Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Die Debauchen Friedrich II.

Ich will hier keine eingehende und interessante Schilderung der Geschichte des großen Königs geben. Ueber den alten Fritz ist schon genug geschrieben worden. Und wer eine kurze aber treffende Charakteristik von ihm lesen will, der möge Wilhelm Uhde's »Der alte Fritz« lesen, eine kleine Monographie, die in der von Cornelius Gurlitt herausgegebenen Sammlung »Die Kultur« erschienen ist. Hierher gehören nur seine Erlebnisse mit Frauen. Und die mögen ja auch einen – vielleicht nicht unwesentlichen Teil des Mannes erklären.

Die erste Frauengestalt, mit der ein Verhältnis des jungen Friedrich verbürgt ist, war eine Dame vom Hofe August des Starken in Dresden. Dieser Hof gehörte zu den lockersten und ausgelassensten von ganz Europa. Und diese Ausgelassenheit verschaffte auch dem unter der väterlichen pedantischen Strenge Friedrich Wilhelm I. schwer leidenden Sechzehnjährigen ein wenig Luft – er verfiel der Art des sächsischen Hofes, er konnte nicht den Widerstand seines Vaters aufbringen.

Friedrich II.

Der junge Friedrich II.
Quelle: de.wikipedia.org

Auch dem hatte man eine Falle stellen wollen. Man wußte, daß auch er, der allzu gediegene Hausvater, in seiner Jugend »Galanterien« gehabt hatte, denen seine Mutter Sophie Charlotte bereitwillig Vorschub leistete. Varnhagen hat in seiner Biographie ein Billett von ihr, das mit solchen Dingen zu tun hatte, abdrucken lassen. Und Friedrich II. bezog sich später auch auf die Jugendzeit seines Vaters.

Als Ehemann aber hat der Vater Friedrich des Großen alle Versuchungen von sich abprallen lassen. Und die waren in der damaligen Welt gewiß nichts Seltenes am Hofe eines doch immerhin schon ziemlich bedeutenden Fürsten. So berichtet Pöllnitz über ein solches Unternehmen, das den Fürsten in Mätressenhände bringen sollte:

