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Dreizehntes Kapitel

Der Herzog begab sich nicht aus eigenem Antrieb nach Varenne, denn er war ein abgesagter Feind des Landlebens. Mit ganzer Seele Pariser, fand er das Grün der Platanen auf den Boulevards und der Kastanienbäume in den Champs-Elysées vollständig hinreichend und der Klub, in welchem er seine Nachmittage und den größten Teil seiner Abende zubrachte, bildete den Hauptanziehungspunkt seines Lebens. Selbst um am Lesen Geschmack zu finden, war er zu oberflächlich.

Als sein Schwiegervater ihn mit Stolz in den Gewächshäusern von Varenne umherführte und ihm eine Sammlung der prächtigsten Orchideen zeigte, welche sein Gärtner, ein Mann, von dem Moulinet stets voll Ehrerbietung sprach, mit außerordentlicher Sorgfalt gezogen hatte, warf der Herzog kaum einen zerstreuten Blick auf die symmetrisch geordneten Blumentöpfe und murmelte ein höchst gleichgültiges: Sehr hübsch. Hierauf löste er mit den Spitzen seiner Finger eine der herrlichsten Blüten von ihrem Stengel und steckte sie in das Knopfloch.

Der Gärtner erschrack, als er so ohne weiters eine Blume pflücken sah, deren Pflege so viel Opfer an Geld und Mühe gekostet, und vor Schrecken ließ er eine Begonie fallen, welche er eben bewundern lassen wollte.

»Wissen Sie, daß die Blume, die Sie eben gepflückt, einen Wert von fünfzehn Louisd'or hat?« sagte lächelnd der ehemalige Handelsrichter.

»Wirklich?« erwiderte der Herzog ruhig. »Nun, ich finde sie für mich gar nicht zu teuer.«

Moulinet warf einen Seitenblick nach seinem Schwiegersohne, getraute sich indes nicht, eine weitere Bemerkung zu machen. Im Grunde fürchtete er ihn; denn der Herzog besaß eine eigene Art, ihn von oben herab anzublicken, die ihm ungemein imponierte.

Er hatte es eines Abends zu Herrn Escande gesagt: Was wir auch immer anfangen mögen, wir werden es doch nie dahin bringen, diesen Leuten ebenbürtig zu sein.

Und wie sehr er auch, namentlich seit seinen Wahlmanövern, Gleichheitstendenzen huldigte, fühlte er sich dennoch nicht auf gleichem Fuße mit dem Herzog.

Da er mit den Gewächshäusern wenig Beifall geerntet, hoffte er mit den Ställen eine größere Wirkung zu erzielen. Er hatte dort etwa ein Dutzend Reit- und Wagenpferde vereinigt, die ihm sein Kutscher als höchst wertvoll bezeichnete und die er auch demgemäß bezahlt hatte.

Die großartigen Wirtschaftsgebäude von Varenne sind in Backstein ausgeführt und in maurischem Stile gehalten, was dem ehemaligen Handelsrichter ungemein gefiel. Wenn er davon sprach, pflegte er mit Vorliebe zu sagen: »Erinnert sehr an die Alhambra und an das neue College Chaptal.« Zu dem zweihundert Meter im Geviert messenden Hof gelangt man durch ein monumentales Thor, welches von zwei mit bronzenen Pferdeköpfen geschmückten Steinpfeilern gebildet wird. Derselbe umschließt ein Viereck, welches rings von Ställen, Remisen, der Sattelkammer und einer großen Scheune umgeben ist. Längs dieser Gebäude ziehen sich Arkaden hin, die eine gepflasterte, drei Meter breite Wandelbahn bilden. Zwischen den Arkaden befinden sich weiß angestrichene Holzbalustraden, auf welche man sich bequem lehnen kann, um dem Vorführen der Pferde zuzusehen.

Die Herzogin, in eleganter Foulardrobe, den hübschen braunen Kopf von einem Spitzenkragen umgeben und mit der reich beringten Hand einen großen roten Sonnenschirm schwingend, begleitete ihren Vater und ihren Gatten auf ihrem Rundgange durch die Ställe. Sie zertrat mit ihren kleinen Schuhen die sorgfältig aus Stroh geflochtene Einfassung und betrachtete die Pferde, deren jedes sich frei in seinem Stand befand, über dem eine Platte mit dem Namen des Tieres befestigt war.

Die zweckmäßige Anordnung der Stallungen fand den vollen Beifall des Herzogs, allein die Pferde ließen ihn kalt und der erste Kutscher wartete vergeblich auf einen Lobspruch. Der Herzog entdeckte mit einem einzigen Blicke die Fehler jedes Tieres und gab dadurch Herrn Moulinet nicht wenig zu denken.

Am Abend fand eine sehr ernsthafte Auseinandersetzung statt, welche dem Kutscher begreiflich machte, daß der Schwiegersohn des Herrn Moulinet sich viel zu gut auf Pferde verstehe, als daß es ferner anginge, Tiere, die nicht mehr als achtzehnhundert Franken wert waren, sich mit sechstausend Franken bezahlen zu lassen. Der Herzog begründete seine Ansichten in einer Weise, die ihm vollends die Achtung des Rosselenkers eintrug.

