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Sechstes Buch.
Die Reaction.


I.
Laster bleibt Laster.

Eine fürchterliche Nachricht setzte seit einigen Tagen die ganze Aristokratie von Wien in Aufruhr. Schreckensbleich und schaudernd vor Entsetzen flüsterte man einander in's Ohr, das kaiserliche Hofgericht habe sein Urtheil gesprochen über den Grafen Podstadzky Liechtenstein, es habe ihn, gemäß dem neuen Josephinischen Gesetzbuch, verdammt zu lebenslänglicher Zuchthausstrafe und zum Gassenkehren im Sträflingsanzug der gemeinen Verbrecher.

Aber dies war noch nicht Alles! Noch eine andere fürchterliche Kunde machte die vornehmen Familien des Adels und des Militairs erbeben. Vor einigen Wochen war der Garde-Obristlieutenant von Szekuly plötzlich aus der Gesellschaft verschwunden, und seine Freunde suchten sich vergeblich dieses unerwartete und geheimnißvolle Verschwinden zu enträthseln. Freilich sagte sein Diener aus, der Herr Obristlieutenant habe eine Reise nach seiner Heimath, nach Ungarn angetreten, aber er sagte das mit so scheuen, ängstlichen Blicken, so sichtbar verstörtem Wesen, daß Niemand an diese Reise glauben mochte. Und der ungarische Obristlieutenant von Szekuly hatte sehr viele Freunde! Alle diese ungarischen Aristokraten, welche in Wien lebten, waren mit ihm befreundet und liirt, in allen Soiréen der vornehmen Welt war der liebenswürdige, joviale und geistvolle Offizier stets eine willkommene und begehrte Erscheinung gewesen, und in zuvorkommender Aufmerksamkeit hatte man sich in letzter Zeit immer beeilt ihn einzuladen, wenn man wußte, daß auch die Gräfin Baillou in der Gesellschaft gegenwärtig sein würde; denn Jedermann wußte, daß der Greis mit dem feurigen Herzen und der leidenschaftlichen Liebe eines Jünglings diese Frau anbete, welche durch ihre Schönheit und Liebenswürdigkeit sich so schnell eine Stellung in der Wiener Gesellschaft erobert hatte.

Und jetzt waren sie beide verschwunden, jetzt sah man die Gräfin Baillou nicht in ihrem Hôtel, dessen Fenster und Thüren verhangen und verschlossen waren, jetzt fehlte der Obristlieutenant der Garde, Herr von Szekuly, sowohl in den Salons als auf der Parade.

Wo waren sie Beide? Waren sie zusammen fortgegangen, oder war es nur zufällig, daß sie fast zu gleicher Zeit verschwunden waren? Konnte ihnen nicht ein Unglück begegnet sein? Oder hatte die Gräfin nun des Obristen glühender Liebe Erhörung geschenkt, und hatte sich mit ihm zurückgezogen in irgend ein stilles Thal, wo Beide nur ihrer Liebe und ihrem Glück leben wollten?

Und während man noch so fragte und forschte, verbreitete sich plötzlich die schreckensvolle Nachricht: der Obristlieutenant von Szekuly sei wenige Tage nach der Verhaftung des Grafen Podstadzky Liechtenstein auch verhaftet und diese beiden Verhaftungen ständen im innigsten Zusammenhang mit einander. Jedermann wußte indeß, daß der Graf Podstadzky der Fälschung von Bankzetteln angeklagt sei, aber Niemand glaubte an die Möglichkeit, daß der Obristlieutenant von Szekuly, den Jedermann achtete, dessen stolzer und biederer Charakter Jedermann bekannt war, daß er der Mitschuldige des Grafen sein könne.

Aber endlich erfuhr man die Ursache seiner Verhaftung. Der Obristlieutenant von Szekuly war angeklagt, aus der Kasse seines Regiments, die ihm anvertraut war, die Summe von sechzigtausend Gulden entwendet zu haben.

