissermaßen die Götter sind, und die »ehelos« sind, mit den Tibetanerinnen reichliche Kinder zeugen, wozu deren Brüder und Väter merkwürdige Augen machen, es aber schließlich einsehen, da jene »gewissermaßen die Götter sind«, – und die tibetanische und römisch-katholische Hierarchie könnte ohne Merkens, linker Hand rechter Hand, vertauscht werden. – Ich sagte oben: »Wir lachen über den Dalai-Lama«. Ich sage weiter: Wir dürfen auch über den römischen Dalai-Lama lachen, »dem mit göttlicher Verehrung begegnet wird«, den »inkarnierten, als Mensch existenten Gott«; und wenn Deutschland nicht tibetanisch werden will (oder Chinesisch, was dicht daneben liegt) so hat es die sittliche Pflicht, über den römischen Dalai-Lama zu lachen.

Und warum dürfen wir über den päpstlichen Dalai-Lama lachen? Seit Innocenz III. behaupten die Päpste, der Unterschied zwischen Papst und Kaiser sei wie der zwischen Sonne und Mond, und wie dieser von der Sonne sein Licht erhalte, so der Kaiser seine Autorität und Existenz-Recht vom Papst: »Weißt Du nicht,« – schreibt Innocenz an den Kaiser – »daß, wie Gott zwei große Lichter am Firmament gesetzt hat, ein großes und ein kleines, die Sonne und den Mond, so hat er auch am Firmament der Kirche zwei Lichter geschaffen oder zwei Würden eingesetzt, die päpstliche Autorität und die königliche Macht; die erstere aber welche die geistige ist (spiritualismus) ist die höhere; die andere, die irdische (carnalis), die geringere. So groß nun der Unterschied zwischen Sonne und Mond, so der Abstand zwischen Papst und Kaiser.«

Eine Glosse zum Kanonischen Recht hatte ausgerechnet, daß der Papst siebenundvierzig Mal, eine andere, daß er siebentausend-siebenhundert-vierundvierzig Mal größer sei, als der Kaiser. Luther fügt hinzu: »das will ein Päpstlein werden, wenn's nu auswächst.« – Der gute Innocenz wußte nicht, daß die Sonne siebenzig Millionen mal größer als der Mond ist. – Dürfen wir nicht über den römischen Dalai-Lama lachen?

Einige andere Sätze des Kanonischen Rechts lauten: »Der römische Papst hat alle Rechte in seinem Brustkasten verschlossen.« – »Der Papst hat die Macht, über die zeitlichen Güter aller Christen zu Gunsten der Kirche zu verfügen.« – »Aller menschlicher Kreatur ist es zu ihrem Seelenheil notwendig, sich dem Papst unterzuordnen.« – »Der Papst hat unbeschränktes Verfügungsrecht über die Benefitien der ganzen Erde.« – »Der Papst erhält alle seine Macht und Jurisdiktion von Gott selbst, und erkennt auf Erden keinen Höheren über sich.« – Dürfen wir nicht über den römischen Dalai-Lama lachen?

Eine bittere Lache in seiner Art schlug vor dreihundert Jahren ein Deutscher, Agrippa von Nettesheim, über dieses päpstliche Gesetzbuch auf: »Eine saubere Arbeit, die die Formeln der Habsucht und des Raubs mit dem Glorienschein der Frömmigkeit umgibt, von Gottes Wort so gut wie nichts enthält; ein unentwirrbarer gordischer Knoten von Falschheit und Tücke, der die großen Diebe laufen läßt, die kleinen fängt, und aus Christi Lehre eine unerträgliche Last gemacht hat.«

Der römische Papst sagt von sich: »Ich bin der König der Könige; mein Gesetz ist das höchste auf Erden.« – Und der Jurist Baldus sagte von ihm »der Papst ist über dem Gesetz, gegen das Gesetz und außerhalb des Gesetzes«; – »Gott auf Erden«; – »die Ursache aller Dinge, und der ersten Ursache voraussetzungsloses Dasein«. – Tibetanischer kann man sich nicht mehr ausdrücken. Mehr hat der Dalai-Lama von sich kaum behauptet.

Den Gottesbeweis für den Papst tritt ein anderer Satz des Kanonischen Rechts in folgendem Sinne an: Gott kann von Menschen nicht gerichtet werden; auch der Papst kann von Menschen nicht gerichtet werden; also ist der Papst Gott.

In England nennt man jemanden, der sich selbst zu etwas gemacht hat: self-made man; in diesem Sinne können wir den römischen Dalai-Lama self-made god nennen.

»Ist denn das nit ein übermässige Hoffart, Benamung der Seligkeit annehmen, und sich den Allerheiligsten grüssen lassen, den, der noch im Körper lebt?«, fragt Hutten.