»Betrügen Sie Ihren Herrn, Verehrtester,« sagte er, »das versteht sich von selbst, aber verschonen Sie ihn mit solchen Mähren.«

Nachdem er dem Herzog seine Gewächshäuser und seine Ställe gezeigt hatte, ohne größeren Erfolg bei dem einen wie bei dem andern, war der ehemalige Handelsrichter mit den Zerstreuungen zu Ende, welche er für seinen Schwiegersohn geplant hatte. Dieser, allein auf die Gesellschaft seiner Frau und Herrn Moulinets angewiesen, langweilte sich gründlich und er lernte die Einsamkeit so sehr lieben, daß er sich Tag für Tag nach dem Frühstück in das Rauchzimmer einschloß, wo er auf einem breiten, havanabraunen Lederdivan ausgestreckt, ein mehrstündiges Schläfchen machte. Nach Verlauf einer Woche vermochte er diese Existenz nicht weiter zu ertragen, und da er fühlte, daß sein Mund bald von Impertinenzen überströmen würde, die sich erbittert und unaufhaltsam auf seine Lippen drängten, wollte er eben seiner Frau und seinem Schwiegervater die Nachricht mitteilen, daß eine höchst wichtige Angelegenheit ihn nach Trouville rufe, als Athénais einen Besuch in Pont-Avesnes in Anregung brachte. Dieser Vorschlag überraschte den Herzog und war ihm zuerst unangenehm, denn die Erinnerung an Claire war allmählich verblaßt, während der Hüttenbesitzer seinem Gedächtnisse deutlich eingeprägt blieb. Die Frau war ihm gleichgültig geworden, aber gegen den Mann bewahrte er einen tiefen Groll. Weshalb? Er wäre gewiß selbst um eine Antwort verlegen gewesen. Vielleicht weil Herr Derblay der Mitschuldige der Schmach gewesen, die ihn Claire öffentlich erleiden ließ; vielleicht weil dessen ganzes Wesen seiner eigenen Natur vollständig entgegengesetzt war. Kurz, er fühlte sich instinctmäßig feindselig gesinnt gegen den Mann, den er stets »den Schmied« zu nennen fortfuhr.

Er war indes neugierig, zu erfahren, wie diese Ehe ausgefallen sei, die unter so seltsamen Umständen geschlossen worden war und begleitete seine Frau und Herrn Moulinet zu Herrn Derblay, ohne sich viel dazu nötigen zu lassen, indem er sich selbst sagte: Meine Reise wird dadurch nur um einen Tag verzögert werden, und schließlich muß ich der armen Claire doch auch einige Rücksicht beweisen. Es ist wohl das wenigste, was ich ihr schulde.

Er bedauerte sie, denn er machte sich von dem Leben, welches die Frau, die er hätte heiraten sollen, führte, höchst seltsame Vorstellungen. Er glaubte sie in engen kleinlichen Verhältnissen lebend und völlig von Geschäftssorgen in Anspruch genommen und es fehlte wenig, so hatte er sich eingebildet, seine stolze Cousine führe selbst die Bücher ihres Mannes mit schwarzen Ueberärmeln aus Perkal.

Er hatte Pont-Avesnes bloß in der Dunkelheit am Abend gesehen und war hoch erstaunt, als er nun bei Hellem Tageslichte in einen schönen Schloßhof mit einem eleganten Blumenparterre eintretend, den großartigen und stolzen Anblick des Schlosses gewahr wurde. Die Dienerschaft schien ihm sehr gut geschult und ohne provincialen Beigeschmack. Die Salons zeigten sich ihm in ihrer ganzen luxuriösen Pracht und er mußte sich gestehen, daß der Haushalt des Herrn Derblay ein höchst musterhafter sei.

Claires Erscheinen erregte ihn sehr. Das war nicht mehr sie selbst. Die Frau, die er vor sich sah, war nicht schöner als jene, die er gekannt: aber sie war eine andere geworden: einfach, ernst, mit einer Würde im Blicke, die ihn in Verlegenheit setzte. Herr Derblay selbst sah viel zu gut aus, um ihm nicht ungemein zu mißfallen, und zum erstenmal bemerkte er, daß der Hüttenbesitzer dekoriert sei. In plötzliche Betrachtungen versunken, sprach der Herzog sehr wenig und nur dieser Zurückhaltung verdankte er es, daß er nicht gleich am ersten Tage den Verdacht Philipps erweckte.

Auch während der Rückfahrt von Pont-Avesnes verhielt sich der Herzog sehr wortkarg und erst beim Diner war er wieder in heiterer, ausgelassener Laune, scherzte mit Herrn Moulinet und benahm sich als der beste Schwiegersohn der Welt. Seine Apathie war plötzlich völlig verschwunden und am nächsten Morgen dachte er nicht mehr daran, von der dringenden Angelegenheit zu sprechen, die ihn nach Trouville rief.

