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Sechstes Gesicht

Soldatenleben

Des Samstags ganz früh ward mir durch Expertus Robertus vertraulich gesagt, daß Mutius Jungfisch, Don Thraso Barbaviso und Don Unfalo die gestern gegen mich eingereichte Schrift ins Deutsche übertragen hätten und noch selbigen Morgen eingeben würden. Da sie aber selbst in Sorgen ständen, daß sie dadurch wider mich nicht viel ausrichten würden, weil sie nicht ein einziges kräftiges Zeugnis von jemand anders vorlegen könnten, ob sie sich auch noch so krautwelsch stellten: so hätte er von glaubwürdigen Leuten vernommen, daß sie ein gefälschtes Schreiben, mit meiner Hand und meinem Namen nachgemacht, beizubringen vorhätten. Ja, wenn ihnen auch diese List fehlschlagen sollte, so wollten sie doch durch allerhand heimliche Anstalten darauf bedacht sein, wie sie mich ganz aus dem Wege möchten räumen lassen; denn der Neid und die unsterbliche Feindschaft hatten sie einmal dermaßen besessen, daß sie weder Gewissen noch Gott mehr fürchteten, wenn sie nur ihre Lust an mir kühlen könnten.

Deswegen gab er mir den Rath mich durch einen heimlichen Gang, den er mir zeigen wollte, eine Weile davon zu machen und ihnen aus dem Gesicht zu gehen. Am Ausgang des Ganges würde ich mich wieder finden und unschwer erkennen, wohin ich fürderhin gehen sollte; unterdessen wollte er, als mein alter beständiger Freund, die Sache bestermaßen zu betreiben sich angelegen sein lassen, damit ich dermaleinst ohne einige Noth aus dieser herzquälenden Trübsal herauskommen und mein Leben in besserer Ruhe mit Gott verbringen möchte. Es würde vielleicht nach Gottes Willen das letzte Wetter sein und danach hoffentlich die liebliche Sonne der Freude wiederum hervorblicken.

Diesem treuen Rath folgte ich ohne langes Nachsinnen; denn es war mir ohnedas schon aus Erfahrung bekannt, daß, wo diese drei durch Trieb des Lästerteufels mich in Gefahr hätten bringen können, sie wahrhaftig ihres eigenen Verderbens, ja ihrer Seelen Seligkeit nicht würden geachtet haben. Und obwohl ich weder des Richters Aufrichtigkeit noch meiner Sache mißtraute, so hielt ich es dennoch auf Rath des Alten dies Mal für klug den Bösewichtern aus den Augen zu gehen bis zu anderer Zeit, wo Recht und Gerechtigkeit weniger Anstoß und Gewalt zu leiden hätten.

Mittlerweile um acht Uhr waren Mutius Jungfisch, Don Thraso Barbaviso und Don Unfalo nicht faul und legten ihre Klageschrift dem Heldenrath vor in dem Wortlaut, wie ihn mir der Alte nachmals zeigte. – Wie es aber hergegangen ist, nachdem diese Schrift abgelesen worden war, wie man nach mir forschte, aber mich nicht finden konnte, was für lose Stücke die Bösewichte erdichtet, was hingegen der treuliebende Expertus Robertus, Freymund und andere zu meiner Entschuldigung werden beigebracht haben, wollen wir an anderm Orte berichten. Ich habe dies alles, wie einer, der es nicht gehört, wenig beachtet: war froh, daß ich mit heiler Haut so davongekommen war.

Sobald ich nun zu dem heimlichen Gang hinaus gelangt war und den nächstgelegenen Wald erreicht hatte, hielt ich mich so gut ich konnte bis gegen Nacht verborgen und versteckte mich dann unfern in einem alten Hause in einem Dorfe. Hier blieb ich aus Furcht des andern Tages bis wieder gegen Nacht, wo ich den Weg weiter suchte mit dem guten Vorsatz, alles Unglück geduldig zu leiden, bis mich Gott erlösen würde; denn ich sah wohl, daß mein Sinnen und Denken nichts helfen würde, wie sehr ich mich auch bekümmern, abarbeiten und abmühen wollte: Gott muß es thun, ohne dessen Beistand kein Mensch etwas Gutes vermag in all seinem Vorhaben.

Was ist's, daß man sich viel kränket,
Dieses jetzt, bald das gedenket, –
Unser Thun hat doch kein Ziel.
Lieber Mensch, drum laß es gehen,
Soll es sein, es muß geschehen:
Nach dem großen Himmelsschluß
Alle Welt sich richten muß.

Nachdem ich mich also zur linken Hand in das Land hineingeschlagen und vier Stunden Wegs gewandert war, sah ich nicht weit von mir ein wenig Feuerschein, dem ich mich näherte; als ich hinzu kam, wurde ich einer Kirche gewahr und machte bei mir die Rechnung, es würden etliche arme Leutchen oder Salzträger, wie sie sich in dieser Gegend finden, die Nacht allda rasten wollen, durch deren Hilfe ich sonder Zweifel auf einen andern Weg könnte gewiesen werden. Und ich war in meiner Meinung nicht betrogen, es waren arme Leute und Salzträger, auch zwei Kaufleute aus Düsseldorf, ein Bote und viele andere, über zwanzig Personen. Als ich der Thür nahte um hinein zu sehen, wer es wäre, schnapps, zwei Kerls von hinten an mich und hielten mich bei den Armen unter Drohen still zu sein, oder es würde mich das Leben kosten und setzten mir die Pistolen mit aufgezogenen Hähnen auf die Brust. Ich sprach, ja ihr Herren, ich will schweigen; dann ließen sie die Thür offen. Behüte Gott! als ich hinein kam: was für ein Elend und Jammer war in der Kirche! Neun gesattelte Pferde meist von weißen Haaren standen dort an einem langen Stuhl ungebunden still und fraßen ihr Futter aus Maulsäcken. Um das Feuer lagen elf Kerls, zum Theil gekleidet wie die Wenden; bei einem andern kleinen Feuer lagen etliche Feuerrohre und an zwanzig Bauern oder andere Leute, welche mit Stricken an einander gebunden waren. O mein Gott, welch Angst und Schrecken! Mich wundert, daß ich nicht in Ohnmacht gesunken bin, dieweil ich mir anfangs in meinem Gewissen die Rechnung nicht anders machen konnte, als daß die Knechte aus der Burg mich allda würden ertappt haben. Als aber einige von ihnen auf mich zukamen und mich ganz leise fragten, wer ich wäre und wo ich herkäme? da bedurfte es nicht viel Läugnens, denn ich ward von einem, Battrawitz genannt, den ich früher mit 16 Dublonen aus der Gefangenschaft gelöst hatte, gleich erkannt: das kam mir um soviel zu gute, als ich nicht gebunden wurde wie die andern, sondern nach abgelegtem Versprechen nicht auszureißen habe ich bei ihnen am Feuer liegen und in der Kirche herum gehen dürfen. Gern hätte ich gewußt, an welchem Orte ich eigentlich wäre; ich hoffte in der Kirche irgend eine Inschrift zu finden, konnte aber doch nichts als über einer Kirchthür in einem Stein diese zwar verwitterten aber noch erkennbaren Buchstaben entdecken: dominus vasalli.

Battrawitz rief mich zum Feuer und gab mir ein Stück Brot mit diesen Worten: friß Bruder, du mußt jetzt reiten! Ich war trefflich froh, denn der Bauch hatte mir meine Reise schon lange vorgeworfen. Nach einer halben Stunde waren sie alle auf, ungefähr zwei Stunden vor Tag, und ritten bei blinkendem Monde dem Gebirge zu. Battrawitz setzte mich hinter sich; aber ein Jammer war es zu sehen, wie die andern armen Leute zu Fuß nachgestoßen wurden mit Peitschen und Säbeln; hinter ihnen ritten zwei, die sie forttrieben und auf der Seite zwischen vier Gebundenen je zwei wohlbewehrte Soldaten zu Fuß. Als wir nun an vier Stunden in das Gebirge hineingestampft waren, kamen wir in ein wildes Thal hinein; es war bei zwei Stunden am Tage; daselbst suchten wir zwischen Hecken wiederum Lager, und sogleich wurden zwei Schildwachen auf die höchsten Bäume, von wo man auf die Straße sehen konnte, gesetzt, welche von zwei zu zwei Stunden abgelöst wurden. Hier blieben wir bis drei Stunden in die Nacht. Die gefangenen Leute litten große Noth vor Hunger, so daß deren einige Gras abrupften, um sich zu laben. Ich aber bekam des Tages zwei Stück Brot, drei Knoblauch und ein wenig Salz, was mir Battrawitz geben ließ. Da dachte ich: wie mancher Mann sitzt in großen sichern Städten, ißt und trinkt alle Imbisse nach Belieben und Lust, schläft wenn er will und denkt nicht einmal daran, wie große Gnade er von Gott habe und daß er ihm dafür danken müsse, weil er ihn vor so vielen Leuten hoch gesegnet hat, die in Elend und Mangel müssen zu Schanden gehen. Ich dachte auch, wie klug ein Mensch thue, der sich, soviel sein Gewissen es duldet, alle Welt zu Freunden mache: denn oft kann der Ungefährlichste dem Allergrößten Schaden bringen, hingegen wer Wohlthaten erweist, derselbe wird deren jederzeit, auch wenn er es am wenigsten verhofft, selbst unter Feinden genießen können. Denn wenn mich dieser Kerl nicht gerühmt, wie ich mich seiner in der Gefangenschaft herzlich angenommen hätte, ich würde sonder Zweifel dies Mal nicht mit dem Leben entkommen sein.

Nachdem wir nun eine gute Zeit gerastet, wurde ich durch zwei der Vornehmsten, deren Namen ich hernach erlernte, Grschwbtt oder der lange Georg und Bobowitz, beide Kroaten, beiseits gefordert und mit verständlichen deutschen Worten gefragt, was ich für meine Auslösung gutwillig geben wollte? – Unterdessen gab die eine Schildwache ein Zeichen; es saßen deswegen zwei zu Pferde und ritten nach Anleitung der Schildwache durch die Hecken gegen einen Altweg. Sie kamen auch bald wieder zurück und brachten mit sich einen Bauersmann, der trug ein kleines Briefchen zwischen zwei Fingern, das er dem langen Georg gab. Er that es auf, aber weder er noch die andern konnten es im Geringsten lesen, und da sie den übrigen Gefangenen nicht trauten, gaben sie mir es vorzulesen; dabei nahmen sie mich einen Steinwurf beiseits. Es war, wie ich fand, französisch, doch mit griechischen Buchstaben geschrieben.

Sie wurden zornig, daß er ihnen nicht in ihrer Sprache geschrieben hatte, daher fertigte Georg den Boten nur mündlich ab mit Befehl künftig anders zu schreiben.

Nachdem sie nun durch mich diese Freundlichkeit empfangen hatten, versprachen sie mir, wofern ich nicht bei ihnen bleiben wollte, die Freiheit; doch ich mußte versprechen, bei Leib und Leben ohne ihr Vorwissen hinterrücks nicht ausreißen zu wollen, denn sie wollten mich, wenn ich Lust hätte, ohne die geringste Gefahr bringen, wohin ich wünschte. Was die übrigen betrifft, so wurde auch einer nach dem andern vorgenommen und gefragt, was er geben wollte. Der eine Kaufmann aus Düsseldorf versprach 100 Reichsthaler. Der andere antwortete, er wäre Bürger aus einer Stadt, die mit keinem Menschen Feindschaft hätte, also wäre er auch kein Lösegeld schuldig. Aber ich meine, er ist bald einer andern Meinung geworden: denn nachdem man ihm hundert Streiche auf den untern Leib mit einem starken Fausthammerstiel gegeben, wobei ihn zwei bei den Füßen, zwei bei den Armen hielten, hat er endlich gesehen, daß die vermeinte Neutralität seiner Stadt nichts helfen würde und hat sich auf 150 Reichsthaler vergleichen müssen. »Ich hätte dir, sprach der erste, voraussagen können, wenn man in dergleichen unvorhergesehenen Ungelegenheiten ist, daß man mit dem Ansehen der Herrschaft und all ihrem Schreiben und Schicken nicht viel ausrichten wird, und wer sich nicht selbst weislich zu rathen weiß, muß wohl zu Schanden gehen.« Es mußte also der gute Narr wegen der empfangenen Streiche 50 Reichsthaler mehr geben und die unglaublichen Schmerzen noch dazu haben. – Der Bote meinte durch Hilfe seiner Füße los zu kommen: denn nachdem er wegen seiner Loslassung auf 30 Reichsthaler gehandelt hatte und zur Wartung der Pferde frei gelassen wurde, erspähte er einen Vortheil und verkroch sich in die Hecken; da dies aber zeitig bemerkt wurde, und ihm drei zu Pferde vorbogen, ist er in seiner Noth in einen Weiher gesprungen bis an den Hals und vermeinte da durchzukommen. Doch als man mit einem langen Rohr nach ihm schoß und er ums Leben bat wegen seiner sieben unschuldigen kleinen Kinder, die er zu Hause hätte, wurde ihm zwar, bis er wieder herausgekommen war, das Leben versprochen, aber alsbald von einem andern mit dem Säbel der Kopf in zwei Stücke gespalten mit den Worten: es ist besser du stirbst, du Hund, als daß wir alle verrathen würden! Und zu den übrigen allen sprach er: ihr Herren mögt euch das zum Exempel nehmen; denn es soll keinem von euch besser gehen, wenn er aussetzen wollte!

Von den andern mußte ein Schultheiß 100 Reichsthaler versprechen und ein Pferd; die übrigen alle entschuldigten sich mit ihrer Armuth und ihrem Unvermögen; drei starke Bauersknechte darunter ließen sich selbst aus Gnaden unterhalten. Weil nun keiner von ihnen etwas versprechen wollte, da sollte man den Jammer gesehen haben, wie grausame Martern einem und dem andern angethan wurden! Dem einen wurden beide Hände auf den Rücken gebunden und mit einer durchlöcherten Ahle ein Roßhaar durch die Zunge gezogen, welches, wenn man es nur ein wenig an- oder auf- und abzog, dem elenden Menschen solche Marter verursachte, daß er oft ein Todesgeschrei erhob; aber für jeden Schrei mußte er vier Streiche mit der Kardätsche auf die Waden aushalten. Ich glaube, der Kerl hätte sich selbst entleibt, wenn er seine Hände hätte gebrauchen können, nur um den Schmerzen zu entgehen.

Einem andern wurde ein Seil mit vielen Knöpfen um die Stirn gebunden und mit einem Knebel hinten oberhalb des Nackens zusammengedreht, daß ihm das helle Blut zu Mund und Nase und zu den Augen herausfloß, und der arme Mensch wie ein Besessener aussah. – Ich erschrak über diese schreckliche und unbarmherzige Tyrannei, bat daher den Battrawitz, daß er doch an Gott und sein Gewissen denken und die armen unschuldigen Leute etwas mit der Marter schonen möchte. Aber er sprach zu mir im Zorn: wenn du viel Mitleiden haben willst, so bleibst du mein Freund nicht lange; der ist des Teufels, der Mitleiden hat!

Zwei von den Bauerknechten, die sich sogleich untergestellt hatten, mußten angeloben (wie es Brauch war bei ihnen), daß sie drei Dinge versprechen wollten, nämlich Gehorsam, Keuschheit und Armuth. Ja, sprach deren einer: wie die Mönche im Noviziat Gehorsam, Keuschheit im Mandat und Armuth im Bad: dieser frechen Rede wurde er gelobt. Um nun gleich eine Probe ihrer Tapferkeit zu geben, geriethen sie an ihre Meister, welche zugleich mit ihnen gefangen waren, und der eine verwies seinem Meister, daß er ihn vor etlichen Jahren, als er noch Unterknecht gewesen, oft nackend bis aufs Blut gehauen hätte; deswegen sollte er ihm jetzt als Schmerzensgeld 50 Reichsthaler und ein Pferd versprechen, oder er müßte von seinen Händen sterben. Als ihm aber der Bauer die bekannte Landarmuth vorhielt, band ihm der Knecht die Finger mit Treibschnüren zusammen, so fest er konnte, und fuselte ihm mit einem Ladestock aus einem langen Feuerrohr zwischen den Fingern so lange auf und ab, bis die Haut abging und das rohe Fleisch sich erhitzte wie Feuer und verzehrt wurde bis auf die Knochen. Der Bauer aber sprang bald in die Höhe, bald ließ er sich ohnmächtig auf den Boden fallen; und wenn er einen Schrei that, schlug ihn der Knecht in das Antlitz, daß ihm das Gesicht ganz duster wurde, bis er endlich ein Pferd und 10 Reichsthaler versprach: da gab er ihm ein Stück Brot und band ihn wieder zu den andern. – Diese That hielt die Gesellschaft sehr hoch. Aber es ist derselbe Knecht endlich wieder ertappt und um anderer Unthaten willen geviertheilt worden.

Hieraus haben beide, Bauern und Knechte, zu lernen: erstlich die Bauern, daß sie zusehen, wie sie mit ihrem Gesinde umgehen, dieselben als Menschen und nicht als Vieh achten, noch ihnen ihren verdienten Lohn abzwacken oder gar vorenthalten; denn wenn ein solcher Knecht zur äußersten Nothwehr gezwungen wird, so kann er oft mehr schaden, als ein Großer und Mächtiger, und es lehren die Exempel, wie durch mancher Diener abgezwungene und veranlaßte Rachgier die Herren in unwiederbringlichen Schaden, in das Verderben, ja um Leib und Leben sind gebracht worden. Hat ja auch wohl eine arme Otter den Adler aus seinem Nest getrieben, und die Ratte einen Ochsen in den Fuß gebissen, wenn sie dazu sind gezwungen worden. Zweitens die Knechte: daß sie in allen ihren Handlungen bedenken, wenn sie ihre Nothwehr mißbrauchen und einen rachgierigen Frevel daraus machen, wie gleichwohl bis zu einer anderen Zeit ihnen der Meister kann eine Zeche borgen, er sich dieselbe aber hernach kann doppelt bezahlen lassen, zumal wenn noch vorsätzliche Bosheiten und andere Sünden dazu kommen, welche dann nimmer ungestraft bleiben.

Der andere Bauer, welcher etwas ärmer war als der vorige und seinem Knecht nichts versprechen konnte, ward jämmerlich mit Schlägen zugerichtet, daß es ein wildes Thier hätte zum Erbarmen bewegen können, und unter solch unerhörtem Fluchen und Verfluchen, als ob Himmel und Erde hätten zusammen fallen wollen. Da dachte ich bei mir, es muß das Sprichwort wahr sein, welches sagt: wenn man einen Bauer zu Grunde richten wolle, so soll man niemand anders als einen Bauer dazu gebrauchen.–

Dies geschah, soviel ich aus dem Sonnenschein verstehen konnte, bis gegen drei Uhr, da rief abermal eine Schildwache, er sähe von fern einen Mann kommen; ohne Zweifel wäre es der Klenkstein – er nannte ihn mit erdichtetem Namen – der gute Post bringen würde. Es war aber ein Schnalzer von dieser Gesellschaft, ein Alchbruder, ein Storger, ein Schurke (aber der Teufel sage ihm das!), ein Kundschafter, der im Lande daheim war und in Bauerkleidern ab und zu ging und alles ausforschte, wo irgend Beute zu machen war. Sobald er herbei kam und erkannt wurde, zog er ein kleines Brieflein, wie ein Kügelchen zusammengerollt, aus dem einen Ohr. Ich wurde beiseits gerufen und mußte es lesen; das lautete also: Zur Nachricht. Es sind vor zwei Schwärzen drei vornehme bekannte Kümmerer hierdurch auf schönen Klebis nach M. cavalt, die werden über drei Schwärzen wieder zurückschwenzen und etliche Gleicher mit vielen baaren Messen mitbringen. Sie haben bestellt, daß man ihnen soll Lehem, Keriß, gefünkelten Joham, Voßhart und einen Stroborer nach R. brissen, denn sie wollen daselbst schöchern. Der Schöcherfetzer wird tapfer brissen und sie so lange mit menkeln aufhalten, bis ihr sie im Schocherbeth oder doch im Gfar auf dem Mackum habt. Alcht und boßt euch. Gute Schwärze. Siehe das Verzeichnis der Feldsprache auf Seite 307 ff. – Ich las es, aber die Worte und Sprache verstand ich nicht, es waren mir eitel böhmische Dörfer.

Sogleich wurde den Pferden Futter gegeben, und in einer Stunde saß man auf; ich wurde wieder aufs Pferd genommen, aber die andern Gefangenen mußten zu Fuß hintennach bis gegen Nacht, da wurden sie neben den Schnapphähnen zurück gelassen. Wir ritten fort bei sechs Stunden, ehe wir einkehrten in einem alten verbrannten Schloß, welches auf einer Höhe lag, worin schon vor mehr als sechs Jahren kein Mensch gewohnt hatte. Wir waren noch nicht eine Stunde dort, da kam ein Bauer, welcher dem Haar nach auch ein Soldat gewesen sein mag, der brachte etliche Brote und an zehn oder elf Maß Wein in einem Fäßchen; denn sie hatten ihre Leute und Kundschafter an allen Orten und durften sich auch sowohl wegen der natürlichen Zuneigung als auch wegen der guten Belohnung, die sie gaben, auf sie sicherlich verlassen. Wir aßen und tranken bei einem kleinen Feuer, das wir unter einem alten Schopf gemacht hatten, und nachdem der Bauer gegen Tag mit einem Trinkgeld von zwei Dukaten wieder fort gelassen war, zogen wir durchs Gewälde, so lange bis es wieder Nacht geworden war. Als wir noch einen Büchsenschuß zu reiten hatten, stieg einer von seinem Pferd, zog die Sporen ab und ging zu Fuß von uns, kam aber nach einer Weile zurück und erzählte, daß der Schöcherfetzer am Ende des Gfars hinter dem großen Beth mit ihm gebarbt und gesagt, daß es eben richtige Zeit wäre, denn die Gleicher hockten und schlunten ohne Sorge in den Schrenzen. Alle diese Worte wußte ich aber nicht zu fassen.

Sogleich ritten wir fort, fort, fort, und kamen, wie mir däucht, zur Hinterthür eines Hauses, denn es war finster. Sie stiegen ab bis auf zwei, welche mit mir die Pferde halten mußten, und gingen mit aufgezogenen Pistolen zur Thür hinein, welche ein Kaufmann aus Argwohn gegen den Wirth offen gelassen hatte. Ein einziger Schuß ging zur Stubenthür hinein, und alsbald waren die guten Leute alle vor Schrecken schon halb todt: ohne viel Worte zu machen wurden sie – es waren ihrer fünf und der sechste zu allem Unglück nicht zu Hause, der uns schließlich denn auch auskundschaftete – gebunden und nebst ihren Felleisen fortgeführt zurück in das alte Schloß, wo wir gegen Tag wieder eintrafen und daselbst unsern Bauer von gestern mit noch einem andern, welche Wein, Brot und Fleisch zur Genüge gebracht hatten, antrafen. Der Arbeit dieser Pferde und Leute konnte ich mich nicht genugsam verwundern: denn ich wurde so müde, daß ich tausend Mal lieber geschlafen hätte, während sie alle noch frische Augen hatten wie die Falken. Wir machten uns lustig, doch war mir bei der Sache nicht wohl, denn ich stand in Sorgen, daß ich erkannt und wider meine Schuld in Lebensgefahr kommen würde, deshalb wäre ich gern weg gewesen; aber nachdem dieser Streich so gut gerathen war, sagten sie mir, daß ich nun einmal auch fernerhin ihr Lied singen und bei ihnen bleiben müßte. Sie theilten nun das Geld unter sich und befanden, daß sie an Baarschaft und Kleinodien 3000 Thaler an Werth bekommen hatten, alles in Gold; davon machten sie drei Theile: einen Theil gaben sie den Musketieren, welche die Gefangenen im andern Wald hüteten; einen Theil legten sie beiseits für gemeine Noth, wenn einem etwa ein Pferd zu Schanden ginge oder einer sonst Schaden erlitte, diesen Theil gaben sie mir aufzuheben; den dritten Theil theilten sie unter sich selbst, so daß auf jeden 60 Reichsthaler an Werth kamen. Außerdem mußten die Kaufleute wegen ihrer Auslösung aufs neue nach vieler Marter, die man ihnen anthat, jeder 80 Reichsthaler versprechen. Unter ihnen war ein Doctor der Arzenei, welcher zum deutschen Kriegsvolk ziehen wollte; derselbe versprach nichts weiter, als daß er bei ihnen bleiben und ihnen dienen wollte: was er denn auch bei einigen Gelegenheiten gethan hat, bis er endlich auch davon gekommen ist.

Einmal aber mußte ich über die Arglistigkeit unserer Gesellschaft lachen: sobald sie die Kaufleute je mit einem Arm überrücks zusammengebunden hatten, nahmen sie ihnen die Nestel aus den Hosen, so daß sie mit der andern Hand dieselben halten mußten und so zum laufen oder verkriechen ganz und gar nicht geschickt waren, was wir hernach bei allen Gefangenen zu thun pflegten.

Den Tag über blieben wir dort und stellten unsere Wachen sehr gut aus, während welcher Zeit man vier bis fünf Stunden ausrasten und schlummern konnte. Mit Jammer sah ich da von der Höhe hinab in einen nahegelegenen Weiher, in welchem, da das Wasser abgelassen und derselbe trocken war, vier Bauern als Pferde an einen Pflug gespannt ackern mußten. Herz und Augen gingen mir über aus Erbarmen, als ich sah, wie übel die elenden Leute ihr Leben erhalten mußten und dennoch so grausam um Geld gemartert wurden. Aber ich durfte mein Mitleiden nicht öffentlich aussprechen. Gegen Nacht zogen wir weiter; der Doctor, weil er sich willig untergestellt hatte, wurde hinter einen aufgesetzt, die andern mußten gebunden gehen fast die ganze Nacht, und es begannen sowohl die Pferde als auch wir von der Arbeit jetzt müde zu werden. Gleichwohl gelangten wir vor Tag zu unserer Gesellschaft im Walde, die nahmen wir mit und ritten an zwei Stunden das Land hinunter nach einem kleinen Altstädtchen, darin ein Schloß lag; mit dem Bürgermeister des Ortes hatten unsere Leute gute Freundschaft, darum wurden wir auch eingelassen, und die Thore nach uns verschlossen, wie später oftmals geschehen ist. Hier war uns allen erlaubt zu schlafen; die Gefangenen wurden oben in einer Stube zusammengesperrt, doch das Haus wurde vor den Fenstern und vor der Thür mit Wachen besetzt. Wir schliefen bis gegen drei Uhr, wo wir uns wieder ermunterten. Unterdessen hatte der Wirth in dem Saal trefflich zugerüstet: da war alles in großem Vorrath an Wildpret, Geflügel, Fischen, Gesottenem und Gebratenem sammt dem besten Wein.

In diesem Wirthshaus kam zu uns der Wirth von R., der uns eben die Kaufleute verrathen hatte. Derselbe stellte sich, damit alles ordentlich herginge, als ob ihm sein Haus wäre geplündert worden und begehrte, daß man diese Reiter in Haft nehmen sollte. Da dachte ich an den Sauveitle und sprach heimlich zu mir: O wie kann der Schelm die Worte verdrehen! Unsere Reiter hinwiederum stellten sich, als ob sie ihn zu Tode schlagen und säbeln wollten, doch waren die Streiche von Flaumfedern. Zuletzt verglichen sie sich mit ihm, daß er zwanzig Dukaten als Abstand nehmen und nichts weiter an ihnen suchen sollte; beide Theile waren es zufrieden, und ich mußte ihm dies Geld aus dem gemeinsamen Säckel zahlen: aber es war eigentlich das Trinkgeld, das er wegen geleisteter Verrätherei verdient hatte. Zudem bezichtigte ihn ein Kaufmann, er hätte noch zwanzig Reichsthaler, die er ihm in einem Säckel zur Verwahrung übergeben, innebehalten. Aber das Trübe hatte jetzt ein Ende, es war nun ausgefischt, und wir mußten ihn zum Freunde behalten. Die Nacht über waren wir daselbst sehr lustig, gegen Tag legten wir uns wieder schlafen. Da dachte ich oft, was für ein seiner Gesell ich nun geworden wäre, weil ich wußte, wie Lob und Trinkgeld diejenigen zu hoffen hätten, welche aus Tag Nacht und aus Nacht Tag zu machen pflegen. – Um Mittag kam ein anderer Botschafter das Land herauf mit einem Brief, den er mit Papier umwickelt in einen Haufen Erde eingeballt in der Hand trug, damit er ihn im Nothfalle unvermerkt bei Seite werfen könnte. Das Briefchen wurde mir zu lesen anvertraut, doch ich konnte es nicht sogleich verstehen, und die andern viel weniger als ich. Es kam aber von einem Vogt, welcher eine Zeitlang in großer Gefahr gestanden hatte wegen unserer Reiter, die ihm den Tod geschworen, weil er sie an einem Ort verrathen hatte; dieser nun schickte uns dieses Briefchen, um sich wieder bei unserer Partei beliebt und seine Sachen wieder gut zu machen.

O frommer Gott, was thut der teuflische Eigennutz nicht! Um seines Eigennutzes willen hat er Gottes so weit vergessen, so daß dieser allein eine so schreckliche That verursacht hatte, die sonst nimmer geschehen wäre.

Ich bat den Doctor, daß er mir wolle suchen helfen, weil er doch nun auch unseres Volkes war (denn uns beiden war allda aus dem gemeinen Säckel ein treffliches Pferd sammt allem Zubehör gekauft, und wir waren so beritten, hätte schier gesagt besessen, gemacht worden). In einer Viertelstunde hatten wir den Inhalt des Briefes zusammengebracht, der also lautete: Liebe Herren! Uebermorgen früh wird ein Schiff mit vielen Waaren, großer Baarschaft und Leuten von hier nach Trier gehen, das können sie alles haben. Zur Sicherheit habe ich ihnen meinen Sohn zum Pfande geschickt. W. – Sogleich wurde der Bote auf sein Begehren wieder vor die Stadt gelassen, der in einem Garten nahebei des Vogts Sohn abholte und mit sich brachte. Dieser wurde von uns trefflich gastirt, doch aber in Verwahrnis gehalten, bis wir wieder zurück gekommen waren.

Neun von uns mußten nun zu Pferde, der Doctor und ich auch, und jeder einen Schnaphahn hinter sich setzen theils mit langen Feuerrohren, theils mit Bürst- und gezogenen Rohren. Wir hatten acht starke Meilen, saßen deswegen um zwei Uhr auf und ließen die Gefangenen alle neben einer Wache zurück, für welche der Meier des Ortes uns 500 Thaler gab, wogegen er nach seinem Gefallen um ihre Auslösung handeln durfte: die er denn bis auf 800 Thaler gebracht hat. Ich lasse es ihn gegen Gott verantworten, denn ich habe eben mit mir selbst genug zu thun. Wir ritten die Nacht durch bis gegen Tag und kamen in ein anderes Städtchen, wo wir ganz sicher waren, weil die Besatzung uns jederzeit zugethan gewesen war; da blieben wir wieder bis zur Nacht und waren gar sehr lustig. Darnach saßen wir auf und kamen nach drei Meilen hinunter ans Wasser, wo wir in einem menschenleeren Dorf in einer alten Scheuer hielten und unsere Feuerrohre an das Wasser in die Weiden legten; zu besserer Ordnung aber setzten noch drei zu Pferde durch eine Furth über das Wasser auf die andere Seite. Als nun gegen acht Uhr das obenerwähnte Schiff herabkam, und unsere drei Reiter sich jenseits sehen ließen, waren die guten Leute sehr geschäftig herüber zu kommen auf die Seite, wo unsere Büchsen lagen. Zu allem Unglück aber ist eines Rohr, dessen Hahn nur an eine Weidengerte streifte, losgegangen, so daß, als sie schon landen wollten, sie sich bei unserem Anblick wieder hinein ins Wasser begaben. Doch indem die drei Reiter drüben mit Pistolen und einem langen Rohr auf sie los brannten, arbeiteten die armen Leute mit Rudern so gut sie konnten, uns in der Mitte des Flusses zu entkommen, was ihnen auch gelungen wäre (denn unsern Schnaphähnen wäre doch wohl das Wasser unterwegs etwas hinderlich gewesen), wenn nicht von beiden Ufern auf das Schiff gefeuert wäre und etliche erschossen wären. Die unschuldigen Leute, bei denen auch einige Weiber waren, wurden zuletzt so bestürzt in dieser Noch, daß sie auch des Schießens nicht mehr achteten, bis das Schiff, das an einigen Stellen durchlöchert war, anfing mit allem zu sinken unter grausamem Geschrei und Jammer, ein unglaublich schrecklicher Anblick. O Gott, des Elends dieser armen unschuldigen Leute! Das Wasser war nicht reißend, aber an diesem Ort sehr tief und ziemlich breit, auch das Gestade, außer zwei Furchen, welche gleichfalls mit Gefahr zu durchreiten waren, sehr hoch, so daß denn in kurzer Zeit vor unsern Augen alle plötzlich ohne Rettung untergehen und ersaufen mußten. Wie ich nachher erfahren, waren es viel vornehme ehrliche Leute, an fünfundzwanzig Personen, von denen die meisten viele Kinder zu Hause hatten, die diese trübselige Reise hatten machen wollen, um mit ihrer Hantierung ein Stück Brot zu verdienen.

Dieser traurige Anblick hatte einige von uns sehr bewegt; doch war es den meisten nicht um das arme Volk zu thun, sondern wegen des Verlusts der Güter, die sie gehofft hatten, welche sich auf über 12000 Reichsthaler sollen belaufen haben. Es waren aber die Vornehmsten unserer Gesellschaft so ungehalten und unsinnig, weil ihnen solche Beute so liederlich aus den Händen gegangen war, daß sie sich verschworen nicht nach Hause zurückzukehren, sie hätten denn etwas ertappt, um diesen Schaden zu ersetzen: und wenn auch einer einen Paß von unserm Herrgott selber hätte, er sollte doch nicht ungestrippt durchkommen. Denn das hatten sie in der Gewohnheit: wo sie hinkamen und nichts mitnahmen, meinten sie allemal, sie hätten etwas verloren.

Es war aber unfern ein Kloster, sie hießen es zum lutherischen Abt, in das kamen wir mit List. Als aber die Herren darin nach unserm Belieben sich nicht in Güte mit uns abfinden wollten, wurden sie alsbald für öffentliche Feinde erklärt, wie es Brauch war und in manchen Orten noch ist; daher koppelten wir sie zusammen und öffneten alles mit Gewalt. Dadurch bekamen wir wohl das Halbe wieder, als wir im Wasser verloren hatten: denn was wir suchten, das alles betrachteten wir, als ob es unser gewesen wäre von Rechtswegen. Es hatte aber einer von uns einen Diener des Abts durch Marter dahin gebracht, daß er bekannte, die vornehmste Baarschaft des Klosters wäre unter einem Grabstein verborgen; deshalb wurden an sechs Steine hochgehoben, ehe man dazu kam, und gleichwohl betrug der Schatz nicht über 1500 Dukaten. Bei der Durchsuchung aber wurden die Gebeine der Todten nicht geschont, sondern heraus geworfen und zerstreut.