Auf dem 5. Lateran Konzil 1512–1517 erhielt Leo X. folgende Anreden und Verehrungsformeln: »der Papst, Fürst und König« (in der dritten Sitzung); – »Herr der ganzen Welt«, (ebenda); – »die Hochachtung vor Eurer göttlichen Majestät« (in der neunten Sitzung); – »der Gottähnlichste, den alle Völker anbeten müssen« (dritten und zehnten Sitzung).

Gregor VII. sprach am 7. März 1080 die Bischöfe des Konzils folgendermaßen an: »Wohlan denn, Ihr Väter und Fürsten der Kirche, es möge die ganze Welt erkennen und einsehen, daß, wenn Ihr im Himmel binden und lösen könnet, Ihr auf der Erde die Kaisertümer, Königreiche, Fürstentümer, Herzogtümer, Markgrafschaften, Grafschaften, und aller Menschen Besitzungen nach Gebühr einem jeglichen nehmen und geben könnt. Denn Ihr habt oft genommen die Patriarchate, Primate, Erzbistümer, Bistümer den Schlechten und Unwürdigen und sie gegeben Frommen. Wenn Ihr also über die geistlichen Dinge richtet, was muß man dann glauben, daß Ihr hinsichtlich der weltlichen könnt. Und wenn Ihr über die Engel, welche allen stolzen Fürsten gebieten, richtet, was könnt Ihr tun mit deren Sklaven? Mögen nun die Könige und alle Fürsten der Welt lernen, wie hoch Ihr seid, was Ihr könnet, und mögen sich hüten, gering zu achten das Gebot Eurer Kirche: und so übet denn rasch an besagtem Heinrich (der deutsche Kaiser Heinrich IV.) Euer Urteil, daß alle wissen, daß er nicht zufällig fallen wird, sondern durch Eure Macht.«

Und auf der gleichen Synode heißt es: »Deshalb vertrauend auf dies Urteil und die Barmherzigkeit Gottes, und dessen frömmster Mutter der steten Jungfrau Maria, unterwerf ich den oft genannten Heinrich, den sie König nennen, und alle seine Anhänger der Exkommunikation und binde sie mit dem Banne des Fluchs: und von neuem ihm untersagend das Reich der Deutschen von Seiten des allmächtigen Gottes nehme ich ihm alle königliche Gewalt und Würde, und verbiete, daß irgendein Christ ihm als seinem König gehorche, und spreche los vom Versprechen des Eides alle, die ihm im Reich geschworen haben oder schwören werden. Heinrich soll mit seinen Anhängern in keinem Kampfe Kraft haben und in seinem Leben keinen Sieg gewinnen.«

Über den Bann könnten wir viele Worte verlieren, und über dieses fünfzackige Feuerwerk, welches aus der geballten Papst-Faust hervorquirlte, weitere illustrierende Beispiele aus der Geschichte geben. Unnötig! Der Bann wurde niemals von Gebildeten geachtet; nur die abergläubische Hefe des Volkes horchte auf dieses knatternde Geräusch. In den ersten Jahrhunderten bannte alles: Papst, Bischof, Prälat, Geistlicher; kein Mensch kümmerte sich darum. Päpste bannten sich gegenseitig; die Theaterblitze zündeten nicht. Erst als das weltliche Interesse dazukam, gewann der Bannfluch symbolische Bedeutung. So war es in der Fluch-Affaire zwischen Heinrich IV. und Gregor VII. Wäre unser deutscher Kaiser seiner weltlichen Großen und seiner eigenen Kinder sicher gewesen, dann konnte der gute Gregor hinten in Rom Kolofonium verschwenden, so viel er wollte, es war wie sonst wirkungslos. Aber da Heinrich im eigenen Reich Aufwiegler hatte, und Gregor dies wußte, und den Zeitpunkt vorbereitete, so war der Bannfluch der auslösende Hebel für die endlosen nun folgenden Streitigkeiten und Verwüstungen im deutschen Land. – An sich war also der Bann ein kindliches Vergnügen und den Päpsten wohl zu gönnen; frivol war nur, daß sie dabei regelmäßig den Eid der Treue der Untertanen des gebannten Kaisers aufhoben. Denn der Untertanen-Eid wird im Namen Gottes geschworen und hat heute noch symbolisch-bindende Bedeutung auch für den Atheisten. Der Bann wird im Namen des Papstes, oder höchstens des päpstlichen Gottes geschleudert, an den nur der Papst selbst glaubt, und hat für niemand bindende Kraft, außer wem's gefällt.

