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Einleitung.

Aus der großen dunklen Masse des Dirnentums tauchen einige Geschöpfe auf, die durch die Stellung ihrer Liebhaber in den Vordergrund gerückt werden: die Mätressen der Fürsten. Sie sind gewissermaßen die Solospieler auf der großen Bühne der Prostitution. Die andern sind der Chor, sind Statisterie, von deren einzelnen Teilen wir nur wenig erfahren. Die wenigen Individuen, die sich von diesem Hintergrund abheben, verdienen also wohl einige genauere Blicke. Umsomehr, als sie sich fast immer typisch gebärden, als ihr Schicksal immer ein typisches ist. Aus ihrem Leben schaut uns die Zeit, in der sie glänzten, ergötzten, beglückten und litten, offener an, als aus mancher Staatsaktion. Ihre Geschichte erläutert so manches in der Geschichte des Berliner Dirnentums. Ohne die laxe Stellung Friedrich II. in Sittenfragen – er sah es nicht gern, wenn seine Offiziere heirateten, und in manchen Regimentern gab es zu seiner Zeit denn auch nur Junggesellen als Offiziere, in anderen Regimentern wieder nur ganz wenige Offiziersehen – ohne seine Auffassung vom Verhältnis der Geschlechter zu einander und ohne das zerrüttende Beispiel seines Nachfolgers wäre die herrschende Schicht Preußens kaum so demoralisiert und geschwächt worden, wie es geschehen.

So ganz ohne Einfluß ist das Gebaren und die Weltanschauung und Lebensführung eines einzelnen auf seine Umgebung denn doch nicht. Besonders, wenn diese Umgebung in dem Einzelnen ihren Führer, Gebieter, ihre Gnadenquelle sieht. Das aber waren dem Adel, der ja bis zum preußischen Zusammenbruch die oberste Schicht des Staates bildete, die Fürsten. Die Fürsten vergaben die Stellen und Pfründen, sie schrieben die Steuerpolitik vor, die den Adel entlastete und alle Abgaben vom bedrückten Bauernstand und dem Bürgertum forderte, sie gewährten dem Adel die Unterdrückung des Bauernstandes, die zur Leibeigenschaft führte – da war es ja selbstverständlich, daß er sich den wohlwollenden Herrscher zum Vorbild nahm.

So war denn damals das Leben der Fürsten oft entscheidend für das Gedeihen und den Bestand des Staates. Friedrich Wilhelm II. gefährdete durch die Verschwendung, die er mit seinen Mätressen trieb, sein Königreich. Die Finanzen des Staates waren unter ihm in einem unglaublichen Zustand.

Aber nicht nur auf die Finanzen konnten die Mätressen einen solchen unheilvollen Einfluß ausüben. Auch die Politik reizte sie, sich in ihr zu versuchen – oder mindestens wurden sie zu Werkzeugen der Politiker, wie die Gräfin Wartenberg, die am Hofe Friedrich I. eine so große Rolle spielte. Die Gräfin Lichtenau aber scheint sich wirklich aus eigenem Interesse und um im Trüben zu fischen, an hoher Politik beteiligt zu haben.

Auch auf religiösem Gebiete suchte sie ihren Verehrer und mit ihm sein Volk zu beeinflussen. Sie spielte ihn in die Hände von Mystikern, in die Hände der Rosenkreuzer und erregte auch in Religions- und Kirchenfragen die Geister.

Heute will es uns kaum glaublich erscheinen, daß irgend ein käufliches Geschöpf eine derartige Wirkung erzielen, eine solche Verwirrung anrichten konnte. Ist doch das Privat- und Familienleben der Fürsten heute durchaus von untergeordneter Bedeutung. Die Reste des Feudalismus, die wir Deutsche noch mit uns herumschleppen wie ein eben ausgekrochenes Kücken die zersplitterten Eierschalen, können doch nicht mehr von so einschneidender Art sein, wie vor hundert und mehr Jahren.

Das einzige Gebiet, wo der Fürst noch einen nachhaltigen, schädigenden Einfluß durch eine Mätressenwirtschaft ausrichten könnte, ist vielleicht die Kunst.

Aber auch hier sind ihm Schranken gewachsen.

Wir sehen, wie unsere moderne Kunst trotz der Hagelschauer von oben herab nicht in das weibische Heim des Akademismus flüchtet, wie sie sich nicht zwingen läßt, eine Richtung anzunehmen, wie sie etwa die Hofmalerin Vilma Parlaghi, jetzige Fürstin Lwoff eingeschlagen hat. Allerdings können dies die Künstler nur darum, weil sie jetzt ein kaufkräftiges und kauflustiges Bürgertum als Hauptabnehmer haben, das ganz gern ein wenig, zum mindesten in den ihm nicht schadenden Kunstfragen frondiert. Das fehlte früher den Künstlern. Sie waren ganz und gar vom Fürsten und von seinen Kreisen abhängig.

So habe ich denn wohl ein Recht, meine Geschichte der Mätressen dort abzubrechen, wo ihre überragende Bedeutung aufhört: bei den Mätressen des 18. Jahrhunderts.

Sie sind übrigens die interessantesten und eigenartigsten. Sie führten schon damals das feudalistische und monarchistische System ad absurdum. Stammten sie doch fast ohne Ausnahme aus den niedersten Ständen. Die Gräfin Wartenberg war die Frau eines Dieners und die Gräfin Lichtenau die Tochter eines einfachen Trompeters.

Ihr ganzes Leben zeigt, daß sie nicht unbefähigt gewesen sind.

So waren sie eigentlich Vorläufer für einen Demokratismus, der die Begabten und Fähigen aus der Masse und nicht aus einigen privilegierten Familien nimmt. Denn zum mindesten überragte die Lichtenau an Auffassungsgabe, Schlauheit und Einfällen weit die Frauen der oberen Schicht ihrer Zeit. –

Die Unwichtigkeit der Frage, ob später in Berlin Mätressen gelebt haben, entschuldigt mich gewiß, wenn ich stillschweigend über sie hinweggehe. Spielt sich doch das Leben – und besonders das Familienleben – der Fürsten weit mehr im verschleierten Hintergrund ab, als früher.

Da aber eine Geschichte der Mätressen zur Geschichte des Dirnentums überhaupt gehört, da so manche Erscheinungen in dieser Geschichte erst verständlich werden, wenn auch das Leben der Mätressen geschildert wird – und da gerade unter ihnen einzelne Individuen mit außerordentlich dirnenhafter Anlage sind, ich aber Gewicht auf die Darstellung von Menschen lege, so kann ich die Geschichte der Mätressen nicht übergehen.



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