Als wir nun unseres Erachtens den besten Roggen gezogen hatten, ließen wir etliche Herren wieder los, unter welchen auch der lutherische Abt selber war, damit sie uns Essen und Trinken herbeitrügen (denn wir waren in Freundesland und brauchten uns keines Ueberfalls zu besorgen): was auch geschah oder vielmehr geschehen mußte. Der Abt aber war in seiner Besorgnis in die Kirche gelaufen, und als er dort nicht allein alles in üblem Stande fand, sondern auch allen Zierrath und den Schatz geplündert sah, kam er mit zornigem Gemüth und großem Eifer zu uns und sprach (auf lateinisch): »Nicht nur die Lebendigen werden von euch gepeinigt, sondern auch an die Todten wagt sich eure Ruchlosigkeit und Habgier! In wessen Schutz sollen nun noch die Gebeine der Heiligen ruhen, da der Tempel, bisher von ruchlosen Händen verschont, den eurigen nicht entgehen kann? Erbrochen und durchwühlt sind die Schränke, geraubt die Schätze, die mit Sorgfalt und Mühe gesammelt waren. Ja soweit ist eure Ruchlosigkeit gegangen, daß ihr die Steine von den Gräbern der Fürsten gewälzt und die Gebeine der Heiligen herausgerissen habt. Wer möchte sich vorstellen, wie ihr die Lebendigen martert, wenn ihr von den Todten Tribut erzwingt! Verabscheuenswerth sind die, welche in dem Heiligthum des Herrn solche Bestialität verübten. Gott und Gesetz, Heilige und Fürsten sind verletzt. O Kaiser, o Könige und Fürsten, wenn ihr diese Unthaten nicht rächt, so wird man sehen, daß an euren Leichnamen geschieht, was ihr an andern geschehen laßt!«

Unsere Gesellschaft lachte über den Herren Abt, daß sie sich schüttelten, und tranken auf des Todten Gesundheit, der ihnen die 1500 Dukaten gegeben hätte, weswegen ein anderer Mönch anhob: »Das sind die Soldaten unserer Zeit und unserer Partei: muthig beim Erbrechen der Pforten, kühn beim Einäschern der Gotteshäuser, hurtig beim Rauben der Tempel, Helden im Rauben des Kirchenschmucks! Da seht in unserm Lande die zerstörten und verbrannten Kirchen, seht, wie die Gotteshäuser zu Ställen, die Altäre zu Krippen gemacht, die Kanzeln herabgestürzt, die heiligen Geräthe geraubt sind!« – Da aber keiner von ihnen das Latein viel beachtete, und wir beide uns unserer Thaten nun auch schämten, und die Gesundheit des Todten mit Lachen fortgetrunken wurde, fuhr der Herr Abt entrüstet mit deutschen Worten heraus und sprach: »So sind denn nun an solchen heiligen Orten die Gebeine der Heiligen und die Leiber der Fürsten in den Gräbern nicht mehr sicher, und es wird wegen der teuflischen Geldgier alles in den Gräbern durchsucht und jede Gegend überall mit Todtengebeinen erfüllt, also daß niemand alles beweinen kann! Es rinnen meine Zähren (wie er denn unter dem Reden weinte wie ein Kind); aber ihrer sind gar zu wenig, wenn ich auch schon die Augen wollte ausweinen.« Es wurde also befohlen, man sollte sie, damit man des Klagens und des Pfaffen Geschreis los würde, wieder zusammen in eine Stube einsperren, was auch geschah. Als wir nun beiderseits, Mann und Pferde, gut gefüttert hatten, zogen wir ohne die Zeche zu zahlen davon. Wie es den guten Herren seitdem ergangen ist, habe ich nimmermehr erfahren können.

Wir kamen aber des andern Morgens wieder zu unsern Leuten, wo die meisten von den Gefangenen sich mit dem Meier schon verglichen oder gar ausgelöst hatten. Hier ließen wir des Vogts Sohn, weil uns sein Vater nicht betrogen hatte, mit einem Trinkgeld von 12 Dukaten sammt seinem Boten wieder von uns und rasteten daselbst noch drei Tage, hielten uns aber ganz still, um die Leute sicher zu machen, als ob wir schon aus dem Lande wären; das wußten wir denn auch durch etliche mit Geld bestochene Bauern gar geschickt zu thun. Denn wir hatten nun aus Erfahrung gelernt, daß gute Kundschaft einem Soldaten mehr nützt als viel Volks, und wiewohl es viel kostete, so hatten wir doch für jeden Thaler, den wir für Kundschaft auslegten, wiederum 50 und mehr zu erwarten.

Der Doctor und ich hatten indessen gute Zeit und Gelegenheit der Sache weiter nachzusinnen, insonderheit dem großen Unglück, daß die armen Leute im Schiff untergehen mußten; und wir kamen beide überein durchzugehen, sobald wir die Gelegenheit fänden. Es kamen mir auch die Gedanken ein, wie es möglich wäre, daß so viele ehrliche Leute miteinander alle hätten sterben müssen auf eine Stunde, an einem Ort und auf eine Weise, da sie doch sonder Zweifel nicht alle eine Geburtsstunde oder ein Himmelszeichen würden gehabt haben. Der Doctor behauptete, daß sie alle nothwendig einerlei Geburtszeichen müßten gehabt haben, sonst wäre es unmöglich gewesen, daß sie alle auf solche Weise an einem Ort und auf einmal gestorben wären. Aber das war mir gar fremd; es ist wohl wahr, daß jedem Menschen seine Zeit, sein Ort und seine Weise zu leben und zu sterben von Gott vorher bestimmt ist, die er nicht überschreiten kann: daß aber auch einige ihre Zeit aus eigenem erwählten Unfall verkürzen, das sei niemand anders als dem Menschen selbst zuzuschreiben. Der Doctor wollte zwar eingestehen, daß der Mensch zu seinem Unglück und Glück selbst die Ursache geben könnte, doch dies alles nur aus Trieb seines Geburtszeichens: was ich ihm gar nicht zugeben konnte, indem ich bemerkte, daß ein Unterschied zu machen sei zwischen einer allgemeinen Ursache und zwischen einer besonderen Ursache, und daß jene diese übertreffe in allem. Wir hätten ja davon täglich die Erfahrung; z. B. wenn durch große Feldschlachten zu Lande oder auf der See durch Unwetter bis an 40000 Mann auf einmal umgekommen seien, so sei es ja thöricht, wenn man sagen wollte, daß solch allgemeiner Untergang eines jedweden Geburtsstunde zuzuschreiben sei: denn wenn man deren einiger Geburtsstunde hätte untersuchen wollen, so würde sich sonder Zweifel befunden haben, daß viele von ihnen noch ein langes Leben zu hoffen gehabt hätten, daß sie aber an diesem unglücklichen Ort, unter diesem unglücklichen Kriegsobersten, eben zu der Zeit gestritten haben, das hat das allgemeine Unglück verursacht, von dem sie doch sonst von Natur hätten befreit sein können. – Noch ein Exempel: es ist einer von glücklicher Geburt und unter dem Zeichen des langen Lebens geboren, zieht aber und wohnt in einer Stadt, über die ein großes Unglück verhängt ist, wie zu unsern Zeiten Magdeburg: derselbe wird gemeinsam mit der Stadt zu Grunde gehen, ob er auch noch so gute Zeichen des langen Lebens in seiner Geburtsstunde gehabt hat. Wie oft sehen wir, daß durch eine allgemein eingerissene Pest Leute dahin sterben, die doch nach ihrer Geburtsstunde noch viele Jahre hätten leben können und sollen: wie ja aus der heiligen Schrift bekannt ist, daß oft der Unschuldige um der Bosheit vieler Schuldigen willen hat müssen das Leben lassen und zeitig untergehen, dem es doch Gott an der Seele nicht wird haben entgelten lassen. Wohl aber kann es auch geschehen, daß dergleichen glückliche Geburtsstunden, wenn andere mitwirkende und mitlaufende glückliche Ursachen dazu kommen, das Feld erhalten: daher es denn geschieht, daß aus einer Feldschlacht, aus einem Schiffbruch irgend einer erhalten wird. Ja ich selbst kann vielfach als Beispiel dafür dienen, der ich, während andere durch das Schwert, Feuer und Pest um mich und neben mir umkamen, gleichwohl ohne mein Wissen und Willen in unverständigem Widerstreben doch durchgekommen, dem Unglück entgangen und entführt worden bin, was ich immer erst nach geschehenen Dingen habe verstehen lernen. Dies alles aber bei meiner Einfalt zu ergründen und zu erörtern, ist mir unmöglich, ist auch nicht meines Wesens, Willens und Vorhabens. Gleichwohl möchte ich gelehrter Leute Urtheil darüber hören.

Der Doctor konnte mir nicht gut unrecht geben, doch blieb er dabei, daß etliche Aspekte lange Jahre wirkten, und dem Sohne vom Vater, das ist, dem Menschen vom Himmel ein Erbunglück daraus würde: welcher Gefahr dann nicht vorzubeugen sei, weil ihr Stern in der Brust ist, andere aber der Noth leicht entkommen, weil ihr Stern schon versaust ist. Also wenn ein Unglück über einem Hause oder Geschlechte wäre (es wäre denn um der Sünde willen), so wäre es in das Geblüt gesät: der Sämann aber ist der Himmel und das Gestirn. Wahr sei aber: wie ein gerüsteter Soldat seinen Feind überwindet, also kann auch ein Gottesfürchtiger die bösen Aspekte des Himmels überwinden, und darum sei recht gesagt:

Sei du nur fromm und bete gern.
So schaden dir gar nichts die Stern'. –

Am vierten Tage kam ein Bote mit einem Brieflein, der trug einen Eichenzweig in der Hand, und das Brieflein war zwischen zwei Blätter mit grüner Seide eingenäht, was man durchaus nicht merken konnte, damit also der Bote den Zweig ohne Gefahr tragen oder von sich werfen könnte. Ich mußte es öffnen; es lautete an Worten also, die mir meist noch unbekannt waren: der schwarze Bschiderich in dem kleinen Gallen mit dem Langschnabelthurm und der großen Difftel zackert im großen Schlingglanz an dem Grünhart jenseit des Floßharts hart am Strombart mit vier Klebiß und fünf Stück Hornböck. Er hat zwar sieben Funkhart dipper aber sie zonen, und die Schildwach ist Schmalkachel, und er, ehe die Klebiß zum Kilam kommen, gar leicht zu klemsen.

Wir mußten demnach unser elf aufsitzen um Mitternacht und zwei Meilen das Land hinauf reiten über das Wasser, welches den Namen hat von dem alten Erzkönig im langen großen Bart; dort rasteten wir bis gegen neun Uhr des Tages, wo unsere Schildwache, die auf einem Buchenbaum saß, rief, es wäre Zeit; auch war einer, um nicht gesehen zu werden, auf Händen und Füßen hinter einem Zaun hinaus gekrochen um die rechte Gelegenheit zu erspähen, wo und wie man den Angriff thun könne. Sogleich waren wir zu Pferde und hinaus. Da sah und erkannte ich erst, daß ich auf meinem Mist war, und daß ich sonder Zweifel in dieser verhängnisvollen Lage einem meiner Bekannten auch wider meinen Willen würde müssen ein Leid zufügen, wie auch geschehen ist. Denn es war mein bester Freund, den ich auf Erden hatte und haben werde, so lange dieser Leib lebt; und doch, ich konnte dies Mal nicht ermöglichen, daß seiner wäre geschönt worden: wiewohl weder der Doctor noch ich die ganze Zeit über einem einzigen Menschen mit unserer Hand ein Leid zugefügt hatten. Der gute schwarze Bschiderich fuhr zu Acker mit zwei Knechten, hatte drei Schildwachen ausgestellt und auf Bäumen sitzen und sieben Musketiere zur Sicherung bei sich. Er selbst stand mit drei Rohren und einem Fäustling in hierbeigesetzter Positur. Ein danebenstehendes Kupfer zeigt einen bewaffneten Mann, das Feuerrohr zum Schuß in der Hand. In dieser Positur hat er manche Jahre mit Gefahr seines Lebens sich und seinen Kindern das Brot auf dem Acker sorglich und sauer erringen müssen. Sobald aber jetzt die Reiter merkten, daß die Schildwachen unachtsam um sich sahen, wischten sie wie ein Blitz aus dem Wald hervor und auf die Pferde, ehe man es recht gewahr geworden war; dieselben gingen auch, weil die Knechte wider Verabredung dem Städtchen zueilen wollten und unterwegs zu Falle kamen, in der Mitte der Ringmatten nebst dem Rindvieh verloren. Der Bschiderich selbst war von uns wegen der veränderten Kleidung zu seinem Besten nicht erkannt, sonst würde man ihn ohne Zweifel, selbst mit Verzicht auf das Vieh, allein hinweggenommen, und wie zuvor verabredet war, in Stücke gehauen haben, weil er bei unserer Gesellschaft durch lose Leute wegen allerhand erdichteter Dinge angeschwärzt war. So aber, nachdem ihn dieser Verlust in großen Mangel gebracht, hat er doch endlich den Ort sammt allem verlassen müssen zur Rettung seines Lebens und zur Verhütung des zeitlichen und ewigen Unterganges seiner Kinder: bis ihm Gott hernach anderwärts durch hochgutthätige Heldengemüther sein Vermögen wunderbarerweise wider aller Leute Hoffen, Meinung und Vermuthen bescheert hat, den Gott durch seine väterliche Gnadenhand unter beständiger Heldengemüther Hilfe allmächtig und seinen Kindern zu christlicher Erziehung bis zu einem seligen Ende erhalten wolle.

Wir zogen also mit dem Vieh davon; dem Boten, der uns geführt, wurde ein altes schmutziges Pferd, das uns unterwegs nach zwei Meilen in einem Garten aufgestoßen war, zur Verehrung gegeben, mit dem machte er sich beiseits. Doch es sollte uns diese That schier gereuen. Denn nachdem wir bis gegen Nacht abwärts geritten und nun meinten aus aller Gefahr zu sein, zumal weil wir früher mehrmals unverfolgt glücklich durchgekommen waren, so begaben wir uns in ein Dorf, das etwas vom Wege ablag, um allda ein Stück Brot, Salz und Knoblauch zu essen und einen Trunk guten Wassers zu thun, das in diesem Dorfe zu finden war, insonderheit aber den Pferden, denen wir oftmals das Leben schuldig waren, ein Futter zu geben. Der größeren Sicherheit willen stellten wir, unserem löblichen Brauch nach, die Schildwache vor ein Haus und machten ein gutes Feuer an mitten in der Stube, daß es durch die Läden schimmerte, denn es waren da keine Fenster zu finden schon seit vielen Jahren; wir selbst aber legten uns weiter hinauf in das vierte Haus von gedachter Schildwache, in welchem wir uns still hielten. Nun waren etliche Bürger und Knechte aus obengenanntem Städtchen, sammt dem erwähnten Kaufmann, der uns noch nachstellte, die oftmals große Verluste durch uns empfangen hatten, übereingekommen uns dies Mal zu verfolgen; sie waren denn auch mit ungefähr zwanzig Feuerrohren auf unsere Spur und um neun Uhr in gedachtes Dorf gekommen. Sobald unsere Schildwache ihrer gewahr wurde und nach geschehenem Anruf einen Schuß zur Losung unter sie that, gaben sie mit hellem Haufen alle Feuer zu den Läden des Hauses hinein, da sie nicht anders glaubten, als daß wir sämmtlich darin sitzen würden. Unsere Schildwache war zwar erschossen, wir aber indessen gewarnt, zu unserer Hinterthür hinaus, auf die Pferde, hinter dem Dorf herum, und ehe sie wieder laden konnten, waren wir schon von hinten an ihnen und schossen in dem ersten Schuß an sieben nieder, unter welchen auch der Kaufmann war; fünf nahmen wir gefangen, die andern sind durch das Gesträuch, wie denn das Dorf ganz öde und verwachsen war, davon gekommen. Doch waren es fünf der vermögendsten; denen nahmen wir sogleich die Nestel und die Hosenbändel ab, daß sie nicht laufen konnten und banden sie, jeden besonders, daß ihnen das Blut aus den Nägeln herausdrang. Als nun auch die andern also abgefertigt waren, daß ihrer keiner mehr unser begehrte, blieben wir in dem Dorf bis gegen Tag. Einer von den fünf, der reichste, wurde alsbald ersucht, zu seiner Erledigung den erschossenen Soldaten mit 300 Dukaten zu bezahlen. Man hätte es zwar bei hundert bleiben lassen, aber er rief in seiner Halsstarrigkeit: Wie? soll ich soviel für einen nichtswürdigen Kerl geben? Diese Worte aber hatten den langen Georg so sehr verdrossen, daß er Angesichts der andern ihm den Kopf mit einem Säbelstreich entzwei schlug, und er ausgestreckt dalag und kaum den linken Fuß noch ein oder zweimal reckte. Er wurde ausgezogen und blieb da liegen. Dann wurden zwei andere um 300 Dukaten ersucht, entschuldigten sich aber mit ihrem Unvermögen; doch wiewohl man ihnen zu verstehen gab, daß man auch noch weniger nehmen würde, wollten sie sich doch mit uns nicht einlassen, sondern sprachen, verstockt wie sie waren, daß sie eher sterben müßten, als daß sie dies Geld geben könnten. Dadurch wurde Grschwbtt noch mehr entrüstet und sprach, daß sie ohne weiteres spielen sollten, wer erschossen würde: einer von der Gesellschaft gab Würfel her, und sogleich mußte der, welcher verspielt hatte, gebunden zur Thür hinaus. Er bat aber den andern, daß er sein Weib und seine Kinder, deren er vier hatte, seinetwegen segnen wollte, welche Worte mir die Augen übertrieben, als ich sie hörte, denn ich dachte, wie mir in gleichen Fällen oft zu Muth gewesen ist. Als er hinaus kam und ihm einer ein langes Rohr mit aufgezogenem Hahn entgegen hielt, nahm er selbst, um dem Schmerz desto eher zu entkommen, das Rohr vorn und hielt es grade gegen sein Herz. O nein! sprach der Gesell, so ist es nicht gemeint: dich mit einem einzigen Schuß zu tödten, das wäre keine Strafe; du sollst so geschossen werden, daß du lange Marter leidest und also nicht einmal sondern vielmal den Tod ausstehen mußt. Er schoß ihm daher mit drei Rollkugeln das rechte Knie entzwei, daß er gleich zu Boden fiel und um Gottes willen bat, ihn doch vollends zu erschießen; aber das konnte ihm nicht gedeihen, sondern er wurde bei demselben Fuß genommen und der Schenkel wie eine Garnwinde herum gedreht und auf und ab gezogen, bis er vor Schmerzen und Ohnmacht von der Welt nichts mehr wußte. Der andere aber, welcher sich ledig gespielt hatte, entging trotzdem nicht ohne Denkzeichen: er wurde erstlich halb lahm geprügelt und dann in einen mit Stroh gefüllten Backofen gestoßen, das sie nachher anzündeten. Schon meinten wir, er wäre durch die Schläge und durch den Rauch todt und erstickt, aber als das Stroh in hellen Flammen stand, da kroch er um sein Leben zu retten durch die Flammen und fiel dann mit dem Gesicht auf die Erde, als ob er todt wäre. Als es gegen Tag ging und sie beide wieder zu sich kamen, hoben sie ein solches Zetergeschrei an, daß es ein Greuel war zu hören; sie glaubten dadurch die Gesellschaft dahin zu bringen sie vollends zu erschießen: denn der Brand hatte den andern im Gesicht so übel zugerichtet, daß ihm däuchte, es wäre höllisches Feuer um ihn. Aber man wollte sie mehr Marter leiden lassen.

Wir zogen davon mit den zwei andern und kamen nach drei Stunden an unsern Ort, wo wir der größeren Sicherheit willen die beiden mit Erlaubnis des Stadthalters in einen sehr hohen Thurm legten und sie mit wenigem Wasser und Brot täglich speisen ließen. Doch mit kurzen Worten zu sagen: wir vermeinten, sie würden gut verwahrt sein, allein sie (in der Betrachtung, daß sie nicht nur einen sondern mehrere Tode von uns zu gewärtigen haben würden) erkühnten sich eher das Leben einmal zu wagen oder gar zu entkommen, was ihnen denn auch gelungen ist. Denn nach etlichen Tagen bei unserer Rückkunft erfuhren wir, daß sie sich an einem Strick aus ihren Kleidern, Hemden, einer alten Bettzieche und allem, was sie unvermerkt hatten an sich bringen können, zu einem engen Loch den Thurm hinabgelassen hatten, der war an zehn Klafter hoch. Es war der eine von ihnen seiner Hantierung nach ein Beck oder Gerichtsschöffe, der andere ein Hosenstricker; mit ihnen hatte ich großes Mitleiden und weil ich ihnen selbst, wie ich gern gewollt, nicht hatte helfen können, so war ich heimlich destomehr erfreut, daß sie so wider alles Vermuthen entkommen waren. Unsere Gesellschaft mußte es also so sein lassen, da sie doch nicht mehr einzuholen waren. Gott aber, der keinen Unschuldigen verläßt, wird ihnen sonder Zweifel durch seine heiligen Engel Herz und Seil so gestärkt haben, daß sie nicht allein den gefährlichen Sprung sondern auch den bösen, weiten, mißlichen Weg glücklich verrichten konnten. Es sind beide noch am Leben und haben darüber mit mir oft im Vertrauen Rede gepflogen, deren einer oft gesagt, er habe erfahren, daß die Soldaten die Teufel der Bauern seien.

In zwei Tagen waren diese Pferde und Kühe durch die Gurgel, denn es war weder Schutz noch Gedeihen dabei, wir tranken uns oftmals krank und fraßen uns den Tod an: das war der Segen, der uns darüber gesprochen ward.

In solcher Zeit kam zu allem Glück ein anderer Bote, sobald sie den sahen, sprachen sie: der Hund kommt. Ich verstand das nicht, aber bald merkte ichs: Der Bote hatte einen zottigen Hund mit sich laufen, unter dessen Haaren hervor er im Beisein aller einen Brief zog. Dieser Bote wie auch der Hund wurden trefflich gastirt, es wurde auf des Hundes Gesundheit getrunken, als ob er ein Mensch gewesen wäre, er hatte uns auch ebensoviel und mehr genützt, als vor wenigen Tagen der Todte mit den 1500 Dukaten. Das Zettelchen aber lautete also: Es liegen etliche Kümmerer allhier, die warten auf 300 Rieling und auf 100 Stück Hornböck, und neben dem haben sie viel tausend gelbe Stettinger in den Streiflingen verborgen bei sich, um deren willen einer weder Dolman noch Dalinger fürchten sollte. S. – Nachdem uns der Bote mündlich noch mehr Bericht gegeben hatte, saßen wir am andern Morgen früh auf und ritten durchs Gewälde, so daß wir zur Nacht eben dahin kamen. Dies aber kann ich hier nicht ungemeldet lassen. Ehe wir zu Pferde saßen in der Frühe, wollte ich ein halb Maß Wein, Brot und kaltes Fleisch im Bauch haben, wobei ich grade war: denn fasten ist ja leicht, wenn man nichts haben kann. Bobowitz, mit dem ich bis ans Ende fast immer Händel und zu streiten hatte, sprach zu mir, ich wäre ein Höfling, ein Suppirer, ein Weichling, könnte nicht reiten, ich hätte denn Sporen im Leibe. Ich antwortete ihm aber, daß es nicht sowohl meiner Person wegen wäre mich zu versorgen, als wegen des Pferdes, auf dem ich viel leichter säße, wenn ich gegessen und getrunken hätte als nüchtern. Aber die ganze Gesellschaft stellte mir das in Abrede und scandalirte, ich würde mit meiner Morgensuppe noch alle Schanzen verlieren, weil ich dadurch alle Zeit und Gelegenheit vorübergehen ließe. Der Doctor sprach: ja, ich hätte recht gesagt, es wäre also, wer nüchtern zu Pferde sitze, sei viel schwerer und unbeholfener, als wer nach Genügen getrunken und gegessen hätte. Weil nun dieses Urtheil der Gesellschaft unglaublich vorkam, da man ja durch Essen und Trinken beladen und nicht erleichtert würde, so wurde der Doctor aufgefordert die Ursache zu erzählen.

Aus gewissen und in der Arzenei bekannten Ursachen ist sicher, und die Erfahrung bezeugt es, daß ein todter Leib viel schwerer sei als ein lebendiger: denn ein todtes Schwein wiegt mehr als eins, das nicht todt ist, weil in dem todten alle Geister aus sind und nichts mehr helfen können. Das ist bei einem Lebendigen ganz anders: denn die lebendigen luftigen Geister (welche, wie bekannt ist, durch Essen, Trinken und Schlafen wiederum erfrischt werden und neue Kräfte gebären), weil sie von Natur über sich begehren, machen dasjenige leicht, darin sie sind, und wo sie nicht sind, da wird alles schwerer. Daraus ist klar, daß ein Mensch, der gegessen und getrunken hat, viel leichter und fertiger ist zum reiten als einer, der nüchtern ist. Doch ist dies von einem vollen Tollen, der wie ein todter Block zu achten ist, nicht zu sagen: denn der Augenschein zeigt's, daß sie sich nicht auf dem Boden fest halten können, will geschweigen zu Pferde. – Gleichwohl mußten wir ungeachtet des Doctors Meinung so fortreiten, vielleicht deshalb um Geld zu sparen oder, was glaublicher ist, die Gelegenheit nicht zu versäumen.

Als wir nun an den Ort gelangt waren drei Stunden vor Tag – um diese Zeit waren die beiden obenerwähnten Gefangenen nach Hause entkommen – kam eine Heerde Schweine sammt einer Heerde Rindvieh getrieben, welche wir unbehelligt gehen ließen mit dem Trost, daß sie uns doch nicht entlaufen würden. Hinter dem Vieh kamen die Kaufleute, welche meinten, wenn das Vieh sicher durchginge, würde es mit ihnen weiter keine Noth haben. Aber wir waren ebenso schlau wie sie (denn wir paßten auf beides), wiewohl es uns doch um etwas fehl schlug, da uns, als wir auf sie zusetzten, in der Dunkelheit der beste Vogel entsprang. Der andere, den wir ertappt hatten, und der das Geld mußte von sich geworfen haben – dabei wurde er von Bobowitz an allen Orten und, was ich mein Lebtag sonst nicht gesehen noch gehört habe, im Mund, in den Ohren, im Haar, an heimlichen Orten, ja, was ich ohne Scham nicht melden kann, im Hintern selbst, ganz genau durchsucht, aber es wurde nichts bei ihm gefunden – wurde im Zorn von dem einen Bauerknecht erschossen. Als ich aber deswegen zu ihm sprach, er sollte den guten Mann, der vielleicht zu Hause arme Kinder sitzen hätte, nicht eben so gleich hin ohne Gewissensfurcht tödten, rief er: Der ist des Teufels, der ihn nicht tödtet! Unterdessen ritten einige vor und hielten das Vieh an, das wir sammt den Treibern und noch drei Gefährten der Viehhändler unsern nächsten Weg wegtrieben. Wir hatten in der Finsternis viel verloren, doch waren wir zufrieden, daß wir bis auf 250 Schweine und 70 Stück Rindvieh in unsern Unterschleifort davon brachten, wo wir gleich einige der besten stechen und schlachten ließen, einige verschenkten und die andern uns Stück für Stück gegen acht Reichsthaler wieder auslösen ließen; das Geld wurde uns in drei Tagen erlegt. Der Viehtreiber, welcher das Geld brachte, bei drittehalb tausend Thaler an schönem Gold, war einer, der die Sprache auch verstand; er schüttete das Geld auf den Tisch und war uns trefflich willkommen. Als ich so das schöne Geld beisammen liegen sah, sagte ich aus Scherz diese Reime:

Ach du lieber Gott vom Himmelreich,
Wie theilst du das Gut so gar ungleich:
Du giebst oft einem Mann,
Ihrer vierzehn Diebe hätten g'nug daran!

Da sprach der Viehtreiber unbedachtsamer Weise: »Es sind doch der Herren nicht vierzehn sondern nur neun.« Das verdroß aber den Bobowitz dermaßen, daß er im Zorn den Fausthammer zuckte und ihn dem Viehtreiber in den Kopf hauen wollte. »Wie, sagte er, da höre ich, du hältst uns für Diebe!« und war daran ihm das Geld wegzunehmen, weil er so unbedachtsam geschmählt hätte. Ich sagte aber, der gute Mann wäre unschuldig, er hätte auf meine Worte so unbedachtsam geantwortet ohne irgendwelche böse Absicht; deswegen ließ er ihm das Geld. »Der ist des Teufels, der ihm das Geld nicht alles nimmt!« rief er, wurde aber von Grschwbtt, der von mir gerufen war, daran verhindert. Der Viehtreiber entschuldigte sich, er hätte niemand gescholten, Bobowitz ward noch zorniger, weil er sollte Lügen gestraft werden und wollte sich nicht halten lassen. Da aber verrieth uns der Viehtreiber, um einen besseren Lohn und um wieder zu Gnaden zu kommen, daß an 60 feister Ochsen zehn Meilen das Land hinauf auf der Weide gingen. Das that er, eben theils um wieder zu Gnaden zu kommen, theils um sein Vieh etwas billiger auszulösen – es wurden ihm auch an 200 Reichsthaler erlassen – theils um sich an seinem Nachbar zu rächen, dessen Glück, wie ich vernahm, ihm ein Dorn im Auge war; dies Vieh, sagte er, wäre ohne Sorge noch in vier Wochen anzutreffen (was mir Battrowitz verdolmetschte). Da dachte ich, wie auch der Doctor, was für ein grausames Thier doch der Neid und die Mißgunst in einem Menschen wäre, daß er so schreckliche Verrätherei anzustiften weder Gott noch die Welt scheute.

Ich schwur ihnen aber beim Trunk, wenn sie mir die Sprache, die sie redeten, nicht auch lehren wollten, so wollte ich nicht weiter mit ihnen ziehen, sondern würde mich eher von der Besatzung, welche uns nur den Unterschleif für unser Geld gewährte, neben dem wir den Befehlshabern jedes Mal einen Theil von der Beute geben mußten, unterhalten lassen. Das bewilligten sie mir endlich nach langem Zanken unter sich, und der lange Georg, der zwar der Oberste sein sollte (aber, wie es in dergleichen Gesellschaften zu geschehen pflegt, gab eigentlich keiner viel auf den andern), stellte es mir in einem geschriebenen Büchlein zu.

Wiewohl sie nun alle Willens waren, einige acht Tage allda zu rasten, so hatten sie doch Furcht, daß eben der Viehtreiber, der uns das Rindvieh verrathen hatte, uns wiederum verrathen würde, alldieweil keinem Verräther viel zu trauen ist. Wer an seinem Nachbar und eigenem Blutsfreund, ja an seiner eigenen Mutter und Schwester treulos wird, der wird es einem Fremden und insonderheit seinem Feinde nicht besser machen. Wir hielten ihn deshalb noch drei Tage bei uns, und des andern Tages, während er noch im Bett lag, saßen wir selbst bei fünfzehn Mann zu Pferde und ritten den ganzen Tag und die Nacht, machten nur gegen Abend im Walde Halt, aßen ein Stück Brot, Salz und Knoblauch, rauchten Tabak und gaben den Pferden Futter; darnach ging es weiter, bis wir vor Tag an den Ort kamen und den Platz, wo wir uns ausstellen wollten, zu Fuß ausspähten. Es war der Wald etwas weit von der Wiese, auf der die Ochsen gingen, deswegen mußte der halbe Theil sich neben den Pferden zu Fuß hinter einer Hecke halten, bis es Zeit war, damit wir den Ausreißenden auf beiden Seiten begegnen konnten. Es wurde uns lange und bange bei der Sache, weil vor neun Uhr das Vieh nicht ankam und die Sonne ziemlich hoch stand. Endlich sahen wir mit Freuden unser Glück daher kommen, und als sie an gelegenem Orte waren und die Hirten, deren nur zwei waren, sich ins Gras gelegt hatten, wischten wir auf gegebene Losung dran. Der eine Hirt, welcher dem Dorf zulaufen wollte, wurde von Bobowitz erschossen, der andere mußte ohne viel Tumults mit uns dem Gebirge zu: sobald wir das erreicht hatten, so war's gewonnen. Denn wir bedienten uns keines Weges; wo sonst kein Mensch hingekommen war, da wußten wir die Straße zu finden wie in der Stube. Baffall machte den Vorschlag, man sollte das Vieh mit dem halben Theil forttreiben, er wüßte einen reichen Bauer in der Nähe, dem wolle er heute noch die Pferde stehlen. Ich war von denen, welche nach Hause mußten, der Doctor aber mußte die Pferde helfen stehlen, welche sie auch in der andern Nacht sammt dem gefangenen Bauer glücklich einbrachten. Dieses Vieh wollten wir, obwohl es gesucht ward, aber nicht auslösen.

Nun ging es wieder an ein Zehren, Tanz und andere Fröhlichkeiten, so daß uns beiden däuchte, wenn das Hängen nicht zu befürchten und die Seligkeit nicht in Noth gewesen wäre, wir würden uns in diesem Kriege sehr wohl befunden haben. Wir saßen vierzehn Tage still, während welcher wir schöne Kurzweil hatten, von der ich hernach erzählen will.

Während dieser Zeit hatte ich Gelegenheit, mein Sprachbüchlein abzuschreiben und nothdürftig lesen zu lernen, welches ich den Reisenden, die vielleicht in solche Gesellschaft der Schnalzer und Alchbrüder gerathen sollten, zu Diensten hierher setzen will.

Feldsprache

A.

Acheln Essen
Abone Gott
Alchen Gehen
Alch dich Troll dich, gehe fort.

B.

Barlen Reden
Beschöchert Trunken
Beschöchern Trinken
Beseffler Betrüger
Beth Haus
Betzam Ein Ei
Billenträgerin Schwangere Bettlerin
Blech Ein halber Batzen
Blechling Ein Kreuzer
Blickschlager Nackende Bettler
Blochhart Ein Blindgeborner
Böhlen Buhlerei treiben
Boß dich Schweig
Boßhart Fleisch
Boßhartsetzer Metzger
Bregen, Betteln
Breger Bettler, hausarm
Breithart Weite Haide
Breitfuß Gans oder Ente
Bresem Ein Bruch
Brief Eine Karte
Briefen Mit Karten spielen
Briefelsetzer Schreiber
Brifsen Zutragen
Bruß Aussätzige
Bsaffot Bschiderich Brief Amtmann
Bschuderlin Vom Adel
Butzeilmann Virile.

C.

Caval Ein Roß
Caveller Ein Schinder
Christian Pilgrim
Claffot Kleid, Rock
Claffotsetzer Schneider

D.

Dart Dreck
Dalinger Henker
Derling Würfel
Dierling Auge
Diern Säen, eggen
Difftel Kirche
Dippen Geben
Dolmann Galgen
Dotsch Zuchtthier
Doul Geld, Pfennig
Drittling Schuhe
Du ein Haar Fleuch
Dutzbetterin Kindbetterin
Dutzer Heiligenfechter
Ems Gut
Erlat Meister
Erlatin Meisterin
Erserken, Erseckern Ratschen, verklatschen

F.