»Unter den Hofdamen der Königin befand sich damals (1716) ein Fräulein von Wagnitz. In Ansehung ihrer Figur sah man nichts reizenderes am ganzen Hofe; aber ihr Verstand entsprach nicht ihrer Schönheit. Indessen war sie kokett genug, um niemanden von sich zu weisen, und prachtliebend genug, um es allen übrigen Frauenzimmern gleich, wo nicht gar zuvor zu tun. Sie hatte aber nicht hinlängliches Vermögen, um die Kosten dazu bestreiten zu können. Ihr Unglück war, daß sie von einer Mutter geleitet wurde, deren Charakter wenig Achtung verdiente. Das Ungefähr hatte dieselbe vom Lande herbeigeführt und sie zur Hofmeisterin der Markgräfin Albert gemacht. Da ihr Geist von Natur zur Intrigue geneigt war und sie ebenfalls eine ziemliche Portion Koketterie besaß, hatte sie in kurzer Zeit die Hofmanieren und Kabalen angenommen, wobei sie um so größere Fortschritte machte, da sie eine gewisse Einfalt der Sitten beibehielt und eine Miene der Gutherzigkeit und Andacht affektierte, weswegen man ihr einen rechtschaffenen Charakter zutraute, den sie doch nicht hatte. Der Eigennutz beherrschte sie ganz; da sie aber mit ihren eigenen Reizen nicht mehr wuchern konnte, so bot sie die Reize ihrer Tochter feil. Es fand sich auch eine Menge von Liebhabern und Käufern. Der Staatsminister und Finanzdirektor, Herr von Kreutz, befand sich auch unter der Anzahl und entfernte durch seine Reichtümer die übrigen auf einige Zeit. Sein eigentlicher Zweck war, dem Könige Neigung zu derselben einzuflößen, um der Gewalt des Fürsten von Anhalt und des Herrn von Grumbkow, der sein Freund nicht war, das Gegengewicht zu halten. Allein der König liebte, entweder aus natürlichem Abscheu gegen dergleichen Ausschweifungen oder aus Religionsgrundsätzen ganz allein die Königin und wußte es dem Herrn von Kreutz gar keinen Dank, daß er ihm eine Mätresse geben wollte. Ueberdem sagten ihm der Fürst von Anhalt und der Herr von Grumbkow so viel Böses von dem Fräulein von Wagnitz, daß er sie bald verabscheuete und die Königin bat, sie fortzuschicken. Die Königin aber, die sowohl die Mutter als die Tochter liebte, weil sie die Kunst verstanden, sie zu amüsieren, welches in den Augen der Großen immer ein wichtiges Verdienst ist, bemühte sich, die letztere zu rechtfertigen und bat den König, ihr noch drei Monate zu gestatten, um sie dahin zu bringen, ihre Aufführung zu ändern oder sie hernach ohne Aufsehen zu entfernen. Sie erlangte diesen Aufschub nur mit vieler Mühe und auf ihr dringendes Bitten vom Könige. Die Königin kannte nun nichts Angelegentlicheres, als das Fräulein von Wagnitz kommen zu lassen. Sie hielt ihr eine lange Strafpredigt und sagte ihr, daß der König sie durchaus vom Hofe entfernt wissen wolle. Es werde ihr leid tun, wenn sie sie fortschicken müsse; sie werde daher einen zweiten Versuch machen und im Fall sie selbst von einem Prinzen entbunden würde, den König alsdann um die Erlaubnis bitten, sie behalten zu dürfen. Statt daß nun das Fräulein von Wagnitz der Königin für ihre Güte hätte danken sollen, entrüstete sie sich aufs Höchste gegen sie und vergaß sich sogar so weit, daß sie sie sowohl als das Kind, das die Königin unter ihrem Herzen trug, verfluchte. Sie setzte noch hinzu, es sei nicht des Königs, sondern nur der Frau von Blaspiel, einer anderen Hofdame, Wille, daß sie den Hof verlassen solle; sie habe indessen noch Freunde genug, um weder die Königin, noch ihre Favoritin zu fürchten; sie werde sich zu behaupten wissen, und ehe man sie zur Verlassung ihrer Stelle zwingen könne, erst ihre Feindin vom Hofe vertreiben. Die Königin befahl ihr hierauf, sogleich ihr Zimmer zu verlassen. Dennoch hatte sie die Großmut, sie noch zu behalten, weil sie immer hoffte, sie werde ihre Denkungsart und ihre Aufführung ändern.

Am folgenden Morgen fand man an mehreren Türen des Schlosses verschiedene Zettel angeschlagen, welche die gröbsten Beleidigungen gegen den König und die Königin enthielten. Der Herr von Grumbkow unterließ nicht, sie geradezu dem Herrn von Kreutz und dem Fräulein von Wagnitz beizulegen. Der Zorn des Königs traf indessen nur die letztere und sie empfand auch bald die Wirkungen davon. Es lag nicht an der Königin, daß sie denselben nicht entging. Als dieselbe nämlich hörte, daß sie sich anschicke, bei der Vermählungsfeier des Prinzen von Württemberg mit großer Pracht zu erscheinen, ließ sie ihr sagen, sie riete ihr, sich nicht vor dem Könige sehen zu lassen. Allein sie erhielt die Antwort, sie habe nichts zu fürchten, weil sie unschuldig sei und ihr Gewissen ihr keinen Vorwurf mache; sie werde also erscheinen, es möge auch daraus erfolgen, was da wolle. Sie zeigte sich auch wirklich in größerem Glanze und Putze, als irgend eine andere Dame am Hofe. Sobald der König sie erblickte, ward sein Gesicht von Zorn entflammt. Er rief sogleich den Kammerherrn und nachherigen Oberhofmeister der Königin, Herrn von Brand, und befahl ihm, dem Fräulein von Wagnitz anzudeuten, daß sie aus dem Zimmer gehen und unverzüglich das Schloß räumen solle; im Weigerungsfälle werde er sie durch Unteroffiziere wegführen und ihre Meubles zum Fenster herunterwerfen lassen. Der Herr von Brand hinterbrachte ihr den Befehl des Königs in so gelinden Ausdrücken, als er nur konnte; da er aber sah, daß sie hartnäckig blieb, sagte er ihr ins Ohr, was sie zu befürchten habe. Sie gehorchte also endlich. Der Herr von Kreutz, der über diesen Vorfall ganz in Verzweiflung geriet, bat flehentlich um ihre Zurückberufung und setzte deswegen alle seine Freunde in Bewegung. Allein der König antwortete, daß, wenn ihm noch jemand das Geringste von diesem Mädchen vorreden würde, er sie ins Zuchthaus sperren und nie wieder herauslassen würde. Diese Antwort machte allem Bitten für sie ein Ende. Das Fräulein mußte den Hof verlassen. Sie nahm ihre Wohnung nun in der Stadt. Der Herr von Kreutz fuhr indessen fort, sie zu sehen und unterhielt sie förmlich. Sie zog später nach Pommern.«

