Johann Nestroy
Frühere Verhältnisse
Johann Nestroy

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Siebente Szene

Muffl (ihm nachsehend).

Muffl. Plebejer! So reich, so dumm und doch so verheiratet! Der hätt' ein zu degoutantes Glück gehabt, aber die Heirat is das Sordindl auf die Geigen, von denen sein Himmel vollhängt. Wär' er nicht so reich, hätt' sie ihn nicht geheirat't; wär' er nicht so dumm, hätt' er sie nicht geheirat't; so aber is beides der Fall, er hat Reichtum und Dummheit gesät, hat also müssen eine sekkante Gattin ernten. So schafft man sich selber sein Haus-Nemesiserl zur Privat-Marterei und arbeitet so der großen Nemesis in die Händ', daß sie nicht ganz den Kredit der Gerechtigkeit verliert. – Schad', daß mein Äußeres nicht mehr auf Hinterlassung verführerischer Eindrücke berechnet is, diese Frau hätte sonst – aber a bissel imponieren müssen wir ihr doch! – In Haltung und Physiognomie es erraten lassen, daß hier einer auf den Trümmern einer brillanten Vergangenheit steht, durch ein stolzes Zugeknöpftsein angezeigt, daß man es verschmäht, mit Wäsch'luxus zu kokettieren – so gewinnt auch das Herabgekommene einen sympathischen Schimmer! – (Nach links blickend.) Die Tür geht auf –! (Zieht sich etwas zurück.) Ein weibliches Wesen – Volants flattern – Gestärktes rauscht – sie is es – das is die Frau vom Haus.

Achte Szene

Peppi. Der Vorige.

Peppi (durch die Seitentüre links kommend, ohne Muffl zu bemerken, für sich). Wo sind denn die Theater-Annoncen –? (Sucht unter den auf dem Tische rechts liegenden Zeitungen und steht so, daß Muffl sie nicht im Gesicht sehen kann. Aus einem Blatte lesend.) »Fünfundsiebzigste Vorstellung im Logen-Abonnement –«

Muffl (für sich). Ich war auch einmal ein halbeter Logenabonnent; ein Buckliger hat mir seine graden Tag' abgetreten. – Wo sind jene Zeiten!

Peppi (die Journale durchblätternd). Ah, ein großer Diebstahl – das is interessant!

Muffl (für sich). Kleinigkeiten werden immer g'stohlen, Portemonnaies, Herzen, Silberlöffel, Couplets – es tut ei'm völlig wohl, wenn einmal was Großartigs passiert.

Peppi (im Journale lesend). »Zweihundert Dukaten Belohnung für die Entdeckung des Täters, welcher beim Bankier Reichenbach mittels gewaltsamen Einbruchs zwanzigtausend Gulden gestohlen hat.« (Spricht.) Zweihundert Dukaten –! Das wär' kein übles Geschäft, den Dieb zu entdecken.

Muffl (für sich). 's Kriminal is ihre Leidenschaft; das spricht für eine weiche, romantische Seele. (Laut zu Peppi, etwas vortretend.) Ich habe die Ehre, meine Gnädigste, einen guten Morgen – (verneigt sich tief).

Peppi (fährt etwas betroffen auf, für sich). »Gnädigste?« – (Muffl messend.) Wer ist denn dieser Mensch?

Muffl. Entschuldigen, hochverehrte Anwesende, der Herr Gemahl hat mich zu seinem ersten Leib-Hausknecht befördert.

Peppi (überrascht von Muffls Stimme). Diese Stimm' – das is ja (ihn näher anblickend) der Muffl!

Muffl (erstaunt, beiseite). Sie kennt mich!? (Sie näher ansehend.) Himmel und Erden –! Sie ist's! – Die Pompadour!

Peppi (ärgerlich für sich). Muß der grad' in das Haus kommen – ich genier' mich vor ihm in meiner untergeordneten Sphäre.

Muffl (tragisch). Also so müssen wir uns wiederfinden, du stets so hochrot geschminkte und nur als miselsüchtige Pompadour so unvergeßlich kasweiße Künstlerin! Ich dem niedrigen Dunkel der häuslichen Knechtschaft verfallen, du die stolze Gattin eines vor dir im Staub kriechenden Holzhandlers – o Weib! Ich wollte, ich hätte dich nie geboren! (Sich korrigierend.) Gesehen, hab' ich sagen wollen.