Feling Krämerei
Ferben Betrügen
Foppen und ferben Lügen und betrügen
Fetzen Arbeiten und flicken
Flader Badestube
Fladerfetzer Bader
Fladerfetzerin Baderin
Flick Knabe
Flösselt Ertränkt
Flöseln Harnen
Flößling Fisch
Floß Suppe
Floßhart Wasser
Fluckhart Vogel
Format Briefe
Löformat falsche Briefe
Fünkeln Sieden oder Braten
Funkhart Feuer
Funkharthol Kachelofen

G.

Gackenscheer Huhn
Galch Pfaff
Galchenbeth Pfaffenhaus
Galle Pfau
Gallen Stadt
Ganhart Teufel
Gatzmann Kind
Gebiken Fahren
Gefünkelt Gebrannt
Genfen Stehlen
Gensscheerer Abgezehrte Kranke, bettelnde Handwerksburschen
Gereppelt Gerädert
Gfar Dorf
Giel Mund
Gitzlin Stückchen Brot
Einem was abgitzeln Stückchenweise abbetteln
Glathart Tisch
Gleicher Mitgesell, Gespan
Glenz Feld
Glestrich Glas
Glid Hure
Glidenfetzer Hurenwirth
Glidenfetzerin Kupplerin
Glidenbeth Hurenhaus
Glyß Milch
Goffen Schlagen
Gottfahrt Wallfahrt
Granten Fixtanzen
Grantner Fixtänzer
Griffling Finger
Grimm Gut
Grünhart Matte, Wiest, besätes Feld
Gugelfranz Mönch
Gugelfränzin Nonne
Gurgeln Soldatenbett.

H.

Hanfstaude Hemd
Hans von Geller Grobes Brot
Hans Walther Laus
Har Fleuch
Hautz Bauer
Hautzin Bäuerin
Hegis Spital
Heller Richter Gulden
Herterich Messer oder Degen
Himmelsteig Paternoster
Hocken Liegen
Holder Kautz Huhn
Hork Bauer
Hornböck Kühe

I.

Iltis Stadtknecht, Scherge, Thurmhüter, Büttel
Joham Wein
Gefunkelter Joham Gebrannter Wein
Jonen Spielen
Joner Spieler
Juffart Freibettler
Jungfrau Falscher Aussätziger
Juverbossen Fluchen

K.

Kabaß Haupt
Kaspim Jakobsbruder
Kamesirer Verlaufner Schüler
Kandirter Verdorbner Kaufmann
Keriß Wein
Kielam Gestade
Klebis Pferd
Klenkner Bettler
Klems Gefängnis
Klemsen Fangen
Klenkstein Verräther
Klingen Leiern
Klingenfetzer Leierer
Klingenfetzerin Leierin
Krachling Nuß
Krax Kloster
Kröner Ehemann
Krämerin Eheweib
Kümmern Kaufen
Kümmerer Kaufmann

L.

Lefranz Priester
Lefränzin Pfaffenköchin
Lehem Brot
Leisling Ohr
Läusmark Kopf
Lindrunschel Einer der Korn sammelt
Loe Falsch, böse
Loe Oetlin Der böse Feind
Loßner Erlöste Gefangene

M.

Mackum Stätte, Ort
Megen Ertrinken
Menkeln Langweilig essen
Meng Keßler
Meß Geld, Münze
Molsamer Verräther
Mumser Willige Arme

N.

Nahrung thun Speise suchen

O.

Otlin Feind

P.

Pflüger Bettler, die in der Kirche mit Schüsseln umgehen
Platschirer Einer, der auf dem Markt auf den Bänken Wunderlügen erzählt
Platschiren Das Volk also mit Märchen bethören
Plickschlager Der nackend umläuft und bettelt
Polender Schloß oder Burg

Q.

Quien Hund
Quiengoffer Hundschlager

R.

Ranz Brotsack
Rauling Ein ganz junges Kind
Rauschart Strohsack
Reel Schwerer Siechtag
Regel Würfel
Regenwurm Wurst
Ribling Würfel
Richtig Gerecht
Rieling Sau
Rippart Säckel
Roll Mühle
Rollfetzer Müller
Rother Freier Bettler
Rothbeth Bettlerhaus
Rübolt Freiheit
Rüren Spielen
Rumpfling Senf
Runzen Betrügen

S.

Schieß Virile
Schlepper Verlaufne Pfaffen
Schling Flachs
Schlumm Schlafen
Schmalen Uebel reden oder sehen
Schmalkachel Der übel redet oder sieht
Schmunk Schmalz
Schmieren Hängen
Schocherbeth Wirthshaus
Schochern Trinken
Schöcherfetzer Wirth
Schosa Mutterthier
Schreff Hure
Schreffenbeth Hurenhaus
Schrenz Stube
Schreyling Junges Kind
Schürnbrand Bier
Schwanfelder Nackender Bettler
Schweiger Angestrichener Bettler
Schwarz Nacht
Schwenzen Gehen
Seffel Dreck
Seffeln Nothdurft verrichten
Seffelbeth Abort
Seffer Bemalte Bettler
Seffelgräber Schatzgräber
Senfteich Bett
Sonebeth Hurenhaus
Sontz Edelmann
Sontzin Edelfrau
Ubern Sontzengeher Verdorbener Edelmann
Spältling Heller
Spitzling Thaler
Sprankhart Salz
Stabuler Brotsammler, Bettler
Stettinger Gulden
Stolfen Stehen
Streifling Hosen
Stroborer Gans
Strom Hurenhaus
Stronbart Wald
Sündfeger Todschläger
Steffung Ziel

T.

Terich Land
Tholman Galgen
Thrusse List, Betrug

V.

Vagirer Fahrender Schüler
Veranerin Wahrsagerin
Verkneisten Verstehen
Verjonen Verspielen
Verkümmern Verkaufen
Verlunschen Verstehen
Vermenkeln Verhalten, hinterhalten
Vermonen Betrügen
Versenken Versetzen
Verschochern Versaufen
Unversprochener Untadelhafter
Voppart Narr
Er voppet Stellt sich närrisch
Was voppst du dich Was narrst du
Vopperin Die sich närrisch stellt
Voppen Lügen
Ein Vopt Eine Lüge

W.

Wendrich Käse
Weißhulm Einfältig Volk
Wetterhahn Hut
Wiltner Falscher Silberkrämer
Windfang Mantel
Wunnenberg Hübsche Jungfrau

Z.

Zickus Blinder
Zwengering Wamms
Zwicker oder Zwickmann Henker
Zwirling Auge

In dieser Sprache übte ich mich nach und nach soweit, daß ich ihrer mächtig war. Nun komme ich wieder auf unser gutes Leben zurück und auf die Kurzweil, welche wir die vierzehn Tage über angestellt haben. Neben den Spielleuten, die wir stets neben uns hatten, war der Gesang des Trunks bester Gesell: denn wir wollten alle und jeder das Beste im Singen zeigen. Der Doctor, als der gelehrteste, war allezeit lustiger beim Trunk als die andern alle: denn das Hirn ist den Gelehrten ohne das immer voll lustiger Sachen; wenn nun der lustige Wein dazu kommt, so werden sie doppelt lustig. Drum hob er an zum Trunk dieses Lied herzusingen:

Wer ist doch immer so geschossen,
Daß bei dem lieben Rebensaft,
(Der unsres Herzens Trost und Kraft),
Er unwirrsch sein sollt' und verdrossen?

Denn was kann doch ohn' Trinken währen,
Und ist nicht unter dem Gedrang
Der Wein das Best' mit Lob und Dank
Vor allem, was naß, hoch zu ehren?

Besehet doch, Freund, wenn es regnet,
Wie durch den starken Regenguß,
Bisweilen auch durch einen Fluß,
Das Erdreich sich vollsaufend segnet!

Die Kräuter und Gewächs' auf Erden,
Ja alle Bäume klein und groß
Verschmachten trostlos und fruchtlos,
Wenn sie nicht oft bezechet werden.

Den Durst die Thier' und Vögel stillen
Nach Lust mit Wollust, und die Fisch'
Die suchen stets was naß und frisch,
Damit begierig sie sich füllen.

Das Meer will auch den Rausch nicht fliehen,
Sondern es pfleget ohn' Ablaß
Breit-tiefe Flüß' und Bäch' ohn' Maß
Gar reißend in den Bauch zu ziehen.

Ist es dann durch den Trunk getroffen.
So fanget es ein Wesen an,
Als ob es auch wollt' jedermann
Ersäufen, weil es selbst besoffen.

Und warum fallen oft zu Haufen
Die tosend-brausend-lauten Wind'?
Weil sie zu brausen sehr geschwind,
Das Meer gern wollten gar aussaufen.

In dem Meer und in allen Bronnen
Die Sonn' selbst löschet ihren Durst,
Und der Mond wär' längst ein' Bratwurst,
Wenn er nicht voll würd' von der Sonnen.

Drum soll uns ferner niemand wehren,
Wenn nichts will unbesoffen sein,
Auch miteinander bei dem Wein
Frohlockend Tag und Nacht zu zehren.

Drum wer unwirsch ist und verdrossen
Bei diesem guten Rebensaft,
Der unsres Herzens Trost und Kraft,
Der ist, zwar nüchtern, doch geschossen.

Wie artig aber auch der Doctor den Gesang anstimmte, ich merkte an ihm und wußte auch, daß nicht er, sondern der redliche und um unsere deutsche Sprache hochverdiente Rudolf Weckherlin Rudolf Weckherlin (geb. 1584 zu Stuttgart, gest. um 1650) ist ein genialer, körnichter, phantasiereicher Dichter von Oden, Sonetten und auch geistlichen Liedern. (welcher, wie auch Herr D. Isaac Habrecht Ein wenig bedeutender Dichter jener Zeit. und andere, die ich an anderen Orten nennen werde, lange Zeit vor dem sonst allzeit lobwürdigen Herrn Opitz Martin Opitz geb. 1597 zu Bunzlau, gest. 1639 ist lange Zeit der Gesetzgeber in der Dichtkunst gewesen durch sein »Büchlein von der deutschen Poeterei«. die deutsche Sprache mit zierlicher eigenerfundener Reimkunst herrlich geziert hat) es aufgesetzt hatte. Daher, als ich ihm dies glimpflich zu verstehen gab, sang er, um diesen Fehler zu verbessern, ein anderes her:

Ich empfinde fast ein Grauen,
Daß ich, Plato, für und für
Bin gesessen über dir;
Es ist Zeit hinaus zu schauen
Und sich bei den frischen Quellen
In dem Grünen zu ergehn.
Wo die schönen Blumen stehn
Und die Fischer Netze stellen.

Wozu dienet das Studieren
Als zu lauter Ungemach?
Unterdessen läuft der Bach
Unsres Lebens, da wir führen,
Ehe wir es inne werden,
Auf ihr letztes Ende hin;
Dann kommt, ohne Geist und Sinn,
Dieses alles in die Erden.

Holla, Junge, geh' und frage,
Wo der beste Trunk mag sein!
Nimm den Krug und fülle Wein!
Alles Trauern, Leid und Klage,
Die wir Menschen täglich haben,
Eh' uns Klotho fortgerafft,
Will ich in den süßen Saft,
Den die Traube giebt, vergraben.

Kaufe gleichfalls auch Melonen
Und vergiß des Zuckers nicht.
Schaue nur, daß nichts gebricht!
Jener mag die Heller schonen,
Der bei seinem Gold und Schätzen
Tolle sich zu kränken pflegt
Und nicht satt zu Bette legt: –
Ich will, weil ich kann, mich letzen.

Bitte, meine guten Brüder:
Auf die Musik und ein Glas
Nichts ja, dünkt mich, schickt sich baß
Als gut Trank und gute Lieder.
Lass' ich gleich nicht viel zu erben,
Ei so hab' ich edlen Wein,
Will mit andern lustig sein.
Müßt ich gleich alleine sterben.

Aber ich war dem Doctor auch hier über seinen Schulsack gekommen und hatte ihm in die Karten gesehen, denn ich wußte, daß wieder nicht er, sondern Herr Opitz selbst diesen Gesang gemacht hatte. Doch um ihn nicht ferner zu beschämen, schwieg ich still, dachte aber bei mir selbst: Ich weiß nicht, wozu mancher Doctor nützt? Es sind deren so viele hin und wider, daß, wie ein hochbelobter Mann sagt, wer früh Morgens sein Kammerwasser ausschütten will, zuvor zusehen muß, daß er nicht einen Doctor treffe; und mich wundert, wie es noch so gut in der Welt stehen kann. Daß man ihrer wenig achtet, ist eben nicht ohne Ursache, da ich sehe, daß auch sie sich bisweilen nicht schämen, anderer Leute rühmliche Werke und Schriften für die ihrigen auszugeben, während sie selbst oft weniger wissen, wenn es zum Treffen kommt, als ein deutscher Schreiber. Doch rede ich nur von den Ungelehrten, die hernach, wenn sie solche Titel erlangt haben, sich in schmalen Schaffnereien und Rentmeistereien zu höchster Beschimpfung der edlen Künste und zur Verkleinerung vieler Gelehrten gebrauchen lassen. Doch ich ließ dem Doctor seine Ehre, wiewohl er wußte, daß ich's merkte.

Um mich nun aber auch zu zeigen, fing ich an Folgendes zu singen, welches der Schultheiß, der bei uns saß und sich mit lustig machen wollte oder wohl mußte, in der Zeit von einer halben Stunde artig nachzusingen wußte; er stellte sich ebenso toll wie unsere Gesellschaft selbst, so daß ich ihm nicht gern möchte unter die Hände gekommen sein, wenn er es mit uns in seinem Hause hätte wagen dürfen. Der Gesang aber, den ich der lobwerthen Gesellschaft zu Ehren gemacht hatte, war dieser:

Auf die löbliche Gesellschaft Mosel-Saar.

Die löbliche Gesellschaft zwischen Rhein
Und Mosel allzeit rüstig sein,
    Nach Unfall sie nichts fragen;
    Was Terich hin und her
    Längs durch und die Quer'
    Zu Fuß und Pferd durchjagen,
    Frisch sie es wagen,
    Kein' Scheu sie tragen.

Ueber hohe Berg', durch's tiefe Thal
Fallen sie oftmals ein wie der Strahl,
    All' Weg' ohn' Weg sie finden;
    Zu düstrer Nachteszeit,
    Wenn schlunen andre Leut',
    Sie alles fein aufbinden
    Ohn' Licht-anzünden,
    'S bleibt nichts dahinten.

Laffel, der weiß gar sein auszuspähn.
Wo irgend in ein Gfar Klebiß stehn:
    Wenn's wär' auf zwanzig Meilen
    Beim hellen Mondenschein,
    Die Gleicher insgemein
     In einer kurzen Weilen
    Zu übereilen
    Und redlich theilen.

Battrawitz der alcht zur Hinterthür hinein,
Bobowitz setzt sich hinter 'nen Haufen Stein'
    Mit den andern Gesellen:
    Den Quien ruft er klug,
    Und brockt ihm Lehem g'nug,
    Daß sie nicht sollen bellen,
    Bis aus den Ställen
    Die Klebiß schnellen.

Wenn sie nun haben die Hautzenross',
So reiten sie nach dem neuen Schloß.
    Ist jemand, der will kaufen?
    Der Putziacala
    Ist müd' und lieget da.
    Weil er sich lahm gelaufen,
    Schier nicht kann schnaufen,
    Drum will er saufen.

Herr Wirth! nun laßt uns lustig sein.
Lang' mir den Glestrich vom besten Wein,
    Um Doulmeß darfst nicht sorgen:
    'Ne halbe gute Nacht
    Uns all zu Sontzen macht,
    Du kannst uns ja bis morgen
    Die Zeche borgen,
    Der Hautz muß sorgen.

Ist das nicht wunderbarlich G'sind,
Daß der Hautz sein' Schuh' mit Weiden bind't,
    Und doch die Zech' muß zahlen.
    So lang' er hat 'ne Kuh,
    Die Klebiß auch dazu?
    Die Rappen sammt den Fahlen
    Wir allzumalen
    Durch Giel vermahlen.

Dieses Lied, wiewohl von schlechter Arbeit, wurde, weil es eben der Gesellschaft jüngste Handlungen mit gebührenden Farben vorstellte, von ihnen gelobt mehr als es werth ist. Und wie das Lob die Frommen zum Guten, die Bösen zum Bösen desto beherzter macht, so ging es mir dies Mal auch: ich wurde um so frecher mitzumachen, was man anhob. Die Unordnung war nun mein Leben geworden, und das elende Leben däuchte mir meine Wohlfahrt zu sein, wiewohl mir das Gewissen oft das Widerspiel in ein Ohr sang. In Summa, ich fing nun an, es so gut zu machen wie ihrer einer: die Erde war mein Bett, der Himmel meine Decke, der Mantel mein Haus, der Wein mein bestes Leben, und wenn ich irgend einen Anschlag machte, so ging er glücklich von Statten, so daß ohne mich bis zuletzt wenig mehr wäre verrichtet worden. Der Doctor machte es auch nicht besser.

Damit wir nun in diesem Unterschleifort destomehr Gunst auf alle Fälle zu gewärtigen hätten, so gab ich den Rath, daß man, so lange dieser Kuhschmaus noch währte, sowohl die Stadtbeamten als auch die Befehlshaber der Besatzung auf den andern Tag zu Gaste rufen sollte. Das geschah auch in der Art, daß jeder freien Willens sein und keiner wegen Redens oder Trinkens etwas zu befürchten haben sollte, denn sonst hätten wir die Herren Beamten, welche den Soldaten teufelswenig trauen, nicht zu uns bringen können.

Nachdem wir aber einen ziemlichen Trunk hatten, fingen die Herren Beamten und der Schultheiß an frei heraus zu reden, was ihnen ums Herz war, doch baten sie vorher, daß keinem sollte etwas für übel gehalten werden, was ihnen mit Teufel-holen versprochen wurde: das war unser gemeinster Schwur. Einer, ein Hauptmann von der Besatzung, hub an zu erzählen, wie übel es in Deutschland herginge: wie die alte deutsche Freiheit von ihren Feinden so angefochten und unterdrückt wäre, und wie sogar diejenigen, welche es mit den Deutschen gut gemeint hätten, von denselben nicht geliebt würden. Es wäre kein Dank bei den Deutschen zu erjagen: man koche es ihnen, wie man wolle, so hielten sie doch den Freund wie den Feind, den Ausländischen wie den Einheimischen; und was das Aergste ist, so hat unsere Armee, unser Volk und unser Herr kein Glück noch Segen mehr, es geht alles über und wider einander; und während wir vor diesem alle Mal das Feld behalten haben, so müssen wir jetzt das Feld räumen und Reißaus machen, so daß keiner mehr recht weiß, wem er dienen oder mit wem er es halten solle. – Ihm fiel Laffal in die Rede und sprach: »Darum eben ist es allezeit mein Sagen: wer Glück und Segen haben will, der halte es mit uns, denn es schneit das Glück bei uns mit großen Flocken, und es kann uns nicht fehlen, daß wir unsere Feinde (dabei sah er den Schultheiß und einen Bauer, der bei ihm saß, an) alle erlegen und gewinnen. Juch! rief er, ein großes Glas in der Hand haltend:

Dien' ich dem einen, so krieg' ich kein Geld,
Dien' ich dem andern, so haßt mich die Welt,
Dien' ich zu Wasser, so wird mir's zu lang,
Dien' ich zu Felde, so hab' ich's nicht Dank,
Dien' ich dem da, so werd' ich beschissen.
Dien' ich dem dort, so fürcht' ich's Gewissen.
Ich weiß mir einen Helden zu Feld,
Der sich hier bei uns hält,
Dem laßt uns dienen ohne Geld,
Denn er läßt uns stehlen, wo es uns gefällt.

Und darum:

Frisch, unverzagt, beherzt und wacker,
Der scharfe Säbel ist mein Acker
Und Beute-machen ist mein Pflug –:
Damit gewinn' ich Geld genug.«

»Ja freilich, sprach der Schultheiß, das erfahren wir armen Bauern wohl:

Und Bauern schinden ist dein Pflug,
Und doch hast du nicht Häut' genug.

Ihr Herren habt gut zu gewinnen, ihr wißt wohl, daß wir euch nichts thun dürfen, sonst wollten wir ...« »Heraus mit der Rede, rief Bobowitz: der ist des Teufels, der nicht alles sagt, was er weiß!« »Hoho nein, sprach der Schultheiß, ich habe mit dem Herrn Hauptmann hier zu thun: er möchte gern wissen, warum die Deutschen ihre Freunde und Feinde in gleichen Ehren halten und einen lieben wie den andern; ich würde es ihm wohl sagen können, wenn ich dürft' reden.« »Heraus Bauer, sprach der Hauptmann, es stößt dir sonst das Herz ab!« »Es ist eben so, antwortete der Bauer: ihr Herren seid selbst Schuld daran, ihr macht es eben danach, der eine wie der andere, jener wie dieser und dieser wie jener, und es weiß keiner, wer Feind oder Freund ist. Ihr haltet uns eben alle für Feinde, und wenn die Bauern einmal die Meister wären, so sollt' es gar wunderbarlich hergehen.« »Du hast Recht, Bauer, meinte der Hauptmann. Weißt du aber auch, woher es kommt, daß wir so gar kein Glück mehr auf unserer Seite haben können?« »Ich werde es euch wahrlich schon sagen können, wenn ihr mir nichts thun wollt.« Nein, nein, riefen sie alle: deine Rechnung ist schon gemacht, es wird dich doch nicht mehr kosten, als sonst; rede nur los! »Ich will's euch denn eben sagen.« Er brachte diese Worte auf gut Kochersbergisch vor; ich aber will sie dem Leser zu Lieb in verständlicher Sprache hierbei setzen, weil des Bauern Rede solcher Mühe wohl werth ist. O wie mancher einfältige Mann redet hochweislich von der Sache! Ich selbst habe oft im Vertrauen gewarnt; hätte man mir geglaubt, Troja stände noch.

Der Bauer sprach also: »Vorzeiten wenn man zur Feldschlacht oder zu einem Scharmützel oder einer Partie hat gehen wollen, so hat's geheißen: wir wollen fort in Gottes Namen! Nun ihr Brüder, fort in Gottes Namen! Ein jeder spreche ein Vaterunser und befehle sich Gott, denn der Feind ist da, es wird jetzt an ein Treffen gehen! Nun Gott helf! Haltet euch redlich ihr Brüder und denkt an Gott und an unsern gnädigen Herrn und thut alle das Beste! – Da hat's dann gegolten, und es ist Glück dabei gewesen; aber heutiges Tages – es gehen Scharmützel vor, die nur immer wollen: wo ist einer, der in Gottes Namen daran ginge oder sein Gebet zu Gott thäte? Da heißt es jetzt: Potz hunderttausend Sack voll Enten! Auf ihr Bursche! daß dich der Donner und der Hagel miteinander erschlage, in die Wehr', der Feind ist da! Drauf in Teufels Namen! Fort ihr hundert Saffermentsbluthunde, daß euch's Wetter erschlage, drückt drauf! Gebt Feuer! daß euch der Hagel erschlage, ihr Bursche alle miteinander! Halt Trupp! daß dich potz hunderttausend Safferments schänden! – und was dergleichen schreckliche Morgen- und Abendsegen mehr sind: steht auf, daß euch der Hagel erschlage! Marschirt, daß euch der Donner zerschmeiße! Freßt, daß euch's der Teufel gesegne! Sauf', daß dir das höllische Feuer in den Hals fahre! Legt euch nieder, daß euch der Teufel mög' holen! – Wie könnte es denn, ihr meine lieben Herren, möglich sein, daß ihr solltet Glück und Segen zu hoffen haben, da ihr euch doch alle unter einander selbst so verflucht, das Haupt den Soldaten, der Soldat das Haupt, daß es Gott im Himmel selbst erbarmen möcht'! Ist's nicht so, ihr Herren? Hat nicht der König von Schweden, der Pappenheimer, der Herzog Bernhard, der Spinola, der Prinz Moritz besser Glück gehabt als ihr heutiges Tages alle, und wenn eurer noch so viele Generäle wären? Denn sie haben ihre Sachen mit gutem Vorbedacht, mit guter Ordnung und gutem Regiment und fein mit Gebet angegriffen, darum haben sie auch Glück gehabt.«

»Der Bauer redet, der Teufel hol' mich! recht,« sprach der Hauptmann. »Aber wie soll einer beten? fragte Lassal: was sind's für Worte? Der ist des Teufels, der soviel Worte behalten könnte!« »Ich will es euch wohl lehren, wenn ihr mich hören wollt, ob ich schon ein armer, schlichter Bauer bin.« »Sag her, laß sehen!« versetzte der Hauptmann. »Ihr Herren! hob der Bauer an: wenn ihr etwas vorhabt, ein Treffen, ein Scharmützel, eine Partie, so bedenkt zuerst, wem ihr dient; thut nicht wie manche, die da sagen, ich nehme Geld und diene dem Teufel: denn wer wider seinen Glauben dient, der ist ärger als ein Heide. Darnach denkt, ob ihr Fug und Recht habt. Drittens ob es zur Ehre Gottes, zum Dienst eures gnädigen Herrn und zu des Vaterlandes Heil gedeiht. Wenn das ist, so sprecht also: Großmächtiger Gott, himmlischer Vater, hier bin ich nach deinem göttlichen Willen in diesem äußerlichen Werk und Dienst meines Oberherrn, wie ich schuldig bin, und bin gewiß, daß dieser mein Gehorsam auch dir wohlgefällig ist. Weil ich aber auch weiß, daß niemand als Krieger sondern allein als ein Christ kann selig werden, so will ich mich gar nicht auf diesen meinen Gehorsam als auf ein gutes Werk verlassen, sondern ich glaube von Herzen, daß mich allein das unschuldige Blut deines lieben Sohnes, meines Herrn Jesu Christi, das er für mich gehorsamlich vergossen hat, erlöse und selig mache: darauf bleibe ich, darauf lebe und sterbe ich, darauf streite und handle ich. Erhalte, o lieber Gott, und stärke mir solchen Glauben durch deinen Geist und gieb, daß ich alle Untugend und Tyrannei gegen unschuldige Leute meide und ein mitleidiges Herz habe: gegen meines gnädigen Herren Feinde aber ein hartes Mannesherz, Gesundheit, beständigen Muth und Tapferkeit, daß ich streite wie ein Held für deines Namens Ehre und meiner Seelen Bestes um Jesu Christi willen. Amen. – Will einer dazu den Glauben, und das Vaterunser sprechen, mag er's thun und lasse damit genug sein und befehle damit Leib und Seele in seine Hände: dann ziehe er vom Leder und schlage drein in Gottes Namen. Wenn ihr so eure Sachen anfangen werdet, dann ist nicht zu zweifeln, daß sie werden glücklich zu Ende gehen. Ja wenn neun oder zehn solcher Kriegsleute in einem Haufen wären oder nur drei oder vier, die solch Gebet mit rechtem Herzen könnten sprechen: sie sollten mir lieber sein als alle Büchsen, Spieße, Rosse und Harnische und wollte wohl den Türken mit aller seiner Macht kommen lassen, – sie fressen wohl die Welt ohne jeden Schwertschlag.«

»Der ist des Teufels, sprach Bobowitz, der so lange beten möchte!« »Wenn ich des Morgens aufstehe, sprach Grschwbtt, so spreche ich ein ganzes Abc, darin sind alle Gebete begriffen, unser Herrgott mag sich darnach die Buchstaben selber zusammenlesen und Gebete daraus machen wie er will; ich könnt's noch so gut, er kann's doch besser. Und wenn ich mein Abc gesagt habe, so bin ich aufgesprungen, habe getränkt und bin denselben Tag so fest wie eine Mauer.« »Und ich, sprach Bobowitz, lasse Morgens, ehe ich aufstehe, einen streichen als meinen Morgensegen, das thut mir den ganzen Tag wohl im Leibe. – Und du Philander, was thust du, ehe du aufstehst?« Ich lege mich nieder, sagte ich. »Philander wird gut werden, wenn er noch eine Zeit bei uns bleibt,« versetzte Grschwbtt. »Und ich, sagte Battrawitz, mache es, wie mein Vater Parra gethan hat: denn als ich zur Welt geboren war, da war ein großes Fest; mein Vater wußte nicht, was für einen Helden er bei solchem Wust zum Gevatter bitten sollte. Zuletzt gedachte er, wenn er den Tod zum Freunde hätte, so würde er auf Erden ewig leben (denn des Himmels hat meine Verwandtschaft nie viel geachtet). Darum bat er denn den Tod zum Gevatter. Der Tod, welcher den Possen bald merkte, bedankte sich erstlich und sprach: Mein Freund Parra, ich halte es zwar für eine Ehre, daß du mich meines alten Rechts würdigst, welches will, daß, sobald ein Mensch geboren ist, er meiner Gewalt untergeben sei. Solcher Freundschaft erkenne ich mich hochverbunden und thue dir hinwiderum zu Gefallen und zu Diensten, was du immer von mir bitten mögest: nur allein die Unsterblichkeit begehre nicht von mir, denn dieselbe kann keinem Menschen auf Erden gegeben werden. – Ueber diese letzten Worte erschrak zwar mein Vater; aber als ein schlauer alter Schelm, ebenso abgefeimt als ich, sprach er: Ja, lieber Herr Gevatter Tod, ich verstehe es gar wohl, daß ihr keines Menschen verschonen könnt; aber gleichwohl, eine Bitte könnt ihr mir wohl vergünstigen, die ich thun darf, ehe ich sterbe. – Der Tod, der sonst Teufels schlecht zu betrügen ist, sprach gleich hin ohne ferneres Nachdenken: Ja, das sei dir vergönnt, es wäre auch, was es wolle; was ist es denn? – Ach gnädiger Herr Gevatter Tod: daß ihr mich nicht eher tödten wollt, bis ich zuvor ein Vaterunser gesprochen habe. – Jawohl, sprach der Tod, das sei dir in die Hand versprochen, daß ich es dir fest halten will. – Dann ist der des Teufels, sagte mein Vater, der sein Lebtag mehr ein Vaterunser betet! Worüber der Tod erschrak; und ich glaube, mein Vater lebt noch, es sei denn, daß ihm seither irgend ein Vaterunser im Trunk entwischt ist.« »Ihr Herren, ihr Herren, begann ein Beamter, ihr redet frisch, aber ich fürchte, wenn es einmal an das Abscheiden gehen wird, die Reden sollten manchem sauer ankommen zu verschlucken: Gott läßt sich nicht spotten; gottlos reden und leben hat noch keinem genützt und fleißig gebetet hat noch keinem geschadet. Aber ich sehe wohl, ihr Herren seid alle über einen Leisten geschlagen, und ich wüßte nicht, welcher der Frömmste unter euch sein könntet.« »Ihr Herren, sprach der Schultheiß: wißt ihr auch, wer der frömmste Soldat ist?« Sie sagten nein und sahen einander an, denn jeder fürchtete, er möchte es sein. Einer von den Beamten sagte, ich weiß es, und der Schultheiß sprach, ich weiß es auch. Der Beamte wurde aufgefordert es herzusagen; der versetzte: »Ihr Herren, wenn es nicht Ungelegenheit verursacht, so sage ich's, sonst nicht.« Sie riefen alle, nein, es sollte keine Ungelegenheit geben. »Es hat, sprach er, einer neulich drei junge Wölfe allhier verkaufen wollen; der Käufer aber, der sein Geld gut anzulegen vermeinte, fragte den Jäger, welcher wohl der beste unter diesen wäre? Ach mein Herr, antwortete der Jäger, ich kann es euch wahrlich nicht sagen: sie sind alle von einer Art; ist einer gut, so sind sie gewiß alle gut.« Darüber mußte die Gesellschaft lachen. »Der ist des Teufels, welcher der Frömmste ist!« rief Laffal. »Ich habe gehört, sprach der Schultheiß, der Frömmste habe eine Kuh gestohlen.« Diese Worte erregten ein viel größeres Gelächter, weil ein jeder da der Frömmste sein wollte: denn der eine sprach, er hätte 300, der andere 500, der dritte 600, der vierte 800 und so fort gestohlen; Bobowitz aber hatte den Preis vor allen erhalten.