Ehe diese Szenen vorfielen, hatte die Wagnitz schon einmal unrichtige Wochen gehalten und war schon wieder schwanger. Ihre Intimität mit Herrn von Kreutz hatte Grumbkow, der allmächtige Minister Friedrich Wilhelm I. durch die Inszenierung eines Gespenster-Spektakels herausbekommen. Ein bestochener Küchenjunge hatte die Rolle des Gespenstes gespielt und war so an den ohnmächtig gewordenen Soldaten vorbeigekommen und konnte feststellen, daß die Wagnitz nächtliche Besuche des Herrn von Kreutz empfing.

So konnte Grumbkow denn vereiteln, daß Friedrich Wilhelm I. anderen Einflüssen als seinen untertan wurde. Seine Veröffentlichung der Galanterien der schönen Hofdame mögen die schroffe Haltung des Königs gegen sie erst veranlaßt haben.

Doch war er immer schroff abweisend, wenn man versuchte, ihn in die Arme der Frauen zu locken. Das geschah in geradezu raffinierter Weise wieder einmal, als der König und der junge Kronprinz, der spätere alte Fritz, den Dresdner Hof besuchten. Die Schwester Friedrich II. berichtet darüber – sie hatte es gewiß von ihrem Bruder so geschildert bekommen –:

»Eines Abends (1728), als man dem Bacchus gehuldigt hatte, führte der König von Polen seinen Gastfreund unbemerkt in ein reichgeschmücktes Zimmer, dessen Meubles und ganze Anordnung von dem ausgesuchtesten Geschmack zeugten. Dieser, von allem was er sah entzückt, blieb stehen, um alle Schönheiten zu betrachten, als man auf einmal eine Tapetenwand hob, die ihm ein ganz neues Schauspiel darbot. Es war dies ein Mädchen, in dem Zustande unserer ersten Eltern, nachlässig auf einem Ruhebette hingestreckt. Dieses Geschöpf war schöner, als man Venus und die Grazien malt; sie bot dem Blicke einen Körper von Elfenbein dar, weißer als der Schnee und schöner geformt als die schöne Statue der mediceischen Venus in Florenz. Das Kabinett, welches diesen Schatz einschloß, war von so vielen Kerzen erleuchtet, daß ihr Glanz blendete und der Schönheit dieser Göttin einen neuen Schimmer verlieh. Die Erfinder dieses Schauspiels zweifelten nicht daran, daß der Gegenstand Eindruck auf das Herz des Königs machen werde, aber es kam ganz anders. Kaum hatte der Fürst einen Blick auf die Schöne geworfen, als er sich unwillig umdrehte, und da er meinen Bruder hinter sich erblickte, diesen sehr derb aus dem Zimmer stieß, das er selbst unmittelbar darauf verließ, sehr erbittert über den Streich, den man ihm hatte spielen wollen. Er sprach an demselben Abende in sehr starken Ausdrücken mit Grumbkow darüber und erklärte ihm geradezu, daß wenn man dergleichen Auftritte wiederhole, er auf der Stelle abreisen werde. Etwas anderes war es bei meinem Bruder. Trotz der Sorgfalt des Königs hatte er doch Zeit genug gehabt, die Venus des Kabinetts zu betrachten, die ihm nicht so viel Abscheu einflößte, als es bei seinem Vater der Fall gewesen war. Er erhielt sie auf eine ziemlich sonderbare Art vom König von Polen.