Die Gräfin Baillou, deren Verhaftung man gleichzeitig erfuhr, hatte ihn dieses Verbrechens angeklagt. Sie war beschuldigt, Theil gehabt zu haben an den Betrügereien des Grafen Podstadzky, aber dieser sowohl, als Szekuly hatten dies beharrlich geleugnet. Nur das hatten sie Beide eingestanden, daß sie sich in dem innigsten Liebesverhältniß mit ihr befunden, und daß der Haushalt der Gräfin von dem Grafen Podstadzky bezahlt worden sei. Als seine von ihm vergötterte Geliebte hatte sie sich nicht geweigert, die hohen Summen, welche er stets in Bankozetteln gegeben, anzunehmen, aber keine Ahnung hatte sie davon gehabt, daß diese Bankozettel gefälscht sein könnten. Der Graf Podstadzky bestätigte dies; mit dem größten Freimuth, hatte er seine eigene Schuld eingestanden, aber fest und entschieden hatte er jede Mitschuld der Gräfin abgeleugnet. Sie war nur von ihm getäuscht worden, sie selber war ganz unschuldig und arglos!

Aber diese Cassette mit zwanzigtausend Ducaten, welche man bei ihr gefunden, diese Cassette zeugte wider die Gräfin Baillou. Graf Podstadzky hatte ihr stets nur Bankozettel gegeben. Woher also, da sie gestanden, daß sie bei ihrer Ankunft in Wien gar kein Vermögen besessen, woher hatte sie die bedeutenden Summen genommen? Man hatte der Gräfin, welche noch immer verhaftet war, diese Frage vorgelegt, und sie hatte ohne Zaudern erwidert: die Hälfte dieser Summe habe sie am Spieltisch und aus den Geschenken ihrer reichen und vornehmen Anbeter gewonnen, die andere Hälfte aber verdanke sie der Freigebigkeit des Obersten von Szekuly, der ihr eines Tages diese Summe geschenkt habe.

Aber man wußte, daß Herr von Szekuly kein persönliches Vermögen besaß, und also nicht im Stande sei, ein Geschenk von zehntausend Gulden zu machen. Und dennoch gestand der Obristlieutenant ohne Zaudern, wenn auch tief erbleichend ein, daß die Gräfin Baillou wirklich diese Summe von ihm empfangen habe.

Von einem entsetzlichen Verdacht geleitet, untersuchte man jetzt die in seinen Händen und unter seiner Aufsicht befindliche Regimentskasse, und – statt der sechszigtausend Gulden, welche in derselben enthalten sein sollten, fand man dieselbe leer.

Herr von Szekuly gestand, daß er dieses Geld der Kasse entnommen habe, in dem guten Glauben, es in kürzester Zeit durch den Verkauf von wichtigen Papieren ersetzen zu können.

Wo waren diese Papiere? Man fand sie nicht, und Herr von Szekuly weigerte sich standhaft, irgend eine weitere Auskunft darüber zu geben. Er allein war der Schuldige, Er hatte die sechszigtausend Gulden der Kriegskasse entwendet. Man solle ihn also verhaften und ihn bestrafen nach der Schwere des Gesetzes.

Der Obristlieutenant von Szekuly, der ungarische Baron, der Verwandte der vornehmsten ungarischen Magnaten ward verhaftet und des gemeinen Diebstahls unter den erschwerendsten Umständen angeklagt.

Und jetzt, sagte man, waren die beiden Erkenntnisse des Hofgerichts erschienen, und der Graf von Podstadzky und der Obristlieutenant von Szekuly waren beide verurtheilt, zu entehrenden Strafen verurtheilt.

Aber noch hatte der Kaiser diese Urtheile nicht bestätigt, noch konnte man hoffen, daß er die beiden Angeklagten, in Berücksichtigung ihrer Familien, ihres Standes und ihres Ranges, begnadigen, oder ihnen wenigstens mildere Strafen zuerkennen würde.

