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Ja, das Schicksal hatte des Kaisers Herz gebrochen. Krank war er zu Ende des Jahres 1788 aus dem Türkenkrieg heimgekommen, und obwohl er nach einigen Monaten anscheinend genas, war doch der Todeswurm in seinem Herzen zurückgeblieben, und er fühlte ihn hämmern und bohren, rastlos, unermüdlich, Tag und Nacht.
Selbst die freudigen Siegesnachrichten, die von der Armee herübertönten, machten diesen Todeswurm im Herzen des Kaisers nicht verstummen. Loudon gewann Schlachten, Loudon hatte Belgrad den Türken abgewonnen, er hatte vollführt, was des Kaisers glühender Wunsch gewesen. Er hatte die Fahnen Oesterreichs auf den Thürmen Belgrads aufgepflanzt. Folgende merkwürdige Zusammenstellung brachten damals die Zeitungen Wiens über die Eroberung von Belgrad: Kaiser Franz, damals Herzog von Lothringen, Maria Theresia's Gemahl, war 1739 bei der kaiserlichen Armee, als Belgrad an die Türken überging. Sein Enkel, Erzherzog Franz, war 1789 bei der österreichischen Armee, als Belgrad den Türken wieder abgenommen ward, und feuerte mit eigener Hand die erste Kanone gegen Belgrad ab! General Wallis kommandirte im Jahre 1739 die Armee bei Belgrad, und übergab die Festung an die Türken. Sein Sohn, der nachherige Feldmarschall Wallis, ward 1789 der erste Commandant von Belgrad. Der türkische Commandant Osman Pascha, welcher jetzt 1789 die Festung an die Oesterreicher übergab, war der Sohn Osman Pascha's, dem sie die Kaiserlichen 1739 übergeben hatten. S. Hübner II. 492 Wien empfing diese Botschaft mit lautem Freudejauchzen, es illuminirte die Stadt drei Tage lang, und auch der Kaiser nahm Theil an dem Entzücken seines Volkes. Er löste von seinem eigenen Gallakleid den brillantenen Ordensstern des Maria-Theresia-Ordens; diesen Stern, den nur der Kaiser als der Großmeister des Ordens allein tragen durfte, und der vierundzwanzigtausend Dukaten an Werth hatte, Groß-Hoffinger II. S. 492. sandte er an Loudon, indem er ihm zugleich das Patent als Generalissimus verlieh. Er wohnte dem Tedeum in der Hofkirche bei, und zeigte Allen ein freudestrahlendes Angesicht. Nur als er sich allein befand mit Lacy, nur da ließ er einen Moment die Maske von seinem Antlitz gleiten, und das Lächeln verschwand von seinen zitternden Lippen. .
Lacy, sagte er traurig, ich beneide Loudon nicht, aber ich hätte gern diesen letzten seiner Lorbeerkränze mit meinem Leben bezahlt. Aber für mich giebt es keine Lorbeern, nur Cypressen, für mich giebt es keine Triumphe, nur Niederlagen!
Ja, er hatte wohl Recht, so zu sprechen. Für ihn gab es keine Triumphe, sondern nur Niederlagen. Alles, was er gehofft und erstrebt, sollte er in Trümmer zerfallen sehen, die langen, schmerzvollen Jahre seiner Alleinherrschaft sollten umsonst gewesen sein.
Aufruhr tobte in Ungarn und in den Niederlanden, Aufruhr drohte in Tyrol. Wohin er sein Auge wandte, überall begegnete er unzufriedenen Gesichtern, hörte er lautes Murren und wüstes Geschrei seines Volkes, das gegen ihn sich erhob, gegen den Kaiser, der es so grenzenlos geliebt, daß er ihm jeden Gedanken, jede Stunde seines Lebens gewidmet hatte, gegen den Kaiser, dessen ganzes Bestreben es gewesen, seinem Volk die Aufklärung, die Cultur, die Geistesfreiheit zu bringen!
Aber sein Volk wollte nicht frei sein, es liebte seine Geistesfesseln, und seine Priester hatten es glauben gemacht, was der Kaiser ihnen darbiete als Aufklärung, das sei der Unglaube, der Abfall von der Kirche, der Treubruch an den Priestern!
Und das Volk glaubte seinen Priestern mehr als seinem Kaiser, es war bereit, für seine Priester den Kaiser aufzugeben.