Mein Bruder hatte sich leidenschaftlich in die Gräfin Orselska verliebt, die zugleich die natürliche Tochter und Mätresse des Königs von Polen war. Ihre Mutter war eine französische Kaufmannsfrau aus Warschau. Dieses Mädchen verdankte ihr Glück dem Grafen Rudowski, ihrem Bruder, dessen Mätresse sie war, und der sie mit dem Könige von Polen, seinem Vater bekannt machte, der, wie bekannt, so viele Kinder hatte, daß er nicht für alle sorgen konnte. Doch wurde er durch die Reize der Orselska so ergriffen, daß er sie sogleich als Tochter anerkannte. Er liebte sie mit außerordentlicher Leidenschaft. Die Bemühungen meines Bruders um diese Dame flößten ihm eine furchtbare Eifersucht ein. Um das Verhältnis zu zerstören, ließ er ihm die schöne Formera unter der Bedingung anbieten, daß er die Orselska verlasse. Mein Bruder ließ ihm versprechen was er wünschte, um in den Besitz dieser Schönheit zu gelangen, welche seine erste Mätresse wurde.«

Als bald darauf der König von Polen am preußischen Hof einen Gegenbesuch machte, brachte er die Orselska mit nach Berlin. Der junge Kronprinz fand Wege, das Verhältnis mit ihr fortzusetzen. Ein Kind von ihr, dessen doch wohl recht zweifelhafte Vaterschaft Friedrich II. zugeschoben wurde, brachte der französische Richter Carrel in Frankfurt a. d. Oder unter. Sie hatte Eigenschaften, die wohl einen jungen, heißblütigen und falsch erzogenen Prinzen verleiten konnten. Zeitgenossen berichten von ihr: Sie war sehr gut gewachsen, hatte etwas Großes in ihrem Anstande und eine allerliebste Laune. Sie erschien sehr oft in Mannskleidern, die ihr sehr artig standen. Man sagte, daß sie sehr wohltätig sei; wenigstens war sie außerordentlich freigebig, so daß der König ihr kaum genug Geld zu ihren Ausgaben anweisen konnte; denn sie gab alles her. Nach dem Tode ihres Vaters hatte sie daher weiter nichts mehr, als ihre Edelsteine, deren Wert sich etwa auf 1 500 000 Taler belief. Allein der Graf Sulkowsky, Günstling und Premierminister August III. ließ ihr dieselben unter dem Vorwande wegnehmen, daß dieselben dem sächsischen Hause gehörten. Das Kränkendste für die Gräfin bei diesem Verfahren war, daß sie die Gemahlin des Grafen Sulkowsky bald darauf mit einem Teile derselben bei Hofe erscheinen sah. Sie schien indessen nicht bewegt darüber zu sein, sondern sagte, daß sie durch den Verlust ihres Vaters alles verloren habe, und daß Vermögen, Ehre und Glücksgüter keinen Reiz weiter für sie hätten.

Eine solche großdenkende Person ist nicht gerade allzu häufig unter den Mätressen anzutreffen. Und sie hat vielleicht nur in weiblicher Großmut den jungen Friedrich erhört – der ja sonst so wenig Liebe genoß und wohl umsomehr auf sexuelle Abenteuer verfiel. Möglich auch, daß die Gräfin nur eine von jenen Frauen war, die aus großer Weiblichkeit sich keinem Flehenden versagen können. Jedenfalls war es natürlich, daß der sechzehnjährige Prinz sie bestürmte. Er wußte, daß sie zugänglich war. Und alles, was um ihn herum geschah, konnte ihn gerade nicht zur Abstinenz anspornen. Die Anschauungen, die er zu hören bekam, waren auch nicht geeignet, die Enthaltsamkeit zu fördern. Empfahl doch seine Mutter ihrer Tochter, den Prinzen von Wales zu heiraten und gefällig gegen ihn zu sein, seine Ausschweifungen zu dulden und zu leiten – dann werde sie ihn ganz beherrschen, dann werde sie später mehr König von England sein als er.