Aber er schloß sich länger als je in sein Rauchzimmer ein, nur schlief er dort nicht mehr, sondern lag auf dem Divan und rauchte viele Stunden lang türkische Cigarretten, welche das Träumen so ungemein begünstigen. Er sah die blauen, spiralförmigen Wölkchen langsam zur Decke emporsteigen, die inmitten ihrer leichten, schwebenden Ringe nach flüchtiger Gestaltung zu streben schienen.

Im Halbdunkel erblickte er alsdann das Antlitz Claires, so wie er es eben gesehen, und schloß er die Augen, so blieb ihm ihre Gestalt doch stets gegenwärtig.

Von dieser Vision verfolgt, wollte er sich ihr durch Bewegung entziehen. Er ließ eines von den Pferden satteln, die Herr Moulinet so teuer bezahlt hatte, und die so wenig wert waren, und fort ging es mit verhängten Zügeln durch den Park. Es war gegen 4 Uhr nachmittags und im Walde fing es schon an, lebendig zu werden. Unter den flüchtigen Sätzen der sich tummelnden Hasen raschelten die Blätter im Holzschlag und von Zeit zu Zeit flog eine erschreckte Elster aus dem Wipfel einer hohen Eiche empor, einen gellenden Schrei ausstoßend und die Luft mit ihren Flügeln schlagend.

Der Tag war sehr heiß gewesen und der Abend brachte eine köstliche Frische, herrliche Wohlgerüche entströmten der Erde und die untergehende Sonne durchdrang mit ihren goldenen Strahlen das dichte Laub des Hochwaldes.

Seine Betäubung abschüttelnd, gab der Herzog dem Pferde die Sporen, daß es im Galopp fortsprengte. Ohne es zu bemerken, hatte er den Park verlassen und jagte nun mitten durch den Wald dahin. Das reizende Phantom, das seinen Geist gefangen nahm, eilte immer schneller vor ihm her, ihn mit unbezwinglicher Macht nach sich ziehend und bald hatte er den Rand der Ebene erreicht.

Eine große Mauer, hinter welcher die schwer beladenen Zweige stattlicher Obstbäume sich zu Boden neigten, erregte seine Aufmerksamkeit. Ein breiter Durchbruch, der durch einen sogenannten Wolfsgraben abgeschlossen war, öffnete sich zwischen den dichtstehenden Bäumen und der Herzog schlug mechanisch die Richtung dahin ein. Ein weiter Rasenteppich entrollte sich vor seinen Blicken und am äußersten Ende desselben erhob sich ein weißes Gebäude. Der Herzog erschrack; er hatte Pont-Avesnes erkannt.

So brachte ihn demnach der Zufall in die Nähe derjenigen, der er zu entfliehen vermeinte. Wollte nicht das Geschick die beiden, welche es ehemals getrennt, wieder vereinigen?

Der Herzog lächelte, indem er der Worte gedachte, welche er an jenem Hochzeitsabende gesprochen: »Seit Vulkan haben die Schmiede kein Glück mehr,« vergaß aber dabei die Hämmer, mit denen ihm der Baron gedroht. Uebrigens, konnte die Furcht einen Mann wie Bligny hindern, eine seiner Launen zu befriedigen? Er wendete sein Pferd und mit einem feststehenden Plane im Kopfe kehrte er erleichterten Gemütes im Trab nach Varenne zurück.

Nichts konnte für die Ruhe des Herrn Derblay bedrohlicher werden als die neuen Absichten des Herzogs. Zwischen dem kalten Ernst Philipps und die schmeichelnde Liebenswürdigkeit Gastons gestellt, mußte die junge Frau eine gefährliche Probe bestehen.

Es war offenbar, daß der Hüttenbesitzer, indem er dem Herzog so freundschaftlich entgegenkam, dabei einen Hintergedanken hatte, denn nichts wäre für ihn leichter gewesen, als die Verwandten seiner Frau allmählich zu entfernen und die von ihnen angestrebte Freundschaft auf rein nachbarliche Beziehungen zu beschränken. Philipp war nicht leicht von seinen Vorsätzen abzubringen und was er einmal beschlossen, das führte er auch gewöhnlich völlig durch. Wenn er sich also den überströmenden Freundschaftsbezeugungen des Herzogs und der Herzogin überließ, so mußte es in seinen Plänen liegen, ihnen sein Haus vollständig zu öffnen.

Während der langen Stunden, welche Philipp am Bette der todkranken Claire zugebracht, hatte er alle Ereignisse, die seiner Heirat vorhergegangen, gründlich überdacht. Er hatte dem Hasse, mit welchem Athénais ihre Rivalin verfolgte, Rechnung getragen und derselben einen großen Teil an Claires Handlungsweise zugemessen, und je mehr er die Herzogin schuldig fand, desto mehr war er geneigt, Claire zu entschuldigen. Aber trotzdem hielt er es für notwendig, die Strenge, mit welcher er seine Frau behandelte, auch noch ferner beizubehalten.