Peppi (für sich). Er halt't mich für die gnädige Frau, das laßt sich benutzen. (Laut.) Mein Herr Hausknecht Muffl, Sie werden einsehen, daß in diesem Hause Ihres Bleibens nicht sein kann.

Muffl. So? Wenn dieses aber gerade das ist, was ich nicht einsehe? Der Herr Gemahl hat festen Vertrag mit mir geschlossen.

Peppi. Sie werden doch Verträge nicht als etwas hinstellen wollen, was man hält? Lesen Sie künftighin fleißiger Zeitung.

Muffl. O schnöde, auch durch moderne Politik verbumfeite Seele!

Peppi. Bedenken Sie, es is ja für Sie eine Lebensfrage – der Großvater meines Gemahls und der Othello haben zueinander »Du« gesagt.

Muffl. Plausch' nicht, Peppi!

Peppi (nähert sich bittend). Schonen Sie meinen Ruf!

Muffl (mit schroffer Kälte). Drei Schritt Distanz!

Peppi. Wenn es aufkommt, daß ich Sie geliebt, daß ich Sie vielleicht noch liebe – (hat sich bittend und schmeichelnd ihm genähert und legt den Arm um seinen Nacken) Anton –! (Mit schmelzendem Tone.) Fliehe dieses Haus!

Muffl (sieht sie einen Augenblick zärtlich an, dann erwacht neuerdings der Ingrimm in ihm). Es gibt doch schlechte Leut', besonders unter die abgedankten Theaterprinzessinnen. (Abwehrend.) Machen Sie mir nicht die Cour! Das Stück spiel'n s' nicht, und kommet's doch wieder aufs Repertoire, so wird's kein Zugstück mehr.

Peppi. Bedenken Sie die Schmach, wenn es herauskäme – ich und ein – damals waren freilich andere Verhältnisse; aber ich und ein Hausknecht –!

Muffl (erbittert). Was!? So spricht ein Weib, die einen Mann hat, der früher selbst – (sich besinnend) nicht immer Holzhandler gewesen is!? (Sich wieder vergessend.) Die selbst einen eh'maligen – (ärgerlich, für sich, beiseite) dumme Verschnapperei! (Schlägt sich auf den Mund.) Genug – (laut) du hast mich nie geliebt. Jetzt sei es meine höchste Wonne, dir lästig, recht unausstehlich lästig zu sein.

Peppi. Sie gehn also nicht? Gut, Barbar, du sollst daran denken. (Im Abgehen, für sich.) Jetzt verschwärz' ich ihn bei der Gnädigen, die muß ihrem Gemahl befehlen, daß er durch 'n Hausmeister für seine nachdrückliche Entfernung sorgen laßt. (Geht durch die Türe links ab.)

Neunte Szene

Muffl (allein).

Muffl. Ich glaub', sie hat mir gedroht, eh' sie sich gedraht hat? Törichte Wurmin, die ich mit etliche mehrsilbige Worte vernichten kann! Die früheren Verhältnisse deines Gatten, dein früheres Verhältnis mit mir, das ist alles so despektierlich, daß ihr zittern müßt vor mir wie Espenläube! O, ich will euch ein furchtbarer Hausknecht sein. (Mit innerer stolzer Befriedigung.) Ah, es gibt Geheimnisse, die von gute Eltern sind! (Mitte ab.)

Zehnte Szene

Josephine. Peppi.

(Beide kommen im Gespräch aus der Türe links.)

Josephine (ärgerlich). Das sieht ihm gleich, den nächstbesten hergelaufenen Menschen ins Haus nehmen, ohne mich zu fragen.

Peppi. Es is ein Heruntergekommener, und mit die hat es fast immer ein Nisi.

Josephine. Ein Glück, daß du den Mann in seinen früheren Verhältnissen gekannt hast.

Peppi. Ich glaub', zwischen ihm und dem gnädigen Herrn hat es auch ganz ein eignes Bewandtnis – dieser neue Hausknecht hat so etwas fallen lassen, als ob er Geheimnisse wüßt' –

Josephine. Von meinem Mann?

Peppi. Mir is es so vorgekommen.

Josephine. Siehst du –?! O meine Ahnung! Ich lass' es mir nicht nehmen, mein Mann hat ein Verbrechen begangen –

Peppi. Das wär' schauderhaft, aber großartig! Denken Sie sich – wenn einmal die ganze G'schicht' der Geschichte angehört, und Sie gehn nach zehn Jahren ins Theater und sehn dann, wie das auf die Tat Ihres gnädigen Herrn Mannes verfaßte Stück die »Beiden Grasel« verdrängt!?