Der Kaiser hatte, als er sein neues strenges Gesetzbuch publicirte, sich wenigstens das Recht der Gnade vorbehalten. Von diesem Recht, meinte man, würde er jetzt Gebrauch machen. Es war unmöglich, daß der Kaiser den ganzen hohen Adel Oesterreichs und Ungarns auf eine so furchtbare Weise kränken und beleidigen könnte, daß er Zweie aus ihren Reihen als gemeine Verbrecher strafen ließ, sie verurtheilte, am Pranger zu stehen, im Sträflingskittel die Gassen zu kehren, mit gemeinen Verbrechern an Einer Kette zusammengeschmiedet, mit ihnen zusammen zu wohnen in den Kasematten, von der gemeinen Kost der Sträflinge zu leben, auf harten, mit Stroh belegten Pritschen zu schlafen. Hübner II. S. 383.

Man konnte einen Adligen nicht strafen wie einen gemeinen Verbrecher. Dies wäre eine Barbarei, eine Grausamkeit gewesen, welcher der Kaiser sich nicht schuldig machen konnte, sich nicht schuldig machen durfte, wenn er nicht den ganzen Adel erbittern und zur Wuth und Empörung reizen wollte. Man mußte Alles thun, um ihn daran zu verhindern. Man mußte ihn bestürmen mit Bittschriften, mit Vorstellungen, man mußte ihm das Gehässige, das für ihn selbst Gefährliche solcher Verurteilung mit den eindringlichsten Worten vorstellen.

Man that es. Aber der Kaiser beantwortete alle diese Bittgesuche, diese Vorstellungen nur mit den lakonischen Worten: »Das Gesetz allein hat zu entscheiden! Ich kann das Gesetz nicht beugen!«

Aber man wußte doch, daß er die Urtheile noch nicht unterzeichnet hatte, und also konnte man noch immer hoffen, des Kaisers Sinn zu wenden, und ihn zur Gnade zu bewegen.

Indeß, wie sollte man zum Kaiser gelangen? Die Hinterthüren und Hintertreppen, die Protectionen der Beichtväter und Kammerfrauen waren mit Maria Theresia gestorben. Auf dem gewöhnlichen Wege konnte man jetzt keine Audienz erlangen, und den Kaiser nicht sprechen, denn seit einigen Tagen, seit das Urtheil des Hofgerichts bekannt geworden, hatte der Kaiser alle Audienzen verweigert, gar keine Besuche empfangen, und um dem Adel jede Möglichkeit, sich ihm zu nähern, abzuschneiden, hatte er selbst seine gewöhnlichen Spazierritte und Promenaden im Augarten aufgegeben, und fuhr nur in seinem offenen Cabriolet, welches er selbst leitete, spazieren.

Aber es gab doch noch Ein Mittel, um den Kaiser zu sprechen, noch Eine Thür, durch welche man zu ihm gelangen konnte.

Das war die Thür des Controlorganges, und der Controlorgang war das Mittel um den Kaiser zu sprechen.

In der Frühe des Morgens sah man daher heute die Damen und Herren der Aristocratie sich nach der Kaiserburg begeben. Sie kamen zu Fuß, damit der Kaiser nicht, aufmerksam gemacht durch die vielen vor dem Schloß anhaltenden Equipagen, vielleicht heute seinen Besuch des Controlorganges aufgeben möchte, sie kamen zu so früher Morgenstunde, weil sie die Ersten sein wollten in dem Vorsaal zum Controlorgang, die Nächsten an der Thür, um, sobald diese sich öffnete, einzutreten, und in dem Controlorgang unter sich, unter »Seinesgleichen« zu sein, es zu vermeiden, daß nicht vielleicht irgend Einer aus dem gemeinen Volk neben dem hochgebornen Grafen stehen, und zuhören möchte, wie der Graf auch sich demüthigen mußte zur Bitte, und zum Flehen um Gnade.