Aber auch hier traf der Papst oft auf einen Mann, vor dessen Charakterstärke er größeren Respekt empfinden mußte, als vor dem Hohnlachen der gebannten Großen selbst: Dietrich, Bischof von Verdun, schrieb Gregor hinsichtlich des Entbindens der Untertanen, des Kaisers vom Eid der Treue: »Es wäre ein Unglück, wenn auf jede heftigere Gemütsbewegung des Papstes gleich die göttliche Verdammung folgen sollte. Weder bezeugt es die Schrift, noch billigt es die Vernunft, daß Exkommunikationen, welche aus Privat-Leidenschaft oder wegen einheimischer Beleidigungen ausgesprochen werden, eine verdammliche Kraft haben sollten. Und was die Lossprechung vom Untertanen-Eid betrifft, so sagt damit der Papst: Versagt ihm auf mein Ansehen die Treue, welche ihr ihm eidlich versprochen habt. – Aber was sagen sie (die Untertanen) dazu? Hierin gehorchen wir Dir nicht, Herr Papst. Wir versagen ihm die versprochene Treue nicht. Denn wir haben sie nicht bloß versprochen, sondern auch geschworen. Und wenn der Mund, der bloß lügt, die Seele tötet; so muß er dies noch mehr tun, wenn er durch einen Meineid lügt.«

Heute ist der Bann kaum mehr ein Theater-Requisit zum Spektakelmachen. Ehemals konnte man durch die päpstliche Verfluchung wenigstens zu Ansehen und Ruhm gelangen, wie Luther, dem Hutten schrieb, als er von dessen Exkommunikation hörte: »Wie groß, Luther, bist Du, wenn das wahr ist.« – Aber heute wirkt der Bann nicht einmal nach dieser Richtung. Einer der Letztgebannten, Döllinger, starb fast vergessen; nicht wegen des Bannfluchs, sondern trotz des Bannfluchs. Die Leute sagten sich: »Wir suchten in dem vom Bannstrahl Getroffenen einen großen Mann, und fanden nur einen großen Gelehrten.«

Wohl konnte Heinrich IV. auch selbstbewußte Briefe schreiben. Und er schrieb 1076 an Gregor: »So hast Du Dich auch nicht gescheut, Dich gegen die königliche Gewalt selbst, die Uns von Gott verliehen ist, zu erheben, und es gewagt, Uns zu drohen, Uns dieselbe zu entziehen; als ob wir von Dir das Reich erhalten hätten, als ob in Deiner und nicht in Gottes Hand Reich und Königliche Macht lägen ....« – Aber was halfs? Seine Untertanen glaubten dem römischen Papst mehr als ihrem Kaiser.

Wer dem Dalai-Lama glaubt, ist verloren, er, sein Land, sein Kaiser, alles. Die armen, blöden Deutschen glaubten damals an den Dalai-Lama, und die Folge war: Bürgerkrieg, Entzweiung, Gegenkaiser, Mord und Plünderung auf dreißig Jahre (1076 bis 1106). Der gute Kaiser war wohl für seine Person aufgeklärt genug, über den Dalai-Lama in Rom zu lachen. Aber was halfs ihm? Seine Untertanen glaubten dem tibetanischen Gott in Rom. Und so mußte er selbst dran glauben. Er wurde förmlich geisteskrank; trotz Zusprache einer großen Anzahl Getreuer und Anhänger verlor er allen Mut, warf die Waffen von sich und winselte und weinte wie ein Geschlagener. So richtet der Wahn den Menschen zu Grund, der Glaube an eine eingebildete Gottheit!

»... endlich kam er zur Stadt Canossa« – schreibt Gregor VII. selbst – »wo Wir weilten, mit wenigen, und stand dort drei Tage vor dem Tore elendiglich entblößt von allem königlichen Schmuck, barfuß und in wollenem Gewande und hörte nicht eher auf mit vielem Flehen die Hilfe und den Trost der tibetanischen pardon: apostolischen Barmherzigkeit zu erbitten, als bis es alle, die zugegen waren und zu denen die Kunde kam, bei solcher Frömmigkeit und Barmherzigkeit des Mitgefühls antrieb, daß sie sich für ihn mit vielen Bitten und Tränen verwandten und ob der ungewohnten Härte unseres Sinnes verwunderten. – «

Doch der Dalai-Lama ändert sich nicht. – Wir müssen uns ändern. Der Dalai-Lama ist der Ausdruck unseres Aberglaubens, der aus unseren Herzen hinausprojizierte, von uns vergoldete, von uns geschwellte, von uns geborene, gehätschelte, gemästete Popanz. Sobald wir nicht mehr wollen, steigt er herunter vom Thron, und überreicht uns lächelnd seine Papier-Krone; die Luft geht hinaus, und der aufgetriebene Ballon sinkt zu einer runzligen, lächerlich kleinen Größe zusammen. Und der welsche, mit orientalischer Lüsternheit sich wendende und gebärdende Gott, der uns die Produkte seiner sensualistischen, weihrauchdampfenden Phantasie, als »Glaubenswahrheiten« vorsetzt, hört auf für uns welsch und orientalisch zu sein, sobald wir deutsch sind. Er hört auf für uns unfehlbar zu sein, sobald wir nicht mehr an ihn glauben. Und er hört auf, sich über unsere Regierung Gerechtsame anzumaßen, sobald wir sie ihm nicht mehr geben.