Der Kampf, den er mit ihr begonnen, sollte mit seinem völligen Siege enden. Er mußte der hochfahrenden Claire eine schwere Prüfung auferlegen und sich eine ausreichende Genugthuung für die unverdiente Schmach verschaffen, welche sie ihm angethan, und er ahnte, daß Athénaïs dazu ausersehen sei, eines Tages eine bedeutende Rolle in der gefährlichen Partie zu spielen. Nochmals mußte ein Kampf zwischen der Herzogin und Claire, zwischen dem Herzog und ihm stattfinden und er sah voraus, wie erbittert, wie voll perfider Hinterhalte und entsetzlicher Ueberraschungen derselbe sich gestalten müsse. Es war leicht möglich, daß er mit dem Tode einer dieser Personen endigen konnte.

Trotzdem schwankte Philipp keinen Augenblick. Was hatte er noch zu verlieren? Seine Ehre war beschimpft, sein Glück vernichtet und so konnte er bei dem Abenteuer nur gewinnen, nur wollte er, da er ebenso klug als entschlossen war, alle möglichen Vorsichtsmaßregeln treffen, um sich den Erfolg zu sichern. Da ihm Claire zu isoliert schien, weil er anscheinend ihre Partei nicht ergreifen durfte, wollte er ihr eine getreue Verbündete geben. Er lud daher die Baronin mit ihrem Manne ein, mehrere Wochen in Pont-Avesnes zu verweilen. So waren die Kräfte ins Gleichgewicht gebracht, die Parteien standen sich gegenüber und das Gefecht konnte beginnen.

Die Herzogin von Bligny schien den kleinen friedlichen Winkel der Provinz in völligen Aufruhr bringen zu wollen und Varenne wurde der fröhliche Mittelpunkt, der unaufhörlich von dem Lärm der Festlichkeiten erschallte, mit welchem Athénais ihre Anwesenheit im Schlosse verkündete Obwohl erst seit kurzem in der Provinz ansässig, gedachte sie doch durch ihre Verschwendung und ihre Excentricitäten sehr bald die unbestrittene Herrscherin der ganzen Gegend zu werden.

Sie ließ aus Paris zwei Herren ihres Gefolges kommen, den großen La Brède und den kleinen Du Tremblays, die beiden brillantesten Traber ihres famosen »Gespannes zu Sechsen«. »La Brède und Du Tremblays,« sagte sie lachend, »werden für den Landaufenthalt genügen. En poste angespannt und mit recht viel Glocken behängt, werden sie hinreichend Effekt machen.«

Und in der That, La Brède und Du Tremblays, diese beiden Unzertrennlichen, die einer ohne den andern ziemlich unbedeutend waren, brachten es vereint zu überraschenden Resultaten, diese beiden Nullen kamen zur Geltung, gleich wie zwei Verneinungen eine Bejahung ergeben. Sie führten in ihrem Reisegepäck Cotillonorden, ein Lawn-tennis und ein Polospiel mit, und als sei der leibhaftige Teufel von Paris ihren Koffern entstiegen, hatten sie kaum den Fuß nach Varenne gesetzt, als auch schon daselbst das tolle Leben anfing.

Besançon lieferte der Herzogin ein Orchester von zwanzig Musikanten, denn jeden Samstag wurde im Schlosse getanzt, und die Jugend des Jura erfuhr mit Erstaunen, daß Frau v. Bligny die Absicht habe, für die Zerstreuung der ganzen Gegend zu sorgen. Aus allen benachbarten Schlössern zogen Berlines, Briskas, Charabans, kurz alle möglichen Gefährte, wovon einzelne Exemplare aus den Tagen der Restauration stammten, mit dem Gerassel alten Eisengerümpels auf der Straße nach Varenne dahin.

Die stämmigen Krautjunker mit ihrer roten, frischen Gesichtsfarbe und ihren Muskeln, so hart wie das Felsgestein ihrer Berge, machten sich nun daran, die Bälle des Lawn-tennis zu schleudern, die Kugeln des Polo im Galopp auf den Rasenplätzen rollen zu lassen, wobei sie ihren Schädeln empfindliche Hiebe versetzten, während sie ganze Nächte hindurch mit unermüdlicher Kraft walzten.

»Sehen Sie doch, Herzogin, Ihre Landjunker sind von guter Race,« rief der lange La Brède aus! »sie schwingen ihre Tänzerinnen wie Federn in die Höhe und ruhen niemals aus. Ich hätte beinahe Lust, einige von ihnen für die Wintersaison nach Paris mitzunehmen ... Sie würden unsere Cotillons retten ... und dort die erste Violine spielen«.