In einer geschlossenen Phalanx standen sie vor der Thür die Grafen und Gräfinnen, die Barone und Baroninnen, in düsterm Schweigen des Momentes harrend, bis die große Wanduhr des Vorsaales die neunte Stunde anschlagen würde. Und endlich kam dieser Moment, und mit dem letzten Schlag der Uhr öffnete der Kammerdiener Günther die Thür des Controlorganges, und in hastigem Gedränge eilten sie vorwärts, breit geschlossen, fest wie eine Mauer, Jeden mit starkem Arm, mit finstern Blicken zurückdrängend, der nicht zu ihnen gehörte. In dichten Reihen bis an die Thür gepreßt, standen sie an den Wänden des schmalen Gemachs, welches man den Controlorgang nannte, umher. Niemand hatte mehr Platz darin, Diejenigen, welche noch draußen im Vorsaal standen, mußten bis auf die nächste Stunde warten, und Günther mußte die Thür des Controlorganges schließen, denn er war gefüllt.

Die vornehmen Bittsteller hatten ihren Zweck erreicht, sie waren ganz unter Ihresgleichen im Controlorgang, Niemand Fremdes hatte sich mit ihnen hineindrängen können. Es waren nur Grafen und Gräfinnen, nur Barone und Baroninnen, welche die von den Lippen ihrer Nachbarn zitternden Bitten vernehmen, welche Zeuge sein konnten dieser Demüthigung des Adels, der im Controlorgang um Gnade flehen wollte für verbrecherische Standesgenossen.

Endlich öffnete sich die Thür des kaiserlichen Arbeits-Cabinets, und Joseph trat ein. Seine großen blauen Augen glitten mit einem schnellen, prüfenden Blick an den beiden Reihen der Anwesenden vorüber, und in seinen Mienen drückte sich einige Ueberraschung aus, aber er that doch, wie er immer zu thun pflegte, er ging langsam an den zu beiden Seiten aufgestellten Menschen vorüber, und streckte ihnen seine rechte Hand entgegen, um ihre Bittschriften zu empfangen.

Aber seine Hand blieb leer, Niemand hatte ihm eine Bittschrift zu geben.

Wie? fragte der Kaiser, als er am Ende seiner Wanderung angelangt war, und eben vor dem Grafen Lampredo stand, keiner von Ihnen hat mir eine Bittschrift zu geben? Sie wollen mich also Alle mündlich sprechen? Ich fürchte, daß mir die Zeit dazu fehlt, und daß ich nicht Jeden von Ihnen einzeln werde empfangen können.

Sire, es bedarf auch nicht dessen, sagte der Graf Lampredo feierlich. Wir sind nicht gekommen, um einzeln Ew. Majestät um Gnade anzuflehen, ein gemeinschaftliches Unglück ist es, welches uns Alle bedroht, und um welches wir gemeinschaftlich Ew. Majestät um Abhülfe und Erbarmen anrufen wollen. Die Bittschrift liegt nicht in unsern Händen, sondern auf unsern Lippen.

Und worin besteht sie? Was kommen Sie Alle gemeinschaftlich von mir zu erbitten?

Sire, rief Graf Lampredo laut und feierlich, Sire, wir flehen um Gnade für den Grafen Podstadzky und den Obrist-Lieutenant von Szekuly!

Gnade für den Grafen Podstadzky und den Obrist-Lieutenant von Szekuly, riefen Alle wie aus Einem Munde, und Alle beugten sie ihre Kniee, und hoben ihre Hände flehend zu dem Kaiser empor.

Joseph schaute mit finstern Blicken, mit zornigen Mienen nieder auf die Knieenden. Stehen Sie auf, sagte er düster. Wissen Sie nicht, daß ich das Kniebeugen untersagt habe? Im Controlorgang sind die spanischen Sitten schlecht angewandt, die einst in den Sälen der Kaiserburg so gern gesehen wurden. Im Controlorgang giebt es auch keinen Unterschied der Stände, Jeder hat da draußen seine Namen und Titel abgelegt, und ist nichts als ein Bittsteller, welcher kommt, bei seinem Kaiser um Gerechtigkeit zu flehen.