Ganz Belgien stand jetzt in hellen Flammen des Aufruhrs, die Bürger hatten sich bewaffnet und bildeten eine Volksarmee, und an ihre Spitze stellte sich der Adel und die Geistlichkeit. Die kaiserlichen Truppen hatten nicht mehr die Macht, diese fanatisirten Schaaren zu besiegen, aber sie hatten auch nicht mehr den Willen. Haufenweise gingen die Soldaten zu dem Volk über, und diese vereinte Macht stellte sich jetzt drohend dem Kaiser gegenüber. Van der Noot, der Anführer und das Haupt des Aufstandes, erließ jetzt ein feierliches Manifest, in welchem er Brabant für unabhängig, den Kaiser seiner Herrschaft in den Niederlanden für verlustig erklärte, und sich selbst »den Bevollmächtigten des Brabanter Volkes« nannte. Das Volk hatte jetzt schon eine Armee von zehntausend Mann, und neben den Adligen waren die Priester die Führer dieser Armee. In Waffen trat der Mönch an die Spitze der Volkstruppen, aus den Klosterkassen wurden diese Truppen besoldet, in den Klosterhöfen und Gärten so gut wie auf den öffentlichen Plätzen wurden sie einexercirt. In allen belgischen Städten wurden Messen zur Beglückung des bewaffneten Volks gelesen, und Todtenämter gehalten für die gefallenen Patrioten. Groß-Hoffinger III. S. 289.
Ein allgemeiner Fanatismus bemächtigte sich der Gemüther, und jauchzend öffneten die Städte Brüssel, Antwerpen, Löwen, Mecheln und Namur dem Patriotenheer die Thore.
Der österreichische General d'Alton entfloh mit seinen Truppen nach Luxemburg, und seine Kriegskasse mit drei Millionen Gulden blieb in den Händen der Insurgenten. Der Kaiser ließ d'Alton zur Verantwortung nach Wien berufen; derselbe reiste von Luxemburg ab, ging bis Trier, dort aber tödtete er sich, indem er Gift nahm, an dem er vier Tage vor dem Tode des Kaisers starb.
Das waren die unglückseligen Nachrichten, welche der kranke Kaiser zu Ende des Jahres 1789 aus den Niederlanden erhielt. Joseph wollte indeß noch einen letzten Versuch machen, die Belgier zu sich zurückzurufen. Er sandte den Grafen Cobenzl mit Friedensaufträgen nach Brüssel, und bat den Fürsten Ligne, ihm dahin nachzureisen.
Der Fürst war bereit dazu, und kam, sich von dem Kaiser zu beurlauben.
Ich sende Sie als Vermittler zu Ihren Landsleuten, sagte Joseph mit einem schwachen Lächeln. Beweisen Sie dort den sogenannten Patrioten, daß Sie ein wahrer Patriot sind, indem Sie das belgische Volk mit seinem Fürsten versöhnen wollen.
Sire, ich werde gehen, sagte der Fürst, ich werde meinen armen, irregeleiteten Landsleuten sagen, daß ich Ew. Majestät habe über ihre Treulosigkeit weinen sehen, daß Sie ihnen nicht zürnten, aber um sie trauerten.
Ich, ich trauere um sie, sagte Joseph tiefbewegt. Ihr Land ist es, das mich umbringt, mein Freund. Gents Einnahme ist mein Todeskampf. Das verlassene Brüssel ist mein Tod. Oh, fuhr er heftiger und mit einem Ausdruck unendlichen Schmerzes fort, oh, welche Schmach ist dies für mich! Welche Schmach! Ich sterbe daran! Ich müßte ja von Holz sein, wenn nicht! Gehen Sie nach den Niederlanden, bewirken Sie, daß sie zu ihrem Herrscher zurückkehren. Können Sie das aber nicht, mein Freund, so bleiben Sie dort. Opfern Sie mir Ihr Glück nicht, Sie haben Kinder. Des Kaisers eigene Worte. Siehe Oeuvres du Prince de Ligne.
Ich habe Kinder, aber ich habe auch meinen Kaiser, rief der Fürst tiefbewegt. Ihn sehe ich leiden, und sehe auch mein Volk leiden in seinem Unverstand und seiner Verirrung. Was ich vermag, werde ich thun, um es auf den rechten Weg und zu seinem Kaiser zurückzuführen! Ich reise in dieser Stunde noch ab, wenn Ew. Majestät die Gnade haben wollen, mich zu beurlauben.
Reisen Sie, mein Freund, meine besten Wünsche begleiten Sie, aber ich gestehe Ihnen, ich habe keine Hoffnung mehr!
Ich gebe die Hoffnung noch nicht auf, Sire! Und indem ich jetzt scheide, sage ich: auf Wiedersehen, Sire!