Außerdem mag auch von seinem Vater her derbsinnliches Blut auf ihn gekommen sein. Denn wenn Friedrich Wilhelm I. auch dem plumpraffinierten Verführungsversuch des sächsischen Hofes nicht unterlag – der in seiner Öffentlichkeit allerdings recht ungeschickt inszeniert war – so zeigte er in späteren Jahren, als die Reize seiner Frau verblüht waren, doch, daß er gegen weibliche Schönheit nicht gleichgültig blieb. Wie er sich dabei patriarchalisch schwerfällig benahm, darüber belustigte sich seine älteste Tochter auf diese Weise:

»Die Königin hatte (1731) an ihrem Hofe ein Fräulein von Pannewitz, das ihre erste Ehrendame war. Diese Dame war schön wie ein Engel und besaß ebensoviel Tugend als Schönheit. Der König, dessen Herz bis dahin gefühllos geblieben war, konnte ihren Reizen nicht widerstehen; er fing an, ihr den Hof zu machen. Dieser Fürst war keineswegs galant; da er seine Schwächen kannte, sah er voraus, daß es ihm nie glücken werde, Stutzermanieren nachzumachen, noch den verliebten Stil sich anzueignen. Er blieb daher bei seinem Naturell und wollte den Roman mit dem Ende anfangen. Er machte der Pannewitz eine sehr wunderliche Beschreibung seiner Liebe und fragte sie, ob sie seine Mätresse werden wolle. Diese Schöne behandelte ihn, da sie sich durch dieses Anerbieten sehr beleidigt fühlte, wie einen Ungar. Der König ließ sich nicht abschrecken und fuhr fort, ihr ein Jahr lang davon vorzureden. Der Ausgang dieses Abenteuers war sehr sonderbar. Als die Pannewitz mit der Königin nach Braunschweig gegangen war, wo meines Bruders Hochzeit gefeiert werden sollte, begegnete sie dem Könige auf einer kleinen versteckten Treppe, die in das Appartement der Fürstin führte. Er hinderte sie zu fliehen, wollte sie küssen, indem er ihr die Hand auf den Busen legte. Da versetzte ihm das wütende Mädchen so recht in die Mitte des Gesichtes einen so erfolgreichen Faustschlag, daß das Blut ihm sogleich aus Mund und Nase floß. Er wurde nicht böse darüber und begnügte sich, sie seitdem den bösen Teufel zu nennen.«

Hatte der König an sich selbst erfahren, wie leicht eine bevorzugte Stellung dazu führt, Mißbrauch mit ihr zu treiben und die Gelüste gehen zu lassen, so war er doch von einer Härte gegen seinen Sohn in solchen Dingen, die nicht zu seiner Werbung um die Hofdame paßt. Die Härte veranlaßte den Prinzen zu dem bekannten Fluchtversuch. Der König ließ nun alle, die mit dem Prinzen zu tun gehabt, seine Rache fühlen. Er vergriff sich sogar an einem jungen Mädchen, von dem man glaubte, der Kronprinz habe Umgang mit ihr gehabt. Es war die Tochter eines Pastors oder Kantors aus Potsdam, ein blutjunges Ding von 16 Jahren. Das arme Wesen mußte es bitter büßen, daß es einem Königssohn gefallen haben sollte. Es wurde öffentlich mit dem Staupbesen geschlagen, und zwar an allen Straßenecken, vor dem Rathause und vor dem Hause des eigenen Vaters. Obendrein steckte der König das Mädchen auf ewig ins Zuchthaus. Erst nach drei Jahren sah er ein, daß er eine gänzlich Unschuldige mißhandelt hatte und ließ sie frei.