»Ja, aber was kommt dabei heraus?« sagte der kleine Du Tremblay, »der muskelstarke, vollblütige Provinziale gedeiht bei uns sehr schlecht. Nach sechs Monaten verliert er seine blühende Farbe und wird in der Regel schlaffer und kraftloser, als selbst der Pariser... Schlechte Spezies für die Acclimatisation.«

Während die beiden Pariser sich solch tiefsinnigen Betrachtungen über die Zucht der Tänzer aus der Provinz hingaben, wüteten die zwanzig Musiker mit betäubendem Lärm in den Sälen von Varenne und die Jugend von Besançon und Umgebung tanzte, unbekümmert um ihre Wertschätzung und jede Kritik verachtend, mit einer Hingebung, welche das Herz Moulinets entzückte.

Der ehemalige Handelsrichter strahlte vor Wonne, als er sah, mit welch' unermüdlichem Eifer seine Tochter die hohe Gesellschaft seines Wahlbezirks durcheinanderrüttelte. Der Kandidat sagte sich: So viel Gäste, so viel Wähler! und trieb die Herzogin auf dieser Bahn weiter, indem er ihr unbegrenzte Summen zur Verfügung stellte. Und während die Töchter und die Frauen tanzten, machte er sich an die Eroberung der Väter und Gatten.

Trotzdem quälte Herrn Moulinet eine Sorge: weder der Präfekt, noch der General, der Kommandant von Besançon, erschienen bei den Empfangsabenden in Varenne. Vielleicht war dem Chef der Civilverwaltung die Gesellschaft zu aristokratisch, und was den Chef der Militärverwaltung anbetrifft, so hatte er eben eine Nase bekommen, weil er es geduldet, daß die Garnison bei einer Prozession Waffen getragen. Er vermied es daher klugerweise, seine Sterne in den Salons der Herzogin glänzen zu lassen.

»Was kann es dir schaden, wenn der Präfekt auch nicht kommt,« fragte Athénais den beunruhigten Moulinet, »da doch alle seine Beamten für dich sind? Lasse ihn doch im »Juraboten« herunterreißen. Man soll irgend eine dumme Geschichte auf seine Kosten erzählen. Höre, willst du, daß ich den Artikel von La Brède schreiben lasse? Das wird lustig werden! Und was den General anbelangt, so ist er ja ohnedies eine Null; seine Soldaten stimmen doch nicht!«

Athénais hatte viel mehr Grund zur Unzufriedenheit als ihr Vater. Frau Derblay ließ sich entschuldigen, daß sie bei den Soireen am Samstag nicht erscheinen könne, weil sie noch zu leidend sei, um so lange aufzubleiben. Die Herzogin, deren einziger Zweck bei all' diesen Festlichkeiten nur der war, Claire zu zwingen, denselben beizuwohnen, bekämpfte nur sehr schwer ihren Ärger über deren Abwesenheit, ja sie hatte Launen, welche die Heiterkeit ihrer Umgebung sehr beeinträchtigte. Die Rivalin mit ihrem Luxus nicht erdrücken zu können, ihr nicht tausend Dolche ins Herz senken zu dürfen, indem sie sich ihr am Arm des Mannes zeigte, den sie hätte heiraten sollen, sie nicht jedesmal zittern zu sehen, wenn man sie selbst »Frau Herzogin« nannte, das hieß sie um jedes Vergnügen bringen, das sie sich versprochen hatte. Der Haß der jungen Frau, der durch den Anblick von Demütigung und Qual vielleicht gedämpft worden wäre, wurde im Gegenteile durch den Widerstand, den Claire ihr entgegensetzte, durch die hoheitsvolle Ruhe, die auf ihrer Stirn strahlte, von neuem aufgestachelt.

Claire kam einmal zum Diner nach Varenne und ihr Benehmen war dabei vom feinsten Takt. An der Seite dieser vornehmen, eleganten Frau erschien die anspruchsvolle, ungestüme Herzogin so, wie sie in Wirklichkeit war: eine gewöhnliche, schlecht erzogene Person, die mit der Dreistigkeit einer neugebackenen Millionärin alles that und alles sagte, was ihr eben durch den Kopf zog, und der Vergleich fiel vollständig zu Gunsten Claires aus. Athénaïs fühlte dies und schwor, fürchterliche Rache zu nehmen. Diese junge, brünette Frau mit dem reizenden Gesichte, dem lebhaften Auge und dem anmutigen Lächeln war das bösartigste Geschöpf, das man sich denken konnte. Sie wäre fähig gewesen – würde nur die Gefahr der Verantwortung nicht so groß gewesen sein – Vitriolöl in das schöne Gesicht Claires zu schütten, um dasselbe für immer zu entstellen und die ruhigen, klaren Augen, in denen sie so viel Verachtung las, rettungslos zu blenden.

Was Athénaïs zumeist verdroß, war das gute Einvernehmen, das zwischen Herrn und Frau Derblay zu herrschen schien. Der Gemahl war zuvorkommend, zärtlich und aufmerksam, die Frau voll Achtung und Liebe. Man konnte sich über das Lächeln Claires nicht täuschen, wenn Philipp an ihrer Seite weilte; gewiß, sie liebte ihn, und kein Zweifel, sie wurde wieder geliebt. Wie sollte auch der Hüttenbesitzer ein so vollkommenes Wesen nicht lieben, das in glücklicher Harmonie körperliche Anmut und moralische Schönheit in sich vereinigte? Überdies hatte er sie nicht aus Liebe geheiratet? Über alle demütigenden Seltsamkeiten der Situation hinwegsehend, hatte er die Frau genommen, als sie vom Herzog verlassen und ohne Vermögen dastand. Und dies alles nur, weil er sich glücklich fühlte, sie zu besitzen, als wäre sie in der That ein seltener Schatz!