Bonifaz VIII. in seiner bekannten Bulle »Unam Sanctam« 1302 erklärte: »Daß in der Gewalt des Petrus zwei Schwerter, das geistliche und weltliche, sind, lehrt uns das Evangelium. Jedes der beiden Schwerter ist also in der Gewalt der Kirche. Das Geistliche und das Weltliche. Ersteres ist in der Hand des Priesters; letzteres in der Hand der Könige; aber nach dem Wink und der Zulassung des Priesters. Ein Schwert muß unter dem ändern sein, und die weltliche Autorität der geistlichen Gewalt unterworfen sein. Folglich, wenn die weltliche Gewalt abweicht, wird sie abgeurteilt werden von der geistlichen Gewalt. – Und so erklären wir, sagen wir, entscheiden wir: Dem römischen Pontifex unterworfen zu sein, ist für jegliches menschliche Geschöpf zum Heile notwendig.«

Je mehr wir uns von dieser tibetanischen Gottheit gefallen lassen, je Stärkeres mutet sie uns zu: Dalai-Lama Gregor schrieb 1077 in einem Brief nach Deutschland: »Wir haben durch das Urteil des heiligen Geistes befohlen und geboten, dass in Eurem Reich ein Reichstag stattfinde.« – Hier kann man wirklich herzlich über den guten Dalai-Lama lachen. – Aber sobald er sich aufbläht und wirklich zu reden anfängt, verkriechen sich doch die meisten, sogar die gelehrtesten und energischsten Bischöfe, und lispeln ihr demütiges: »Wir unterwerfen uns.«

Dalai-Lama Urban der Zweite predigte 1096 in der Kirche der heiligen Thekla zu Mailand, »daß der geringste Priester jedem König vorgehe«. – Und Lama Gregor ergänzt es dahin: »Wer also, der auch nur einige Kenntnisse hat, möchte zweifeln, daß die Priester den Königen vorgehen? Wenn nun die Könige für ihre Sünden zu richten sind, von wem müssen sie dann rechtmäßiger gerichtet werden, als vom römischen Papste?« In dieser Weise verfluchten und bannten die Päpste Fürsten und Obrigkeiten, Laien und Geistliche, wer ihnen, auf politischem oder geistlichem Gebiet, in die Quere kam. Kaiser Friedrich Barbarossa, Friedrich II., Ludwig der Bayer, Philipp der Schöne von Frankreich, und viele ungezählte Kleinere kamen dran. Und auch die Reformation brachte keine Vernunft. Heinrich VIII. von England wird mit Anna Boleyn exkommuniziert, sein Land mit dem Interdikt belegt, die Untertanen des Eids entbunden und die, die ihm treu bleiben, »als Sklaven« verkauft. – Aber so hoch im Norden zündeten die römischen Blitze nicht mehr. Und über den stürmischen Wassern des Kanals La Manche löschten die päpstlichen Raketen meist aus.

Pius V. donnerte in der Bulle »Regnans in Excelsis« im Jahr 1570: »Der Herrscher in der Höhe übergab zur Regierung in der Fülle der Gewalt die eine heilige Kirche, außerhalb deren es kein Heil gibt, dem römischen Pontifex. Diesen einen setzte er über alle Völker und Reiche zum Fürsten, auf daß er ausrotte, zerstöre, zerstreue, vernichte, pflanze und baue. Gestützt also auf die Autorität Gottes erklären wir die genannte Ketzerin Elisabeth (die Königin von England) und ihre Anhänger dem Fluch verfallen und abgesondert von der Einheit des Leibes Christi. Dieselbe sei des angemaßten Rechtes über ihr Reich, jeglichen Eigentums, jeglicher Würde, jeglichen Vorrechts beraubt. Alle Stände, Untertanen und Völker ihres Reichs sind von jeder Pflicht der Lehenstreue und des Gehorsams entbunden.« – Aber die große Elisabeth kümmerte sich wenig um die Bannflüche in Rom; sie ließ die bigotte und landesverräterische Maria Stuart enthaupten und wurde die Begründerin der Größe Englands. – Immer kam es darauf an, welch persönlicher Charakter es war, den der tibetanische Fluch traf; und welcher Art und Gesinnung Land und Untertanen. Leider war es in letzter Hinsicht immer miserabel in Deutschland bestellt. Und schwadronenweis stürzte hier das blöde Volk auf die Knie, wenn der tibetanische Gott in Rom rot und feurig sich aufblies.