Während wir bei diesem Gespräch waren, traten zwei zerlumpte Platschirer zur Thür hinein, von denen der eine schon ein Vierteljahr lang in einer Stadt in Eisen gelegen und den Stockknecht mit Geld bestochen hatte, daß er des Tages zuvor, als er sollte gehenkt werden, mit ihm ausgerissen war. Sobald dieser den Schultheiß erblickte, erkannte er ihn, denn er hatte diesen früher auch einmal gefangen gehalten; der Schultheiß aber, der sich seiner nicht erinnerte, insonderheit weil er so zerlumpt daherzog, wollte sich von ihm nichts annehmen. Zwerg, so war des Soldaten Feldname, bot dem Schultheiß die Hand, der Schultheiß aber sprach: »Wie sollte ich diesen Händen meine Hand bieten, diesen Händen da, welche so viel unschuldiges Blut vergossen, so viel Kühe und Pferde gestohlen, so viel Leute geplündert, so viel Häuser angezündet haben!« Zwerg: »So muß man es euch Bauern kochen, anders kann man euch nicht herbei bringen.« Bauer: »Hoho, du bist so wild nicht, wie du dich stellst.« Zwerg: »Ich meinte, du hättest es genug erfahren, Bauer, daß, so viel gute Worte ich jetzt zu dir spreche, so viel Teufel in mir sind, wenn ich mich erzürne.« Bauer: »Der Teufel muß dir mächtig viel schuldig sein, weil du ihm so treulich dienst.« Zwerg: »Wenn ich könnte, ich würde die ganze Welt mit einem Streich niederschlagen.« Bauer: »Hast du denn gar kein Erbarmen mit den armen unschuldigen Leuten, wenn sie dir nichts gethan haben und dazu so kläglich bitten?« Zwerg: »Erbarmen? Ja wohl Erbarmen: der ist des Teufels, der sich über einen Bauer erbarmt! Wenn einer einmal einen niedergemacht hat, so wird er so voller Teufel, daß ihn nichts mehr erbarmt und ihm eben ist, als ob er einen Hund erschösse, wenn er einen Menschen niederlegt oder einen Bauern büchst: es ist mir eine rechte Lust, wenn ich sehe das Blut so herausspringen.« Bauer: »Ich glaube, die ganze Welt weiß von deinen schönen Thaten zu sagen.« Zwerg: »Das ist gewiß! Wenn jedermann so viel arme Bauern, soviel Witwen und Waisen gemacht hätte wie ich, die ganze Welt würde deren voll werden.« Bauer: »Das ist ein verdammliches Lob, das du dir da selber giebst.« Zwerg: »Der ist des Teufels, der nicht alles niederschlägt und insonderheit die Bauern! Ich sehe wohl, du kennst mich nicht mehr, bis ich dir deine Schweine und Kühe noch einmal wegnehme.« Bei diesen Worten erkannte ihn der Bauer erst, und da er vermeinte, er wäre bei uns nicht gut am Brett, so wollte er sich an ihm rächen und schlug nach ihm: aber der Zwerg, der diesen Schimpf nicht gewohnt war, wollte den Bauer gleich niederstoßen. Da sollte man den Jammer gesehen haben: denn nachdem er von unserer Gesellschaft gehalten, und der Bauer in eine andere Kammer versteckt war, sprang der Zwerg auf, raufte sich selbst die Haare aus, biß sich in die Lippen und Finger, daß das Blut heraus lief und erfüllte die Stube mit so gotteslästerlichen Flüchen, daß die Beamten alle wollten davon gehen, und dem Allergottlosesten das Herz weh that. Es war kein Fluch so französisch, den er nicht mit viel Galeeren und Millionenhunderttausend größer machte. Man bat ihn vielmals um Gottes willen, er möchte doch das gotteslästerliche Fluchen einstellen, wir müßten sonst alle aus der Stube gehen aus Besorgnis, daß der Teufel ihn wegführen oder der Donner ihn vor unsern Augen erschlagen und uns alle ums Leben bringen würde. Aber vergebens; je mehr man ihn bat, je heftiger tobte er. Der ist des Teufels, der nicht flucht! schrie er und rief seinem Gesellen zu, er solle ihm helfen fluchen, was er nur erdenken könnte zwischen Himmel und Erde: so daß wir still schwiegen, bis er selbst aufhörte zu toben. Einer der Beamten, welcher sah, daß ich insonderheit großes Mißfallen trug über diesen neuen Gesellen, nahte sich mir und sprach: »Mein Herr, ich sehe, daß euch dieses Wesen nicht in allem gefällt; ich wollte mich von dieser Gesellschaft mit Fug abthun, ehe ich gar in das Verderben geriethe. Ist das nicht ein großes Elend mit dem gotteslästerlichen Fluchen! Ich glaube, daß ein großer Theil des Kriegsvolks dem Teufel eigen ist, und einige so sehr voller Teufel sind, daß sie auch ihre Freudigkeit nicht wissen besser zu beweisen, als indem sie verächtlich von Gott und seinem Gericht reden: als seien sie dadurch die rechten Eisenfresser, daß sie schändlich schwören, martern, fluchen und Gott im Himmel trotzen dürfen. Es ist ein verlorner Haufe, wobei ihr seid und Spreu aber wenig Korn ist, gleichwie in allen andern Ständen auch viel Spreu ist.«

Nach langem Wesen brachte man den Zwerg wieder zum Tisch; da hatte zwar das Fluchen etwas nachgelassen, aber das Potz tausend, Potz Wetter, Potz Blitz, tausend Sack voll Enten, daß dich der Donnerstag, daß dich der Hafen erschlage, potz Zinkes, potz Zäpfel, potz Zähholz, potz Zucker und dergleichen Schwüre gaben mir doch genug Anzeichen, was er im Sinn und Herzen verborgen hatte. O der grausamen Lästerungen, sprach der Beamte, neben den ich mich gesetzt hatte. Denn nachdem ihm die erste Wuth etwas vergangen war und das Gotteslästern nachgelassen hatte, so mußte es trotzdem, um dem Fluchen auch gleich zu schwören, mit Potz, mit bleu, mit Hafen und Deckel beschönigt und verdeckt werden, was nicht geringer noch besser war als das andere. Es ist ein gottloses Herz, das dem Fluchen gänzlich ergeben ist, auch wenn es glimpflichere Worte gebraucht, und wenn es auch in seiner höchsten Besserung die teuflische Wuth des Fluchens vergißt, so ist es ihm doch noch eine rechte Lust dem Fluchen gleich zu fluchen. Damit nun dem tollen Narren, dem Zwerg, die Grillen vergingen, ließ Putziacala noch mehr Spielleute auf seine Kosten kommen und es ging nun alles zu unterst zu oberst insonderheit mit Tanzen, da es der eine auf welsch, der andere auf deutsch, der dritte auf krobatisch, der vierte auf polnisch machte; und an wem die Reihe war, dem mußten die andern nachfolgen mit diesen Worten: der ist des Teufels, der nicht mitmacht! Es waren auch allerhand Frauenzimmer da, wie man sie nur für Geld hatte auftreiben können. Unter andern war eine vornehme Tochter eines Beamten, welche aus Unglück auch in die Gesellschaft gerathen war; der wollte Bobowitz mit Gewalt Leids anthun, wurde aber sowohl von uns als von den Beamten und Befehlshabern der Besatzung mit harten Worten abgehalten, oder er sollte sie freien. »Der ist des Teufels, der eine freit! sprach er; wer wollte sich die Lust so eng spannen lassen: freien ist gut, wenn's frei ist und täglich neu, wie der untreue falsche Cliton geschrieben hat. Ich wollte mich eher verheißen bis nach Ostindien zu ziehen, wo ein rechtschaffener Soldat noch besser angesehen wird als unter euch Herren; wie will einer redlich fechten können, wenn er ein solch Geschlepp um sich hängen hat: der ist des Teufels, der eine länger als eine Stunde lieb hat! Siebenzig Meilen von Goa in Ostindien liegt ein Land und eine Stadt Kanonor, zehn Meilen diesseits Calcutta; die Soldaten des Königs in Kanonor dürfen nicht freien, sondern sie haben das Recht und den Brauch, daß, in welche Stadt oder welches Dorf sie kommen, sie vor eines Bürgers oder Bauern Haus, wohin es sie gelüstet, ziehen und dort ihr Gewehr abgeben, bis sie etwa ihr Geschäft verrichtet haben. Sie rufen aber entweder der Frau oder Tochter oder der Magd des Hauses, zu welcher sie ein Gefallen haben, geben ihr das Gewehr aufzuheben, und dieselbe weiß dann, was ihr zu thun gebührt: denn sie darf nicht ausgehn, sondern muß sich im Hause halten und fertig machen, daß sie, wenn der Soldat wieder kommt, bei ihm schlafe. Und das geschieht ohne Widerspruch des Mannes oder der Eltern oder sonst einer Person bei höchster Leibesstrafe.«

Bobowitz aber wußte mit all seiner Geschichtserzählung nichts auszurichten, und das Mädchen wurde zur Verhütung weiterer Ungelegenheit mit Fug weggeschafft, und die Gesundheiten wurden so lange fortgetrunken, bis wir ermüdet einer nach dem andern den Abschied nahmen und ein jeder in seine Höhle kroch.

Cliton, der untreue, den wir vorher den edlen Schäfer genannt hatten wegen seiner vortrefflichen sinnreichen Spiele, deren anderwärts besonders soll gedacht werden, war der erste, der den Abschied nahm mit folgendem Gesang, dem wir alle, aus Liebe und Freundschaft zu ihm, Bescheid zu thun nicht ausschlagen konnten. Ich that es auch von Herzen, wiewohl er mir, seinem eigenen unchristlichen Bericht nach, nachher den Herzstoß gegeben hat.

Mein Freund, dir will ich eins singen
Von dem lieben süßen Wein,
Doch zuvor dir dieses bringen:
Holla Junge, schenk' eins ein!

Denn mein Thun besteht im Trinken;
Wo da Mangel ist an Wein,
Will mir Herz und Seel' versinken:
Holla Jung', schenk' noch eins ein!

Noch kann ich den Durst nicht stillen:
Weil's denn muß gesoffen sein,
Will ich mich erst recht anfüllen, –
Hör' Jung', schenk' drei Gläser ein!

Die Gesundheit soll umgehen
Derer, die stets durstig sein!
Keiner lass' die vor sich stehen:
Du und ich sind's nicht allein.

Bruder, diesen sollst du haben,
Sieh', wie süß schleicht er mir ein:
Mich kann nichts als Wein erlaben, –
Jung', schenk' roth und weiß mir ein!

Wie lang' läßt du diesen stehen?
Sieh den trocknen Bruder an,
Muß er so vor Durst vergehen,
Rath', wie man ihm helfen kann.

Bei den Bauern ist gut singen,
Jene schenken mir noch ein:
Hier will keiner mir eins bringen, –
Jung' willst mir barmherzig sein?

Bruder, gieb mir von dem Schinken,
Nimm du dir die Pfeif' Tabak.
Jung', gieb mir noch mehr zu trinken!
Wer spielt mit mir Dicke Dack?

Nun, ihr Herren, in die Waffen,
Jung', schenk' jedem noch eins ein! –
Wollen wir am Tisch einschlafen? –
Strafwerth soll der letzte sein.

Eh' der Abschied wird genommen,
Soll es noch beschlossen sein,
Wo wir morgen z'sammenkommen, –
Bruder, bei dir kehr' ich ein.

Jeder trinke noch den Segen,
Alsdann schadet ihm kein Wein:
Muß ich einzig all's erwägen,
Muß ich denn der klügste sein?

Jung', laß hier die Leuchter bringen;
Liebster Bruder, gute Nacht!
Mein Gesang will nicht mehr klingen,
Hapus, Hapus, gute Nacht!« –

Damit war auch diese Gastung ganz spät in der Nacht zu Ende gebracht.

Des folgenden Tages während dieser Freuden, ehe wir unsere Ochsen ganz verzehrt hatten – denn es mußte das Meiste, was nur gewonnen hatten, durch die Gurgel gehen; und der beste Nutzen, den wir davon hatten, wurde all der Gurgel zu Theil, weil wir uns aus unsern Handlungen die Rechnung leicht selbst machen konnten, es würde doch der Hals und die Gurgel die Zeche bezahlen müssen, drum ließen wir sie dessen auch redlich genießen – da kam uns durch mündlich-vertraute Botschaft gewisse Nachricht zu, daß wir in fünf Meilen Entfernung mit geringer List und Mühe eines bekannten Edelmannes Schloß einnehmen, ausplündern und treffliche Beute machen könnten. Da mir nun der Wein während dieser Tage und des Morgens, wo wir schon bei drei Maß Branntwein, Wein, Bier und Tabak hinter hatten, ziemlich Muth und Vermessenheit gemacht hatte (denn bei zuviel Wein zieht Rath aus und Frevel ein), so gab ich mich zum Gesellen dieses Spiels mit an, will nicht sagen, daß ich die Partei selbst wollte führen, sonst müßte ich es gethan haben. Wir zogen also unser elf gegen Abend fort: den Glauben hatten wir auf gut straßenfegerisch, daß man keine Partei mit grade sondern mit ungrade machen sollte, dann würden wir Glück haben, und es könnte der Teufel keinen von uns holen, wiewohl wir in solchem Glauben auch oft betrogen wurden. Unterwegs stieß ein guter Gesell auf uns, den ich wohl kannte; der beklagte sich, daß er abgebrannt war (das ist nach der Feldsprache so viel als, daß er um alles gekommen und verarmt war, daß er alles zugesetzt und verloren hatte), und er wollte stracks mitgehen, wohin es auch gelte, und die Abenteuer mit verrichten. Aber eben darum, daß wir schon elf waren und in Furcht standen, wenn wir den zwölften zu uns nehmen würden, der Teufel möchte einen von uns weg führen, so befahlen wir ihm weiter zu unserer Gesellschaft zu gehen.

Um nun unsern Anschlag ins Werk zu richten, mußten wir uns zum Theil verkleiden: zwei, welche noch wenig Bart hatten, ließen denselben glatt abnehmen und steckten sich in Weiberkleider, die Pistolen unter dem Brusttuch; ich und noch ein anderer in Bauernkleidern nahmen Rückenkörbe auf uns, die Gewehre unter den Kleidern verborgen haltend, und kamen mit einem Ohm rothen Wein in zwei Fäßchen, welche uns durch gefangene und gebundene Bauern bis in den nächstgelegenen Busch nachgetragen waren, vor das Haus Morgens gegen halb acht Uhr; und als uns von fern einer zugerufen hatte, was wir wollten? und wir ihn beschieden, daß wir Rapssamen um Wein zu vertauschen oder baar zu kaufen Willens wären, wurden wir eingelassen. Im Hinterhalt aber in einem Stall grade der Fallbrücke gegenüber hatten wir vor Tag die sieben Kerls mit Feuerrohren sammt den zwei gebundenen Bauern versteckt, wo sie bis zum Zeichen still lagen. Indem wir nun von dem Verwalter, der hoffte Geld zu lösen, in das Schloß geführt wurden, warfen wir die Rückenkörbe von uns und faßten den Verwalter beim Aermel; sodann holten wir unsere Gewehre hervor, ich gab einen Losungsschuß, alsbald sprangen unsere versteckten Kerls herbei in das Schloß, und die Fallbrücke wurde nach uns aufgezogen. Dies Mal wurde nicht viel Gewalt an den Leuten verübt, weil ich es nicht zulassen wollte; aber die besten Sachen (nachdem alle innewohnenden wehrlos in eine Kammer gesperrt waren) wurden von uns alle in Säcke und Bettzieche, die wir aufschnitten und die Federn in den Hof schütteten, gepackt, und was wir nicht tragen konnten, auf fünf Pferde geladen. So ging's dem nächsten Wald zu, denn Straßen zu gebrauchen war unseres Thuns nicht, und langten noch vor Tag in unserm Unterschleif wohlbehalten an. Der Kerl aber, der uns den Anschlag an die Hand gegeben hatte, war Knecht in demselben Schlosse gewesen, welchem der Verwalter seinen abverdienten Lohn nebst seinen Kleidern unverschuldet und unbillig vorenthalten und ihn um geringer und dazu erdichteter Sachen willen übel tractirt hatte. Der zog nun mit uns fort; die Magd aber schrie nach und so kläglich, daß wir sie aus dem Gemach nehmen mußten, denn weil sie in Sorgen stand, es möchte auch sie wegen dieses Anschlags beargwöhnt werden, wollte sie nicht mehr da bleiben, sondern mit uns gehen und versprach dem Knecht, so er sie kirchen wollte (das ist auf unsere Art zu reden: so er sie zur Kirche führen wollte), treulich bei ihm zu wohnen. Das versprach er ihr auch mit Eid-betheuern und Leib- und Seele-verpfänden: aber die eheliche Beiwohnung ist später auch ohne kirchen geschehen; daher habe ich, wie auch aus andern Händeln gleicher Art, gesehen, daß viele Soldaten zu Felde ihre Weiber so und nicht anders zur Kirche führen, nämlich bis an die Thür und darnach fort, wie dieser auch gethan.

Morgens legten wir uns zu Bett, denn wir hatten zwei Nächte nicht geschlafen; aber der Schlaf währte auch da nicht lange, weil uns die andern in hellem Haufen aufweckten und den Branntwein vor's Bett brachten, so daß wir auch nicht Zeit hatten ein Vaterunser zu beten, wiewohl uns ohnedas, wie oben gesagt, das Beten nicht viel hinderte. Etliche Tage saßen wir wieder so steif, als ob wir die Seligkeit mit Saufen hätten verdienen wollen.

Darauf wurden wir wieder durch einen Bauer vertraulich gegen ein gutes Trinkgeld, das er allemal von uns bekam, berichtet, daß wir auf fünf Meilen anderen Wegs ein Städtchen, sehr reich an Vieh und Früchten, ohne Gefahr besteigen könnten; er malte uns die Oertlichkeit mit der Kreide vor und versprach uns die Stelle des Besteigens in Person zu zeigen. Wir behielten den Bauer in unserer Fröhlichkeit zwei Tage, währenddem wir uns beriethen. Endlich wurde beschlossen dahin zu gehen unser 13 zu Pferde und 19 Fußknechte (allzeit ungrade, denn wenn wir grade gewesen, würden wir in steter Furcht gestanden sein, der Teufel hätte einen von uns weggeführt) von der Besatzung, wo wir uns aufhielten. Um sieben Uhr des Tages rückten wir aus durch den Wald ganz langsam, so daß wir gegen Nacht nahe an den Ort kamen, wohin wir trachteten. Hier im Walde hielten wir uns still, bis es neun schlug; dann gingen ich und noch einer gemächlich hinter den Bäumen, wiewohl es schon finster war, bis an die Mauer heran um zu vernehmen, ob die Schildwache wachte oder schliefe. Es war aber noch zu früh zum schlafen, denn sie wachte; nachdem die Glocke zehn geschlagen hatte, bis zu welcher Zeit die Ronde zwei Mal gegangen war, ward die Schildwache nach langem Rufen endlich, wie sie begehrte, abgelöst, so daß ich daraus merkte, die Wachstube müßte weit von der Schildwache entlegen sein, oder die guten Leute in der Hauptwache müßten schlafen oder doch aufs wenigste im Spielen so geschäftig sein, daß sie nichts hören könnten. Der aber ablöste, trat frisch auf und nach einer Viertelstunde fing er an ein Lied zu singen, das, wie mir däuchte, zwar auf Soldatisch, doch aber nicht uneben gemacht war, das ich, da er es zum zweiten Mal aussang, bei der Finsternis in meine Schreibtafel – wie mein Brauch jederzeit gewesen und nach Gelegenheit noch ist – verzeichnete, wie es hier steht. Ich muß bekennen, daß ich es mit Schrecken hörte, und es mir im Herzen vorkam, wiewohl ich nichts merken ließ, wir würden an diesem Ort wenig ausrichten.

Gott ist der Christen Hilf und Macht,
Eine feste Citadelle,
Er wacht und schildert Tag und Nacht,
Thut Rond' und Sentinelle.
Jesus ist das Wort,
Brustwehr, Weg und Port,
Der rechte Corporal,
Hauptmann und General,
Quartier und corps de garde.

Mit unsrer Macht ist nichts gethan,
Es ist bald übersehen:
Denn wer's mit Menschen fanget an,
Um den ist's bald geschehen;
Oftmals Glauben bricht
Ein Freund; drum wer nicht
Auf Gott traut ganz allein,
Muß stets in Sorgen sein
Um Leib, Gut, Ehr' und Leben.

Oft der, der uns verfechten soll,
Weiß weder Wehr noch Waffen,
Liegt auf der Haut, ist blind und voll,
Thut seine Rond' verschlafen:
Doch Gott ist nicht weit
Von uns selber Zeit:
Und so wir bleiben frumm,
Ihn kindlich bitten drum, –
Die Engel uns bewachen.

Und säh' der Feind noch eins so sauer
Als wollt' er uns verschlingen,
Und käme schon bis auf die Mauer,
Soll's ihm doch nicht gelingen.
Gott, der mit uns ist,
Entdeckt seine List
In einem Augenblick,
Stößt ihn hinab zurück,
Daß er mit Schand' muß weichen.

Gott Ehr' und Preis,, der uns zu gut
Die Feind' mit Furcht thut schlagen
Und über uns hat treue Hut
Auf seinem Feuerwagen:
Sein ganz himmlisch Heer
Rondet um uns her:
Lobsingt, lobsinget ihm,
Lobsingt mit heller Stimm',
Ehr' sei Gott in der Höhe!

Lob, Ehr' und Preis sei seiner Macht,
Er ist die Citadelle,
Er wacht und schildert Tag und Nacht,
Thut Rond' und Sentinelle.
Jesus ist das Wort,
Brustwehr, Weg und Port,
Hauptmann und General,
Quartier und corps de garde.

In der Zeit war keine Ronde gegangen bis gegen elf Uhr, da rief er an: Wer da? – Gut Freund. – Was für Freund? – Ronde. – Was für Ronde? – Hauptmann. – Geh fort, bleib mir vom Leibe. – Da merkte ich erst, daß die Wachstube gar weit entlegen sein mußte, weil er die Ronde nicht stehen hieß noch den, der die Wacht hatte, heraus rief; und daraus hoffte ich für unser Vorhaben um so besseren Fortgang.

Weil nun die Ronde so wachsam war, gingen wir allgemach zurück. Nach anderthalb Stunden gingen wir wieder hin und fanden die Schildwache schlafen, denn sie schnarchte, daß wir es deutlich genug hinten hörten; es war gegen halb zwei Uhr. Alsbald ritten wir zurück und mahnten unsere Gesellschaft zum Anzug. Nun ward eine Leiter von vierundzwanzig Sprossen vorgetragen; aber als wir dieselbe anschlugen, befand sich's, daß sie noch um sechs oder sieben Sprossen zu kurz war. Wir mußten uns deshalb unverrichteter Sache wieder vor Tag zurückmachen und die Leiter in einem Garten nahebei im Stich lassen; den Kerl aber, der uns den Anschlag an die Hand gegeben, nahmen wir, weil er uns die Höhe nicht besser ausgekundschaftet hatte, gebunden mit uns, zogen durch den Wald abwärts, bis wir unvermerkt über das Wasser kommen konnten, machten uns jenseits in den Wald und paßten auf, ob wir jemand von dem Volk, der dem Städtchen zu wollte, antreffen könnten, was auch geschah. Denn als verschiedene Bauersleute mit Heu und Stroh dem Städtchen zu gingen, hielten wir sie auf bis gegen acht Uhr; von diesen erfuhren wir neben andern Sachen, daß die Bürger des Städtchens eben an dem Ort, wo wir übersteigen wollten und die Mauer am niedrigsten war, um daselbst desto sicherer zu sein, auf zehn Schuh Breite die Mauer mit Immenkörben besetzt hatten: was ich im Aufsteigen auch wirklich befunden hatte. Es war zu dem Zwecke, daß, wenn jemand da einbrechen und die Körbe (denn anders hätte es nicht sein können) abwerfen würde, die erzürnten Immen ihn und alle Anwesenden zurücktrieben. Ueber diese List verwunderten wir uns sehr und befanden, daß wir mit den Immen einen viel härteren Streit als mit den Menschen selbst würden gehabt haben.

Um nun diese Reise nicht vergebens gethan zu haben, nahmen unser vier der Bauern Kleider und luden Rückenkörbe mit Heu auf uns, und da wir durch unsere Schildwache auf einem Eichbaum vernahmen, daß gleich an der Stadt etliche Stück Rindvieh einzeln geweidet wurden, gingen wir, die Wehr verborgen, auf dieselben zu. Die Schildwache in der Stadt auf dem Thurm, welche uns für Bauern ansah, deren Gewohnheit war Morgens um diese Zeit anzukommen ihr halbverhungertes Vieh zu füttern, ließ uns gehen, ohne die dazu verordnete Lärmglocke zu ziehen, bis wir das Vieh erreichten und dem Walde zutrieben. Als nun jetzt zwar die Bürger auf uns los wollten, wurden sie von unsern ankommenden Soldaten zurückgehalten, so daß wir das Vieh davon brachten und von der Arbeit doch etwas Nutzen hatten. – Unter den Bauern, die wir dies Mal im Walde gefangen hatten, war auch ein Kaufmannssohn und Student, von Eerps, den wir solange in Banden hielten, bis nach vierzehn Tagen die Post ankam, daß sein Vater unserer Bevollmächtigten, einer Witwe zu Köln, das Lösegeld, nämlich 100 Gulden zu 24 Patar, laut Quittung bezahlt hätte, die lautete also: Ich, Witwe des Secretär zu Köln, bekenne empfangen zu haben aus den Händen des Antonius Meyer von Eerps die Summe von 100 Gulden nebst einem Billet von zwei Gulden, worüber ich von meinem Schreiber eine Quittung habe ausstellen lassen, und zur Versicherung der Wahrheit habe ich meinen Namen darunter gesetzt.

Katharina von Granvelle.

Vier von den Bauern, welche sich mit Worten etwas trotzig gegen uns vernehmen ließen, mußten mit uns fort, und weil sie nicht nach unserem Willen leben wollten, wurden sie mit Fausthämmern zu Tode gehauen. Lafall, der grausam gegen sie wüthete und dem einen oben zum Kopf hinein hieb, daß ihm die Spitze zu dem rechten Auge wieder herausdrang, war von mir gebeten eines alten Mannes zu schonen; aber er verschwor sich, der wäre des Teufels, der sie nicht alle schlafen legte! Was er denn auch an dem einen wie dem andern vollbrachte.

Als wir zurückgekehrt waren, schickte der Hauptmann des gedachten Städtchens ein Schreiben zu uns: ob wir ihm das Vieh zur Auslösung geben wollten? Es wurde ihm aber rund abgeschlagen. Das Schreiben enthielt ferner in sich: wir möchten auf ihr Vieh, sie hingegen auf das unsrige streifen, die Menschen aber sollten beiderseits frei sein. Es lautete also:

Hochedle gestrenge Herren!

Daß die Herren gestrigen Tages meinen Bürgern einen Theil ihres Viehs abgenommen haben, dessen hätte ich mich jetzt eben wenig versehen, der ich ihre Bauern lange Zeit verschont habe. Nun muß ich es zwar geschehen lassen und denken, daß sie, da ihnen irgend ein Anschlag zu Wasser geworden ist, darüber noch im Harnisch gewesen und dieses Vieh aus Noth mitgenommen haben. Dem sei aber wie ihm wolle: ich hoffe, die Herren werden das Vieh wieder um ein Stück Geld ausfolgen lassen, und so es uns beiderseits einträglich ist, wie ich erachte, wollen wir künftig die angefangene Fehde fortsetzen in der Weise, daß ich ihrer Bauern Vieh dort unten, sie aber meiner Bauern Vieh hier oben ungehindert hinweg treiben lassen, weil doch die Bärenhäuter keinerseits dem redlichen Soldaten mit Liebe etwas zu gut kommen lassen. Allein der Bauern selbst bitte ich bei allen Zufälligkeiten zu verschonen, damit wir um so länger Nutzen von ihnen haben können. Darüber erwarte ich der Herren Erklärung und verbleibe außer Herrendienst

meiner Herren dienstwilliger Knecht D. V. Gordou.

Als aber der Bauer, der das Schreiben brachte, dasselbe ablesen hörte, versetzte er freventlich: »Ich sehe wohl ihr Herren, ob ihr schon Feinde gegen einander seid, so versteht ihr euch einander doch gut, indem unser Hauptmann euch vorschlägt unser Vieh zu beuten, er dagegen will eurer Bauern Kühe holen. Das ist ja zum Erbarmen, daß wir armen Leute allerseits den Schaden haben, und aller Krieg allein über die armen Bauern muß ausgehen.« Und die Wahrheit zu reden, so muß ich selbst bekennen, daß der Bauer recht geredet hat: denn seit diesem Schreiben sind wir, wo uns eine Kriegspartei aufstieß, abseits gegangen, sie hingegen auch auf die andere Seite, und haben einander nimmer angegriffen, bis uns der Teufel zuletzt arg betrogen hat. Aber beiderseits mußten die Bauern herhalten, wo sie etwas hatten, oder wo ihr Vieh zu erlangen war.

Um aber unsre Sache um so besser zu beschönigen und wider sie zu führen, so forderten wir, anstatt, wie sie meinten, ihr Vieh wegzutreiben, eine wöchentliche Contribution, widrigenfalls wir sie auf das Aeußerste verfolgen würden. Unser Schreiben, das G. M. Ch. an die Bürger des Städtchens richtete, war dieses: Vielgeliebte Herren und Bürger! Daß wir wegen Auslösung ihres Viehs dies Mal nicht einwilligen konnten, wollen sie den kriegsgeheimen Ursachen zuschreiben, wie wir ihrem Commandanten darüber auch schon berichtet haben. Obgleich wir vormals bei Auslieferung unseres Mitgesellen Battrawitz das Wort gegeben, ihnen nicht den geringsten Schaden zuzufügen, so ist dies doch mit uns unentnommenen Distinctionen dergestalt geschehen, daß wir weiter, als es uns gefällt und verträglich ist, nicht verpflichtet sind. Wofern ihr euch aber von Dato an, euren uns bewußten vermögenden Verhältnissen nach, mit einem Stück Geld wöchentlicher Abgabe mit uns vergleichen wollt, so sollt ihr nachmals von uns und allen unsern Angehörigen auf Cavalierswort versichert sein, friedsamermaßen des Eurigen zu genießen.

Denn obwohl uns aus eurer zum öfteren abgegebenen Erklärung bekannt ist, daß sowohl eure Herrschaft als auch ihr selbst unserer allergnädigsten Obrigkeit allzeit treu zu sein begehrt: so haben wir doch diesen Brauch, daß wir keinem Menschen anders Glauben zustellen, als wenn er diese Treue handgreiflich gegen uns in der That sehen läßt und uns erweist. So aber wider alles Verhoffen dies nicht geschieht und ihr an schuldiger Verpflichtung säumig werdet: so wollen wir bei der höchsten Wahrheit ohngeachtet aller Entschuldigung ihrerseits bedacht sein, alle umliegenden zu ihrer Herrschaft gehörigen Dörfer und Oerter, als die unserer Feinde und als Rebellen, wegen ihrer Halsstarrigkeit mit Feuer und Schwert und durch alle andern Kriegsbeschwerden ganz in Grund ruiniren zu lassen. Wonach sie sich zu richten, und sind wir ihres Geldes mit ehestem gewärtig.

G. M. Ch.

Auf dieses Schreiben bekamen wir zwar andern Tages eine Rückantwort, doch ganz anders, als wir begehrt hatten, die lautete also:

Hochedle gestrenge Herren! Ihr unverdientes und daher unvermuthetes Schreiben sammt der vertraulichen Correspondenz mit unserem Commandanten über unser weniges Vieh und folglich über unsere Armuth und Leben, haben wir beides von unserm Mitbürger erhalten. Dieses zu beantworten achten wir zwar für keine Schuldigkeit, aber doch für eine hohe Nothdurft, damit die Herren gleichwohl sehen können, mit wie wenigem Fug sie uns dergestalt anzugehen und unchristlich zu bedrohen Ursach haben.

Erstlich ist zu erbarmen, daß das in diesen Landen seit nun vielen Jahren verübte Plündern, Rauben und Morden etlicher weniger – denn von rechtschaffenen, redlichen Soldaten, wo Feind auf Feind geht, wollen wir hier durchaus nichts gesagt haben – nur auf den armen Bauersmann und seine übrigen gar geringen Mittel abgesehen ist, und daß wir gezwungener Weise Feinde sein müssen, die wir doch nichts weniger als Feindschaft und Krieg suchen oder sinnen. Ja es ist zu erbarmen, was unser eigener Commandant uns für Furcht erweckt, die gewöhnlichen Aussaugungen abzunehmen, als da sind: die täglichen Wachen, die Schildwachen, das Hand-fröhnen, das Holz-machen, das Boten-laufen, das Essen-geben, das Mundvorrath- und Sold-geben, das Strafen-zahlen; daß er gleichwohl die Herren darf veranlassen sie hierher zu uns gen Vinstingen einzuladen, damit er hinwiederum seinen Vortheil bei den armen, gleichfalls unschuldigen Leuten drunten zu Saarbrücken von hier aus ungehindert suchen könnte. Das würde von ihnen beiderseits nicht geschehen können, wenn sie eine Ader im Leibe hätten, die begierig wäre, ihrer allerhöchsten Obrigkeit Recht und Sache (wie sie sagen), sammt der altdeutschen Freiheit, mit ehrlichen Ritterdiensten und nicht mit so schlimmen Actionen zu verfechten und nicht allein weit ab vom Geschütz nur auf dem armen Landmann mit grausamen Unthaten zu liegen. Doch das wollen wir seines Orts beruhen lassen und allein den Allerhöchsten von Herzen bitten, daß er alle Redlichkeit, Gott, Ehre und Vaterland liebenden deutschen Soldaten mit gnädiger Absicht erhalten und an Leib und Seele segnen möge: hingegen allen landverderblichen Straßenräubern, Freibeutern, Mordthätern, Schnapphähnen und Heckenkriegern ihre verdiente Strafe möge widerfahren lassen.

Was nun das Schreiben speciell betrifft, welches die Herren an uns vornehmlich wegen der geforderten Contribution thun lassen, so scheint uns dies befremdlich genug. Obschon wir, was wir zwar nicht schuldig sind, zur Verhütung ihrer feindseligen Mordstreifereien, gern aus uns etwas thun möchten, so sind wir doch von ihnen selbst hinlänglich gewarnt, daß wir all ihren hohen Cavaliersworten nicht mehr als mit Besorgung unentnommener Distinctionen, nämlich sofern es ihnen zu halten wohlgefällig oder zuträglich sein möchte, trauen, also soviel wie keinen Glauben zustellen. Schmerzlich aber, ja unchristlich kommt es uns vor, daß sie uns und unsern armen unschuldigen Leuten, die doch das Leben mit ihrem sauren Handackerbau kaum erhalten können, im Falle nicht folgender Einwilligung mit Feuer und Schwert, Verheerung und andern Kriegsbeschwerden als Feinde und Rebellen, wie sie uns gewaltsamerweise nennen, zu verfolgen bedrohen: diese blutdürstigen Worte, wenn sie von einem Türken gesprochen wären, würden genügen, sein unchristliches Herz an den Tag zu legen.

Es ist aller Welt bekannt, daß weder unsere gnädige Herrschaft noch wir wider unsere allerhöchste Obrigkeit jemals etwas gethan oder gedacht haben, ja den Herren selbst ist es so sehr bewußt, daß sie ihr eigen Herz und Gewissen darüber zu Zeugen haben: jedoch da sie sehen, daß uns Gott noch einige wenige Mittel zu unserer und unserer armen Kinder hinlänglichen Unterhaltung vor ihrem unbarmherzigen Plündern übrig erhalten hat, sie diese aber um ihre unersättliche Begierde zu erfüllen nicht anders haben können, so unterstehen sie sich mit unverantwortlichem und halssträflichem Mißbrauch der Autorität und des Namens der allerhöchsten Obrigkeit uns dieselben auszuschrecken, auszudrohen und auszuzwingen.

Ist aber das nicht höchst zu beklagen und zu erbarmen, daß es in unserem geliebten Vaterlande nunmehr zu solcher Unordnung und zu dem Aeußersten gekommen ist, daß auch so offenbare vornehme Landstreicher zur Färbung und Beschönigung ihrer unverantwortlichen Handlungen Namen und Autorität der allerhöchsten Obrigkeit miteinmischen und zum Vorwand so gewissenloser Sachen gebrauchen dürfen, von denen eine einzige euch zu Hochverräthern zu machen viel zu groß ist! Denn ein jeglicher, der noch etwas übrig hat, wird euren Gelüsten nach für einen Rebellen und Feind ausgerufen und gehalten: und wer sich eurem schnöden frevlen Willen nicht untergiebt, der muß die allerhöchste Obrigkeit, wenn er derselben auch bis in den Tod getreu wäre, beleidigt haben. O meine Herren, es ist wahrhaftig: der Kaiser kennt die Sachen nicht, aber unter kaiserlichem Namen geschehen viele. Sollte das nicht Ursach genug sein (wenn solcher Muthwille in unserm Vaterlande von bösen Buben gegen ehrliche Leute also ungestraft verübt wird und ihre Rettung muß gelitten, ja darüber nicht einmal darf geklagt werden), einem so übelbehandelten Manne sein Herz und Sinn von den Diensten und der Liebe gegen diejenigen abzuziehen, denen er doch jederzeit in seiner Seele ergeben gewesen ist: oder doch wenigstens zu Gott zu seufzen, daß er der allerhöchsten und allen christlichen Obrigkeiten eingeben möge, die soweit eingerissene Kriegsunordnung ernstlicher und christlicher zu strafen, damit sie bei Fortführung so gerechter Waffen um so glücklicheren Erfolg von seiner Allmacht zu gewärtigen hätten! Denn wie wollte Gott diejenigen Waffen mit glücklichen Erfolgen segnen können, welche unter ihres Namens Autorität, durch wissentliche Connivenz so unerhörte unchristliche Vergehen: Rauben, Plündern, Schinden und Morden, aus gewissenlosen Staatsursachen ungestraft vorüber gehen lassen!