So sagte sich Athénaïs, war es das Geschick Claires, immer und überall geliebt zu werden, während das Schicksal bestimmt hatte, daß sie, Athénaïs, die Menschen gleichgültig lasse. Freilich, man huldigte ihr ebenfalls. Aber was waren diese Schmeicheleien, diese Salongalanterieen, diese flüchtigen Launen, welche sie einflößte, verglichen mit der aufrichtigen, tiefen, unerschütterlichen Liebe, welche Claire zu erregen die Gabe besaß.

In der Heftigkeit ihrer Eifersucht beschäftigte sie sich besonders mit Herrn Derblay. Sie nahm eine ernste Haltung an, um ihm zu gefallen und überhäufte ihn während des ganzen Abends mit Zuvorkommenheiten. Sie fand den Hüttenbesitzer in Wahrheit sehr liebenswürdig. Mit seinem dunklen Teint, seinen schwarzen, kurz geschnittenen Haaren und seinen großen braunen Augen glich er einem Araber. Athénaïs fühlte sich plötzlich sehr erregt. Nie hatte ein Mann ihr ein ähnliches Gefühl eingeflößt. Sie dachte, daß, wenn sie fähig wäre, sich je in einen Mann zu verlieben, dies nur Philipp sein könnte, und beseelt von dem Gedanken an den Schmerz, den sie Claire dadurch verursachen könnte, überließ sie sich ihrer natürlichen Koketterie mit einem Feuer, welches sie selbst überraschte. Sie empfand sogleich eine diabolische Freude, als sie bemerkte, wie Claires Antlitz sich verdüsterte, wie dieselbe unruhig und ängstlich wurde.

Athénais las die Seelenpein auf der Stirne derjenigen, die sie haßte, und erkannte, daß sie die schwache Stelle gefunden, nach welcher sie den tödlichen Streich führen konnte.

In Wahrheit war das Benehmen Philipps das eines wohlerzogenen Mannes, dem die Frau vom Hause mit schmeichelhafter Auszeichnung entgegenkommt. Er nahm mit vollendeter Artigkeit die lebhaften Avancen der Herzogin entgegen, reichte ihr den Arm, um sie durch die Salons zu führen und plauderte angelegentlich mit ihr. Er war gerade galant genug, um angenehm zu sein, und kalt genug, um nicht der Vermutung Raum zu geben, daß er mit der Herzogin vertrauter sei, als mit jeder andern Frau der anwesenden Gesellschaft. Indessen, so sehr er sich auch zu bemeistern verstand, ein aufmerksamer Beobachter hätte wohl bemerken können, daß er von einer lebhaften Aufregung gepeinigt wurde. Während die Herzogin, aufgebläht wie ein junger Pfau, sich seiner bemächtigte und ihn in den Salons und den Gewächshäusern umherführte, sah er, daß der Herzog sich Claire näherte und, über die Lehne ihres Fauteuils gebeugt, sich lächelnd mit ihr unterhielt.

Es war das erstemal, daß er Claire und Gaston so nahe nebeneinander und ohne Zeugen ihre Gedanken austauschen sah. Er erzitterte und eine dunkle Röte überflog seine Schläfen, ja einen Augenblick litt er so entsetzlich, daß sein Arm sich krampfhaft zusammenzog und die Hand der Herzogin heftig drückte. Diese blickte mit Erstaunen zu ihm auf. Sie befanden sich gerade in einem kleinen Räume des Gewächshauses, den Moulinet »die Tropen« nannte und in welchem sich in feuchter Wärme die giftigen Pflanzen Indiens und Afrikas in herrlicher Pracht entfalteten.

»Was haben Sie denn?« fragte die Herzogin, indem sie den Arm ihres Kavaliers leicht drückte und zu lächeln anfing.

»Der starke Duft dieser Pflanzen und die Hitze des Gewächshauses betäuben mich,« antwortete der Hüttenbesitzer, seine Ruhe wiedergewinnend. »Kehren wir in den Salon zurück, wenn es Ihnen beliebt.«

Und die Herzogin am Arm, kam Philipp langsamen Schrittes zurück, mit den Augen den Herzog suchend, der sich noch immer mit Claire unterhielt.

Seit dem Diner war der Herzog unsichtbar gewesen. Er hatte einen Teil seiner Gäste ins Rauchzimmer geführt und sie hier mit seinen feinen Cigarren und Cigarretten bekannt gemacht. Nach Verlauf einer halben Stunde hatte er seine Pflichten als Hausherr vorgeschützt und die Raucher, von dichten Wolken umhüllt, verlassen. Er wollte sich Claire nähern, da er aber den stolzen Charakter der jungen Frau kannte, wagte er keinen offenen Angriff.