Der Kronprinz wußte sich bald zu trösten – wenn er überhaupt in Liebessachen des Trostes bedurfte. Für ihn bestanden keine gemütvollen Beziehungen zwischen den beiden Geschlechtern. Er trat nur zu Genußzwecken mit Frauen in Verbindung. Die schwere Zeit der Haft in Küstrin versüßte ihm die junge Frau Luise von Wrech, die 1723, noch nicht 14 Jahre alt, Gemahlin des Obersten von Wrech geworden war. In Rheinsberg bot eine Frau von Brand dem begnadigten und gegen seinen Willen verheirateten Kronprinzen die Hand zu Liebesabenteuern. Die mögen von ähnlich derber und plumper Art gewesen sein, wie die Späße, die Friedrich II. mit Besuchern trieb. Er trank denen – und besonders armen Teufeln aus einfacherem Herkommen, so lange zu, bis sie vollkommen trunken waren und bis die ganze Gesellschaft krank lag.

Dieser Art sind auch seine anderen Beziehungen in Liebessachen gewesen. Vehse schreibt darüber:

»Von jetzt an war Friedrich in seinen erotischen Unternehmungen so wenig wählerisch wie Prinz Eugen und der alte Dessauer. Er drückt das in einem Briefe an Grumbkow vom 25. September 1732 selbst aus:

» Telle nymphe villageoise, embaumé d'odeur de gousse d'ial plaira mieux que la Comtesse (Dönhoff) avec tous ses airs précieux.«

Des Dienstes, den ihm Suhm, der sächsische Gesandte, bei einem erotischen Unfall, der kurz nach seiner Vermählung eintrat, erwies, habe ich oben beiläufig gedacht. Nach dem Ritter Zimmermann war dieser Unfall von drastischen Folgen, unheilbar, und der Geschlechtspotenz Eintrag tuend. Eine Operation mußte helfen. Das war der geheime Grund, daß Friedrich so kategorisch die Sektion nach seinem Abscheiden untersagte, die bekanntlich dennoch erfolgte.

So lebte Friedrich der Große mehr als zwanzig Jahre bis zu den Zeiten des siebenjährigen Krieges, die wieder einen Lebensabschluß bei ihm machten. 1754 noch schreibt ihm sein Vertrauter, der Tresorier Fredersdorf:

»Ew. Kön. Maj. seindt nicht Liederlich, dieses dient zu Ew. Kön. Maj. Kostbahren Gesundheit.« Aber der König trägt ihm auf: »Petit kann den Menschen schicken und kann er eine hübsche H … mit Kriegen, so ist es auch guht, den die fehlet uns auch.«

Elisabeth Christine von Braunschweig-Wolfenbüttel-Bevern

Elisabeth Christine von Braunschweig-Wolfenbüttel-Bevern.
Quelle: de.wikipedia.org

Friedrich's erzwungene Heirat mit der braunschweigischen Prinzessin Elisabeth Christine war seiner innersten Natur zuwider gewesen. Er gestand zwar seiner Schwester, der Markgräfin von Bayreuth, daß er seine Gemahlin nicht so unleidlich finde, er hoffe, sie werde sich noch bilden lassen. In Rheinsberg lebte er anscheinend ganz zufrieden mit ihr, jedoch ohne Kinder zu erhalten. Aber nach seiner Thronbesteigung erfüllte er, was er schon vor der Heirat geäußert hatte: » Je la planterai lè au stitôt que je serai le maître.« Er zog sich in seine Junggeselleneinsamkeit nach Sanssouci zurück; nicht ein einziges Mal ist die Königin hierhin gekommen. Er wies, sobald er den Thron bestiegen hatte, seiner Gemahlin das Schloß Schönhausen zum Sommeraufenthalt an; hierhin ist Friedrich nur ein einziges Mal gekommen, im Jahre 1744 beim Verlobungsfeste seiner Schwester, der nachherigen Königin von Schweden. Nach dem Tode seiner Mutter überließ er seiner Gemahlin auch noch Monbijou. Er sah sie nur sehr selten.