Euch schwör' ich, ihr Potentaten:
Gott, der einen Bürgersmann
Um ein Sündlein finden kann,
Wird all' diese bösen Thaten,
Dieses Morden, Raub und Brand,
So ihr unter eurem Namen
Lasset ungestrafet ahnen Nachahmen.
Fordern von eurer Hand.

Ich sprech' nicht von jenen Helden,
Welche wagen Leib und Blut
Gott, dem Vaterland zu gut:
Von euch nur will ich es melden,
Die ihr um die Eitelkeit,
Nur um zeitlich Gut und Ehre,
Nicht um Glaubens Sach' noch Lehre,
Nicht um Gott bekümmert seid.

Wir haben uns also auf der Herren Begehren nach ihrem Schreiben dergestalt gerichtet, daß wir hoffen, Gott, der uns von ihrem General, dem Teufel, erlöst hat, werde uns auch vor ihrem unchristlichen Beginnen, wie er schon bei der vor wenigen Tagen beabsichtigten nächtlichen Uebersteigung augenscheinlich gethan hat, aus Gnaden behüten. Gegeben Vinstingen – –

Ich kann nicht läugnen, daß, obschon ich in meinem Herzen diesen armen Leuten recht geben mußte und mich selbst bereits verwundert hatte, daß so greuliche Thaten nicht eher an uns getadelt und gestraft worden waren, ich doch theils wegen der Gesellschaft, theils auch, weil es mir in den Säckel trug, die Sache ebenso stark wider sie betrieb als irgendeiner. Keiner von uns wollte viel reden wegen dieses Schreibens: denn so unverhofft es uns zukam, so trefflich roch es uns allen in die Nase, daß wir deswegen einige noch gefangen gehaltene Bauern jämmerlich tractirten.

Um den Unmuth aber und den Teufel (von dem uns zu träumen anfangen wollte) zu vergessen, stellten wir wiederum eine köstliche Gasterei an auf den andern Mittag; dazu luden wir auch etliche Geistliche, welche zu bereden Bobowitz und ich verordnet waren. Nachdem der Pfarrer des Ortes, ein Mann von hoher Begabung und großer Geduld, die er bei zehn Jahren mit unglaublicher Gefahr und in Armuth durch Gott bestätigt hatte, dem es ganz fremd war, daß solche Leute wie wir zu ihm kamen, unsere Werbung gehört hatte, willigte er stracks ein mit diesen Worten: »Vielleicht will Gott, daß ich einem von den Herren noch dienen solle,« worüber ich mich bedankte. Bobowitz aber fuhr darauf heraus: »Der ist des Teufels, der eines Pfaffen begehrt, ich nicht! Wenn ich einen Pfaffen neben mir sehe, so stehe ich in Sorgen, daß ich muß hängen.« Ich bedrohte ihn darauf etwas mit dem Finger und strafte ihn freundlich. Der Pfarrer ließ einen Trunk herbei bringen und brachte mir auf unser beider Leib und Seelen Wohlfahrt eins zu, führte auch sonst so annehmliches Gespräch, daß ich fragte, ob er nicht morgen Predigt hielte, dann würde ich einmal in die Kirche gehen, da ich lange Zeit – um etwas anderes zu finden, als daß ich's aus Vorsatz thäte – deren keine besucht hätte. Er sprach: »Ja morgen, ehe wir zum Imbiß kommen, will's Gott.« Bobowitz, der in Furcht stand, er müsse auch in die Kirche gehen, sprach: »Bruder, du bist ein Narr, der ist des Teufels, der in die Kirche geht! Der ist des Teufels, der Predigt hört!«

Weil ich nun sah, daß so böse Worte dem guten Pfarrer mißfielen, und er sich bei uns fürchtete, ging ich fort; beim Hinausgehen gab ich dem Pfarrer zwei Dublonen, die sollte er meinetwegen bedürftigen hausarmen Witwen und Waisen um Gottes willen geben. Bobowitz, den dies heftig verdroß und ganz unsinnig machte, sprach: »Bruder, du bist ein rechter Hundsfott, du hättest lieber dies Geld den Spielleuten zum Besten geben sollen, sie hätten uns aufgespielt, bis der Teufel gestorben wäre; du bist ein rechter Narr: der ist des Teufels, der etwas um Gottes willen giebt!« Worauf der Pfarrer sittsam antwortete: »Ei ei, nicht so, mein lieber Herr! Was gilt's, er wird noch spüren, daß Philander dieses Geld in wenig Tagen hundertfältig wieder kriegen wird: Gott wird ihn behüten, während andere in Unglück kommen werden. Ihr Herren! fuhr er fort: glaubt mir, wenn einer nur mit solchem Herzen und solcher Gesinnung im Kriege dient, daß er nichts anderes sucht noch denkt als Gut zu erwerben und zeitliches Gut seine einzige Ursache ist, so daß er nicht gern sieht, wenn Frieden ist, daß es ihm leid ist, wenn nicht Krieg ist: der tritt freilich aus der Bahn und ist des Teufels, mag er auch aus Gehorsam und auf das Aufgebot seines Herrn kriegen.« Bobowitz, dem diese Worte in das Herz schnitten, kehrte sich zu mir und sagte mir in ein Ohr: »Der Pfaff soll mir diese Worte theuer genug bezahlen, der Teufel hole ihn dann.« Und zum Pfarrer sprach er: »Herr Pfaff, weil das Almosen soviel Kraft haben soll, kann er mir dann nicht etwas Geistliches zukommen lassen, daß ich fest werde gegen Hauen, Stechen und Schießen, dann will ich ihm auch ein Almosen geben?« Der Pfarrer antwortete: Simon Magus hätte auch von dem heiligen Apostel Petrus heilige Sachen um's Geld begehrt, aber den Dank werde Gott allen Simonischen widerfahren lassen. Doch wir möchten wieder mit ihm zur Stube zurück gehen, er wolle ihn lehren, wie er fest werden könne.

Als wir nun wieder hinein kamen, und der Pfarrer ein großes Buch aufsuchte, warf Bobowitz, als ob er ganz ernstlich dem Herrn Pfarrer zuhören wollte, seine Handschuh auf den Tresor und that den Säbel vom Leib. Der Pfarrer aber, nachdem er etliche Blätter durchsucht, las aus dem Buch also: »Es haben die Kriegsleute viel Aberglauben im Streit, da sich der eine dem St. Georg, der andere St. Christoph, der eine diesem, der andere jenem befiehlt. Etliche können Eisen und Büchsen beschwören, etliche können Roß und Reiter segnen, etliche tragen St. Johannis Evangelium oder sonst etwas bei sich, darauf sie sich verlassen. Diese allesammt sind in einem gefährlichen Stand, denn sie glauben nicht an Gott, sondern versündigen sich vielmehr mit Unglauben an Gott, und wenn sie sterben, müssen sie auch verloren sein. Es heißt wohl: der ist nicht stark, der in der Noth nicht fest ist; aber der Verstand dieser Worte sagt: wer nicht mannfest ist, wer nicht resolut ist, und auf Gott fest traut.

Der Soldat ist nicht gut,
Der nicht singt resolut;
Der nicht mannfest in Noth,
Der nicht fest traut auf Gott.

Gott kann beherzt machen, kann fest und schutzfrei machen, er kann unsichtbar machen, und das hat Bestand: was aber durch losen Aberglauben und Mißglauben vom Teufel geschieht, das gedeiht Leib und Seele zum Verderben. Kann nicht Gott den Feinden das Gesicht nehmen durch die Sonnenstrahlen, unversehens durch Wind, Rauch, Staub, Regen, Nebel, daß sie uns nicht sehen, und sich selbst untereinander nicht kennen? Kann er nicht ihre Sinne stürzen, ihre Gedanken und Sinne verwirren, daß sie nicht wissen, wo sie sind, einander selbst mißtrauen und Fehlschüsse in die Luft thun? Und dies alles und viel mehr kann Gott in einem Augenblick thun, wenn wir nur das Unsrige auch thun und ihm vertrauen. Wenn Christus dein Beistand ist, wird dir das Spinngeweb eine Mauer sein.«

Als nun diese Lehre dem Bobowitz viel zu schwer war zu glauben, und er etwas Anderes gehofft hatte, rief er: »Wer Teufel wollte aus den Dingen allen herauskommen! Laß uns nach der Herberge gehen: Gute Nacht, Herr Pfaff!« nahm seine Handschuh vom Tresor, und wir gingen miteinander fort. »Hab' ich nicht gesagt, sprach Bobowitz zu mir unterwegs: der Pfaff muß mir diese Worte bezahlen, der Teufel hole ihn dann; sieh da!« und dabei zeigte er mir einen silbernen Löffel, der auf dem Tresor gelegen, wohin er, um ihn zu erhaschen, die Handschuhe mit allem Fleiß geworfen und ihn so unvermerkt davon gebracht hatte.

Des andern Tages nun waren wir lustig und guter Dinge, und alles ging daher in floribus mit Tischen, Fressen, Saufen und Prassen, auf den alten Kaiser hinein, wie das üble Sprichwort lautet; und sobald an Speisen oder an den besten alten Weinen etwas mangelte, so mußte der Wirth Stöße von uns erleiden. Wir hatten aber auch bei uns noch etliche Bauern, die wir gefangen hielten; die vermeinten wir mit Saufen dahin zu bringen, daß sie ihre Rechnung machten; sie wohnten zwar der Zecherei bei, doch wollten sie nicht ganz einwilligen, weswegen sie hernach grausam gemartert wurden. Meines Wissens kam ihre Halsstarrigkeit daher, weil sie durch ein Lied, das ihnen Laffal zu Leid oder Lieb gesungen hatte, erschreckt worden waren. Es lautete:

Die's zahlen müssen, sind schon hie,
Drum freßt und sauft ohn' Sorg' und Müh'
Als wie die Küh':
Sie sind schon hie.
Die Bauern da trifft es jetzt an,
Sie müssen den Balg strecken dran,
Sich schinden lan (lassen),
Es trifft sie an, u.s.w.

Der Pfarrer aber, nachdem er eine halbe Stunde bei uns gewesen und unsere Tugenden kennen gelernt hatte, ging aus Furcht, daß er mit uns von der Erde verschluckt würde, unter dem Vorwand einen Kranken zu besuchen davon. Die Gesellschaft war darüber nicht wenig erfreut, denn sie scheute sich ihrerseits vor einem Geistlichen und mehr als vor dem Teufel. Nun begann erst alle Lust und Fröhlichkeit, und man verschwor sich einmüthig nicht von einander zu weichen, bis daß dies Vieh alles versoffen wäre. Ich muß bekennen, nachdem ich früh Morgens in der Kirche gewesen, war mir gar wohl, ich war darum auch desto fröhlicher als andere mit Singen, Springen und Bescheid-thun, womit alle trefflich zufrieden waren. Kurz, es hatte bei mir das Ansehen, als ob ich spornstreichs der Hölle hätte zulaufen wollen. Aber siehe die große Gnade des barmherzigen Gottes! Indem ich tobend und wüthend schnaubte alle Tugend, wo nicht auszurotten, so doch aufs wenigste zu beschmutzen, ging es mir wie dem Saul, daß mir däuchte, ich hörte wahrhaftig eine Stimme, die zu mir sprach: Philander, Philander, es wird dir schwer werden, so wider Gott und Gewissen zu streiten: so daß ich mitten im Tanz still stand und, als ob ich geschlagen wäre, nicht fort konnte. Ich setzte mich deswegen ein wenig zur Ruhe beiseits und bedachte bei mir, was für eine Stimme das wäre, die ich gehört. Jemehr ich aber den Worten nachsann, jemehr ward ich durch den Geist Gottes gerührt, so daß ich einen Abscheu und Ekel gewann vor allen diesen großen Untugenden, die ich verüben sah, und mir eifrig vornahm, sobald ich mit Fug könnte davon kommen, keine Gelegenheit zu versäumen: bat auch Gott von Herzen, daß ich auf einer Partie von den Feinden möchte gefangen werden. Wenn auch dies nicht geschehen sollte, so nahm ich mir doch ernstlich vor, mich von dieser Gesellschaft abzuthun und bei der ordentlichen Besatzung des Ortes zu dienen.

Was die Besatzung Benselden S. darüber die Einleitung. betrifft, so ist gewiß, daß dieselbe gegen uns zu rechnen ein viel gottesfürchtigeres, ja himmlisches Leben führte. Es ging bei ihnen alles in guter Ordnung her: alle Löhnung wurde den Soldaten richtig bezahlt; wer sich im Geringsten vergriff, der wurde gestraft; kein Fluchen, kein Spielen, kein Huren, keine Mordthaten wurden gehegt, sondern nach Umständen mit Strang und Schwert, mit der Wippe, mit Spießruthen, mit dem Stock, mit der Geige belohnt. Wer etwas Löbliches that, wurde gelobt, hervor gezogen und befördert; alle Tage hielten sie ihre bestimmten Betstunden, alle Wochen hörten sie zwei Mal Predigt; ein jeder ging nach vollbrachter Wache seiner Arbeit nach, der Bauersmann wurde reich bei dem Soldaten und der Soldat war mit dem Bauer wohl zufrieden: so daß mir däuchte, was immer von ehrlichen redlichen Soldaten geschrieben und zu lesen, zu reden und zu hören wäre, das wäre einzig und allein von denen in solcher Besatzung zu verstehen, nimmermehr aber von denen, die zu Felde lägen, insonderheit wie wir, die wir ohne Gesetz und ohne Ordnung und auf freier Straße lebten, als ob weder Gott noch Himmel, weder Teufel noch Hölle gewesen wäre.

Damit ich nun in meinem guten Vorsatz gefestigt würde, gab mir Gott zwei starke Herzstöße auf einander, die mich endlich dieses Wesen, wenn ich nicht bei dem nächsten Ausritt gefangen würde, doch sicherlich hätten quittiren machen. Das geschah also: Gegen fünf Uhr Abends, da alles mit Saufen drunter und drüber ging und wir den Wein in uns geschüttet hatten in Massen nicht anders, als ob wir eben erst aus der Hölle kämen und von innerlichem Feuer erhitzt wären, auch viel Wein unnütz verschüttet und verdorben war: da merkte der Doctor, daß ich traurig war, und da er gern die Ursache erfahren hätte, so setzte er sich zu mir. Ich klagte ihm meine herzliche Noth und bewog ihn, daß er gar leicht in mein Vorhaben einwilligte, wie wir uns auch zuvor oft verabredet hatten. Bobowitz und Laffall, die dies und noch mehr von uns verdroß, ließen ein Spitzglas von fast zwei Ellen hoch einschenken und brachten uns beiden dasselbe zu: auf Gesundheit des frömmsten Soldaten, der die meisten Kühe gestohlen. Als wir uns aber mit dem großen Glase entschuldigten, sprach Bobowitz: »Der ist des Teufels, der nicht mit säuft, hurt und bubt wie wir alle!« Ich erwiderte, daß ich ja einmal schon mein Bestes gethan hätte und nicht mehr so viel trinken könnte und verschwur mich; Bobowitz hingegen verschwur sich, wenn ich nicht tränke, müßte ich des Todes sein. Battrawitz, der dies hörte, kam dazwischen und sprach: weil ich nun einmal nicht alles trinken wollte und es auch verredet hätte, so möchte ich einen einzigen Tropfen wegschütten, dann wäre mein Schwur erfüllt, und Bobowitz würde sich dann auch nicht zu beschweren haben. Bobowitz aber wollte hierin nicht einwilligen, sondern sagte, ich müßte des Todes sein, wenn ich etwas ausschüttete; ich sollte aber ein Tröpfchen im Boden lassen, das wollte er zugeben, dann wäre beiden ein Genüge geschehen. Der Doctor, ein kleines Männchen, aber herzhaft genug, sprach: »Meiner Treu! soll dir dieser den Tod drohen?« und zu Bobowitz: »Was meint ihr Herren, haltet ihr uns nicht Manns genug, wider Gewalt uns zu schützen, daß ihr uns den Tod so androht wie einer feisten Gans?« »Was willst du Schriftling, du Blackvogel sagen? versetzte Bobowitz; mache du nur die Gurgel fertig das Glas auszusaufen, oder du mußt sterben.« »Ich bin ein kleines Männchen, sprach der Doctor; aber ich versichere dich Bobowitz, du wirst einen Mann an mir finden, und der ist des Teufels, der sich vor einem Großen fürchtet! Ich will einem noch weisen, was hinter einem kleinen Männchen und hinter der Feder steckt! In dem kleinen Leibchen ist Herz für zwei Mann.

Vermeinst du, daß ein kleiner Mann
Sein' Faust auch nicht gebrauchen kann,
Und wohl so gut 'ne That im Feld
Vollbringen wie ein Doppelheld?
In Wahrheit, wenn es treffen gilt,
So sieht man nicht auf Helm und Schild,
Sondern auf den, der mit dem Schwert
Sich in dem Treffen männlich wehrt.
Was wohl viel eh'r mit besser'm Muth
Kann üben ein geringes Blut,
Als einer, der im Sattel fest
Sich mächtig viel bedünken läßt.
Drum ob ich schon so klein dasteh'
Und dir kaum an den Gürtel geh',
Sollst du mir doch bald sehen an,
Ich sei so gut wie du ein Mann.

(B. Ringwald: Lautere Wahrheit)

Ihr Herren wißt noch nicht, daß Julius Cäsar einer von der Feder gewesen ist; der Kaiser Augustus ist anno 709 von der Gründung der Stadt im neunzehnten Jahre seines Alters aus der Schule zur Regierung, von der Feder zum Degen, von den Büchern zum Kaiserthum gelangt: und viel andere römische Kaiser, Könige und Fürsten mehr. Ich selbst habe oft gesehen, daß ein Gelehrter und ein Soldat in einem Sattel gesessen hat. König Heinrich IV. von Frankreich hat besser gewußt, was hinter der Feder steckt, er hat aus Erfahrung ein ganz anderes Urtheil über die Gelehrten gefällt: ich nehme, pflegte er zu sagen, meine besten Soldaten von der Feder. Ich sage noch einmal, Bobowitz, du weißt nicht, was hinter kleinen Männchen und hinter der Feder steckt.« Diese Rede verdroß den Laffall sehr von dem Doctor, so daß er sprach: »Was wolltest du Schriftling wissen: hast wohl noch keinen todten Mann gesehen als in der Zeit, wo du bei uns bist, und hast da erst ein wenig Federn bekommen.«

Der Hochmuth und die Einbildung Laffalls stieß mich nicht wenig vor den Kopf, und wiewohl mir vieles Großsprechen und Plaudern von meinen eigenen Thaten (insonderheit in Gesellschaften, wo ein jeder seine Streiche gern lobt) sehr zuwider ist, so konnte ich doch auf diese groben Einbildungen nicht schweigen und sagte ihnen: Meine Herren, thut euch nicht so sehr hervor, da ihr kaum drei Jahr habt lernen die Straßen fegen. Ich meine, wenn es zum beweisen käme, ich wollte darthun, daß ich Kapitän gewesen, ehe einer von euch beiden hat können ein Pistol führen, und trotzdem mancher einen ehrlicheren und glaubwürdigeren Brief und Schein hat aufzulegen. Wenn ich auch nicht in so vielen Feldschlachten gewesen bin, als eurer etliche aufschneiden, so habe ich doch nicht minder bei der Vertheidigung der Orte, in die ich als Commandirender gelegt war, mich rechtschaffen und als ein ehrlicher Soldat verhalten, daß ich euch allen Trotz biete. »Sauf du fort, sprach hierauf Bobowitz, sauf rein aus, oder es wird dir übel gehen!« Da schüttete ich um meinen Schwur zu erfüllen nicht mehr als einen Tropfen aus dem Glas. Kaum aber hatte ich dies ausgeschüttet, da hatte ich eine ungeheure Maulschelle von Bobowitz; doch wohl vorbereitet stieß ich ihm Wein und Glas ins Gesicht, daß ihm das Blut herauslief, und mir der Fuß vom Glas in der Hand blieb, wo ich das Zeichen noch trage, dann warf ich auch den Fuß nach ihm: Laffall aber, der dazwischen drang um uns auseinander zu bringen, wurde von dem Fuß an das Knie getroffen bis auf den Knochen, daß er auch blutete. Der Doctor und ich standen für einen Mann, und das Scharmützel wäre gewiß redlich angegangen, wenn wir nicht von den andern, welche alle herbei gelaufen kamen, von einander gerissen wären.

Die Streiche waren kaum geschehen, als sie uns auch schon gereuten. Gleichwohl wurde Bobowitz, weil er eine so närrische und unnöthige Gesundheit angebracht, und weil er den Anfang gemacht hatte, von allen gescholten, und wenn die beiden nicht blutrünstig gewesen wären, so würde der Streit mit einem Trunk ohne Verletzung der Ehre wohl beigelegt sein. Doch Bobowitz sprach: wenn ich ein ehrlicher Kerl wäre, so sollte ich morgen erscheinen, denn er wollte mein Blut auch sehen; und wer den andern könnte schlafen legen, der sollte den Preis haben.

Darauf gab ich ihm die Hand und brachte ihm eins zu, worauf er mir Bescheid that. Laffall war auch heftig an den Doctor gerathen und warf ihm vor, daß, wenn er nicht gewesen, der Trunk längst herum gegangen wäre und ohne Streit, und er schwur, daß er ihn ebenfalls vor der Faust sehen wollte: was ihm der Doctor, wiewohl ungern, versprechen mußte. Denn obschon wir lieber Frieden halten wollten, so mußten wir doch mit Gewalt daran, es war uns lieb oder leid, da sie, jemehr wir zurückhielten, jemehr auf uns drangen, wie bei solchen Prahlhansen Brauch ist, womit sie uns zu schrecken vermeinten. Laffall drohte, er wollte den kleinen Kerl in der Mitte von einander brechen, er wollte ihn auf die Achsel nehmen und mit ihm nach Ungarn laufen ohne zu ruhen, er wollte ihn morgen früh zur Brandsuppe fressen, ehe wir beide vor das Thor gingen. Mir ward selbst Angst vor den Doctor, aber er hatte ein gutes Herz und sprach: ich sollte seinetwegen ohne Sorgen sein, er kenne diese Prahler gut genug (und er sagte einige lateinische Worte zu mir). Da sie aber wissen wollten, was das gesagt wäre, so versetzte ich: Ihr Herren, weil Laffall sich so groß gegen den Doctor achtet, so hat er zu mir auf lateinisch gesagt: die rechten Krieger, die öfter bei Spöttereien gewesen sind, die zucken nicht so schnell, trotzen nicht und haben nicht Lust zu schlagen; aber wenn man sie zwingt, daß sie müssen, so hüte dich vor ihnen, dann schimpfen sie nicht: ihr Messer steckt fest, aber müssen sie es zucken, so kommt's nicht ohne Blut in die Scheide. Dagegen die tollen Narren, die zuerst mit Gedanken kriegen, die Welt mit Worten fressen und gleich mit Messern stechen, – die sind auch die ersten, die da fliehen und das Messer einstecken. – Sie standen hierauf alle plötzlich auf, und wir begaben uns schlafen. Laffall gab dem Doctor nochmals die Hand und sagte: »Gute Nacht Doctor, schlaf und befehle dich nur Gott wohl, oder ich trage dich heut zum Teufel! Ich aber befehle mich jetzt und morgen in meiner Liebsten Gnade und Huld – bei diesen Worten küßte er ein rothes Taffetband, das er an den Hut geknüpft hatte – und hoffe durch deren Gunst und Freundlichkeit den Doctor morgen schlafen zu legen.« »Und du, sprach Bobowitz zu mir, gute Nacht Philander, in des Raben Magen kommen wir wieder zusammen. Aber wir wollen morgen sehen, was dein gestriges Almosen kann, ob du wider meine Fäuste kannst sicher sein oder nicht.« Der ist ein Narr, erwiderte ich, der so auf Almosen pocht, daß er ein eigenes Verdienst daraus machen wollte; ich hoffe aber gleichwohl, die Hand Gottes und der Armen Gebete werden so kräftig sein und mich gegen deine närrischen Einbildungen wohl bewahren. – Aber behüte Gott, dachte ich bei mir selbst, was für ein Abend- oder Nachtwunsch ist das! Es müssen ja die Kerls in ihrem Gewissen versichert sein, was für ein Ende sie zu gewärtigen haben, da sie ihre Sache selbst so wohl bestellen und sie in des Raben Magen, das ist am lichten Galgen, erwählen: so daß wohl zu besorgen ist, wie ein anderes Soldatensprichwort oder Vexirwort lautet: es werde ihnen kein Hund auf das Grab seichen, er laufe denn eine Leiter hinauf. Große Worte, viel Aufschneidereien und mächtiges Bedrohen mußten wir von diesen Beiden hören: wie sie dies und das mit uns vornehmen, und so mit uns umgehen wollten, sie, die im Kriege auferzogen wären, manchen hingerichtet, manchen niedergelegt, manchem das Licht ausgeblasen, manchen schlafen gelegt, manchen Pfaffen gefressen und Landsknechte geschissen hätten; sie thaten, als ob sie den morgenden Tag nicht erwarten könnten. Aber wahrhaftig, ich wußte es in meinem Herzen und sah es aus all ihrem Wesen, Thun und Geberden, daß sie nicht so toll waren, wie sie sich es gegen uns annahmen. Sie waren eben geartet wie alle solche Großsprecher und Eisenbeißer, die Schwerter und Degen, Dolche und Rappiere, Pferde und Pistolen, Feuer und Dampf im Munde haben, und ist ihnen doch im Herzen recht angst und bang. Wahrhaftig, hundert und aber hundert werden so vor der Faust erstochen, unter denen nicht vier mit einem rechten Muth und unverzagten Herzen auf die Wiese gehen. Ich selbst könnte deren etliche mit Namen nennen und mit Fingern zeigen, welche zur Bemäntelung ihrer Zaghaftigkeit in dergleichen Fällen getanzt, gesungen, gesprungen und sonst allerhand Fröhlichkeit sich angenommen haben, aber im Herzen gezittert wie Laub, geschwitzt, als ob sie in einem französischen Bad gesessen. Das thaten sie nur darum, damit sie die bevorstehende Gefahr vergäßen und durch andere Possen aus den Gedanken brächten: bald brachte mir Bobowitz eins zu, bald sang er eins, so daß er mich an die Kinder gemahnte, die im Finstern sind und um ihre Furcht zu vergessen anfangen zu singen oder zu rufen. Oefters sprach er: er könnte nicht warten, bis es Tag würde, sondern er wollte sich sogleich schlagen; aber wenn er nicht gewußt hätte, daß man es ihm verwehrte, er würde nimmer davon geredet haben. Denn wenn er am hochmütigsten redete, so war er in seinem Herzen am verzagtesten und vermeinte, allein durch hohe Worte mich zu schrecken und zu schlagen, weil er sich dessen mit den Fäusten nicht versichern konnte.

Der Doctor und ich lagen diese Nacht in einer besonderen Kammer, da wir uns wegen der morgenden Veranstaltung unterreden wollten. Behüte Gott, sprach ich, was sind das für Gesellen, die sich vor der Schlacht ermahnen und ermahnen lassen durch die liebliche Andacht ihrer Buhlschaft und sagen: Hui, nun denke ein jeglicher an seinen allerliebsten Buhlen! Erschrecklich ist's einem Christenherzen zu denken und zu hören, daß man in der Stunde, da man Gottes Gericht und des Todes Gefahr vor Augen hat, sich mit fleischlicher Liebe kitzelt und tröstet. Die so erstochen werden oder sterben, schicken freilich ihre Seelen auch ganz frisch in die Hölle ohne alles Säumen. – Der Doctor sagte mir, er wüßte einen Stoß, den ihm Laffall schwerlich ausschlagen würde, er wollte ihn von hinten zu durch und durch stoßen, ehe er es könnte gewahr werden, und es sollte doch redlich zugehen. Ich mußte über den Doctor lachen, so unlustig ich war, und sprach: Ei bei Leibe nicht, Herr, das wäre ein häßliches Stoßen von hinten zu durch und durch; das ist gewiß nicht von Julius Cäsar gelehrt worden, der hat seine Soldaten anders unterrichtet und gesagt: halt ihm den Degen richt gegen die Augen, stoße ihm nach dem Gesicht. Denn als Julius Cäsar, der erste römische Kaiser, mit Pompejus Magnus die Pharsalische Schlacht schlug, da hatte Pompejus eitle junge schöne und sehr unerfahrene Soldaten, denen mehr angelegen war, wie sie zierlich aufgeputzt seien, als wie sie männlich fechten wollten; Cäsar aber wußte wohl, sie würden sich vorsehen und hüten, daß sie nicht im Gesicht verwundet und verunstaltet würden. Denn sonst war es Brauch bei den Römern, daß man dreinschmiß, wie man zukam, bald in die Seite, bald auf den Kopf, auf das Schienbein und anderswo. Da rief Cäsar seinen Soldaten zu: miles, faciem feri! haut und stoßt ihnen nach dem Gesicht, so werden sie fliehen! wie auch geschehen ist. Pfui, das ist ein häßliches Stoßen von hintenzu. »Nun, nun, sprach der Doctor, ich hab's öfter probirt, wir wollen morgen sehen.«

Des andern Morgens um sieben Uhr, nachdem wir jeder ein halb Maß Wein getrunken und uns Gott befohlen hatten, gingen wir vor das Thor in den Brühl oder die Weiermatte, wie es genannt wurde; unsere Gegner kamen auch bald hernach, die waren aber plump voll und stellten sich ganz unsinnig. Ich nicht faul zog alsbald vom Leder, aber aus Unbedacht (der in solchen Fällen gar gemein ist, und den einer oft ohne Wissen wider sich selbst begeht) stellte ich mich in eine flache Tiefe, Bobowitz aber gegenüber stand um einen ganzen Schuh höher, wodurch er guten Vortheil gegen mich hatte. Wir fochten eine Weile und zuletzt liefen wir gegen einander ein, so daß beide Degen neben dem Leibe hingingen. Bobowitz warf sogleich seinen Degen bei Seite und ergriff mich in der Mitte, warf mich zu Boden und stieß mich mit den Knien gegen das Herz, als ob er mich radbrechen wollte. Ich aber behielt unterdessen meinen Degen in der Faust und stieß ihn mit dem Kreuz solange auf den Kopf, bis das Blut herausrann. Das ist nicht redlich gehandelt, schrie ich: Bobowitz, du bist ein Mörder! Auf diese Worte liefen die andern herbei und rissen ihn von mir. Er hatte mich mit Stößen übel zugerichtet, so daß ich lange Zeit die Schmerzen und großes Stechen fühlte und erst hernach in der Burg durch Expertus Robertus mit der grünen Salbe, die ich des Tages etliche Male in warmem Gerstenwasser trinken mußte, geheilt wurde. Mir that es aber doch wohl, wie ich sah dem Bobowitz das Blut den Rücken hinablaufen, worüber er wollte unsinnig werden; aber wir wurden sogleich beide gezwungen einander die Hände zu geben und uns so zu vergleichen.

Darauf kamen der Doctor und Laffall an einander. Der Doctor mußte öfter dabei gewesen sein, denn er sprang herum wie eine Elster, bald auf diese, bald auf die andere Seite, und Laffall, der dicken Leibes war, konnte sich nicht so geschwind wenden, um den Docter recht zu Gesichte zu bringen, bis der Doctor endlich seinen Vortheil ersah, dem Laffall einlief, sogleich auch das Rappier hinterrücks mit beiden Händen umkehrte und ihn von hinten zu in das Dicke stieß, daß er zu Boden sank, ehe er es inne geworden war. – Es gab nun wunderliche Gespräche: einer gab dem Doctor Unrecht, der andere gewonnen. Laffall aber entrüstete sich dergestalt, daß er dem Doctor den Tod und ihn mit dem Dolch aller Orten niederzustoßen schwur: was ihm aber fehl schlug, wie wir hernach hören werden. Laffall wurde in die Stadt hineingetragen, wir aber gingen, und beim Essen haben wir uns in Güte gänzlich wieder versöhnt. Von dieser Zeit an hat sich keiner, wiewohl wir nicht lange mehr beisammen gewesen sind, an mir reiben wollen, und sie haben mich für einen Mann und Soldaten passiren lassen. Bobowitz sprach: »Philander, jetzt sehe ich, daß dein Almosen und des Pfaffen Gebet etwas kann, sonst wollte ich dich zu Tode gestoßen haben; aber ich glaube fest, daß mich jemand zurückgestoßen hat, wiewohl ich niemand gesehen habe: und es machte mir schier eine Lust, auch etwas um Gottes willen zu geben.« Aber ich glaube unzweifelhaft, daß Gott durch seine Gnade mich erhalten hat, sonst hätte ich unter so vielen Bösewichten schwerlich anders als zu Schanden gehen können.

Wir brachten den Tag zu mit Spaziergehen. Des Nachts aber, nachdem ich Gott treulich gebeten, daß er mich mit Gnaden aus dieser Gesellschaft erlösen wolle, faßten der Doctor und ich den ernsten Vorsatz mit der nächsten Partie zu gehen, und wenn wir nicht heimlich abkommen oder gefangen werden könnten, alsdann um unseres Gewissens Sicherheit und Besserung unseres elenden Lebens bei der Besatzung in der Stadt uns zu verdingen, wo, wie oben gesagt, uns däuchte, daß es noch redlicher herginge, und wo ein Soldat von seiner Löhnung und dem, was er von seinem Feinde ritterlich holte, mit gutem Gewissen leben könnte. Behüte Gott, sprach ich, ich will nicht von den unchristlichen türkischen Thaten dieser Gesellschaft reden: aber wenn nichts weiter wäre als die greulichsten Reden, so sollten sie einen abschrecken, länger bei diesen hier zu bleiben. Ich habe in meiner Jugend auch den Katechismus und die Gebote Gottes gelernt, nämlich: wer nicht Predigt hört, wer den Oberen nicht gehorsam ist, wer nicht Buße thut, wer tödtet, wer säuft, wer hurt, wer stiehlt, wer dies und das thut, – der sei verdammt. Aber mein Gott, was für eine wunderliche Theologie und heilige Schrift, was für einen Herrgott müssen diese Leute haben? Wie können sie Glück, Heil und Segen haben? Wie könnte es möglich sein, daß sie nicht mit Leib und Seele verdammt werden sollten, indem sie die Gebote Gottes grade umkehren und freventlich sagen:

Der ist des Teufels, der barmherzig ist,
Der ist des Teufels, der nicht tödtet,
Der ist des Teufels, der nicht alles nimmt,
Der ist des Teufels, der nicht alles redet,
Der ist des Teufels, der nicht flucht, säuft und hurt,
Der ist des Teufels, der betet,
Der ist des Teufels, der der Frömmste ist,
Der ist des Teufels, der in die Kirche geht,
Der ist des Teufels, der Almosen giebt!?