So kühn er auch sonst war, fühlte er sich ihr gegenüber dennoch etwas beengt; auch wußte er, daß die ersten Worte, die er ihr unter vier Augen sagen wollte, von größter Wichtigkeit für ihre zukünftige Stellung zu einander sein würden.

Vielleicht wäre es besser gewesen, noch zu warten und es der Zeit zu überlassen, das Terrain zu ebnen, ehe er sich darauf versuchte. Aber Bligny war bereits bis zu jenem Grade von cynischem Egoismus gelangt, daß er die Befriedigung einer seiner Launen nicht mehr zu zügeln vermochte. Er rückte also vor, plauderte hier ein wenig mit seinen Freunden, verweilte dort einige Augenblicke bei den Frauen, wie ein Raubvogel immer engere Kreise um Claire ziehend. Nun war er dicht bis zu ihr gelangt, er machte noch einen Schritt und neigte sich über die Lehne des Fauteuils, in welchem die junge Frau saß.

»Fühlen Sie sich heute Abend vollständig wohl?« begann er mit schmeichelnder Stimme. »Ich komme fast zitternd, mich nach Ihrem Befinden zu erkundigen, denn ich fürchte, das Unglück zu haben, daß Sie mich nicht ohne Mißvergnügen in Ihrer Nähe sehen.«

Claire wendete sich lebhaft um und dem Herzog scharf ins Auge blickend, antwortete sie kühn:

»Und weshalb sollte ich Sie nicht ohne Mißvergnügen sehen? Wäre ich zu Ihnen gekommen, wenn ich Ihnen gegenüber die Gefühle hegte, die Sie mir zuschreiben?«

Der Herzog schüttelte melancholisch den Kopf.

»Es ist seit Ihrer Vermählung das erste Mal, daß wir Gelegenheit haben, uns allein zu sprechen,« entgegnete er, »doch ich sehe, daß wir uns auch jetzt noch nicht die Wahrheit gestehen werden. Es wäre eine der größten Bitternisse meines Lebens, wenn ich nach meinem undankbaren Benehmen Ihnen gegenüber Ihnen auch heute die Gründe nicht darlegen könnte, die vielleicht zu meiner Entschuldigung dienen können.«

»Aber Sie bedürfen ja gar keiner Entschuldigung, glauben Sie es mir,« erwiderte Claire mit Ruhe. »Habe ich Ihnen etwa Vorwürfe gemacht und glauben Sie wirklich, daß Sie solche verdienen? Ich muß Ihnen gestehen, daß dies ein Beweis von seltsamem Dünkel wäre.«

»Sie erleichtern mein Gewissen von einer schweren Last,« fing der Herzog wieder an. »Meine Heirat war eine der fatalen Notwendigkeiten des Pariser Lebens. Ich befand mich eines Tages in einer Lage, in der ich zwischen meinem Glücke und meiner Ehre wählen mußte. Ich hatte zwei Schulden zu bezahlen; aber indem ich die eine befriedigte, mußte ich die andere preisgeben. Ich opferte meine Liebe, um meinen Namen zu retten. Sehen Sie, Claire, das ist's, was ich Ihnen sagen mußte.« »Mit anderen Worten, Herr Moulinet hat Sie aus einer mißlichen Lage befreit und Sie haben aus Dankbarkeit seine Tochter geheiratet – mit mehreren Millionen Mitgift. Ja, Herzog, Buße thun ist süß, sagt die Bibel. Und mehr noch, wenn ich Sie recht verstanden, empfinden Sie, um sich in dieser harten Prüfung aufrechtzuhalten, sogar das Bewußtsein erfüllter Pflicht. Sie müssen also recht glücklich sein – und Sie sehen mich darüber entzückt.«

Unter dem Stachel dieser ironischen Worte erbebte der Herzog.

»Und Sie?« fragte er rasch, »sind Sie glücklich?«

»Sie sind der einzige, der nicht das Recht hat, mich danach zu fragen,« versetzte Claire stolz.

Im selben Augenblick kehrte Philipp mit der Herzogin zurück und Gaston wies mit einer leichten Kopfbewegung auf den Hüttenbesitzer, der Athénais am Arme führte. Und da er Claire unruhig werden und erbleichen sah, warf er ihr einen höchst spöttischen Blick zu und sagte:

»Sie verdienten wohl, mehr geliebt zu werden.«

Dabei verbeugte er sich und entfernte sich mit langsamen Schritten.

Claire zitterte bei dem Gedanken, daß der Herzog ihr Geheimnis habe erraten können. So zweifelte er also dennoch an ihrem Glücke, welches sie mit so großer Verstellungskunst vor der Welt behaupten wollte. Sie ahnte, welche Gefahr ihr drohe, wenn der Herzog gewissenlos genug wäre, sich mit ihr beschäftigen zu wollen. Wie war es dann möglich, das Werk der Eroberung ihres Gatten fortzusetzen? Wie konnte sie verhindern, daß ihr Mann durch die Nachstellungen des Herzogs erbittert werde? Und wie sollte ihr selbst im Kampfe mit diesem gefährlichen Angreifer die Freiheit bleiben, um die Herzogin zu bekämpfen, von deren frecher Koketterie sie Philipp umgarnt sah?