Auf Wiedersehen dort oben! flüsterte der Kaiser leise, als der Fürst ihn verlassen hatte. Ja, ich fühl's, auf Wiedersehen dort oben! Der Tod steht schon hinter mir und – und ich habe noch sehr viel zu thun und zu arbeiten, unterbrach sich der Kaiser selbst, und ich habe keine Zeit, müßigen Träumereien nachzuhängen.
Er erhob sich hastig von seinem Lehnstuhl und durcheilte das Cabinet, um seine drei Secretaire aus der Kanzlei herbeizurufen.
Wir wollen arbeiten, sagte er den Eintretenden.
Sire, sagte einer von ihnen mit schüchterner Stimme, Herr von Quarin hat uns beschworen, wenn Ew. Majestät arbeiten wollen, Sie in seinem Namen anzuflehen, sich doch nur einige Tage noch Ruhe zu gönnen.
Ich kann nicht, rief der Kaiser ungeduldig, die Staatsgeschäfte stehen nicht still, weil meine Kräfte nicht vorwärts wollen, und wenn ich das Arbeiten noch länger aufschiebe, so wird bald nicht mehr durchzukommen sein. Statten Sie mir Bericht ab. Was für Depeschen sind aus Ungarn eingelaufen?
Traurige, Sire. Die ungarischen Grundherren verweigern ihren Beitrag zu der ausgeschriebenen Kriegssteuer, sie jagen die Steuerbeamten, welche kommen, sie einzuziehen, mit Hohn und Spott von ihren Gütern fort, und das Volk weigert sich ebenso, der Conscription zu gehorchen, es folgt nicht mehr dem Ruf der kaiserlichen Beamten, es schaart sich zusammen in Haufen, die mit wildem Geschrei überall die Polizeibeamten und die Soldaten, welche die Militairpflichtigen auszuheben kommen, mit dem Tode bedrohen, wenn sie nicht schleunigst entfliehen.
Aufruhr, Aufruhr überall, flüsterte der Kaiser entsetzt. Man soll ihnen nicht nachgeben, sie sollen gehorchen!
Eben öffnete sich leise die Thür des Cabinets, und der Hofmarschall trat ein.
Sire, sagte er, soeben ist eine Deputation der Magyaren in's Schloß gekommen, und fleht dringend um eine Audienz bei Ew. Majestät.
Eine Deputation, von wem? fragte der Kaiser hastig.
Ich weiß es nicht, Sire. Der Graf von Palfy steht an ihrer Spitze.
Ah, Palfy wieder einmal, rief Joseph mit einem höhnischen Lachen. Wenn die Ungarn mir eine Unglücksbotschaft zu senden haben, schicken sie sie durch Palfy! Ich will die Herren empfangen, Herr Graf! Führen Sie sie in das kleine Empfangszimmer neben meinem Cabinet hier. Sagen Sie ihnen, daß ich sogleich bei ihnen sein werde.
Er entließ die Secretaire mit einem raschen Wink seiner Hand, und klingelte nach seinem Kammerdiener, um sein weites, bequemes Gewand mit der Uniform zu vertauschen. Aber während des Anziehens schwankte seine Gestalt hin und her, und als er einige Schritte vorwärts machen wollte, mußte er sich auf den Arm des Kammerdieners lehnen, um nicht umzusinken.
Oh, rief der Kaiser zornig, wie sie hohnlachen werden, wenn sie mich so schwach und hinfällig sehen, wie triumphirend sie heimkehren werden, um es den Ungarn zu sagen, daß ich nichts mehr bin als ein kranker, todesmatter Greis! Aber sie sollen das nicht sehen, ich will ihnen zeigen, daß ich noch immer der Kaiser bin, und daß das Leben und die Kraft noch nicht in mir erloschen ist! Führe mich dorthin, Günther, dort an den Pfosten der Thür. An ihn will ich mich lehnen, und da will ich stehen bleiben, während ich die Herren aus Ungarn empfange.
Er ließ sich zu der Thür hingeleiten, und lehnte sich an die breite Mauerbrüstung derselben, dann befahl er Günther, die beiden Thürflügel, welche nach außen hin nach dem Empfangszimmer aufgingen, zu öffnen.
Als dies geschehen, sah man da in dem Zimmer die zwölf Magyaren in ihren reichen gestickten ungarischen Costümen, mit denen sie sich diesmal statt der Uniformen und der Hofkleider geschmückt hatten. Es waren dieselben Männer, welche schon vor Jahren bei dem Kaiser als Deputation der Ungarn erschienen waren, und wieder wie damals, stand der Graf Palfy, der jetzige Kanzler von Ungarn, an ihrer Spitze.