Doch hatte er für andere Frauen immer noch etwas übrig. Seiner schönen Tänzerin Barbarini werde ich ein besonderes Kapitel widmen. Außerdem aber hielt Friedrich mit der Prinzessin Amalie gewöhnlich am letzten Jahrestag in Berlin im Schlosse eine sog. table de confidence an der Maschinentafel, zu der die Speisen durch ein Triebwerk in das Speisezimmer im zweiten Stock gehoben wurden, so daß keine Bedienten nötig waren; neben jedem Kuvert stand ein sogen. Tambour, man schrieb auf, was man bedurfte und ließ die Tambours herunter, sie brachten jedesmal das Verlangte wieder herauf. Zu dieser Confidenztafel waren noch vier geistreiche Damen, die zu den Freundinnen des Königs gehörten, geladen. Weil am Silvestertage die Herrschaft der Damen beginnt, fand jede dieser vier Damen unter ihrer Serviette eine Krone und ein Szepter von Zucker »als Symbol der Süßigkeit ihrer Herrschaft.«

Auch drei Damen aus der Berliner Gesellschaft hat Friedrich wegen ihrer außerordentlichen Schönheit ausgezeichnet.

Die erste von diesen drei Damen war die Frau von Troussel, frühere Frau von Kleist, eine Tochter des Generals von Schwerin in Brandenburg, ehemals Ehrenfräulein der Königin Mutter, eine der galantesten, lebendigsten, heitersten und beliebtesten Damen, welche Berlin damals aufzuweisen hatte. Thiébault, der sie sehr gut gekannt hat, erzählt, man habe behauptet, sie habe bereits in ihrem vierzehnten Jahre eine Art von Verhältnis gehabt, das Eklat gemacht und sie genötigt habe, sich zu ihrer Mutter zurückzuziehen. Zimmermann nennt den Kastraten Porgorino, von dem man in Berlin erzählte, er finde bei den aufgeklärten Damen dort einen gar sonderbaren Beifall. Eine alte Hofdame überführte die Fräulein von Schwerin, sie habe bei Porgorino eine Nacht zugebracht. Die Geschichte machte gewaltigen Lärm und das Fräulein ward vom Hofe weggeschafft. Man glaubte nicht, daß sie einen Mann finden werde, zumal da auf die Porgorinosche Affäre bald eine berühmte Liebesgeschichte mit dem famosen Bischof Schaffgotsch von Breslau folgte. Nichtsdestoweniger fand sich ein Mann, und ein junger und reicher Mann, der Domherr von Kleist in Brandenburg. Er ließ sich in große Unternehmungen bei einer Sozietätshandlung ein, um seine Frau zufrieden zu stellen, die gar viel Geld brauchte, und geriet in Schulden. Der Artilleriekapitän von Troussel von der französischen Kolonie ward nun ihr Liebhaber. Kleist machte Vorstellungen dagegen, die sie sehr schnöde aufnahm. Nun ging Kleist davon und ließ alles im Stiche. Sie ließ sich von ihm scheiden und nahm ihre drei Kinder, einen Sohn und zwei Mädchen zu sich. Darauf heiratete sie Herrn von Troussel, nahm aber wieder den Kabinettsrat Galster zum Liebhaber an. In dieser Eigenschaft erteilte sie öffentliche Audienzen und ihr Wagen mußte oft die ganze Nacht vor Galster's Türe halten, um zu zeigen, wie genau sie mit dem einflußreichen Mann liiert sei. Durch Galster ward der Minister von Görne, der den König bei der Seehandlungssozietät so stark betrog, zum Minister vorgeschlagen. Görne hatte Frau von Troussel versprechen müssen, ihre älteste Tochter zu heiraten. Diese Unterhandlung wurde bekannt und machte solchen Lärm, daß die Heirat nicht vollzogen werden konnte. Bald darauf kam nicht nur Görne, sondern auch Galster nach Spandau. Herr von Troussel lebte hierauf noch zwei bis drei Jahre mit seiner Frau. Er stieg bis zum Oberstleutnant und Artilleriechef in der Armee des Prinzen Heinrich. Als diese Armee bei dem Ausbruch des bayrischen Sukzessionskrieges 1778 ausmarschierte, erschoß er sich mit größter Gelassenheit in Magdeburg, wie man sagte, aus Kummer über das Verhältnis seiner Frau zu zwei jungen Leuten; der König hatte ihm die Scheidung abgeschlagen. Frau von Troussel ward nun kränklich und bekam Zufalle, die man in Berlin für unheilbar hielt. Sie begab sich deshalb in die Kur des berühmten St. Germain. Dieser heilte sie aus dem Grunde, sie selbst zeigte einen Stein von der Größe eines Hühnereies vor, von dem er sie befreit habe. Das Berliner Publikum aber, sagt Zimmermann, war argwöhnisch genug zu glauben, was auch höchst wahrscheinlich ist: St. Germain habe sie bloß von einem Nachlasse ihrer Liebe für den schändlichen Bischof von Breslau geheilt. Sie starb, und zwar ein Jahr nach dem Tode ihres Mannes an einem hitzigen Fieber. Merkwürdig ist, daß auch noch ein Bruder des Oberstleutnant Troussel sich selbst das Leben nahm.