Dalai-Lama gibt es nur für den, der an die Gottheit glaubt, und zerschmettert wird nur der, der sich fürchtet!

Innocenz X. erklärte in der Bulle »Zelo domus dei« vom 20. November 1648 »kraft Apostolischer Machtvollkommenheit den Artikel des Westfälischen Friedens für nichtig, ungültig, unbillig, ungerecht, verdammt, verworfen, vergeblich, der Kräfte und Erfolge entbehrend für alle Zukunft.« Er hätte gewünscht, daß der dreißigjährige Krieg, der Deutschland auf Generationen in seiner Entwicklung gegen andere Kulturvölker zurückgeworfen hatte, und es ausgesogen und verarmt zurückließ, noch länger dauere. Und dann hatte dieser Friede einer Sekte Menschen in Deutschland Existenz-Rechte verliehen, die an Dalai-Lama nicht mehr glaubten.

Seitdem ist das Ansehen des Dalai-Lama gewaltig gefallen. Eine große Portion Luft wurde aus dem Ballon herausgelassen. Als Pius VI. 1782 nach Wien kam zum Besuch Kaiser Josefs II., und sie sich einige Posten vor Wien trafen, küßten sie sich schon à la française; der Pantoffelkuß und das Hinfallen zur Erde waren schon »unmodern«; und als der Papst dem Kanzler Kaunitz einen Besuch machte, und die Hand zum Kusse reichte, schüttelte dieser gar dem betroffenen Pontifex die Hand nach englischer Manier: How do you do? – Aber in dem Vorzimmer zu den päpstlichen Gemächern stand der Pantoffel des Papstes zum Küssen ausgestellt, und die Wienerinnen kamen in Masse und schleckten den seidenen Pantoffel ab; und in den hocharistokratischen Häusern zirkulierte ein anderer Pantoffel, der gläubig verehrt wurde: Immer sind es die Gläubigen, die den Dalai-Lama machen!

Noch immer sieht es Dalai-Lama gern, wenn Fürsten sich von ihm krönen lassen. Weil bei dieser Gelegenheit der Kaiser tiefer steht oder vor ihm auf den Knien liegt; und symbolische Vorgänge und Situationen der Art liebt Dalai-Lama. Doch war der kleine Napoleon, der seiner Statur wegen nicht hätte zu knien brauchen, selbstherrlich genug, sich in Gegenwart des Papstes, den er nach Paris kommen ließ, die Krone selbst aufzusetzen.

»Denn der Papst läst keinen Kaiser sein, er fall ihm dann vor die Füss, und empfange die Kaiserliche Krone von seinen Füssen, verschwöre ihm auch das Italienische Reich, und die Stadt Rom« schreibt noch Hutten. Aber Karl V., den er erlebte, war der letzte deutsche Kaiser, der sich vom Papst krönen ließ 1530. Trotzdem läuft der Papst heute noch den fürstlichen Machthabern nach, sie sollen ihm die »statt Rom verschwören«. So lief er dem Kaiser Wilhelm 1870 ins Kriegslager, damit er ihm »die statt Rom verschwöre«. Als dieser dies weigerte, wurden in ganz Deutschland die Lamaisten und Tibetaner aufgeboten, daß sie ihm zur Stadt Rom verhelfen sollten. Und wenn es nach ihnen gegangen wäre, wäre Deutschland in blutige Kriege gestürzt und zerstückelt worden; denn höher als Deutschland steht ihnen ihre Tibetanische Gottheit in Rom.

Hat der lamaische Gott in Rom aber seit dem Mittelalter bedeutend an politischem Einfluß eingebüßt, so hat er doch nicht eines seiner Vorrechte aufgegeben. Einer seiner heiligsten, geschwelltesten Repräsentanten, Pius IX., hat in seinem Gesetzbuch, dem Syllabus, folgendes verkündet: »Die bürgerlichen Gesetze sollen und dürfen von der göttlichen Offenbarung und der Autorität der Kirche nicht abweichen.« Da nun Dalai-Lama die göttlichen Offenbarungen selbst bestimmt, so bestimmt er auch die Abweichungen der bürgerlichen Gesetze von ihnen und somit die bürgerlichen Gesetze selbst.