Der Kaiser begrüßte sie mit einem leichten Neigen des Kopfes, die Herren verbeugten sich mit düsteren Gesichtern.
Wenn mich mein Gedächtniß nicht trügt, sagte der Kaiser rasch, sind das alle dieselben Herren, welche ich schon vor Jahren einmal bei mir gesehen?
Es ist so, Sire, erwiderte Graf Palfy ernst.
Und warum kommen Sie wieder?
Um derselben Ursache willen, Sire, um welche wir im Jahre 1783 hier waren, um der bedroheten Freiheiten und Rechte unseres Vaterlandes willen, und darum sendet das Königreich Ungarn Eurer Majestät dieselben Männer, damit Sie sehen und erkennen mögen, daß die Jahre unsere Gesinnungen und unsere Herzen nicht ändern, daß die Männer, welche vor sechs Jahren Eurer Majestät die Klagen und Beschwerden Ungarns vorgetragen, noch dieselben Worte, dieselben Gedanken, dieselben Wünsche haben, daß wir noch immer entschlossen sind, unsere Freiheiten und Rechte mit unserm Blut und Leben zu vertheidigen! Ungarn hat sich nicht geändert und wird sich niemals ändern, Sire, es fordert heute, was es vor sechs Jahren gefordert hat!
Und der Kaiser hat sich auch nicht geändert, rief Joseph glühend, er befiehlt heute, was er vor sechs Jahren befohlen hat, er kann heute so wenig wie damals seinen Willen ändern.
Dann, Sire, wird das ganze Königreich sich erheben, sagte Graf Palfy mit feierlicher Stimme, dann wird das ganze Ungarnvolk sich waffnen zu dem heiligen Kampfe für seine Freiheiten, seine Verfassung und seine Rechte. Sire, noch einmal, aber zum letzten Male nahen wir uns flehend dem Throne Eurer Majestät, noch einmal bitten wir: geben Sie uns unsere Rechte wieder!
Und was nennt Ihr Eure Rechte? fragte der Kaiser, höhnisch lächelnd.
Das, was uns seit Jahrhunderten auf den Pergamenten unserer Verfassung gesichert worden, was unsere Könige uns feierlich, jeder bei seinem Regierungsantritt, gelobt und geschworen, uns zu erhalten: unsere Nationalität, unsere Sprache, unsere Abgabenfreiheit, unsere Krone, unseren Landtag! Sire, wir wollen keine deutsche Provinz werden, denn wir sind Ungarn und wollen Ungarn bleiben, wir wollen keine Steuern zahlen, wir wollen keine Conscription haben, denn unsere Verfassung sagt, daß wir Steuerfreiheit haben und nicht gezwungen werden sollen zum Kriegsdienst. Sire, Ungarn steht am Rande eines Abgrundes; wenn Ew. Majestät es nicht von demselben zurückziehen wollen, wird Ungarn selber sich retten müssen. Nicht blos unsere Freiheiten sind bedroht, sondern auch unsere materiellen Interessen sind gefährdet. Durch das Losschlagen der Krongüter, durch den Verkauf der eingezogenen Kirchengüter ist der Werth des Grundbesitzes auf das Erheblichste gefallen; die Steuerregelung hat durch die Verminderung des Grundwerthes die Einkünfte aller ständischen Gutsbesitzer um neun Millionen, und das Stammkapital um mehr als zweihundert Millionen verringert. Sire, Ungarn geht, wenn Ew. Majestät diese unserm Lande, unsern Freiheiten, unserer Ehre schädlichen Gesetze nicht aufheben, seinem Ruin entgegen, oder –
Oder? fragte der Kaiser hastig, als Palfy zögernd schwieg.
Oder der Revolution! sagte der Graf mit feierlicher Stimme.
Ah, Sie wagen es, mir zu drohen? rief der Kaiser mit mächtiger Stimme.
Ich wage es, zu sagen, was mir mein Land zu sagen geboten hat, was diese Männer, die mich begleiten im Namen unseres Volks, Eurer Majestät sagen würden, wenn meine Lippen zu feig wären, es auszusprechen. Ist es nicht so, meine Freunde?
Ja, es ist so! riefen sie Alle wie aus einem Munde.