Und wenn sie einen unter grausamer Marter ermorden, machen sie noch Scherz und Spott daraus, als ob es nur gespielt wäre, und sagen: sie haben einen schlafen gelegt, niedergelegt, schlafen gezündet, ihm das Licht ausgelöscht, wem sollte nicht vor diesen greulichen Dingen grauen?

Das Blut, das du, Jesu Christ
So theu'r mit deinem Blut erlöset
Wird verfolget und durchöset, Durchösen = vergießen.
Wird mit Schwert, Strang, Feuer, List
Hingerichtet und vergossen
Und geachtet für 'nen Possen.

Dergestalt also ist unsere verdammliche Fresserei und Sauferei zu Ende gekommen.

Nachdem sich nun unsere übrigen gefangenen Bauern nach vieler grausamen Marter endlich jeder um 25 Reichsthaler ausgelöst hatten, saßen wir wieder etliche Tage müßig. Da kam uns eine Feldtaube zu (so nannten wir unsere Kundschaftszettel) dieses Inhalts:

Es gingen zwei Heerden Klebiß und Hornböck unten am Wassigin bei Ellern-polender auf dem Gleichen am Flossart weit vom Stronbart; weil die Wacht schlecht bestellt ist, sind sie noch in acht Tagen gar wohl zu haben.

Daraufhin zogen wir an 55 Mann bei Tage fort und kamen in der Nacht um ungefähr zwei Uhr an den gedachten Ort. Wir sahen unsern Vortheil zum Hinterhalt aus, und ehe es zehn am Tage war, hatten wir das Vieh schon in unserer Gewalt und zogen mit ihm über das Gebirge durch unbekannte Wege und Felsen davon bis in die Nacht, wo wir unsere Pferde in einem bekannten Dorf in einer alten Scheuer absattelten und ihnen Futter gaben. Wir vermeinten, nun des Feindes Nachsetzen entgangen zu sein, aber zu unserem großen Unglück: denn als wir alle in großer Sicherheit und Müdigkeit eingeschlafen waren, kam plötzlich eine Losung von 20 Musketen zu der Vorderthür und zu den Fenstern hinein, worauf wir alle ohne Gewehre (etliche wenige ausgenommen, die ihre Pistolen, welche wir neben uns liegen hatten, erwischten) der Hinterthür zuliefen, die wir frei fanden und uns retteten doch mit Hinterlassung aller unsrer Pferde. Nur zwei, welche allein in der Scheuer gelegen hatten, entkamen auf ihren Pferden, der eine zwar tödtlich verwundet; von den andern lief der eine da, der andere dort hinaus, gleichwohl wurden fünf von uns gefangen, und wie ich später erfahren habe, sind sie zu D. gehenkt worden. Die übrigen sind elendiglich wieder nach Hause gekommen bis auf Battrawitz, den Doctor und mich. Wir drei liefen in Todesängsten fort ohne zu achten, was für Weg wir vor uns hatten und kamen vor Tag noch ins Gebirge hinein, wo wir denn erkannten, daß wir nicht fern von Alten Salm, einem Schloß, waren, wohin wir uns in großer Mattigkeit vor Schrecken als auch aus Mangel an Kraft und Saft endlich schleppten und den Tag mit Elend da zubrachten. Da war laufen unser höchster Reichthum, laufen war unsre Seligkeit. »Es ist, sprach der Doctor, keine Schande gut laufen zu können, es ist aber eine Schande gefangen zu werden oder gar hängen zu müssen; laßt uns laufen, so lange wir Füße haben!

Wer wohl läuft, thut recht daran,
Wer wohl läuft, wird nicht gefangen;
Mancher, der wohl laufen kann,
Ist dem Henker noch entgangen.
Mancher von dem Strick entrann.
An dem er sonst wär' gehangen.«

Unterwegs merkte ich erst, daß ich meine Sporen vergessen hatte, aber St. Velten hätte sie geholt! Es ist ja doch eine elende Stutzerei nach den Sporen zu fragen, wenn man keine Pferde hat; sprach daher zum Doctor: Ist das nicht ein Sporn, daß einer sein Elend so vergessen soll! »Deguld, Deguld, es wird einmal besser werden!« sprach der Doctor; was wir also sprachen, das war aus Furcht und Angst hinterst zu vorderst gebracht.

In dieser Einöde aber fing uns an das Gewissen noch mehr aufzugehen, und wir betrachteten erst, was wir gethan und wie gottesvergeßlich wir gehaust hätten: 1) in üppigem Leben, da keine gemeinen Fressereien und Saufereien mehr bei uns gelten wollten, sondern alles mit neuen viehischen Anstalten mußte fortgesetzt werden; 2) mit unchristlichem Fluchen und Gotteslästern; 3) mit unerhörter Marter, Peinigung und Morden; wenn ich auch selbst dies nicht gethan hatte, so hätte ich dem doch oft ganz oder um ein Bedeutendes vorbeugen oder wehren können. O der elenden Gedanken, die wir in diesen öden Orten hatten! Alle diese Gedanken kann ich mir noch vorstellen, wenn ich den Spruch nur sehe oder höre, der in einer Wand im Hofe eingehauen stand, doch durch das Wetter sehr verzehrt ist. Diese Worte setzte ich hierher, wie sie dort stehen:

Embsig beten, früh uff ston,
Allmoß geben, Kirchen gohn,
Hilfft auß Noth und stot ouch schon.

Weil wir uns nun weiterer Verfolgung befahren mußten, so setzten wir uns auf dieser Höhe unter die Pforte des alten Schlosses, von wo wir um uns in die Ferne sehen, aber unsern Jammer nicht übersehen konnten. Neben dem Gewissen plagte uns der Hunger bis zur Unsinnigkeit; in meinem Quartier hatte ich bei 1000 Dukaten, die ich in kurzer Zeit aus den armen Leuten erzwungen hatte, und bei mir trug ich allezeit um ein gutes Pferd zu kaufen, wenn mich die Noth angegriffen hätte. Aber da war weder Bäcker noch Weinschenk noch Fleischhacker, der mir dies Mal um Geld geben wollte; vielweniger durfte ich rufen aus Furcht, daß mich irgend ein Wildschütz oder Bauer ersehen könnte, der mir ohnedas den Rest würde verdientermaßen gegeben haben. Da konnte ich mir meine Rechnung selbst gar leicht machen: ich war ein braver Koch, denn ich konnte mir nun selbst anrichten wie ein Hund, der Gras frißt. Ja freilich, dachte ich:

Ein löchricht Beutel ist zur Hand
Zu sammeln ungerechte Güter:
Denn all Vorrath wird bald zu Schand,
Da hilft kein' Wacht noch Hüter.
Des Herrn Rach' kommt überall,
Das ist leicht zu ermessen:
Wie man thut, geschieht ihm gleichfall,
Denn Gott kann nichts vergessen.

Das sage ich darum, weil in der damals folgenden Nacht meine beiden Gefährten, auch der Doctor, von mir kamen, da auf ein Geräusch sich der eine hier, der andere dort verkroch; dazu hatte ich mein Geld, das ich ein paar Stunden zuvor dem Battrawitz in Verwahrung gegeben, verloren. Nun ist es Zeit, sprach ich zu mir selbst, daß ich dieses Leben abthue, ehe es gar noch Leib und Seele kostet: und es war mir in diesen Gedanken so leicht, daß mir däuchte, es hätte mich Hunger und Durst schon verlassen. Ich beschloß nun mich endlich davon zu machen.

In der Nacht aber, als ich durch das Gebirge fortwandelte und das Land hinunter wollte, geschah es, daß ich im Thal auf einer Wiese durch ein Gesicht aufgehalten wurde, das war also: Ich sah einen stattlichen Kerl in Gestalt eines Vierzigers mit einem großen Federbusch, dem liefen zwei Strick feuriger Hunde nach, die rissen ihm das Fleisch aus dem Leibe, daß die Flammen heraus schlugen, und er rief: Quartier, Quartier! Aber ich hörte eine Stimme, die sprach: hetzet ihn, hetzet ihn! Der elende Tropf ist das Muster aller heut genannten gewissenlosen Soldaten, der seit dem böhmischen Unwesen je gewesen ist, der sich an den ersten Contributionsgriffen so voll gefressen hat, daß man ihn nothwendig zur Verdauung seines Füllwanstes täglich muß also hetzen und jagen. Und so, so wird allen denen abgelohnt werden, die ihr eigenes Vaterland verderben helfen, die ihre Gewalt im Kriege mißbrauchen und nicht sowohl nach dem was redlich als was nützlich ist, sehen.« Indem trat ein langer schwarzer Mann in Mitten der Matte auf mit einem schwarzen Stäbchen in der rechten und einem feurigen Buch in der linken Hand, und nachdem er das Buch aufgethan und selbst zweimal Stilla ho! gerufen hatte, las er aus dem Buch folgende (lateinische) Worte:

Kraft des ariovistischen Senatsbeschlusses.

Den Feinden des Vaterlandes werden die Ehren entzogen, die Mörder, die Räuber, die Henker der Bauern, die Feinde Gottes werden in der Hölle zerfleischt; die Verräther des Vaterlandes, die Geißeln der Unschuldigen werden gehängt; die Gottesläugner, die Betrüger, die nur zum Verderben des Vaterlandes und zur Schande gelebt, werden vernichtet, ihr Gedächtnis, ihr Name, ihre Denkmäler werden zerstört!

Als er diese Worte verlesen hatte, brach er den Stab entzwei. Nachdem nun dieser Kerl noch lange Zeit unter großem Zetergeschrei gehetzt worden war, lief er endlich von der Wiese hart an mir vorbei und ließ etwas Feuriges fallen mit diesen Worten: Da nimm hin deinen Lehrbrief! Ich aber hielt mich hinter einem Baum voller Schrecken, wie ich ihn sah auf mich zukommen.

Als das Gesicht verschwunden war, legte ich mich nieder und entschlief, halbtodt vor Mattigkeit und Angst, und nachdem ich erwachte und um mich sah und an das Gesicht dachte, überkam mich ein Schauder, denn es hatte mir ohnehin seit drei Nächten meist nur von schrecklichen Dingen geträumt. Ich suchte aber, was mir der Elende hingeworfen hatte und fand einen auf Pergament geschriebenen langen Brief, den ich von Wort zu Wort, nach Anweisung der lauteren Wahrheit, hierbei setzen will. Er lautete also:

Der Soldaten Lehrbrief. Aus: Die lautere Wahrheit, wie sich ein weltlicher und geistlicher Kriegsmann in seinem Beruf verhalten soll, von B. Ringwald.

Wer sich zum Kriegsmann werben läßt,
Soll sein fromm, redlich und faustfest:
Er soll nichts fürchten als nur Gott
Und nach ihm seines Herrn Gebot,
Er soll nicht üben Tag und Nacht,
Bis daß er werd' zum Mann gemacht
Und lerne aus Erfahrung wohl,
Wie man dem Feind begegnen soll.

Sobald er nun zu einem Pfand
Hat Geld empfangen auf die Hand,
So soll er lassen alle Sachen
Und sich in Eil' zum Haufen machen.
Er soll nicht ziehen auf die garde
Nach der diebischen Laufer Art,
Noch von einem Dorf zum andern laufen,
Hühner stehlen und Brot verkaufen.

Wenn du nun reisest deine Straß'
Zum Musterplatz, das Mausen laß:
Dazu dein Futter und dein Mahl,
Wenn du Sold kriegest, wohl bezahl'
Und bei den Freunden nicht zu weit
Auf Fütterung und Beuten reit',
Daß man dich nicht mit einem Spieß,
Da man die Küh' anbind't, erschieß'.

Zum vierten auch gut Fleiß ankehr',
Daß deine Rüstung, Büchs' und Wehr
Fein hurtig, reinlich, blank und frei
Und ja nicht schlimm staffiret sei,
Auf daß du auf dem Musterplan
Nicht schimpflich werdest ausgethan,
Sondern vor'm Hauptmann wohl bestehst,
Und redlich durch die Must'rung gehst.

Du sollst nicht darum ziehn zu Feld,
Daß du allein viel Gut und Geld
Mit spielen, schatzen, fressen, saufen,
Mit raufen, morden, beuten, laufen
Gewinnen wollst, wie viel' auf Erden
Allein nur darum Krieger werden
Und achten es für ungefähr.
Als ob ihr Herr der Teufel wär'.

Denn obschon einem oft gelingt,
Daß er etwas zusammen bringt,
So hat er doch bei keinem Bissen
Ein recht beständig gut Gewissen,
Und 's findet sich dereinst mit Zeit,
Daß solcher Reichthum nicht gedeiht,
Sondern gewinnt ein schnelles End'
Und kommt zuletzt in fremde Händ'.

Du mußt Gott und dem Vaterland
Zu Schutz und Ehren thun Beistand
Und dich oft ducken, hucken, schmiegen,
Oft wenig schlafen, übel liegen,
Oft hungern, dürsten, schwitzen, frieren,
Bald was gewinnen, bald verlieren
Und allenthalben des Unfalls dein
Und deines Glücks gewärtig sein.

Und wenn du nun in deinem Stand
Dich tummelst in der Feinde Land,
Derselben ein'ge niederlegst
Oder sie aus dem Lager schlägst,
Und dir darüber durch dein Schwert
Wird eine gute Beut' bescheert:
So magst du sie wohl nehmen an,
Wie das Getreid' ein Ackermann.

Wer also kämpft und bleibt im Feld,
Der stirbt auch wie ein rechter Held.
Behält er dann das Leben sein
Und bringt doch nichts als Wunden heim:
So ist er dennoch auf der Erd',
Solang' er lebet ehrenwerth,
Man soll ihm billig, wenn er alt
Ist worden, geben Unterhalt.

Du Kriegsmann merk' auch den Bericht:
Verlass ja deinen Bruder nicht,
Wenn etwa ihn die Noth befällt
An G'sundheit, Rüstung oder Geld:
Sondern streck' ihm nach all Gebühr
Aus deinem Säckel etwas für,
Auf daß er ja an seinem Leib
Nicht Schaden nehm' noch liegen bleib'.

Und du, dem man also mit Rath
Und auch mit That gedienet hat:
In deiner Noth folg' dem Bericht
Und denk' daran, vergiß es nicht
Und deinem Bruder wiederzahl',
Auf daß er auf einandermal
Dir wied'rum Dienst und Treu beweis'.
Wenn dir was mangelt auf der Reis'.

Denn welcher, wie er vorbedingt,
Was er entlehnet, wiederbringt:
Der darf zu seinem Nutz und Frommen
Ein ander Mal wohl wiederkommen;
Wer aber aus Vorsatz und Muth
Sich mit der Zahlung lausen thut,
Mit diesem undankbaren Raben
Will niemand gern zu schaffen haben.

Hingegen auch, wer Leut' beschwert
Und mit den Zinsen überfährt,
Vom Hundert, wie es jetzt aufkömmt,
Zwölf oder zwanzig Gulden nimmt,
Oder wohl ein'ge Malter Korn:
Der fällt gewiß in Gottes Zorn
Und in das ew'ge Halsgericht,
Wenn nicht rechtschaffne Buß' geschicht.

Nimm wohl in Acht die Mittel dein
Und laß dich nicht in Bürgschaft ein,
Dieweil der Glaub' zu unsrer Frist
Bei vielen ganz gefallen ist,
Drum manche Leut', die sich verschrieben,
Sind in der Suppe stecken blieben
Und worden so gröblich beschämt,
Daß sie sich drob zu Tod gegrämt.

Doch in der Noth sollst du für den
Als guter Mann zu Bürgen stehn,
Thu redlich und bei Zeit dazu
Und nicht die Zahlung sparen thu,
Bis du merkst an den Sachen dein,
Daß Schulden mehr als Güter sein:
Wer nicht für seinen Bürgen steht,
'Nen rechten Diebstahl der begeht.

Du junger Kriegsmann nimm in Acht
Die sich versuchet in der Schlacht
Und die oftmals vor ihrem Feind
In Sturm und Feld gewesen sein:
Von diesen lerne Kriegesbrauch,
Frag sie, wie thun? und folge auch
Und sei nicht schnell in deinem Muth
Ein eigenwitz'ger Klügling gut!

Auch vor der wilden Brüder List
Hüt' dich, soviel dir möglich ist:
Denn sie mit Spiel und andren Dingen
Den jungen leicht in Unglück bringen
Oder sonst wider all Gebühr
So lose Händel nehmen für,
Daß man sie läßt vorm hellen Haufen
Am grünen Baum im Hanf ersaufen.

Und damit du vor solcher Pein
Mögst all dein Lebtag sicher sein,
So schreib ja in dein Herze tief
Den löblichen Artikelsbrief
Und merk' wohl, was er immerzu
Gebieten und verbieten thu',
Auf daß du wie ein redlich Knecht
Mögst nach demselben leben recht.

Die Losung fass' desgleichen wohl,
Auf daß, wenn man sie sagen soll,
Du sie fein deutlich ohn' Beschwer
Kannst, dem's gebühret, sagen her
Und nicht besorgen, daß man dich
Verehren möcht' mit einem Stich,
Wie manchem Krieger wohl geschicht,
Der seines Herren Ordnung bricht.

Dein's Herren Zeichen alle Tag
An deinem Leib im Felde trag'
Und verwechsle 's nicht mit falschem Muth,
Wenn's Glück im Feld sich wenden thut.
Sondern stehe fest und bleib' dabei
Und hab' des Zeichens keine Scheu,
Auf daß du nicht darfst hören an,
Du hab'st 'nen falschen Eid gethan.

Hör' mehr, du Kriegsmann, was ich sag':
Dein G'wehr all' Stunden bei dir trag',
Laß solches nicht aus deinem Sinn,
Iß, trink, geh, sitz, lieg, schlaf darin,
Auf daß, wenn dich der Feind greift an,
Er dich nicht bald erwürgen kann
Als einen, der wie in 'nem Bett
Kein' Wehr in seinen Fäusten hätt'.

Du Kriegsmann merk' auch eben das,
Daß du nicht sei'st ein Bruder Naß,
Der stets wie 'ne versoffne Flieg'
Im Weinhaus vor dem Zapfen lieg'
Und nicht eher kann recht lustig sein,
Er stecke denn voll Bier und Wein:
Da doch kein so beschankter Mann
Vernünftig was gebären kann.

Das Saufen bringet groß Beschwer,
Es macht Tasch', Speicher, Keller leer
Und jagt gewaltig aus dem Haus
Bett, Kessel, Kann' und Schüssel aus,
Giebt hanfne Kleider, böse Schuh,
Verachtung und viel Spott dazu
Und endlich diesen harten Klapp, –
'Nen Kuhstrick oder Bettelstab.

Ja die verschwärzte Trunkenheit
Eröffnet Herzens Heimlichkeit
Und alles, was darinnen steckt
An Gut und Bösem auf sie deckt.
Manch guter Mann, sonst ehrenfest,
Beim Trunk ein Wörtlein fahren läßt,
Was ihn hernach zur nüchtern Zeit
In seinem Herzen sehr gereut.

Gar mancher weiß zur nüchtern Zeit
Von sich zu geben gut Bescheid,
Ist treu, verständig, fromm und gut,
Den jedermann liebkosen thut:
Wenn aber ihn der Trunk erschleicht.
All sein Verständnis von ihm weicht,
Thut närrisch, schreit, springt hin und her,
Als wenn er ganz von Sinnen wär'.

Mancher, wenn er beim Trinken sitzt,
Von Klugheit wird also erhitzt,
Daß er alsdann all' vor'ge Sachen
Beim Wein und Bier will richtig machen
Und stichelt wie ein neid'scher Hund,
Und was sein Herz weiß, sagt der Mund
Und mit so vollem Unbedacht
Ganz unverschämt die Leut' ausmacht.

In Vollheit giebt sich mancher bloß
Und beichtet ungemartert los
Von vielen Bubenstücken fort,
Die er verübt an manchem Ort.
Mit welcher Beicht' sich solcher Held
Denn selber vor den Leuten fällt
Und öffentlich bezeuget frei,
Was wohl von ihm zu halten sei.

Ein andrer, wenn er hat gesoffen,
Hält immer seine Klapper offen,
Setzt sich zu rühmen immerfort
Und fällt 'nem jeden in das Wort
Und will sein ein versuchter Mann,
Der nur allein viel lügen kann:
Drum man ihn auch aus welschen Meißen
Sollt' Marquis von Mentiris heißen.

Mancher kriegt ein so garstig Maul,
Daß er nur red't von Zoten faul
Und schonet weder Groß noch Klein
Und achtet's ihm 'ne Ehr' zu sein,
Bis er zuletzt zu Wege bringt,
Daß Hader über Tische springt;
Ein solch wüst, garstig grunzend Schwein
Laß drauß, wenn man gut Ding will sein.

Ein andrer will dann Hochzeit machen.
Schafft guten Leuten was zu lachen,
Setzt sich zur Jungfrau frischermaß
Und mit derselben löffelt was
Und meint, er sei der schönste Hahn,
Will niemand mit ihr tanzen lan:
Der doch des andern Tages eh'r
Nicht wohl ein Wort darf sagen mehr.

Ein andrer weiß mit Gaukelreigen
Gleich wie ein Aff' sich zu erzeigen
Und wie ein rechter Hase frisch
Springt über Stühle, Bänk' und Tisch',
Mit welchen Possen er die Leut'
Gleichwie ein junger Bock erfreut,
Daß wohl ein Pfeifer mit dem Sack
Mit seiner Kunst es nicht vermag.

Ein andrer dann mit voller Weis'
Andächtig zu erseufzen weiß,
Als wär' er voller Heiligkeit
Und ist Bier und Barmherzigkeit
Und alle Ding' so herzlich meint,
Daß er darüber Thränen weint,
Und so zuletzt gleich wie ein Schaf
Geduldig sinkt in einen Schlaf.

Ein andrer zieht aus auf die Straß'
Und hätte gern ich weiß nicht was,
Und wie 'ne naschigt mausend Katz'
Nach jedem Speck schlägt mit der Tatz'
Und meint, all' Dinge so er seh'
Nur ihm allein zu Diensten steh'n:
Bis daß mit Stößen abgezogen
Nach Haus zu gehn er wird bewogen.

Ein andrer will jedweden fressen
Und thut als wenn er wär' besessen,
Bis er dadurch zu Wege bringt,
Daß einer zu ihm naußen springt
Und sich versucht an ihm mit Kraft,
Daß 'runter fließt der rothe Saft;
Mancher also wird an der Stätt'
Erwürget hin ohn' all Gebet.

Ach wenn die Kriegsknecht' sammt den Herrn
Heut nicht so gar versoffen wär'n,
So könnten sie ja ihre Kraft
Nach angeborner Eigenschaft
Besser beweisen mit dem Degen
Und wie vor Zeiten Ehr' einlegen,
Und würden sich nicht selbst so schwächen,
Durchlöchern noch zu Boden stechen.

Du Kriegsmann merk' auch den Bericht:
Befleiß dich ja des Spielens nicht.
Denn mancher hat sein junges Leben,
Sein Gut und Ehr' beim Spiel gegeben,
Kommt in Armuth und große Noth,
Zu einem schnellen bösen Tod
Und endlich wird so zugericht't,
Schlimm durch das hanfne Fenster sicht.

Du Kriegsmann merk' hieneben auch,
Daß du nicht nach gemeinem Brauch,
Getrieben von dem bösen Geist,
Ein dummer Gotteslästrer sei'st:
Als wohl bei uns in kurzer Frist
Der schlimm Gebrauch entstanden ist,
Daß jeder will von Groß und Klein
Mit Fluchen hoch gesehen sein.

Du Kriegsmann merk' auch den Bescheid
Und dich nach Art der Deutschen kleid',
Die nicht so köstlich Kleider trugen
Und doch den Feind zu Boden schlugen:
Ich halt' etwas von einem Knecht,
Der ausstaffirt sich schlicht und recht,
Und wenn da ist das Kriegen aus,
'Nen Sack voll Thaler bringt nach Haus.

Du Kriegsmann halt auch kein Bankett,
Das über dein Vermögen steht,
Laß es den thun, der's besser hat
Als du, und halt das Dein' zu Rath:
Denn wenn es in die Länge währt
Und du dein Gütlein hast verzehrt,
So werden sie mit vielem Lachen
Sich allgemachsam von dir machen.

Doch sollst du nicht bei Bier und Wein
Ein lausiger Schmarotzer sein,
Wie mancher thut, der sich verkriecht.
Wenn er ein wenig Gäste riecht,
Läßt sagen, er sei nicht zu Haus
Und guckt darnach zum Fenster raus:
Ein solcher wird verspott't, verlacht
Und wie ein laus'ger Hund geacht't.

Und weil der leid'ge Uebermuth
Bei den Soldaten wohnen thut,
Indem sie alle sich befleißen
Einander auf die Köpf' zu schmeißen,
So kriegen doch die meisten Narren
All' solche Streiche, Stoß' und Schmarren
In Backen, Augen, Händ' und Kopf –
Nur bei der Kart' und vollem Kropf.

Wenn du mit Ehr' willst werden alt
Des Ausforderns dich nur enthalt',
Sei mit der Fuchtel nicht geschwind,
Daß dir nicht einer kratz' den Grind,
Wie manchem Schnarcher widerfährt,
Der seines Bruders Blut begehrt
Und ihn ausfordert mit Verdruß,
Daß er sich mit ihm schlagen muß.

Merk' auch, wenn du in einem Strauß
Von einem wirst gefordert aus,
So geh' nicht gleich mit blindem Sinn
Raus zu dem tollen Narren hin;
Schweig' still, duld' dich, vernünftig weich'
Und geh' dem Esel aus dem Streich,
Thu' wie ein Christ und Gottes Kind,
Dein' eigne Bosheit überwind'.

Doch wenn dich einer also schmäht
Und mit dem Degen auf dich schlägt
Und thut vor Zorn als wär' er toll,
Dich fressen und zerreißen woll':
So wehr' dich, wie das Sprichwort laut't,
Als wie ein Mann um deine Haut
Und sieh, daß du mit kecker Faust
Dem Feind die erste Schlappe haust.

Mein Kriegsmann, folg' auch dem Bericht:
Vertrautes offenbare nicht.
Sondern im Herzen fest verschweig'
Und keines Mann's Verräther sei,
Auf daß man dein Gemüth erkenn'
Und dich nicht einen Schwätzer nenn',
Und dir zu ander Zeit mit Maß
Man widerum vergelte das.

Mein Soldat, merk' auch diese Lehr':
Red' niemand an sein Glimpf und Ehr',
Denn wer sich zu dem Lügen wend't,
Verleumdet, lästert, eifert, schänd't,
Der ist vom bösen Feind gebor'n,
Hat aller Menschen Gunst verlor'n,
Und kommt zuletzt mit großer Schand'
Selbst in der Feinde Macht und Hand.

Du Ehrenmann, bei Mann und Frau'n
Sollst niemand zu der Fleischbank hau'n.
Viel weniger die Leut' verhetzen
Ihn'n desto härter zuzusetzen;
Irrt einer etwas an den Dingen,
Hilf ihn nicht gleich zum Galgen bringen:
Ich hab' gesehn manch bös' Geschrei
Aus Neid auf ein'n erdichtet sei.

Die Lügner, Rätscher, Ehrendieb',
Die haben sich als Brüder lieb,
Sind recht Geschwister nach dem Blut
Und thun all' drei, was einer thut;
Sie treffen auch mit wahrem Schein
In allen Stücken überein,
Und kommen auf die Letzt' zusamm
In einem dürren Eichenstamm.

Mein Kriegsmann hör' noch mehr Bericht:
Veracht' dein' Rottgesellen nicht,
Unangesehen daß du dann mehr
Mögst haben Ansehn, Gut und Ehr'.
Es liegt nicht allzeit an dem Stand,
Schwert, Rüstung oder rascher Hand,
Sondern am Glück: wem's Gott bescheert,
Derselbe mit der Braut heimfährt.

Wenn du, Soldat, in kurzer Frist
Zu hohen Ehren kommen bist,
So sollst du deiner Abkunft fein
In aller Demuth eingedenk sein;
Sieh zu, daß du ja nicht vergißt,
Wer dein' Eltern und Freund' gewest:
Wie mancher nicht fein hat gethan.
Der sich zuviel bedünken lan.

Und du, den Gottes Will' und Rath
Zum g'meinen Knecht verordnet hat,
Der will, daß auf der Erden weit
In Ständen sei ein Unterscheid:
Denn wenn ein Knecht nicht bei der Fahn',
Dem andern nicht ist unterthan,
So würden sie sich selber schlagen
Und aus dem Feld zum Teufel jagen.

Derhalben, du geringer Held,
Der du bist hintenan gestellt.
Und kaum vier Gulden Sold einnimmst
Und selten vor den Kaiser kömmst:
Glaub mir, wer nur ist ehrenfest,
Gott fürchtet, sich genügen läßt
An seinem Stand, der hat genug,
Lebt wohl und ist rechtschaffen klug.

Mein Kriegsmann merk' auch diese Lehr':
Gieb' große Acht auf Zucht und Ehr',
Denn Gott der Herr schenkt's keinem Knecht,
Der Jungfrau'n oder Weiber schmäht,
Oder sich sonst mit Huren nährt
Und wider Gottes Ordnung fährt,
Als wie ihr'r ein'ge in der Fahn'
Unehlich' Weiber um sich han.

Lach' nicht des Spießgesellen dein,
Wenn er halb hinkend geht herein
Und im Gesicht blaß und verbleicht
Vor großen Schlägen sich nicht gleicht;
Sondern bedenk', daß auf dem Plan
Dir Gleiches widerfahren kann,
Wenn dich des Herren Angesicht
Genädig wollt' bewahren nicht.

Wer ohn' Befehl läuft hin zum Streit,
Das ist gar keine Männlichkeit:
Denn solcher Vorwitz in dem Feld
Hat manchen seinen Mann gefällt,
Daß er mit Spott zurück getrieben,
Oder gar auf dem Platz geblieben;
Wer nicht will und sich hüten kann,
Der muß den Spott zum Schaden han.

Ihr edlen Hauptleut' allesammt,
Feldwebel, Fähndrich, Lieutenant,
Schaut, daß ihr als die Häupter gut
Euch jederzeit befleißen thut
Ehrbaren Wandels, aufgericht't
Zu sein des ganzen Haufens Licht,
Darnach sich jeder jung und alt
Im Lager und im Feld verhalt'.

Denn wer sich selber üben wollt'
In dem, was er sonst strafen sollt',
Als huren, saufen, fluchen, schwören,
Stehlen, spielen und leicht begehren:
Wie wollt' ihr dann die andern Knecht'
Und Reiter darum strafen recht?
Der ist nicht mann- und ehrenfest,
Wer thut, was er verbieten läßt.

Ihr Befehlshaber wohl genannt
Im niedrigen und hohen Stand,
Die ihr mit Ernst und doch mit Lust
Den ganzen Zug regieren mußt
Und allenthalben schauen zu,
Daß jedermann sein Bestes thu':
Seht, daß ihr ja das Regiment
Bedächtig führt zu allem End'.

Geht in dem Lager auf und nieder,
Seht in all' Winkel hin und wider,
Ob Reiter und die Kriegesknecht'
Sich im Quartier verhalten recht.
Ob sie fein munter sind und wach,
In Achtung nehmen ihre Sach'
Und mit der Rüstung wider'n Feind
Nach aller Noth staffiret seind;

Oder ob sie beim Spiel und Saufen
Gott lästern und sich selber raufen,
Oder dergleichen Sachen führen,
Die den Kriegsknechten nicht gebühren:
Wie huren, mausen, Beuten-gehn
Und ihre Wacht kaum halb versehn,
Wie's während dem wohl kommen kann,
Wenn sie nicht hart zu kämpfen han.

Wenn ihr mit eurem Licht vielleicht
Bisweilen mal herum wohl schleicht,
So werdet ihr mit solchen Dingen
Bei manchem Knecht zu Wege bringen,
Daß er sich besser als zuvor
Mit Degen, Spieß und langem Rohr
Im Lager und an jeder Stätt'
Staffiren und erzeigen thät.

Vornehmlich auch ihr Hauptleut' wohl,
Wenn man mit Feinden schlagen soll,
So seid die ersten bei dem Brei
Und schmeckt, wie er gesalzen sei,
Auf daß die andern Brüder gut
Durch euren Fleiß, Herz, Ernst und Muth
Auch neben euch ohn' alles Grauen
Frisch schießen und darauf zuhauen.

In Wahrheit wenn ein Oberster
Geht endlich an der Spitze her
Und seinen Kopf auch strecket dran,
So wird beherzet jedermann
Und setzen dann mit Lust darein,
Daß keiner will der schlimmste sein,
Und also auf den Feind zuschmeißen,
Als wollten sie ihn gar zerreißen.

Wenn aber sie zurücke kriechen
Und können nicht das Pulver riechen,
So wendet sich von Stund alsdann
Ein jeder der sich wenden kann;
Daraus dann kommt der ganzen Schaar
Ein' unvermeidlich' groß' Gefahr:
Wenn sich der Obrist scheut zu wagen,
So ist das Regiment geschlagen.

Es soll ein weiser Obrister
Die Schmeichler von sich treiben fern
Und falsche Leut' nicht um sich leiden,
Die andern ihre Ehr' abschneiden
Und sie mit ihren Lügensachen
Angeben und verdächtig machen:
Denn oft aus unbedachter Hast
Den Frommen wird groß Ueberlast.

Wer gar am Tisch von Leuten sagt
Und einen hinterrücks verklagt,
Dem soll man ja nicht glauben bald,
Es ist mit ihm gar schlecht gestalt't:
Hör' und beschick' 'nen solchen Mann
Der bei dir ist gegeben an,
Auf daß er nicht ohn' alle Ruh'
Um Rach' wider dich schreien thu'.

Ihr Knechte, die ihr wohl gerüst't
Den Obristen gehorchen müßt
Und euch von ihnen in der Fahn'
Nach ihrem Kopf regieren lan,
Schaut, daß ihr sie aus reinem Muth
Als eure Väter ehren thut
Und ihnen nach gethanem Eid
In allem fein gehorsam seid.

Gehorsam ist im Kriegesheer
Fürwahr die allerstärkste Wehr;
Der Ungehorsam aber trennt
Ein wohlbestelltes Regiment,
Und 's muß ein ungehorsam Tropf,
Der alles thut nach seinem Kopf,
Endlich erfahren groß' Gefahr
Und Gingel Gangel nehmen wahr.

Ihr Obristen und ihr Hauptleut'
Seht, daß ihr ja stets einig seid
Und euch nicht drängt, wer hoffahrtsvoll
Im Feld den Vorzug haben soll,
Auf daß ihr nicht mit eurem Zank
Die Knechte liefert auf die Bank;
Wenn ihr laßt Haß und Eifer sehn,
So ist die Schanz' leicht übersehn.

Wenn ihr nun an die Feinde sollt
Und eine Feldschlacht halten wollt,
Bei welcher, wie ihr selber wißt,
Das Lachen zu verbeißen ist:
So schaut, daß ihr bei Tag und Nacht
Mit allem Ernst euch fertig macht
Und also richtet Pferd und Wagen,
Als sollt ihr jede Stunde schlagen.