Und um Gnade, Sire, sagte Graf Lampredo ernst.

Um Gnade, die ich nur gewähren kann, wenn sie sich mit der Gerechtigkeit verträgt. Ueberlegen Sie sich das wohl, und nun, da Sie die lebendige Bittschrift dieser Herren und Damen zu sein scheinen, frage ich Sie noch einmal, Herr Graf Lampredo, was wollen Sie von mir erbitten?

Sire, Gnade für Podstadzky und Szekuly!

Gnade für Podstadzky und Szekuly! riefen Alle dem Grafen nach.

Sie fordern nur Gnade, nicht Gerechtigkeit, sagte der Kaiser düster, und doch habe ich Ihnen gesagt, daß ich die eine nicht ohne die andere gewähren kann. Wissen Sie, wessen die beiden Männer, für welche Sie Gnade erflehen wollen, angeklagt, welcher Verbrechen sie überführt sind? Der Graf Podstadzky hat für eine Million falsche Bankozettel fabricirt, und dadurch Tausende von armen Menschen ruinirt, welche ihm glaubten, und im Vertrauen auf seine falschen Bankozettel ihm ihre Waaren gaben; der Obrist von Szekuly hat die Kasse seines Regiments um sechszigtausend Gulden bestohlen, und dadurch nicht allein den Staat betrogen, sondern auch den ganzen Stand, welchem er angehört, beschimpft und entehrt.

So wollen ihn Ew. Majestät in Gnaden vor ein Kriegsgericht stellen! rief der Graf Lampredo. Das Kriegsgericht würde ihn wenigstens vor der Entehrung bewahren; denn es würde ihn zum Tode verurtheilen.

Er hat ein bürgerliches Verbrechen begangen, und er wird bestraft nach dem bürgerlichen Gesetzbuch, rief der Kaiser laut. Das bürgerliche Gesetzbuch aber kennt keine Todesstrafe, sie ist für immer abgeschafft.

Aber sie ist ersetzt durch Strafen, die grausamer und fürchterlicher sind als der Tod, Sire. Es heißt dreifach tödten, wenn man den Menschen tödtet in seiner Freiheit, seiner Ehre und seinem Namen. Ein zu ewiger Gefangenschaft verurtheilter Verbrecher, welcher in Ketten geschmiedet zu den schwersten Arbeiten verurtheilt ist, welcher unter dem Hohn des Volkes die Gassen kehren, oder die Schiffe ziehen muß, ist der nicht tausend Mal härter gestraft, als der, welcher für sein Verbrechen sein Haupt auf den Block legt, und in einem Moment büßt, was der Andere mit jahrelanger Marter und Qual bezahlen muß? Oh, Sire, es ist doch nicht möglich, daß Sie unsere Standesgenossen so fürchterlich strafen wollen, nicht möglich, daß Ew. Majestät die harten und erniedrigenden Strafen des Gesetzes auch auf den Adel anwenden, den Adel strafen wollen, wie den gemeinen Verbrecher.

Nein, Sie haben Recht, dazu schätze ich den Adel zu hoch, sagte Joseph rasch. Wenn aber ein Cavalier fähig ist, ein gemeines Verbrechen zu begehen, so entsetze ich ihn seines Adels und seiner Titel und überlasse ihn als Unadligen der Gerechtigkeit, die ihn nicht schlimmer und nicht besser als einen andern unadligen Schelm behandeln wird. Des Kaisers eigene Worte. Siehe: Hübner II. S. 432. Beruhigen Sie sich also. Diese beiden Verbrecher sind nicht mehr von Adel, ihr Verbrechen hat sie entadelt und sie zu gemeinen und ehrlosen Missethätern gemacht. Sie müssen erleiden, was sie verschuldet haben.