Sire, ich wiederhole es, wenn Ew. Majestät nicht jetzt unsere drohende, mahnende Stimme hören, geht Ungarn, welches nicht zu Grunde gehen will, einer Revolution entgegen. Gleich den Belgiern werden wir unsere Freiheiten zu schützen wissen, gleich ihnen werden wir unsere Verfassung mit unserm Leben vertheidigen. Sire, noch kann Alles gut werden. Geben Sie uns unsere Constitution wieder, rufen Sie die Stände zu einem Landtag zusammen, lassen Sie unsere Krone wieder nach Ungarn zurückführen, und kommen Ew. Majestät selber dahin, um sich krönen zu lassen und unserer Verfassung den Eid der Treue zu schwören, dann werden auch wir Ew. Majestät den Eid der Treue schwören, dann werden wir treu und fest zu unserm König halten, und bereit sein, ihn mit unserm Blut und Gut zu vertheidigen.
Geben Sie uns unsere Krone und unsere Verfassung wieder, riefen die Magyaren mit glühender Begeisterung, und wir sind bereit, Ew. Majestät zu vertheidigen mit unserm Gut und Blut!
Das heißt, rief der Kaiser mit flammenden Zornesblicken, das heißt, ich soll mich erniedrigen, soll Euren Trotz zu Recht anerkennen, soll nicht das Gesetz respectiren, sondern Euren Willen, soll die Ehre Eures Fürsten Eurem Belieben unterordnen, und meinen Willen von Eurem Veto abhängig machen.
Nein, Sire, rief Graf Palfy glühend, das heißt, Ew. Majestät sollen das letzte Mittel ergreifen, das noch im Stande ist, Ew. Majestät Ungarn zu erhalten. Denn wenn Ew. Majestät nicht unsere billigen und gerechten Forderungen erhören wollen, so steht Ungarn auf wie Ein Mann, und verweigert Dem Gehorsam, der es knechten will. Das schwören wir im Namen unserer Nation!
Das schwören wir im Namen unserer Nation! riefen die Magyaren.
Und ich schwöre im Namen meiner Ehre und meiner Würde, rief der Kaiser, bebend vor Aufregung, mit Zornesgluth auf den Wangen, ich schwöre, daß ich niemals Denen nachgeben werde, welche drohen, niemals Denen verzeihen werde, welche mit verbrecherischen Mitteln von mir ertrotzen wollen, was ich nicht geben kann, ohne mich zu demüthigen.
Sire, es ist keine Demüthigung, einzugestehen, daß man geirrt hat, und begeisterter noch werden Ihre Ungarn Sie lieben, wenn sie sehen, daß ihr König sie so sehr liebt, daß er sogar um ihretwillen seinen Fürstenstolz beugt und sagt: ich war ein Mensch, ich habe mich geirrt als Mensch, und ich will wieder gut machen als Fürst, welcher sein Volk liebt. Sire, wir warten mit Todesangst auf diese Antwort, wir warten auf dieselbe bis morgen um diese Stunde.
Ah, Sie sind also großmüthig genug, mir eine letzte Gnadenfrist zu setzen, rief der Kaiser außer sich, Sie –
Plötzlich verstummte der Kaiser und sein Antlitz bedeckte eine tödtliche Blässe. Er hatte ein Gefühl, als ob da innen in seiner Brust eine Ader zersprengt war, als ob ein Feuerstrom von seinem Herzen in seine Brust und zu seinen Lippen emporstieg. Mit einer hastigen Bewegung drückte er sein Taschentuch an seine Lippen, und ebenso hastig zog er es dann wieder zurück und barg es in seinem Busen. Der Angstschweiß stand in dicken Tropfen auf seiner Stirn, es dunkelte vor seinen Augen.
Aber diese übermüthigen Magyaren sollten nicht die Freude haben, ihn zusammensinken zu sehen, seine Feinde sollten nicht den Triumph haben seine Leiden zu gewahren!
Mit einer letzten ungeheuren Kraftanstrengung raffte er sich empor, und seine Blicke leuchteten wieder auf in stolzer Energie. Geht, sagte er laut und stolz, ich habe Eure Forderungen vernommen, ich werde Euch meine Antwort zukommen lassen!
Wir erwarten sie bis morgen Mittag, erwiederte Graf Palfy feierlich, alsdann reisen wir ab, um nimmer wieder zu kommen.
Geht, rief der Kaiser heftig, und die Magyaren hielten diesen krampfhaften Schrei seiner Leiden für einen Ausruf seines Zornes. Mit düstern Gesichtern verneigten sie sich und verließen das Gemach.
Der Kaiser kehrte langsam und todesmatt in sein Cabinet zurück. Mit einem tiefen Seufzer sank er in einen Lehnstuhl nieder, und hatte kaum noch so viel Kraft, die Handklingel zu nehmen und zu schellen.
Günther, sagte er zu dem eintretenden Kammerdiener mit leiser, tonloser Stimme, sende einen Wagen zu meinem Leibarzt Quarin, er soll sogleich hierher kommen.