Ein anderer Satz dieses Dalai-Lamas lautet: »Die geistliche Gerichtsbarkeit für weltliche Zivil- wie Kriminal-Angelegenheiten der Geistlichen ist durchaus nicht abzuschaffen, auch nicht ohne Befragen und gegen den Einspruch des apostolischen Stuhls.« – Da aber Urban II. in einer kirchlichen Verordnung erklärt hat »Denjenigen, die Exkommunizierte töten, läge nach der Sitte der römischen Kirche und seiner eigenen Intention eine passende Buße auf, damit sie sich vor den Augen der göttlichen Einfalt wohlgefällig machen; denn wir halten dieselben nicht für Mörder«; und da der Jesuiten-Orden, den Leo XIII. in seinem jüngsten Breve »den Hort für gründliche und gesunde Lehre« nennt, den Mord an vom Papst Gebannten unter allen Umständen für rechtlich hält; auch der Jesuit Mariana dem Dominikaner-Mönch Jakob Clement, der nach vorheriger Instruktion bei den Theologen seinen König, Heinrich III. von Frankreich, 1589 ermordete, das höchste Lob spendet, auch Sixtus V. diesen Mord in einer Ansprache an die Kardinäle einen »Success« und die Folge einer unmittelbaren Eingebung Gottes nannte; und schließlich Gregor XIII. beim Eintreffen der Nachricht von der Pariser Bluthochzeit, die schon sein Vorgänger Pius V. lebhaft betrieben hatte, und wobei an hunderttausend Hugenotten ermordet wurden, dem Kardinal, der die Nachricht überbrachte, zweihundert Goldgulden schenkte, eine Prozession und Feuerwerk veranstaltete, und von der Engelsburg Freuden-Salute schießen ließ, – so stünden wir mit Pius IX. geistlicher Gerichtsbarkeit für Kriminalangelegenheiten der Geistlichen mit Leib und Leben gänzlich in der Willkür des apostolischen Stuhls, oder seiner Boten; es sei denn wir würden Dalai-Lamiten. Wir wollen aber Deutsche sein.

Weiter erklärt Dalai-Lama: »Könige und Fürsten sind weder von der Jurisdiktion der Kirche ausgenommen, noch stehen sie bei Entscheidung von Jurisdiktions-Fragen höher, als die Kirche.« – Aber wie es bei diesen Jurisdiktions-Fragen unsern Fürsten ging, haben wir an Ludwig dem Bayer, Friedrich II. und anderen zur Genüge gesehen. Sie wurden gebannt, ihr Volk revoltiert, und ihr Land der Verwüstung und Zerstörung preisgegeben.

In der am 18. Juli 1870 von Pius IX. verlesenen Bulle erklärt Dalai-Lama, »Daß, wenn der Papst, von seinem Lehrstuhl aus (ex cathedra) sprechend, eine den Glauben oder die Sitten betreffende Lehre entscheidet, er jene Unfehlbarkeit besitzt«. Nun, wie sie eben einem Dalai-Lama zukommt. – Was sind das aber genau umschrieben, »Sitten«? – Das zur Zeit häufigst in den Seminarien gebrauchte katholische Moral-Kompendium von Gury zählt zu Gegenständen der »Sitte«: »Die menschlichen Handlungen; das Gewissen; die Gesetze; natürliches, göttliches, kirchliches, bürgerliches Recht; die Sünden; die Tugenden; die zehn Gebote; die Kirchengebote: Beichte, Kommunion, Fasten; die Gerechtigkeit und das Recht: Eigentum, Erwerb, Nutznießung, Diebstahl, Verträge, Versprechen, Eid, Schenkung, Leihvertrag, Zinsen, Pfandhäuser, Wechsel, Lotterie, Wetten, Spiel; die Stände: Geistliche, Laien, Richter, Advokaten, Gerichtsvollzieher, Schreiber, Ankläger, Zeugen, Ärzte, Chirurgen, Apotheker, Wald- und Feldhüter ...« – ja, lieber Dalai-Lama, das umfaßte ja die ganze Welt! – So will's der Dalai-Lama.