Sie beschloß, zu fliehen, und, ihrem Manne ein Zeichen machend, auf das er sogleich zu ihr eilte, bat sie ihn, den Wagen zu bestellen. Alsdann die schmeichelhaften Nötigungen der Herzogin kurz abschneidend und dem Herzog einen kalten Gruß zuwinkend, zog die junge Frau ihren Gatten so rasch mit sich fort, als ob das Schloß in Flammen stünde.

Als sie in ihrem Coupé saßen und in der klaren, milden Nacht auf der Straße dahinrollten, fühlte sich Claire wie erlöst und fürchtete sich nicht, ihren Mann zu fragen:

»Wie haben Sie die Herzogin gefunden?«

»Reizend,« antwortete Philipp zerstreut. Die junge Frau lehnte sich in die Ecke zurück mit einer Gebärde des Unmutes, welche die Dunkelheit ihrem Manne verbarg. Das einzige Wort »reizend« hatte sie tief getroffen. Sie hatte den Ton vollkommenster Gleichgültigkeit nicht bemerkt, mit dem es ausgesprochen wurde. »Wir werden nicht mehr nach Varenne zurückkehren,« sagte sich Claire.

Zu gleicher Zeit zog vor Philipps Geiste die elegante Gestalt des Herzogs vorüber, wie er sich zu Claire neigte, mit perfidem Lächeln ihr zärtliche Worte ins Ohr flüsternd. Und mit bedrücktem Herzen und drohenden Augen ballte der Hüttenbesitzer seine kräftigen Fäuste.

Sie kehrten auch wirklich nicht wieder nach Varenne zurück. Zwei Wochen darauf gaben sie Herrn Moulinet, dem Herzog und der Herzogin ebenfalls ein Diner, und von da an setzten sie allen Höflichkeiten und Zuvorkommenheiten eine feste Weigerung entgegen.

Athénais fand in ihrer Verzweiflung La Brède ohne Feuer, Du Tremblays ohne jede Phantasie und ohne Vergnügen walzte sie mit den Edelleuten ihrer Nachbarschaft. Vergebens hielt Herr Moulinet bei der Eröffnung der Blumenausstellung, deren Präsident zu werden ihm gelungen war, eine Rede, welche diejenigen Zuhörer in tiefen Schlaf versenkte, die nicht von hochgradiger Heiterkeit befallen wurden. Es gab dabei ein Feuerwerk, Schifferstechen mit Lanzen auf der Avesnes und auch eine Rosenkönigin wurde unter Trompetengeschmetter gekrönt, kurz man führte das lustige, geräuschvolle, ermüdende Leben, welches Athénais so sehr nach ihrem Geschmack fand. Doch nichts vermochte sie zu befriedigen, denn Frau Derblay war nicht da, um ihren Triumphen zur Folie zu dienen.

Die alte Marquise, die ihre Tage wie eine einsame Turteltaube auf den Höhen von Beaulieu vertrauerte, hatte ihren Fuß noch nicht nach Varenne gesetzt. Die Abwesenheit des Herrn und der Frau Derblay wurde dort bald bemerkt und man begann allgemein darüber zu zischeln. Nun war auch die Baronin Préfont, diese flinke Zunge, bei Claire zu Besuch, und Athénais sah den Moment voraus, wo alle Welt an ein Zerwürfnis zwischen Varenne und Pont-Avesnes glauben mußte. Sie wollte um jeden Preis versuchen, das Eis zu brechen, das sich zwischen den beiden Familien zu immer drohenderen Massen verdichtete. Nur ein großartiges Fest, zu dem man die ganze gute Gesellschaft des Landes laden konnte, vermochte hiezu den passenden Anlaß zu bieten.

La Brède war es, der, ohne arges dabei zu denken, ihr die ersehnte Gelegenheit bot, indem er eine Schnitzeljagd in den Waldungen von Pont-Avesnes und Varenne vorschlug. Alle Civil- und Militärautoritäten, die Offiziere der Garnison sollten dazu geladen werden: zu Pferde oder zu Wagen sollte die ganze Gesellschaft der Jagd folgen. Darauf sollte ein Lunch kommen, der in dem Rondel an den Teichen eingenommen werden sollte. Kurz, es mußte dies ein Sportfest werden, von dem selbst die Pariser Zeitungen sprechen würden.

Wenig fehlte, daß Athénais La Brède für diesen genialen Einfall umarmt hätte. Und indem sie ihrem Vater die Sorge um alle anderen Einladungen überließ, fuhr sie selbst nach Pont-Avesnes und kehrte freudestrahlend mit einer günstigen Antwort zurück.


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