Laßt euch bei Leib kein Geld verblenden
Ihr Hauptleut', daß ihr euch wollt wenden
Und eure Knecht' mit Leib und Leben
Den Feinden in die Hände geben;
Behüte Gott! das wär' nicht gut,
Ihr hättet Schuld an allem Blut
Und würdet ihr dazu auf Erden
Von aller Welt gescholten werden.

Wenn ihr nun fort mit euren Stücken
Den Feinden wollt entgegen rücken
Und alles gegenseitig kracht,
Trompet' und Trommel Lärm dann macht.
Daß jeder Knecht und Reiter fromm
Ein unverzagtes Herz bekomm':
So gebt dem lieben Vaterland
Zu Dienst das Leben mit Bestand.

Darnach behend, auf's Best' ihr wißt.
Das ganze Heer zusammenschließt,
Dazu die Ordnung in dem Feld
Auf allen Seiten wohl bestellt;
Desgleichen richtet an der Spitz'
Gar meisterlich das Feldgeschütz
Und macht die Glieder auch mit Fug
Sammt allen Flügeln stark genug.

Und wenn ihr nun recht wohl geschickt
Dem Feind im Feld entgegen rückt
Und gegen euch die große Schaar
Mit euren Augen werd't gewahr:
So fallt zuvor mit wahrer Buß'
Dem Herren Jesu Christ zu Fuß
Und sprecht mit inniglicher Stimm'
Von Herzensgrund also zu ihm:

Du Siegesfürst, Herr Jesu Christ,
Der du der rechte Helfer bist
Und dich nur deren nehmest an,
Die die gerechte Sache han:
Sieh doch, mit welch bereiter Hand
Uns und das arme Vaterland
Durch dieses Volk der böse Feind
Ganz und gar zu vertilgen meint;

Weil aber, Herr, in allem Krieg
Die Ueberwindung und der Sieg
Nur ist an dir und deinem Segen
Und nicht an Roß und Mann gelegen,
Denn du beid', Roß und Mann und Wagen
Im Augenblick kannst niederschlagen,
So gieb uns einen Heldenmuth
Wider das hochvermeßne Blut,

Auf daß durch ihre Niederlag'
Dir heilig werde dieser Tag.
Erhalte Herr, durch deine Hand
Den Glauben und das Vaterland,
Bewahr' uns vor der Feinde Joch,
Auf daß sie sehn, du lebest noch
Und hilfst gewaltig deiner Schaar,
Die sich auf dich verlassen gar.

Dann greifen frisch wir zu der Wehr
Für Gott und unsres Fürsten Ehr',
Und wollen sie durch deinen Arm
Hinrichten wie die Hühner warm.
Das hilf du uns Herr Jesu Christ,
Der du der rechte Helfer bist
Zu Trost der armen Christenheit,
Daß sie dich lob' in Ewigkeit. –

Wenn nun also geschehen das,
So laßt euch nur nicht grauen was
Und wißt, daß unter euch kein Mann
Ohn' Gottes Willen fallen kann;
Und ob gleich einer würd' erschossen,
So kommt er zu den Bundsgenossen
Des Herren Christi, die gar fein
Im Himmelreich gekrönet sein.

Darum ihr Kriegsleut' jung und alt
Hinan! Denn Gott von oben walt't,
Her, her, in Gottes Namen her
Mit euren Rohren und Gewehr
Und kehrt euch nicht an ihr Geschrei,
Ob es schon noch so stürmisch sei,
Aus Frevel sind sie so vergessen,
Dieweil sie Gottes han vergessen!

Nur freudig dran Reiter und Knecht',
Recht männlich in die Ordnung brecht,
Her, her, all' her in Gottes Nam',
Macht diese wilden Leute zahm
Und gegen sie euch so geberd't,
Als ob ihr alle Teufel wär't!
Wir wollen sie durch Gottes Segen
Bis auf das Haupt darnieder legen.

Wenn es nun muß gestorben sein,
Wohlan! so gieb dich willig drein
Und denk' in dieser letzten Noth
An deinen lieben Herren Gott
Und im Gebet dann immerzu
Den Namen Jesu rufe du,
Und schrei mit Herzen und Begier
Herr Jesu, nimm den Geist zu dir! Amen.

Bedenk' dein End', das Fleisch betäub',
Bet' immerdar, an Christum gläub'.
Wart' des Berufs, geduld', verzeih'
Und steh' der lieben Wahrheit bei;
Den Stolzen, Geizhals, Lügner frech
Flieh' ärger als das Feu'r und Pech
Und nimm des Todes immerdar
Mit richtigem Gewissen wahr. –

Nachdem ich diesen Brief gelesen, war mir noch besser als zuvor. Als ich mich dann bei der nächsten Quelle erquickt hatte, ging ich getrost fort mich in meinem Herzen versichernd, Gott würde mich nicht lassen verderben, wenn ich nur mit reinem Herzen auf ihn hoffen und trauen würde. Ja mein barmherziger Gott und Vater, sprach ich, laß du mich nur nicht, auf daß ich dich nicht lasse!

Auf meinem Wege bescheerte mir Gott ein großes Brot durch einen Hirtenknaben, der etliches Vieh im Gebirge verloren hatte; den packte ich an, doch als er schreien wollte, ließ ich ihn mit dem halben Brot wieder gehen und um meiner Verfolgung zuvorzukommen fragte ich ihn nach Dagsburg zu; ging aber einen andern Weg hinter Geroldseck am Wassigin vornüber drei Meilen weiter abwärts nach dem Vogelstein, wie man ihn zu nennen pflegt, vielleicht aus dem Grunde, weil folgende Schrift darein gehauen ist. Auf der Ostseite:

Hier liegt unter diesem Stein
Rab', Fuchs, Katz', Hund, Bär, Wolf, Schwein;
Ist, will doch kein Vogel sein.

Es wolle hier der hochgeneigte Leser zur Nachricht wissen, daß das große elsassische Vorgebirge genannt wird auf Latein Vosagus, auf Französisch Voge, auf Deutsch Wassigin: daher heißt das Land hinter dem Gebirge la terre de Voge, la Voge (vielleicht auch hat das Land über Lausanne seinen Namen le pays de vo, le pays de voge oder les Vaulx daher, weil das Waß-Gebirge sich bis an das burgundische Schweizergebirge erstreckt). Bei Elsaßzabern liegt ein zerstörtes altes Schloß zwischen zwei andern, das wird genannt Geroldseck am Wassigin, und das Land, das hinter und in diesem Gebirge liegt bis Weißenburg, wird geheißen das Waßgau, worin auch die alte Burg Geroldseck gelegen ist, von der ich diese Gesichte geschrieben habe; weiter nach dem Gebirge zu liegt das zerstörte Haus Wasseburg, Bitsch, Hunnenburg, die Hunnau und andere.

Des andern Morgens früh, als ich noch bei einem Wasser in der Ruhe lag, wurde ich unversehens von einem Streifcorps aufgeweckt und davon geführt, ohne daß ich erkannte, von wem es geschehen wäre. Nachdem mir aber der Schlaf aus den Augen und der Schrecken aus dem Herzen etwas vergangen war, und ich die Kerls beschaute, da däuchte mir, sie müßten aus der Burg Geroldseck sein, und ich wußte nicht, ob ich mich darüber zu freuen oder zu betrüben haben würde; doch ich tröstete mich des Alten, den ich daselbst noch anzutreffen verhoffte. Es ging also fort, und gegen Mittag ritten wir durch die Klüfte, deren im ersten Gesicht gedacht worden ist, in die Burg ein. Ich wurde aber nicht gehalten wie vor diesem, sondern ohne viel Fragens dem Unterthürmer übergeben, der mich sogleich zu allerunterst in den Burgthurm setzen mußte. Von diesem Thurm herab, wie beim ersten Gesicht gemeldet ist, konnte man wegen seiner Höhe das ganze Land übersehen; er hatte aber so starke und dicke Mauern, daß ein geladener Wagen gut darauf hätte umwenden können. In diesen Thurm also wurde ich zu allerunterst gelegt. Ich will nicht sagen, daß ich 24 Stiegen hinab unter die Erde gehen mußte, von denen jede mit zwei starken eisernen Thüren verwahrt, verriegelt und verschlossen war, denn es möchte etwas aufschneiderisch scheinen: wiewohl, wenn ich dem Freymund glauben soll, der auch einst in dieser Tiefe gelegen, mir derselbe betheuert hat, daß es nicht nur 24, sondern 99 Stiegen gewesen und jede so lang, daß man bei einer Fackel das andere Ende kaum hat sehen können; dann müßte ich also 75 Stiegen überhüpft und im Hinabfallen ihrer vergessen haben. Aber gleichwohl wurde mir der Weg und die Zeit so lang, daß ich nicht anders glaubte, als daß wir beide durch die Erde auf jene Seite der Welt durchschlüpfen wollten: und wie ich später vom Thürmer vernommen habe, ist er erst des andern Tages gegen Abend wieder hinauf gekommen, obwohl er nicht die Stiegen hinauf gegangen, sondern durch einen dazu gemachten Haspel ist hinauf gezogen worden.

Wie lange ich in diesem Thurm gelegen, kann ich nicht wissen, weil darin weder Sonne noch Mond, weder Uhr noch Glocke, noch Unterschied des Tages oder der Zeiten zu erfahren, sondern eine gleich-finstere Ewigkeit und eine ewige Finsternis zu verspüren gewesen ist: so daß ich mir etliche Mal vorstellte, als ob ich in dem äußersten Lappland oder hinter Novaja Sembla wäre, wo die Leute das Jahr durch nur eine Nacht haben, welche ein halb Jahr währt. Ich machte meine ungefähre Rechnung, daß ich an acht Tage da gesessen, da ich zuweilen wie durch einen Traum oder durch ein mit vielen Krümmungen ausgehöhltes langes Rohr so viel Licht des Tages sah, als ob es der Gegenschein eines Gegenscheins von einem Licht gewesen wäre, was daher so dunkel war, daß, wenn ich die Augen ein wenig davon abkehrte oder zuthat, ich eine halbe Stunde lang genau um mich sehen mußte, bis ich den Ort dieses lichtdunklen Scheins wieder fand. Ich glaube auch, wenn man ein Licht in dieses Gefängnis gebracht hätte, es wäre von der dicken greifbaren Finsternis alsbald erstickt worden, denn der Ort war von feisten dicken Dünsten, welche die Oede und die im Bauch der Erde verschlossene Feuchtigkeit verursachen, ganz erfüllt.

Wie schwer, wie unmöglich das Herauskommen und wie tödtlich mir der Ort auch vorkam, so hatte ich doch in meiner größten Angst und Noth, wo ich nicht verstehen noch wissen konnte, wie mir zu helfen war und den Tod vor Augen sah, Trost aus Gottes Wort und hielt mit herzlichem Seufzen und Rufen zu Gott in beständiger Geduld so fest, daß ich oft ganz muthig war und mich erinnerte des de profundis, aus der Tiefe ruf' ich Herr zu dir!

Und ob es währt bis in die Nacht
Und wieder an den Morgen,
Doch soll mein Herz an Gottes Macht
Verzweifeln nicht noch sorgen.

Da mir aber die Zeit und Weile in diesem Harren etwas schwer ward, da dachte ich, wie es in solchen Kreuzfällen zu geschehen pflegt, mit Seufzen daran, wie es jetzt um die Meinigen stehen möchte, die von mir nichts wüßten und ohne Hilfe vielleicht gar zu Grunde gehen müßten – denn ich bekenne hiermit öffentlich vor Gott und aller Welt, daß je und allezeit dies mein einziges größtes und höchstes Anliegen gewesen ist, daß den Meinigen bei so betrübten Zeiten allein an notwendiger Auferziehung zu allen Tugenden von mir möchte gerathen und geholfen werden. Das ging mir eben tief zu Herzen, so daß ich mich niedersetzte und seufzte und klagte, daß es die rauhen glattgefrorenen Quadersteine hätte erweichen müssen. In dieser Bekümmernis bin ich auch eingeschlafen. Aber nicht lange hierauf kam mir vor, als ob ein alter ehrbarer Mann, nicht Expertus Robertus, sondern ein anderer, heiligen Ansehens, vor mir stand und sang:

Er will uns allzeit ernähren,
Leib und Seel' auch wohl bewahren,
Allem Unfall will er wehren,
Kein Leid soll uns widerfahren;
Er sorgt für uns, hütet und wacht,
Es steht alles in seiner Macht.

Bei dieser Stimme erwachte ich plötzlich und sah um mich: es war hell in dem Thurm, und es glitzerte die Mauer wie ein schwarzer Spiegel. In der schwarzen Mauer las ich folgende Worte mit vergüldeten Buchstaben eingeschrieben: »Ich hoffe, daß uns Gott wird versehen mit allem dem, was wir bedürfen.« Aber ich sah keinen Menschen, that deswegen halb furchtsam die Augen wieder zu, wiewohl kein Schlaf mehr darin war.

Jemehr ich aber dieser Stimme, diesem Gesang, diesen Worten nachdachte, jemehr fand ich, daß wahrhaftig alles Schickung Gottes sein müßte, der auch kraft seiner Allmacht mein geängstetes Herz und die innersten Gedanken gesehen und mir zum Trost diesen Botschafter zugesandt hatte. Da fing ich in mir selbst wieder an Muth zu kriegen und stand in unbezweifelter Hoffnung, daß Gott helfen werde, wenn es Zeit ist, und ich sprach überlaut:

Dieweil ich leb',
An dir ich kleb',
O Herr mein Gott.
In aller Noth
Allein an dich
Ergeb' ich mich;
Mach's wunderlich,
Nur seliglich.

Acht Tage, meines Wissens, mußte ich so mit ein wenig stinkendem Wasser und Brot, das mir an einem Seil hinuntergelassen wurde, zubringen, bis ich endlich, weil ich sowohl wegen der Stöße, die mir Bobowitz gegeben, als auch vor Mattigkeit, Schrecken, Hunger, Bekümmernis und Gestank tödtlich krank wurde, heraus gethan und in ein düsteres Stübchen gelegt ward, wo man meiner etwas besser warten ließ. Wie ich aber hinaufgekommen, ob ich gegangen, gefahren oder geritten bin, das weiß ich gar nicht: warum wollte es denn ein andrer zu wissen begehren? Nach wenigen Tagen aber, allem Anschein nach weil ich etwas zeitlicher genesen war als ich selbst verhofft hatte, sollte ich wieder in den Thurm gehen. Deswegen stand der Alte meinetwegen in nicht geringen Sorgen und legte bei den hochedlen Helden eine Bitte für mich ein. Als nun so meine Geduld und mein erlittenes Unglück bekannt wurde und man sah, daß ich mit Reue nun ziemlich gebüßt, auch mich theils gebessert hätte, wurde dem Alten nach drei Wochen zu mir zu gehen vergünstigt; der sagte mir, wie hart es meiner Erledigung wegen gehalten, und daß er, ehe ich wieder auf freien Fuß gestellt werden könnte, sich meiner Gesellschaft in etwas entäußern müßte.

Ich wurde nun der Luft wieder etwas gewohnt und vermochte durch die Pflege mich wieder aufzurichten; Nachts wurde ich in das Thurmstübchen getragen, damit ich an den im Burghof vorgehenden täglich abwechselnden Ereignissen mich ergötzen und mich desto eher erholen und fortkommen könnte. Da sah ich viele und wunderliche Dinge, die dies Mal zu erzählen nicht meines Vorhabens ist, auch will es die Zeit und der Ort nicht mehr leiden noch zugeben; aber es waren wunderliche Dinge, viel wunderlicher als alle, die ich geschildert habe. Nur diese zwei folgenden will ich erzählen.

Eines Tages nach dem Mittagessen ließen sich zwei Personen anmelden, ungleichen Ansehens und ungleicher Gestalt, denn der eine war von Aussehen grüngelb mit einem breiten schwarzen Bart und langer Habichtsnase; der andere mit einem rothen Bart, vier Augen im Kopf und zehn Fingern an jeder Hand und hundert Diebs- (wollte sagen Schieb-)säcken. Als man aber wissen wollte, wer sie wären? sagte ihr Mitmann, daß jener ein Jude, dieser ein Commissarius wäre. »Behüte Gott! sprach Gutrund, wie hat das Glück diese zwei so vertraulich zusammengeführt!« denn den Geberden nach waren sie für Brüder zu achten, so guten Willen und freundliche Blicke gaben sie einander. »Das muß ja etwas Besonderes bedeuten, sprach Thurnmeier, daß zwei sonst so ungleiche Personen, von denen jeder gern hätte, was einem andern zusteht, weswegen sie sich sonst auch stets im Herzen gehaßt haben, jetzt so freundlich und brüderlich mit einander verfahren.« »Gewiß wird diese Freundschaft nichts Gutes und den Antichrist mit sich bringen oder es wird über einen unschuldigen Dritten hergehen, versetzte Freymund; denn so ungleiche Sinne können sich nimmermehr zusammenreimen: große Hitze und große Kälte in einem Hafen kochen wollen, giebt gewiß ein Wetter. Diejenigen Gelehrten müssen nicht gut im Gehirn beschlagen gewesen sein, als sie gesagt haben: gleich und gleich sich gern gesellt. Denn weiß und schwarz kann ja nicht ungleicher sein als diese Beiden, und sind doch so gute Gesellen.« »Vögel von demselben Gefieder gehen alle in einen Schlag, sagen die Franzosen: das ist aber so wenig wahr, als ich König in Brasilien bin,« sprach Gutrund.

Aus Besorgnis aber, daß sie diesen Tag nicht möchten zur Audienz gelangen, hatten sie einen Drittmann, einen Vorsprecher, mit sich gebracht, einen guten Schlucker, noch einer von den Alten, die die Nase und das Messer auf dem Aermel wischten. Der kam herbei und sprach: »Ich sehe und merke wohl aus meinem Abc, daß ihr auch lesen könnt, ihr Herren. Was gilt's, ihr verwundert euch, daß meine beiden Parteien hier so einig sind, während sie doch vor euren Augen so ungleichen Wesens und Standes sind. Ich aber verwundere mich vielmehr, daß sie so ungleiches Wesens und Standes sind, da sie doch so einig sind nach der Schullehrer Weise: ein Scheerer scheert den andern. Es mögen Ew. Gnaden lernen, daß heutiges Tages nichts auf Erden einander ähnlicher sei als ein Jude und ein Commissarius wegen der Gleichheit ihrer Werke, wie wir aus der Erfahrung sehen. Denn wie vor Jahren kein Commissarius gewesen ist, der nicht gern seinen Leib dem Teufel übergeben hätte, damit ein Jude wäre gehängt worden: so ist heutiges Tages kein Commissarius, der nicht seine Seele dem Fitzliputzli versetzte für einen Juden. Es ist zwar dem Menschen nichts ähnlicher als ein Mensch, aber auch nichts gehässiger als ein Mensch. Das alte Sprichwort lautet: einer ist des andern Wolf; aber billiger sollte man heutiges Tages sagen: einer ist des andern Jude, einer ist des andern Commissarius. Es sind alle Commissarien Juden, und alle Juden sind Commissarien, darum sind sie einander gleich in ihren Werken.« Als sie auf Befehl selbst hinzu traten und nach ihrem Anliegen gefragt wurden, baten sie, vor den alten deutschen Helden selbst Audienz zu haben, um zu erkunden, ob die Juden vor Zeiten auch so verhaßt gewesen wie jetzt und ob die Commissarien dazumal auch hätten leiden müssen, daß man sie Diebe schalt wie jetzt. Es wurde ihnen alsbald geantwortet, sie sollten sich eine Weile gedulden, da die Herren Räthe eine ganz gleichförmige Sache zu erörtern hätten zwischen Müllern, Schneidern und Webern, die einander auch in die Haare gerathen und sich dreierseits Diebe gescholten hätten; sie sollten unterdessen ein wenig in dem Garten spazieren gehen, bis ihnen Bescheid würde. Die guten Tröpfe aber, welche glaubten, es wäre hier, wie es bei den Schreibern und Gerichtsdienern der Brauch ist, daß, wer seine Sache befördert haben wollte, unter der Hand oder vielmehr unter dem Hut in der Hand eine Schmiere zuschieben müßte: boten dem Referenten etliche Thaler an, der sich aber entschuldigte und mit Entrüstung sprach, daß sie sich mit solchen losen Handlungen von dannen packen sollten, da sie wohl wüßten oder wissen sollten, daß bei ehrlichen Deutschen, welche die Redlichkeit und Gerechtigkeit lieb haben, solches nicht Brauch wäre, bei welchen das Schmieren nicht fahren mache, sondern am Fahren lange Zeit hindere; bei einer guten Sache brauche man weder Procuratoren noch Advokaten, und es sei einem jeden erlaubt selbst die Wahrheit zu sagen: wofür sie sich mit großer Verwunderung bedankten. Gleichwohl kam es den Anwesenden sehr verdächtig vor, daß sie beide, sonst so widrige Personen, sich wie Brüder einander annahmen, worunter gewiß eine Betrügerei oder Tuscherei verborgen wäre; aber um diesem Argwohn zu begegnen nahmen sie sich öffentlich in die Arme, küßten sich und nannten sich Brüder, als ob sie wahrhaftig einer Mutter Kinder gewesen wären.

Die Wahrheit zu sagen: als wir dies sahen, wurde auf Befehl des Herrn Thurnmeier sogleich nach Calais in Frankreich und nach Mainz geschickt, um zu sehen, ob nicht der Rhein von Köln aufwärts gen Basel liefe, und ob man zur Ersparung der Kosten und zur Verhütung der Gefahr nicht trocknen Fußes auf freiem Boden nach England hinüber gen Dover gehen könnte: denn so wenig man dies für möglich erachtete, so wenig hätte man auch eine so große Freundschaft zwischen widrigen Personen hoffen können. Es waren etliche, die sagten, wenn der Autor der Antipathie noch am Leben wäre, er würde sein Buch widerrufen oder leiden müssen, daß es unter die Apokryphen gezählt würde.

Um die Ursache dieser brüderlichen Vereinigung zu erfahren, nahmen wir ihren Vorsprecher beiseits und sagten ihm, es hätte sich entweder der Jude taufen oder der Commissarius beschneiden lassen, sonst würden sie sich nimmermehr lieben können. Der Vorsprecher aber antwortete, nein, es hätte der Commissarius sich nicht beschneiden lassen, doch hätte er das ganze Land so beschnitten, daß keine Frucht mehr darin zu hoffen sein könnte: und darum könnte man heutiges Tages in Wahrheit nicht zwei Personen auf Erden finden, die einander gleicher gesinnt wären als ein Jude und dieser Commissarius – im uralten Buch der Helden stehen die Worte: dieser Commissarius, weil andere und ehrliche Commissarien hierdurch gar nicht gemeint noch verstanden würden: auch wisse ein jeder selbst wohl, daß er redlich sei –. Denn ein Jude ist das Scheusal aller Christen, der Commissarius eine Furcht aller Menschen; wer nicht willkommen sein will, der sage, er sei ein Commissarius, und wer übel empfangen sein will, der sage, er sei ein Jude. Können die Juden Meineid thun ohne Gewissen, dieser Commissarius kann Gott verläugnen mit gutem Gewissen; der Commissarius weiß bei allen Ausflüchten einen Vortheil, der Jude auf alle Vortheile eine Ausflucht; die Juden werden außer Gericht, der Commissarius auch im Gericht für falsche Zeugen gehalten; der Jude giebt nichts vergebens, der Commissarius thut nichts umsonst; der Jude ist ein Spötter, der Commissarius ein Fretter nach dem Sprichwort:

Ein Commissarius ohn' Lohn,
Ein Jud' ohn' Spott, Meineid und Hohn
Sind zwei Buben in der Haut,
Der dritt', der diesen beiden traut.

Oder:

Ein Speicher ohne Mäus',
Ein Grindkopf ohne Läus',
Ein Jahrmarkt ohne Dieb,
Ein' Jungfrau ohne Lieb',
Ein Commissarius ohn' Vortheil, Griff und Lügen,
Ein gewissenloser Jud' ohn' Falschheit und Betrügen.

Ohne die Juden müßte die Welt ersticken im Geld, ohne Commissarien müßte die Ruhe erwürgen die Welt. Die Juden und Commissarien haben ein Gesetz und eine Freiheit, welches heißt Lügen und Trügen, wenn es ihnen nur einträgt. Die Juden sind die Marksauger der Christen, die Commissarien die Blutsauger der Christen: so daß also keine Klasse unter den Menschen zu finden ist, die einander gleicher ist als ein Jude und ein Commissarius.«

Daraufhin wurde ihnen ohne weiteres Anhören durch Hans Thurnmeier befohlen, sie sollten nur ihres Weges ziehen, man kenne sie schon genug; es wäre billig, daß je einer dem andern die Hände biete und wider aller Welt Dank mit Meineid und Trug einer den andern vertrete. »Ja, versetzte Freymund: es sollte einer eher ein Schelm sein als ein Commissarius.« Expertus Robertus sagte: »Ja, wenn nicht manchen die Noth zu solchen verhaßten Diensten triebe, er würde ihrer wohl gern müßig gehen, wenn er sonst Mittel oder Gelegenheit fände.« Aber der Commissarius kehrte sich um und sprach: »Ihr witzigen Herrn, ihr wißt doch nicht, wo mich der Schuh noch drückt; es ist noch etwas anderes in der Flasche, worüber ich mir gern Bescheid und Recht erholen möchte.« Und als ihm Zeit zu reden vergönnt war, sprach er: »Mein Schreiber, dem ich alle Treue gethan, hat mir hingegen allen Spott gethan und dieser Tage einem in das Stammbuch geschrieben: ein Commissarius ist ein Dieb. Ist das wahr? Muß ich das leiden? O der Untreue meines Schreibers, wem soll ich nunmehr trauen und glauben? Alle Welt bestiehlt und beraubt mich, alles schlägt mir zum Nachtheil aus, so daß ich fürchten muß, ich werde zuletzt gar in Armuth gerathen und im Spital sterben, da man mir ohnedas stets vor Ohren bringt: es sei kein Glück im Commissarius-Gut, der Fluch des ganzen Landes stecke darin. Ich darf mich weder auf meinen Schreiber, noch auf die Magd, noch auf die Frau selbst verlassen, und soll nun noch leiden müssen, daß man von mir sagt und schreibt, der Commissarius ist ein Dieb! Ich bitte also um guten Rath, wie soll ich mich verhalten, damit meine Sachen mehr Glück haben als bisher, oder ich bin verloren.« »Gemach, gemach Bruder, sprach der Jude, wo hinaus? Wolltest du gar verzweifeln? das wär' zu bald; gemach, gemach, sonst ist zu befürchten, daß dich ein hitziges Fieber anstoße wie den Judas und dich hinraffe; es ist zu spät zu sorgen, wenn man todt ist; thu wie ich, du wirst es gut befinden, thu wie die Franzosen sagen, so ist dir gerathen und geholfen: je weniger Ehre, umsomehr Gewinn. Man muß sich nicht über alle Sachen ein Gewissen machen, noch sich eines häßlichen Namens schämen. Sagen nicht die Italiener: gute Gesundheit, Herr, und Gewinn! und der beste Wunsch, den sie Morgens früh thun können, ist nicht: Heil und Wohlfahrt der Seele, sondern: Gesundheit und Gewinn. Wer gewinnen will, der muß des Zusehens und Verlierens nicht achten: kostet es schon den Verlust eines guten Namens, so bringt es doch Gewinn eines guten Säckels mit Geld. Niemand vertrauen, – das ist heut der beste Rath, wider allen Betrug versichert zu sein. Hoho, die großen Herren in Venedig wissen wohl, was in den Säckel dient: sollen sie einem Knecht, einer Magd, ja ihren Weibern vertrauen auf den Markt zu gehen? Nein, sie schämen sich nicht, sie gehen selbst, sie achten's für keine Unehre und Schande, sind doch große Herren und bleiben große Herren wie zuvor; sollte sie auch ein unverständiger Esel deswegen bereden und anlaufen, als wäre es der Reputation eines Cavaliere zuwider, sie würden ihn bald bezahlt haben mit dem toskanischen Sprichwort: wer etwas Rechtes thut, beschmutzt sich nicht die Hände. Tapfern Leuten folge nach, schäme dich nicht, den Sack selber unter den Mantel zu nehmen und auf den Fischmarkt und in die Fleischhalle zu gehen, trage keine Scheu selbst mit dem Korb auf den Krautmarkt zu gehen, Kraut und Rüben zu kaufen, wie ich und meinesgleichen thun; was gilt's, der Schreiber oder die Magd werden dich nimmermehr bestehlen können. Das ist das einzige beste Mittel, wie du das durch deinen Fleiß erworbene Gut erhalten kannst.«

Es hatte der Jude kaum seine Rede zu Ende gebracht, da kamen der Schreiber und die Magd miteinander daher; die Magd sprach: »Ihr Herren, wir haben wohl gehört, was die beiden Juden über uns arme Dienstboten da klagen. Unser Herr klagt über uns und er weiß selbst nicht, was ich armes Mädchen ihm gestohlen haben sollte. Ach daß Gott walt'! muß das bestohlen heißen, wenn ich auf den Markt geschickt werde und mir ein paar Pfennige erspare? Muß ich nicht den ganzen Tag in der Stadt herum laufen und meine Schuhe verlaufen wie ein armer Narr? Wer wollt' sie mir sticken, wenn ich nicht bisweilen ein bißchen auf meinen Vortheil gedächte, wie ich sie bezahlen könnte? 'S ist wahrlich zu gering, als daß man so groß Geschrei daraus macht, daß man den Herren den Kopf darum zerbrechen darf; der karge Hund giebt niemand etwas. Was ist Schuld daran, daß ihm die Frau, wenn er getrunken hat und schläft, eine Hand voll Thaler nimmt, um den Kindern eine Puppe oder Leckereien dafür zu kaufen. Und wenn wir ihn schon so bestöhlen, wie er sagt und klagt, so geschieht ihm eben recht, denn es ist billig, wenn einer andere Leute bestiehlt, daß er wieder bestohlen werde. Es heißt doch: wie gewonnen, so zerronnen, und es bleibt sein Lebtag wahr: wie du mißt, so soll dir wieder gemessen werden: die heilige Schrift wird um eines kargen Hundes willen nicht lügen wollen.« »Wenn die armen Bauern vermeinen, begann der Schreiber, sie haben sich am allerbesten vor dem Commissarius vorgesehen, so ist er hinter ihnen, hat einen neuen gespitzten gewürfelten Befehl ausgebracht, einen neuen Vortheil, einen neuen Namen der Schinderei erdacht, wie er das Geld herausbringen und auspressen könne; thut, als wenn es ihm sehr leid wäre, verspricht es abzuschaffen, wenn man ihm dafür erkenntlich sein wolle. Wenn dann dies geschehen ist, so fängt die Hexekution erst an, und der sich zuvor einmal beschwert hat, muß darnach doppelt geben. Es sind wohl alle die ihrer fünf Sinne beraubt, die einem Commissarius etwas verehren, daß er ihnen ein gut Wort verleihen wolle: das ist grade, als wenn man wollte den Teufel bitten, daß er einem in den Himmel helfen solle. Heißt das nicht die Hände geschmiert und die Schuhe verderben lassen, heißt das nicht bestohlen, so weiß ich nicht, was bestohlen heißt, der Teufel wolle es dann. Wenn er einen armen Mann, der kaum drei Pfennige vermag, nöthigt, daß er muß drei Thaler geben, heißt das nicht bestohlen? Wenn er ausgeschickt wird Jungfrausteuer wider die Ungebühr der Soldaten einzunehmen, sich aber bestechen läßt und in der Sache so verfährt, daß die armen Bauern nur um so übler daran sind und künftig um so härter gehalten werden, heißt das nicht bestohlen? Ach die armen Soldaten, wie kommen sie manchmal so liederlich um ihren Sold! Aber ich darf's eben nicht heraus sagen, denn es liegen noch größere Leute als er ist diesfalls mit ihm unter einer Decke. Wenn auch nur das allein wäre, daß er die Früchte verwechselt und anstatt des Korns Hirse und zweimal Gerste mit untermischt oder ein fünf Malter hinweg nimmt, statt dessen Hirse giebt und die armen Soldaten, die bisweilen ein ganzes Jahr ohne Löhnung vom bloßen Commis leben müssen, dahin bringt, daß sie daher gehen verdorrt, als ob sie weder Saft noch Kraft mehr im Leibe hätten: wenn es auch schon die Generalität hernach in Erfahrung bringt und ihn deswegen eine Zeitlang des Dienstes und der Ehren entsetzt, – was fragt der Herr danach, es ist bald vergessen und wird wenig geachtet. Ja ihr gnädigen Herrn, das ist wahr: wo keine Ehre eingeht, da geht auch keine Ehre aus; unterdessen hat er doch, was er will, und ist er zuvor ein Schalk gewesen, so wird er hernach gar ein Schelm. Kommt ein armer Bauer, der was zu klagen hat, und der Herr sitzt bei guter Gesellschaft, oder liegt noch in der Ruhe, – wie donnert und hagelt er dann: der unverschämte Bauer, der Flegel, der Bärenhäuter, der Schinder, der Schelm, der Hurensohn, hat er nicht mehr Verstand, daß er grade jetzt kommt mich zu belästigen! Ich wollt, daß ihn der Teufel hätte zum neuen Jahr, damit ich ein ander Mal unvexirt von ihm wäre. – Sind das nicht Diebsgriffe und Räubereien? Man bedarf keiner Brille dazu, man sieht's hell genug, daß der Commissarius ein Dieb ist. Ihr Herren, ich sag's hiermit: ich will lieber bei einem Straßenräuber oder bei einem Beutelschneider dienen als bei einem Commissarius; sie haben doch weder Glauben noch Gewissen, sie glauben weder an Gott noch an den Teufel, sie achten ihrer Seelen Wohlfahrt weniger als eine Sau. Und wenn ich ein Herr wäre wie ihr, ich wollt' eins thun und die Landverderber alle hängen lassen, damit die Welt einmal gereinigt würde von solchen Unglücksanstiftern.«

In Wahrheit, das Volk, welches herumstand, ließ sich über die Maßen wohlgefallen, was des Commissarius Magd und Schreiber hererzählten, und verwunderte sich, daß die hohe Obrigkeit, welche Gott am jüngsten Gericht Rechenschaft geben muß auch wegen der Unthaten, die sie durch ihre Diener hat ungestraft geschehen lassen, nicht besser Aufsicht führt und so schläfrig der armen Unterthanen Heil sich angelegen sein läßt. Warmund sprach: die beiden Kläger hätten recht gethan, denn ihnen wäre wohl bekannt, was für lose Griffe die Herren Commissarien gebrauchten; daß es ihnen aber nichtsdestoweniger in der Welt so wohl erginge, hätte seinen Grund darin, daß sie in der andern Welt würden den ewigen Lohn kriegen: den Betrug, die List, die Vortheile, die Ränke, die Griffe, die sie hier gebrauchten, würden sie dort mit ewigem Hunger, ewigem Durst, ewiger Kälte, ewiger Hitze baar bezahlen müssen. Diejenigen aber, welche aus Unwissenheit oder Unverstand zum Nachtheil des armen Mannes dergleichen Diebsgriffe geschehen lassen, die sollen unwürdig geachtet sein ihres Amtes und ihrer Ehren, weil sie so schläfrig und nachlässig demselben obgelegen; auch unwürdig des Namens eines Christen, bei welchen solche Handlungen nicht geduldet werden sollten.