Wie Dalai-Lama die bürgerlichen Gesetze, »die von der Autorität der Kirche abweichen« zurückweist und ungültig macht, mag eine Allokution Pius IX. vom Jahr 1868 dienen, wo es heißt: »Am 11. Dezember vorigen Jahres ist von der österreichischen Regierung ein abscheuliches Gesetz als Staatsgrundgesetz erlassen worden, welches in allen Reichsteilen die volle Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Glaubens- und Gewissens-Freiheit, Freiheit der Wissenschaft, Unterrichts- und Erziehungs-Freiheit, sowie Gleichstellung der vom Staate anerkannten Religionsgesellschaften gewährleistet. – Dieselbe Regierung hat am 25. Mai ein Gesetz erlassen, welches bestimmt, daß in gemischten Ehen, die Knaben die Religion des Vaters, die Mädchen die der Mutter erhalten sollen, sowie daß die Katholiken dulden müssen, daß auf ihren Friedhöfen die Leichname der Ketzer (Protestanten) beerdigt werden, wenn diese Ketzer keine eigenen haben. – Ihr seht, ehrwürdige Brüder, wie heftig zu tadeln und zu verdammen derartige abscheuliche Gesetze der österreichischen Regierung sind, welche der Lehre der katholischen Kirche, deren Autorität, Unseres apostolischen Stuhles Gewalt und dem Naturrecht zuwiderlaufen. Deshalb erheben Wir die apostolische Stimme und kraft Unserer apostolischen Autorität verwerfen und verdammen wir diese Gesetze der österreichischen Regierung und alles, was in dieser Hinsicht von der Regierung oder ihren Behörden verfügt, getan oder versucht worden ist; erklären, daß diese Dekrete mit allen Folgen gänzlich nichtig, ohne jegliche Kraft gewesen sind und sein werden. Ihre Urheber aber beschwören wir, sich der Kirchen- und geistlichen Strafen zu erinnern, welche die päpstlichen Gesetze gegen die Schädiger der kirchlichen Rechte als von selbst eintretend verhängen.«

Aber auch der neueste Dalai-Lama, Leo XIII., bleibt an Autorität und göttlicher Vollmacht nicht hinter seinem Vorgänger zurück. Er und Pius IX. nannten die protestantischen Schulen »moralische Vergiftungs-Anstalten«, die protestantischen Missionare »Männer des Trugs«, »Vorkämpfer des Satans«, bezeichneten die protestantischen Kirchen als »Bordelle«.

Im Jahr 1864 erklärte Pius IX. im Syllabus, daß an »der Lehre von der weltlichen Herrschaft des römischen Papstes alle Katholiken aufs Unerschütterlichste festhalten müssen«. Und Leo XIII. hat es bei allen Gelegenheiten wiederholt. – Dies wird freilich den Lamaisten gegenwärtig etwas schwer. Aber der Glaube bewegt sich ja vorwiegend in nicht wirklichen Dingen. Und da kann er ja von der derzeitigen Wirklichkeit in Rom abstrahieren.

Und der Osservatore Romano definiert in Nr. 165 seines Jahrgangs 1891 den Papst folgendermaßen: »Der Stellvertreter Christi ist nicht nur Papst, sondern König über alle Völker der Erde.«

Haben sich sonach Ansprüche und Vorrechte des Dalai-Lama bis zum heutigen Tage keineswegs verringert, so hat sich seine Heiligkeit und göttliche Verehrung im Umkreis seiner Anhänger in den letzten Jahren entschieden noch gesteigert; Die Podolatrie, oder Verehrung durch den Fußkuß, eine ursprünglich orientalische Ehren-Bezeugung, die die römischen Kaiser übernahmen, und die vielleicht aus Tibet stammt, wurde durch das päpstliche Hof-Zeremoniell zu einer Verehrung jedes einzelnen Körperteiles der Gottheit erweitert: Das Knie verehren die Bischöfe; sie allein haben das Recht, das Knie des Papstes zu küssen: Chirolatrie, die Hand-Verehrung. Der Fuß gehört der übrigen Menschheit. Und viele müssen sich mit dem ledigen Pantoffel begnügen.

Sobald ein neuer Dalai-Lama gewählt ist, wird er auf den Hochaltar gesetzt, die siebzig Kardinäle knien um ihn herum, »adorieren« ihn, und rufen ihm laut zu: »Wisse, daß Du der Herr des Erdkreises bist!«

Niest der Papst, so stürzt der nächste Kardinal sogleich zu Boden, und bringt in dieser Positur seine Verehrung dar.

Bei der Messe zelebriert der Papst nur einen Teil; er geht dann vom Altar fort, um sich zu seinem Thron zu begeben; die Kardinäle stürzen zu Boden, die Nobelgarde präsentiert, und der Papst besteigt den Thron; ein Kardinal bringt ihm dann den Herr-Gott an den Thron hin, – sozusagen ans Bett. –

Auch in Deutschland wird Dalai-Lama von den Lamaisten angebetet. In Rhede, in Westfalen, wird die Statue des Papstes von Blumen und Kerzen umkränzt vor den Hochaltar gestellt, während die Gläubigen ringsum auf den Knien liegen.

»Weißt Du auch ein ganz absonderlich Ding zu Rom? – Daß den Papst seine Schmeichler für einen Gott ausgeben!« sagt Hutten.