Josephine. Es wäre allerdings ein ungeheurer Triumph, aber –

Peppi. Ich weiß, was Sie sagen wollen; diese nachträgliche Glorifizierung entschädigt den erhabenen Verbrecher selbst nur dürftig für die Unannehmlichkeiten, die ihm die Justiz so rücksichtslos bereitet. (Für sich.) Zarter kann man eine gewisse tragische Verwicklung nicht bezeichnen.

Josephine. Ich bin in einer fieberhaften Spannung –

Peppi. Still – ich hör' kommen –

Elfte Szene

Scheitermann. Die Vorigen.

Scheitermann (Zur Mitteltüre eintretend). Hab' schon eine kriegt, gleich wird s' da sein!

Josephine. Ist nicht mehr nötig, ich habe schon selbst dafür gesorgt.

Scheitermann. Du hast mir aber den Auftrag –

Josephine (auf Peppi zeigend). Hier steht die neue.

Scheitermann. Meine is aber auch nicht alt.

Peppi (sich Scheitermann vorstellend). Ich küss' die Hand, Euer Gnaden.

Scheitermann. Also die da? Aha –! (Beiseite.) Auch sehr sauber – was es jetzt für Dienstboten gibt –!

Peppi (beiseite). Mir kommt vor, er kokettiert auf mich.

Josephine (zu Scheitermann). Nun, was stehst du so verdutzt?

Scheitermann. Weißt, ich studier' grad', was ich jetzt mit der meinigen anfang'.

Josephine. Das ist sehr einfach, du schickst sie fort.

Scheitermann. Das is wahr, das is das einfachste. Aber du, da fallt mir was Zweifachs ein, was auch nicht schlecht – es wird dann und wann zu viel für eine. Probieren wir, welche besser kocht, und die andere behalten wir nachher mehr fürs Zimmer.

Josephine. Nein, nein! Das tut kein gut.

Scheitermann. Konträr, Weiberl –

Peppi. Mir is es am liebsten, wenn ich die einzige bin im Haus; ich werde die gnädige Frau sehr gut bedienen, (etwas reprimandierend zu Scheitermann) und Sie sollen ihr nicht immer widersprechen, der gnädigen Frau.

Scheitermann. Ich hab' noch was sagen wollen – ja richtig – (zu Josephine) ein' Hausknecht hab' ich auch schon.

Josephine. O, ich weiß. – (Gebieterisch.) Du wirst ihn sogleich wieder fortschicken.

Scheitermann (etwas böse werdend). Ja, nimm denn ich d' Leut' nur zum Fortschicken auf? Schau dir 'n zuerst an.

Josephine. Gar nicht nötig!

Peppi. Er mißfällt der gnädigen Frau.

Scheitermann. Ung'schauter?

Josephine (scharf betonend zu Scheitermann). Wenn man eine Frau aus einem guten Hause hat, nimmt man keine zugrunde gegangenen Subjekte ins Haus, die –

Scheitermann (etwas verlegen). Seine Zeugniss' –!

Josephine. Sagen freilich nichts davon –

Peppi. Daß er einmal ein großes Materialg'schäft gehabt –

Josephine. Dann ein Weinreisender geworden ist –

Peppi. Oder hat werden wollen.

Scheitermann (sehr betroffen, beiseite). Fatal, sie wissen alle zwei –

Josephine. Ein Mensch, der überdies noch mit Geheimnissen droht, die er preisgeben könnte –

Scheitermann (unruhig, beiseite). Der Satans-Muffl plauscht am End' –

Josephine (Scheitermanns Unruhe beobachtend, leise zu Peppi). Siehst du seine Verlegenheit –?

Peppi (leise zu Josephine). Alle drei Minuten wechselt er d' Farb' – (Zu Scheitermann im Tone des Vorwurfs.) Die gnädige Frau hat sich schön geärgert über Euer Gnaden.

Scheitermann (beiseite). Jetzt fangt die auch an –!

Josephine. Ach, meine Nerven –! Komm, Peppi, führe mich auf mein Zimmer.

Scheitermann. Aber, Weiberl –!

Josephine (schreit). Du schickst ihn fort – (plötzlich mit sehr schwacher Stimme) oder ich gehe zur Tante –

Peppi (im Tone des Vorwurfs zu Scheitermann). So eine Frau muß gar sanft behandelt werden, das geht nicht, daß man so herumschreit mit ihr. (Führt Josephine durch die Seitentüre links ab.)


 << zurück weiter >>