Aber, Sire, nicht blos sie werden bestraft, sondern auch wir, wir Alle.

Wie? rief der Kaiser mit scheinbarem Befremden; haben Sie Alle auch falsche Bankozettel fabricirt oder hohe Summen aus den Ihnen anvertrauten Kassen entwendet?

Nein, Sire, aber wir Alle werden gestraft, weil es die Ehre unsers Standes ist, welche in diesen Beiden beschimpft und zu Boden getreten wird. Sire, um unsers Standes willen, um der glorreichen Familien willen, welche in guten und in bösen Tagen treu zu Ihrem Hause und zu dem Kaiserthron gestanden haben, Sire, um der ehrwürdigen und seit Jahrhunderten tadellosen Wappen unserer Häuser willen, üben Sie Gnade für uns Alle.

Ueben Sie Gnade für uns Alle! riefen die Andern ihm nach.

Strafen Sie nicht den ganzen Adel in seiner Ehre für das Laster des Einzelnen. Diese Strafen entehren und beschimpfen uns Alle.

Dann also haben Sie Alle auch die Verbrechen begangen, deren jene Beiden angeklagt sind! rief der Kaiser. Nein, keine Gnade für Verbrecher. Laster ist Laster. Derjenige, welcher sich nicht schämt, ein Verbrechen zu begehen, wird sich auch der Strafe nicht schämen. Darf ein Lasterhafter unter andern Lasterhaften den Vorzug haben, so darf es nur der sein, daß man ihn um so härter straft, weil er der Lasterhafteste, der Abscheulichste ist. Nur der Tugend wartet Belohnung, und je tugendhafter, je größer die Belohnung. Würde man Lasterhaften ihrer Person wegen Vorzüge einräumen, und sie nicht ganz die Strafe ihres Lasters fühlen lassen, was würde alsdann Gerechtigkeit sein? Und hieße das nicht, das Laster in der Person belohnen? Des Kaisers eigene Worte. Kein Wort mehr. Ich habe Ihnen, wie mir scheint, Langmuth genug bewiesen, und Sie zu überzeugen gesucht, daß ich als gerechter und unpartheiischer Fürst nur so und nicht anders handeln kann und darf. Der Graf Podstadzky und der Obrist-Lieutenant von Szekuly müssen die ihnen vom Gesetz zuerkannten Strafen erdulden, denn der Adel ihrer Väter wäscht die Nichtswürdigkeit der Söhne nicht ab.

So sprechend, verbeugte der Kaiser sich leicht und kehrte in sein Cabinet zurück.

Eine Pause trat ein, als die Thür sich hinter ihm geschlossen hatte, mit finstern Gesichtern, mit düstern Blicken schauten sie einander an.

Es ist also Alles umsonst, flüsterte der Graf Lampredo nach langem Schweigen. Zwei Männer von edlem Stamm werden gestraft werden, wie gemeine Verbrecher; der Adel wird diese grauenvolle Schmach erleiden müssen.

Aber der Adel wird eines Tages sich rächen für diese Schmach, die ihn der Kaiser erdulden läßt! flüsterte der ungarische Graf Hojadda, ein naher Verwandter des Herrn von Szekuly. Jeder Fürst ist verloren, wenn er den Adel seines Landes wider sich hat. Und der Kaiser hat heute die Sympathieen seines Adels für immer verscherzt. Der Kaiser wird einst dieser Stunde gedenken, und er wird sie bereuen.

Ja, er soll ihrer gedenken, flüsterte der Graf Lampredo mit einem zornflammenden Blick nach der Thür hin, er soll sie bereuen! Wir werden Alle dafür sorgen, nicht wahr?

Ja, wir werden Alle dafür sorgen, flüsterten sie untereinander. Der Kaiser soll diese Stunde bereuen!


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