Da Dalai-Lama Gott ist, so wird er auch »Gott in Rom« genannt: »Inkarnation Gottes«; »höchste Personifikation Gottes auf Erden«; »das lebendige Sakrament«; »die heilige Kommunion«; »Fortsetzer des Geheimnisses der Fleischwerdung Gottes«; und Pius IX., der als früherer Kürassier-Offizier doch auch noch Menschliches in sich fühlte, sagte: er verehre in sich selbst »die Stellvertreterin der Gottheit«.

Natürlich ist der Anblick Dalai-Lamas für den, dem er zuteil wird, eine überirdische Erscheinung: »Der Papst – heißt es in einem von Pius IX. benedizierten Schriftchen – ist für uns die sichtbare Figur Jesu Christi. Seine Macht erstreckt sich über unsere Seelen, wie die des göttlichen Erlösers selbst. Ausgenommen die wirkliche Gegenwart Jesu Christi im Sakrament des Altars, ist nichts so geeignet, die göttliche Person des Erlösers unseren Sinnen nahezubringen, als der Anblick des Papstes. Es ist, als ob immer der Himmel geöffnet sei über seinem Haupte, als ob das göttliche Licht auf ihn herabstrahle. Wir dürfen uns daher nicht die unehrerbietige Unredlichkeit erlauben, an ihm Menschliches und Göttliches auseinanderhalten zu wollen.«

»Denn sie heißen ihn einen irdischen Gott, der nicht schlecht Mensch, sondern aus Gott und Mensch zusammengemenget sei, wollten wohl gern sagen, daß er gleich, wie Christus selbst, wahrhaftiger Gott und Mensch wäre«, heißt es bei Luther.

Natürlich tut Dalai-Lama auch Wunder, und seine Kleider stehen im Werte des Rocks von Trier: Ein deutscher Schullehrer in Donauwörth erhielt von einer hochgestellten Persönlichkeit aus der Umgebung Pius' IX. »ein Stück von seinem Leibrock; eine Reliquie, die schon jetzt höchst verehrungswürdig, nach der in Aussicht stehenden Heiligsprechung höchst kostbar werde.« – Eine französische Dame wurde zu Lebzeiten Pius' von einem Beinleiden dadurch geheilt, daß sie einen alten Strumpf seiner Heiligkeit trug. – Ein Knabe aus Bovolone, der an Epilepsie litt, wurde durch den Gebrauch eines Stückchens roter Seide von den Kleidern Pius' IX. geheilt. – Eine Krume Weißbrot vom Tische Pius IX. heilte noch nach Jahren, nachdem sie im Besitz einer gräflichen Familie Schlesiens gewesen, Krämpfe. – Und angewendet werden außerdem: »Scharpie, die bei dem Verbinden einer Fußwunde Pius' IX. diente«; »Fäden aus seinem Kopfkissen, auf dem er während seiner letzten Krankheit gelegen«; »ein Läppchen von dem Unterfutter seiner Soutane in Wasser gelegt und tropfenweise täglich mit lebendigem Vertrauen getrunken«.

Lieber Leser, diese Dinge sind alle recht lustig, und geben uns das Recht, über Dalai-Lama recht herzlich zu lachen. Aber sie haben ihre verflucht ernste Seite, solange dieser Dalai-Lama in Deutschland über viele Millionen Menschen kommandiert, und, was schlimmer, über viele Millionen deutscher Gewissen. Dieser Dalai-Lama in Rom hat seit einem Jahrtausend die größte Zwietracht über unser Land gebracht, Blutvergießung und Zerstörung rücksichtslos geübt, unsere Fürsten mit Fußtritten behandelt, Städte und Länder mit einem Wink seines Interdikts in Einöden und Feuerstätten verkehrt. Ohne Dalai-Lama kein Dreißigjähriger Krieg, kein Schmalkalder Bund, keine Schweden im Land, keine englischen und spanischen Kaiser auf deutschem Thron. Wenn das Christentum für Deutschland auf einem Papste beruht, dann ist das tief traurig. Und dann wird die geistige wie politische Konstellation Deutschlands auf absehbare Zeit von einem Ausländer abhängig sein. Heute handelt es sich nicht darum, katholisch oder protestantisch zu sein. Es handelt sich darum, deutsch zu sein. Und nicht gegen den Papst oder Dalai-Lama handelt es sich Front zu machen, sondern gegen den Ausländer, der es jeden Tag in der Hand hat, Deutschland in zwei feindliche Parteien zu spalten. Dieser Kampf muß heute noch in Deutschland ausgekämpft werden; dauere er dreißig oder hundert Jahre; damit es in Deutschland nur mehr Deutsche gibt; und nicht eine Partei, die jeden Moment vom Ausland her gezwungen werden kann, gegen die Interessen des eigenen Vaterlandes sich zu kehren.


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