Die beiden anderen jungen schönen Damen der Berliner Gesellschaft, die der König auszeichnete, waren: ein Fräulein von Tettau und eine Gräfin Dönhoff. Fräulein Tettau wurde gleich nach seinem Regierungsantritt Hoffräulein der regierenden Königin und stand in so gutem Andenken, daß er ihrer selbst im Feldlager nicht vergaß: »Mein Kompliment«, schreibt er nach der Schlacht bei Czaslau, 20. März 1742 an Jordan, »an die kleine Tettau.« – Später in den achtziger Jahren stand in hoher Gunst die 1764 geborene und 1784 vermählte Gräfin Sophie, Henriette, Dorothee Dönhoff-Dönhoffstädt, wie Frau von Trouffel ebenfalls eine geborene Gräfin Schwerin von Wolfshagen und Hofdame der Prinzessin Amalie; sie starb erst 1825 zu Berlin und war Friedrichs Enkelschwiegertochter. Ihr Gemahl, Graf Bogislaw Dönhoff war der Sohn des Fräulein von Wrech, Tochter der Frau von Wrech, der Geliebten Friedrichs des Großen.

Doch kann man nicht gut sagen, daß diese Damen seine Mätressen gewesen sind. Die Gräfin Dönhoff sicher nicht. Mit den anderen mag er allerdings geflirtet haben.

Im allgemeinen aber lag ihm im Mannesalter der Umgang mit Frauen nicht recht. Seine Triebe richteten sich auf andere Gegenstände. Voltaire, der ja in ziemlich intimer Gemeinschaft mit Friedrich II. gelebt hat, berichtet darüber:

»Wenn seine Majestät angezogen und gestiefelt war, so widmete der Stoiker der epikurischen Sekte etliche Augenblicke; er ließ zwei oder drei Lieblinge kommen, das mochte nun ein Leutnant von seinem Regimente, ein Page, ein Heiducke oder ein junger Kadett sein; es wurde Kaffee getrunken, und derjenige, dem das Schnupftuch zugeworfen wurde, blieb eine halbe Viertelstunde allein mit ihm: die Sachen kamen hier nicht aufs äußerste, weil der Prinz bei Lebzeiten seines Vaters in seiner Liebe übel behandelt und eben so übel geheilet worden war. Er konnte nicht die erste Rolle spielen, sondern mußte es bei der zweiten bewenden lassen.«

Auch über des Königs Verhältnis zu seinen Lakaien und Kammerdienern ist manches geschrieben worden. In besonderer Gunst soll Fredersdorf bei ihm gestanden haben, um den er noch in den fünfziger Jahren große Besorgnis zeigte und am Hause des Erkrankten vorüberritt, der sich am Fenster zeigen mußte.

Um die Frauen scheint er später nicht so besorgt gewesen zu sein. Von der Doris Ritter erzählt Voltaire:

»Die arme Mätresse, die seinetwegen durch die Hand des Henkers war gepeitscht worden, war damals in Berlin an einen Kommissar der Mietkutschen verheiratet, denn es waren damals derselben 18 in Berlin, und ihr Liebhaber gab ihr eine Pension von 70 Talern, die ihr beständig richtig bezahlt worden waren. Sie hieß Madame Schommers, eine große magere Frau, die einer Sybille ähnlich sah, und keineswegs das Ansehen hatte, daß sie für einen Prinzen gepeitscht zu werden verdient hätte.«

Ueber die Stellung des Königs zu den Frauen und über das, was Frauen, die ihm gefielen, bedeuteten, wird das nächste Kapitel berichten.



 << zurück weiter >>