Als der gute Commissarius mit seinem Bruder hörte, daß ihm die Magd nicht nur über den Säckel, sondern auch der Schreiber über den Tresor seines Gewissens gekommen war, wagte er nicht vor Scham um sich zu sehen und vor Furcht, es möchten ihm die Bauern solche Birnen zum Lohn geben wie die Juden dem St. Stephanus. Daher drückte er sich ohne Adieu an der Mauer herum, bis er den Leuten aus dem Gesicht war, aber wenn ich recht weiß, so ist er am Wege hängen geblieben.

Der Jude aber ist in Frieden eine andere Straße fortgezogen, weil die Räthe sagten, daß man Juden finde, welche in ihren äußerlichen Hantierungen redlicher, ehrlicher und gewissenhafter als manche Christen handelten. – Leute, die der Burg Brauch nicht gesehen haben, möchten meinen, es wäre lächerlich oder auch unglaublich, daß dergleichen christliche Händel im Burghof vor aller Gemeinde wären ausgetragen worden. Dieselben sollen aber wissen, daß dem gewiß also ist und noch heutzutage unfern vom Thor in einem mit Schranken umgebenen Ort diejenigen Händel, welche theils eben nicht unter die Staats- und Reichssachen gehören, theils auch in Eile und so zu sagen auf der Post müssen erörtert sein, durch die Hofräthe vor männiglich entschieden werden: wie auch sonst an vielen Orten Deutschlands, wo die ausländische Seuche nicht obsiegt, in Uebung ist. –

Insonderheit dachte ich darüber nach, wie ich diese Dinge könnte in die Feder bringen, denn ich achtete sie dessen werth.

Eines Morgens gegen fünf Uhr hörte ich ein starkes Rufen: der ist der gewissenloseste Mensch, der jemals in deutschen Landen gelebt, der gottvergessene Tropf, der zu so vieler fester Helden unverschuldetem unverhofftem Tode allein Ursach und Anstoß gegeben, wodurch so manch schönes Reich betrübt und verlassen und verwaist und in der Feinde Hände gerathen ist! – Weil ich nun einen solchen Unmenschen auch gern sehen wollte, begab ich mich an das Fenster: da bemerkte ich vier vortreffliche Helden gegen die Gerichtsschranken zueilen, welche einen in Mönchskutte und großem Bart vor sich her stießen und um schleuniges Gericht sich anmelden ließen. Sie wurden auch sogleich angehört. Diese vier Helden (wie ich hernach erfahren habe) stammen ab von den ältesten Urahnen der deutschen Nation; der eine von ihnen hatte ein grünes, der andere ein rothes, der dritte ein goldgelbes und der vierte ein blaues Feldzeichen umgebunden. Sobald nun die Hofräthe durch Hans Thurnmeier die Parteien angesprochen hatten, hob einer von den Helden im Namen der andern allen folgendermaßen an zu reden:

»Ihr edlen Herren und der deutschen Helden Räthe! Es sehen dieselben an diesen unsern Wunden (indem der eine das Herz entblößte, der andere das Haupt u. s. w. und mit Fingern die Zeichen wies), daß wir durch das verdammte Pulvergeschoß unser Leben haben verlieren müssen und zwar verräterischer Weise, von gottlosen Buben hintergangen, welche sich nicht gescheut haben uns zum äußersten Herzeleid unserer Leute und Lande das edle Leben vor der Zeit, wie man sagen kann, abzustehlen. Weil nun die Erfindung einer so höllischen verdammten Kunst von diesem Mönch hier zugegen einzig und allein herrührt, welcher durch Eingebung des bösen Feindes den Menschen insgesammt zum unverhofften Untergang dieselbe ins Werk zu setzen nachgesonnen hat: so haben wir billig um Urtheil über ihn anzusuchen aus hochdringlichen Ursachen nicht umhin gekonnt. Denn wahrlich! was kann die alte deutsche Tugend und Redlichkeit noch nützen, wenn der allermächtigste kühnste Held muß stündlich in Sorgen stehen, daß auch der allerschlimmste verzagteste Bösewicht und Bube ihm mit einer Kugel von fern her und hinter einer Hecke verborgen das Leben abstehle, der sonst wohl nicht das Herz hätte einem Helden nur ins Gesicht zu schauen. Wie soll man nun noch einen Unterschied machen können zwischen dem, der Tugend hat und dem, der keine hat, da ja dergestalt ein muthloser Gesell den allerherzhaftesten Mann mag niederlegen und erwürgen! Zu unserer Väter redlichen Jahren hat Mann gegen Mann mit freier Faust und Stirn gegen Stirn gefochten, und man hat mit Augen sehen und erkennen können, in wem wahre Tugend, Treu und Redlichkeit gewohnt hat. Ja, wer ist Ursach an so vieler Christenmenschen Blut als allein dieser Mönch, da man in Treffen aufeinander zugeht und einander durch große und kleine Geschütze zu Boden wirft, wie das unsinnige blinde Vieh nimmer wird thun können. Soll ein Christ solche Dinge erfinden dürfen, und wenn er sie erfunden hat, sie zum Untergang des menschlichen Geschlechts offenbaren? Soll ein solcher Künstler nicht werth sein der zeitlichen und ewigen Verdammnis? Erkennet ihr nun, ihr Herren und schaffet Rath eurem Vaterland und allen euren Landsleuten nach euch und uns!

Ist denn des Menschen Leben nicht kurz genug, sprach der im gelben Feldzeichen, daß man aus der Hölle erst Mittel suchen muß es zu unterbrechen? Spieße, Degen, Dolche, Säbel, Stilett ist nichts als Kinderwerk gegen diese Mordwaffen; der Hagel, Blitz, Donner, Strahl und alle grausamen Wetter, welche der Zorneifer göttlicher Majestät auf die Erde geschüttet hat, haben soviel Menschen nicht hingerichtet als die Pistolen, Musketen, Karabiner, Feldstücke, Schlangen, Falkonete, Falkonet ist ein kleines Feldgeschütz. Mörser, Petarden, Hagelgeschosse u. s. w., womit man die Städte, Flecken, Dörfer in Asche, die Menschen tausendweise lebendig in die Gräber, ja die Seelen in ihrer Unbußfertig teil vorsätzlich und mit gutem Bedacht in das ewige Höllenfeuer stürzt. Und bei diesem allem läßt man es noch nicht verbleiben, sondern man bedient sich vergifteter Kugeln und Granaten, welche mit vielen Schüssen ausgefüllt sind, großer Kugeln, welche Kettensteine oder kleine Kugeln von sich werfen; und weil man sich der bösen Geister selbst nicht sichtbarlich bedienen kann, so bedient man sich ihres Elements, des Feuers, auf unzählige Weisen. O der armen unschuldigen Soldaten: wenn sie viele Jahre in Hunger und Durst, in lauter Mühe und Arbeit, in Zug und Wacht, in Hitze und Frost, in Wind und Schnee, durch Regen und Schläge, unter den Feinden, unter Spießen und Schwertern und andern tausend Gefahren des Todes sind und leben, und wenn es wohl geräth, mit Wasser und Brot (was man auch denen, die auf den Tod gefangen liegen, nicht versagen kann) vorlieb nehmen müssen, – so werden sie schließlich zur hochverdienten Ergötzlichkeit durch einen ungefähren Schuß dahingerafft und verkaufen ihren Leib und Seele um so thörichter Hoffnung willen, die sie hegen, großen Reichthum zu erwerben. Den meisten ist doch die Ursache des Krieges ganz unbewußt, die Gefahr beständig vor Augen, sie vergessen ihren Beruf und Gott und verüben täglich allerlei Sünden, Schande und Laster!

So hütet euch nun ihr redlichen Soldaten, weil es so bald und unverhofft um euer Leben geschehen ist, und denkt aus Erfahrung den Sachen etwas nach, mit welchem Gewissen der in den Tod gehen könne, der die Armen beraubt, die Unschuldigen ermordet, seine Nebenbrüder und Mitmenschen verbrennt und gegen die Frommen sich als ein lebendiger eingefleischter Teufel erweist, und fürchtet Gott in all euren Handlungen, so wird es euch besser glücken, als es bisher geschehen ist. Aber – o daß dieser höllische Künstler verdammt würde!«

Nachdem diese Beiden ihre Rede vollendet hatten, sprach Hans Thurnmeier zu dem Angeklagten: »Wie ist dein Name, und was hat dir zu solcher unchristlichen Erfindung und dadurch zur Ausrottung des menschlichen Geschlechts Ursache gegeben?« »Edle Herren Richter! antwortete der Angeklagte: mein Name ist Meister Berthold Schwarz, meines Thuns und Standes bin ich ein Mönch, und komme zur Erfindung des Geschützes so unschuldig, so unschuldig, wie das Kind im Mutterleibe, das noch nicht geboren ist. Denn wie ich von Natur und aus Trieb meines guten Gewissens alles zu Diensten der Menschen gern thun und anwenden wollte (wie ich denn auch durch meine Arzeneien nicht wenig bekannt und beliebt geworden bin), so ist es bei der Nachforschung etlicher trefflicher Mittel geschehen, daß ich eines Tages im Jahre 1380 in meiner Arzeneikammer gepulverten Schwefel und Vitriol in einem Mörser gehabt habe, Willens denselben zur Arzenei zu gebrauchen; ich hatte ihn mit einem Stein zugedeckt und schlug nahe dabei ein Feuer zu meinem Gebrauch; doch von ungefähr sprang ein Fünkchen in den Mörser, wovon sich der gepulverte Schwefel darin alsbald entzündete und den Stein gar hoch aufwarf. Dies bewog mich, der Sache nachzusinnen: ich machte ein eisernes Rohr, füllte es mit Schwefel und anderem Zusatz, lud einen Stein darauf und zündete es mit einer glühenden Kohle an; da ist der Stein mit einem schrecklichen Ton ungestüm zum andern Loch heraus gefahren. Ich bin also zu dieser Wissenschaft gekommen ohne mein Wissen und Willen; es wird mir aber dennoch unbilligerweise zugemessen, als ob ich diese Dinge aus gefaßtem Vorsatz, dem menschlichen Geschlecht zum Verderben, muthwillig gesucht und gefunden habe. Darum denn will ich hoffen, ein edler Heldenhofrath werde mich der unbillig gestellten Anklage ledig erkennen.«

»Nicht so, nicht so, sprach der Held mit dem rothen Feldzeichen, nicht so: es hat den Meister Barthel der leidige Vorwitz zu solch teuflischem Werk getrieben, und ein böser Geist hat ihm den Weg zu solch mörderischen Waffen vorgewiesen. Denn wenn er auch anfangs ohne Willen mag dazu gekommen sein, warum hat er, nachdem er die erste unverhoffte Wirkung des Schwefels gesehen, es nicht also anstehn lassen, warum hat er so lange nachgrübeln, durch allerhand Theilungen und Abwägungen so lange künsteln müssen, bis er endlich die lose Kunst zu ihrer Vollkommenheit gebracht hat? Zudem ist bekannt, daß er noch andern heimlichen Künsten nachgehängt, auch die Geister selbst hat zwingen und bannen können. Es ist wahr, es ist kein Stern mehr in der Welt, seitdem diese teuflische Erfindung offenbart worden ist, und es ist nun dahin gekommen, daß heut zu Tage alle Macht des Fußvolks, alle Kraft der Reiterei, ja aller Muth und Tugend der Menschen muß zu Boden liegen und verachtet werden.«

»Alles das, versetzte der Mönch, was Böses daher kommen mag, wird mir unbillig zugemessen. Ich habe die Kunst nicht erfunden, wie man sie heutiges Tages hat; andere haben's erfunden, die nach mir gekommen sind, sie haben sie einer nach dem andern gebessert, so daß sie nun auf das Höchste mag gekommen sein. Wie kann ich dann an all diesem Schuld haben? Wahr ist's wohl, daß ich, als ich anfangs dahinter gekommen bin, es der Herrschaft Venedig offenbart und ihnen zu Diensten seine Wirkung habe sehen lassen, damals als sie mit den Genuesern bei der Landwehr, fossa Clodia genannt, im Kriege begriffen waren. Ist es nun Unrecht gewesen und hat es zur Verhütung des menschlichen Unterganges nicht sollen offenbart werden, warum haben die Herren zu Venedig es für bekannt von mir angenommen? Warum haben sie mich und meine Kunst nicht im Verborgenen gehalten, damit es in der Welt nicht wäre kundbar geworden, da sie doch andere Künste, insonderheit das einträgliche Goldscheiden, so verschwiegen hielten, daß es auch nicht gut ein Teufel von ihnen sollte erfahren können?«

»Das glaube ich, sprach der Held mit dem goldgelben Feldzeichen; sonst würdest du gewiß das Goldscheiden auch erlernt haben, wenn es die Teufel hättest wissen können, da sie dir diese verdammte Heimlichkeit so bald offenbart haben. Aber, ihr edlen Herren Räthe! es ist die Sache allbekannt: wir bitten um Urtheil, damit dergleichen Ungebühr möge abgeschafft und künftig vermieden werden.«

»Es ist, sprach der Mönch, fast mit allen hohen Herrschaften so beschaffen: wenn man etwas erfunden und erdacht hat, das ihnen zum Vortheil, zum Nutzen, zur Last und zur Rache wider ihre Feinde dienen mag, auch wenn es noch so gottlos wäre und gar vom Teufel käme, man ist bei ihnen doch willkommen damit; zuletzt aber, wenn man ihnen ungefähr die Nase ersäuert, so dürften sie selbst wohl die ersten sein, die einen deswegen einen Verräther nennen und als solchen ausschreien.«

Nach diesen Worten standen die Heldenräthe auf und traten beiseits in einen abgesonderten von den Schranken verschlossenen Ort, um sich des Urtheils wegen zu bereden. Ehe einer drei Mal die Hunnau auf und ab spazieren könnte, kamen sie wieder, und Hans Thurnmeier, das Wort im Namen aller führend, sprach:

»Es ist die vorgebrachte Sache, betreffend die Erfindung des Büchsenpulvers und Geschützes, nach reifer Erwägung von dem Heldenrath dergestalt entschieden worden: Obwohl es wahr ist, daß das Geschütz zum Schutz wider allerhand Gewalttaten nützlich zu gebrauchen ist, so ist doch leider, Gott erbarme es, der Mißbrauch weit größer als der Gebrauch selbst. Dieweil aber der Allerhöchste durch sein Verhängnis gewollt hat, das boshafte menschliche Geschlecht diesergestalt ihren Verdiensten nach abzustrafen: so ist billig, daß sich alle Menschen hieran, als an einem für ihren Verstand viel zu tief gelegten Abgrund, nicht ärgern, sondern sich durchaus daran genügen lassen; zumal weil der Allmächtige in seiner unerforschlichen Barmherzigkeit eben um dieselbe Zeit, nämlich im Jahre 1440, die alleredelste Kunst der Buchdruckerei auch in den deutschen Landen und zwar in Straßburg durch Hans Mäntelin dem ganzen menschlichen Geschlecht zur Gegenbezeugung seines allergnädigsten Willens hat offenbaren wollen. Wenn man also den trefflichen Schaden des Geschützes gegen den erfreulichen und unaussprechlichen Nutzen der Bücher halten will, so wird man befinden, daß viele tausend Menschen mehr durch die Bücher an ihrer Seele sind erhalten, als durch jenes dem Leibe nach verdorben und umgebracht worden. Und es sind hiermit die Parteien beiderseits außer Kosten und fernerer Verfolgung der Sache los gewiesen.« Auf diese Worte gingen sie von einander; aber unter dem hellen Haufen trat einer hervor in die Schranken und sprach etwas watschelnd, als ob er die deutsche Sprache noch nicht recht gelernt hätte: »Ihr hochedlen Herren Heldenräthe! ihr Wort ist von mir in hohen Ehren gehalten worden, und ich achte denjenigen für einen frevlen Menschen, der wider dieses etwas einwenden wollte. Da aber die Herren aus Unwissenheit oft irren können, so wird es mir ja vergönnt, und es wird ja nicht Unrecht sein, wenn ich ihnen, mit Erlaubnis, was die Druckerei betrifft, ein anderes möchte darthun. Mein Name ist Denning Glöckner, von Geburt bin ich ein Franzose, – denn dies gleich beim Anfang der Klage zu vermelden, war allen nach Hofgerichtsbrauch anbefohlen worden. – Es haben die edlen Herren Hofräthe gesagt, daß die Deutschen, und insonderheit die Straßburger, durch einen gewissen Hans Mäntelin das Lob der Buchdruckerei-Erfindung haben sollen. Nun vermelde ich den edlen Herren Hofräthen, daß, wer ihnen solche Meinung eingegeben, unserer französischen Nation Unrecht thue, da ihr das Lob einer so weltlöblichsten Erfindung vor allen andern Völkern billig zugehört, dieweil ich von meinen Eltern die gewisse unzweifelhafte Nachricht habe, daß nicht ein Deutscher, sondern ein Franzose Namens Ulrich, sie zuerst erfunden habe: wie denn dies auch bei vielen vortrefflichen Männern noch bekannt ist. Bitte also, daß der Name des Mäntelin zusammt der deutschen Nation im Geschichtsbuch durchstrichen und mein Vaterland neben dem ehrengenannten Ulrich möge eingeschrieben werden.«

Er hatte aber seine Rede nicht ganz zu Ende gebracht, da trat ein anderer Mann in einem Barettlein unter dem Haufen hervor in die Schranken und sprach: »Ihr edlen tapfern Heldenräthe! diese jetzt geschehene Erzählung ist erdichtet und erlogen.« »Wer bist du?« fragte Hans Thurnmeier. »Ich bin Hadrian Brachmond, und dieser ein Welscher aus Frankreich, genannt Ulrich: es ist erlogen, daß er diese meisterliche Kunst zuerst erfunden habe. (Ihr Herren vergebt mir, daß ich niederländisch spreche.) Es sind noch welche am Leben, die da bezeugen, daß man Bücher druckte zu Harlem, ehe dieser Ulrich auf die Welt kam und anfing Schrift zu schneiden und zu bereiten. Denn in dem Jahre unseres Herren, da man schrieb 1447, begann man zu drucken das erste Buch, das man druckte, und diese Kunst ist erfunden worden in Holland, in meiner Vaterstadt Harlem, von Lorenz Jansen. Wenn aber dieser vorwitzige Welsche sagt, daß man vormals Bücher in Frankreich gedruckt habe, so ist dies nicht wahr.« – Hans Thurnmeier aber sagte ihm, wenn er weiter etwas vorzubringen hätte, so sollte er es in hochdeutscher Sprache thun, oder er würde zu fernerem Gehör nicht zugelassen werden. – »Meine edlen Herren Heldenhofräthe, fuhr er fort: es ist nicht anders als ich gesagt habe; denn um das Jahr Christi 1447 hat zu Harlem auf dem Markt gegenüber dem Palast Lorenz Jansen gewohnt, der hat die Kunst zuerst erfunden und sie seinen Kindern und Enkeln anempfohlen. Hernach hat er mit seinem Eidam Thomas Peter auch die Druckerfarbe erfunden, so daß er wegen der neuen Kunst einen großen Zulauf hatte und mit viel Gesinde und Dienern, auch mit Kaufleuten verkehrte. Unter diesen hat ein Hochdeutscher, Johann Fust, seiner Pflicht so weit vergessen, daß er einst in der Christnacht, als sein Herr in der Kirche war, zusammenpackte, was er konnte, und sich damit wegstahl, bis er endlich über Amsterdam und Köln nach Mainz kam, wo er die gestohlene Kunst für sein eigen Werk ausgab und mit Beihilfe eines andern Hochdeutschen, der in Straßburg geboren und ein Bürger zu Mainz war mit Namen Junker Johann Guttenberg, sich den Namen machte, als ob er diese Kunst erfunden hätte. Nachdem ich nun das Gegentheil erwiesen habe, so bitte ich, die edlen Herren wollen sich belieben lassen, daß des obengedachten Lorenz' Jansen Name und kein anderer als Erfinder eingeschrieben werde.« Damit ging er davon. »Viel gesagt und wenig erwiesen!« rief einer unter dem Haufen und trat zugleich vor die Schranken in einem geistlichen Kleide und sprach: »Hochedle Herren Hofräthe! ich bin meines Herkommens zwar ein Hochdeutscher, Namens Claus Schlosser, aber ich will weder meinen Landsleuten zu lieb noch den Fremden zu leid etwas von dieser Sache reden, sondern allein hererzählen, was der lauteren Wahrheit gemäß ist. Der Welsche, welcher vorhin den Franzosen Ulrich zum Erfinder dieser Kunst hat einflicken wollen, ist unrecht daran und nur allein im Namen betrogen worden: denn es ist der gedachte Ulrich ein Hochdeutscher gewesen, meines Wissens aus Straßburg, seines Zunamens Hahn, der um das Jahr 1467 erst diese Kunst als der erste nach Rom gebracht und sich daselbst mit lateinischem Namen Ulricus Gallus geschrieben hat; daher wollen denn die gerngroßen Herren Welschen nun (wiewohl vergebens) erzwingen, weil Gallus auch einen Franzosen bedeutet, er müsse ein Welscher aus Frankreich gewesen sein. Aber das ist nicht und wird sich auch nimmer finden.

Was zum andern dieser alte Herr im Käppchen da vorgiebt mit seinem Lorenz Jansen, das habe ich schon längst durch öffentliches Ausschreiben genugsam widerlegt, und ich möchte sehen, welcher Bock nur seinem Horn mir meine Worte mit Wahrheit, Recht und Ehre würde umstoßen können. Denn nachdem man zu Mainz und Straßburg schon die rechten Buchstaben gehabt, hat der Lorenz Jansen fünf Jahre darnach erst die Art, Schrift in Holz zu schneiden, auf die Bahn gebracht und sich eine lange Zeit so damit beholfen, bis er endlich durch der Deutschen Offenherzigkeit (weil sie ein Ding nicht lange geheim halten können, und ihnen die Käse gar leicht abzusprechen sind) klug geworden ist. Es hat zwar ein guter Theil der Herren Niederländer diese Einbildung, daß sie das Gras allein wachsen hören, daß sie allein wissen, was die Braut mit dem Hochzeiter im Bett rede, und daß niemand könne einen Schoppen philosophisch Bier auf einen Zug Bescheid thun als sie allein. Aber so ist's: jeder Mutter ist zu Sinn, ihr Kind sei das schönste, wenn es schon eine rotzige Nase hat. Ich meine aber, wenn sie sich zuviel räuspern, so werden sie von den Hochdeutschen aufgenestelt werden. Sie sind eben ganz nach der Franzosen Humor geartet: denn wie diese glauben, es könne keiner einem rechtschaffenen Manne gleich sein, wenn er nicht französisch aussehe, so die Herren Holländer – die aber hiermit nicht getadelt sein sollen, sondern sie sind wegen anderer vortrefflichen Tugenden billig vielen andern weit vorzuziehen: denn, das wird ihnen niemand nehmen, sie sind wahrhaftig gelehrte und erfahrene Leute; nur die Einbildungen, daß außer ihnen niemand gelehrt sein könne, verderben sie –, wenn sie irgendwelche trefflichen Erfindungen neuer Künste entstehen sehen, so schwören sie einen Eid, es müsse ein Holländer sein, sei es auch von zehn Ahnen her, der dies gemacht hätte. – Es ist Johann Fust ein redlicher Mann gewesen, aus Mainz gebürtig, der diese Kunst nicht erst von Holland geholt, sondern viele Jahre zuvor, ehe Lorenz Jansen etwas davon geträumt hat, dieselbe mit Beihilfe Junkers Johann Guttenberg von Straßburg, Bürgers zu Mainz erfunden und zu solcher Vollkommenheit hinausgeführt hat, wie man sie noch sieht; und ich bitte die Herren Hofräthe mit Demüthigkeit, sie wollen den hochdeutschen und mainzischen Namen das ihnen gebührende Lob nicht nehmen lassen, sondern durch ihre hohe Gewogenheit und Liebe zur Gerechtigkeit ihnen dasselbe fürderhin in ewigem Andenken erhalten.«

»O Guttenberg, Guttenberg, du hättest mit gutem Lob deine Sachen wohl anders angreifen können!« rief ein alter Mann im Haufen; derselbe wurde, nachdem Klaus Schlosser abgetreten war, in die Schranken gerufen und dieser Worte wegen gefragt. »Ach meine edlen Herren! sprach der Alte, ich bin der Hans Mäntelin, Bürger zu Straßburg, von dem die Herren anfangs geredet haben: es ist zwar etwas daran, wie der Herr, der eben abgetreten ist, gesagt hat; aber doch verhält es sich nicht in allem so. Ihr edlen Herren! es hat sich begeben, daß ich diese löbliche Kunst der Buchdruckerei nach langem Nachsinnen und Denken endlich im Jahre unseres Herrn 1440 erfunden habe. (Damals wohnte ich, zum Zeichen, am Frohnhof beim Thiergarten). Nun hatte ich einen Diener, Hans Genßfleisch von Mainz, dem ich wegen seines spitzfindigen Kopfes die Sache offenbarte; er ist aber untreu an mir geworden und hat mein Vorhaben und meine Kunst dem Junker Hans Guttenberg von Straßburg entdeckt, der wohl etwas davon gewußt, aber nicht recht hat können dahinter kommen. Darum war der Guttenberg froh; und weil ihnen zu Straßburg die Sache nicht wäre gut geheißen worden, da sie mich also hintergangen hatten, so sind sie mit einander nach Mainz gezogen, haben die Kunst weiter ausgebildet und großen Ruhm dadurch erhalten. Ich würde es nicht gesagt haben, wenn es nicht wahr wäre; ich bin ein alter Mann und liebe die Wahrheit und habe mein Lebtag das Lob gehabt, daß ich der Lügen bin feind gewesen wie dem Teufel: und ihr edle Herren, mich dünkt, ihr wisset selbst wohl, daß es also ist, wie ich sage. Es ist wahr, weil ich ein guter ehrlicher Mann war und anfangs nicht so große Mittel hatte, daß ich meine Kunst hätte besser fortsetzen können, so haben Guttenberg und Genßfleisch zu Mainz unterdessen nicht gefeiert und die Druckerei daselbst ins Werk gerichtet und daher den Ruf bekommen, als hätten sie anfangs diese Kunst erfunden. Und wenn man mir nicht glauben wollte, so könnte ich's doch wahrhaftig nicht allein mit Herrn Heinrich Eckstein, Bürger zu Straßburg, mit dem ich mich dieser Kunst wegen schriftlich verbunden hatte, sondern auch mit den Herren Gebweiler, Spiegel, Herzog, Münzer und andern, ja im Fall der Noth, auch mit Herrn Junker Guttenberg selbst beweisen, wenn er nur zugegen wäre; er ist ein so redlicher Mann, ich weiß, wenn er mich sieht, wird er die Wahrheit sagen. Bitte also, meine edlen Herren, sie wollen der Wahrheit und meines Namens wegen der Sache beistehen, so viel ich Recht habe.«

Sogleich wurde dem Gerichtsknecht befohlen, er sollte stracksfuß ausrufen, ob nicht Junker Guttenberg in der Burg vorhanden wäre, damit er, um Bericht zu erstatten, unverzüglich vor dem Heldenrath erscheine. Ehe er aber das zweite Mal recht ausgerufen hatte, war Guttenberg schon da. Hans Thurnmeier erzählte ihm der Länge nach, was wegen der Erfindung der Buchdruckerei verschiedentlich vorgebracht wäre, und daß Hans Mäntelin von Straßburg ihn zur Behauptung dieser Sache zum Zeugen ernannt hätte: daher wolle er die pure Wahrheit aussagen, keinem zu Lieb, keinem zu Leid, sondern schlecht und recht, wie es einem ehrlichen deutschen Manne wohl anstehe. Das gelobte er, weil ihm alle Sicherheit zugesagt wurde, und sagte aus, wie folgt: »Ihr edlen Herren! ich heiße Junker Hans Guttenberg von Straßburg, wohne aber jetzt zu Mainz, der erzbischöfiichen Stadt am Rhein. Was nun Haus Mäntelin wegen der Buchdruckerei-Erfindung gesagt hat, das ist wahrhaftig nicht anders, wenn ich je soll die Wahrheit sagen, wie es denn an sich selbst billig ist, und ich auch schuldig bin. Und wenn die edlen Herren mich so lange hören mögen, will ich ihnen von Wort zu Wort sagen, was es für eine Bewandtnis damit habe; und mein Gesell Johann Fust weiß gar wohl, daß ich's ihm vielmals bekannt habe.

Es ist geschehen 1440, daß Mäntelin hinter diese Kunst gekommen und sammt Hans Eckstein lange heimlich damit umgegangen ist; und wiewohl ich etwas davon gemerkt, so habe ich doch nicht recht dahinter kommen können, bis endlich Mäntelins Diener Genßfleisch mir auf Begehren die Sache etwas offenbart hat: und weil ich's für Unrecht und für Sünde gehalten habe, daß eine so nützliche Kunst bei zweien allein sollte vergraben liegen (auch hatten sie nicht den Verlag), so habe ich mich mit Genßfleisch nach Mainz begeben und mit Hilfe und Rath des Hans Fust und des Hans Medinbach, beide Bürger daselbst, die Sache soweit gebracht, daß sie in vollen Gang gekommen ist, wie man sie jetzund sieht. Aber doch habe ich nächst Gott dem Mäntelin zu danken, daß ich durch ihn und seine Erfindung zum weiteren Nachsinnen des Werkes bin veranlaßt worden, wessen ich mich ohne ihn nimmer würde unterfangen haben! Es wollen also meine edlen Herren hieraus nun selbst urtheilen, was Recht ist.«

Guttenberg wurde geheißen abzutreten; und nachdem sich die Räthe beiseits miteinander beratschlagt hatten, wurde Stillschweigen gerufen und durch Hans Thurnmeier abgelesen, wie folgt: »Nachdem Zwist und Streit erwachsen, wo und durch wen die Buchdruckerei erfunden sei, so ist zur Verhütung fernerer Mißhelligkeit von Amtswegen Bericht eingezogen und nach Anhörung aller Parteien für weislich und wahrhaftig erachtet und erkannt worden: Hans Mäntelin von Straßburg soll billig vor allen Menschen das Lob haben, daß er allein der erste Erfinder dieser herrlichen vortrefflichen Kunst sei. Junker Hans Guttenberg aber, als dem nächsten nach Mäntelin, und Hans Fust soll das Lob gegeben werden, daß sie der bereits erfundenen edlen Kunst zu größerer Zierde und Vollkommenheit verholfen haben. Weil nun nicht allein Mäntelin ein Bürger zu Straßburg gewesen und bis zu seinem Tode geblieben, sondern auch Junker Hans Guttenberg selbst zu Straßburg erzogen worden ist, auch Ulrich Hahn und Sixtus Russinger, der 1471 die Buchdruckerkunst zuerst nach Neapel gebracht hat, ebenfalls Straßburger gewesen sind: so ist die löbliche Stadt Straßburg, in der diese edle vortreffliche Kunst durch Gottes Eingebung zu allererst und durch ihre eigenen Leute erfunden und ins Werk gerichtet ist, wegen eines so ansehnlichen stattlichen Ruhmes billig allen andern Städten vorzuziehen. Jedoch soll der Stadt Mainz das Lob ungenommen sein, daß die hochlöbliche Buchdruckerkunst daselbst der ganzen Welt zum Besten vollends bis ins Jahr 1450 zu ihrer rechten Vollkommenheit gebracht worden ist.«

Als nun diese Entscheidung verlesen worden war und weiter den Tag nichts vorkam, so ist durch die Schalmeibläser zum Abschluß herrlich geblasen worden. Als aber die Heldenräthe aus den Schranken gehen wollten, kam ein schöner Schwan von der Seite des Rheins herauf geflogen, der setzte sich auf dem Burgthurm nieder und hob an mit anmuthiger menschlicher Stimme ganz verständlich zu singen:

Straßburg, ob dich dein' Geschütze,
Deiner Bürger Kunst und Witze,
Deiner Güter Frucht und Nütze,
Deine gute Polizei,
Dein Thurm erfreut und deiner Wälle Schütze:

So freue dich doch mehr um deine Druckerei,
Stücke springen, Menschen sterben,
Güter fehlen und verderben,
Polizeien gehen unter,
Thürm' und Wälle fallen ein:
Hingegen ist dir dieses Wunder
Ein unverändert Gut und bleibet ewig dein.

Als er diesen herrlichen Gesang zu aller Anwesenden Verwunderung vollendet hatte, schwang er sich in die Höhe und flog etliche Mal über den Schranken herum, wie einer, der seinen Abschied nehmen will. Zuletzt ist er, nachdem er ein kleines Zettelchen, darauf diese Worte standen: ad boream cantabo, hatte herab fallen lassen, eiligen Fluges nach Norden zu aus unsern Augen verschwunden. Wenn mir die Federn nicht wären durch soviel Trübsal im Kriege, Hunger und Krankheiten beschnitten gewesen, ich hätte ihm von ganzem Herzen nachfliegen mögen. –

Dergleichen Händeln sah und hörte ich zu bis in drei Wochen, da kam Expertus Robertus wieder zu mir, und als er meinen Zustand untersucht und gefunden hatte, daß ich wieder bei Kräften wäre und ausgehen könnte, führte er mich auf die Ritterwiese, der oben gedacht ist, und hernach mit sich in seine Kammer.

Hier hatte ich bis zum Ende meinen Aufenthalt und meine Herberge. Nach zwei Tagen wurde ich vor den gemeinen Hofrath gefordert in den Vorsaal, darin saßen: Herr Thurnmeier, Gutrund, Warmund, Freymund, Konrad, Adelbert, Sigmund, Mannhart. Expertus Robertus aber wurde dies Mal, weil er sich meiner Person zuviel annahm, wiewohl er nun Oberhofrichter war, mir als Beistand zugelassen.

Konrad nahm das Wort und erzählte mir die Ursachen dieser Sitzung und beantwortete sich gleich selbst an meiner Statt: daß ein ehrsam adliges Hofgericht die Ursachen meines Ausweichens (das sie wollten so hingehen lassen) und meine ausgestandenen soldatischen Abenteuer theils von mir selbst und andern bei meiner Ankunft, theils von Expertus Robertus selbst genugsam kennen gelernt hätten; und es wäre diese Sitzung aus keinem andern Grunde als allein daraus geschehen, daß ich nach ausgestandener Abstrafung, welche mehr andern zum Exempel als mir zum Schaden widerfahren wäre, wieder auf freien Fuß gestellt und des Burgfriedens wieder fernerhin genießen sollte mit dem einzigen Vorbehalt: daß ich, wenn die neulich anwesenden Kläger wegen der Gesichte sich wieder zeigen würden, nicht von der Hand gehen, sondern bis zum Austrag der Sachen allda verharren, und so ich je etwas weiteres begehren möchte, dies ohne des Heldenraths Vorwissen, Belieben und Paßzettel nicht thun sollte.

Ich bedankte mich zwar der hochgeneigten Gnade auf's unterthänigste; aber ich merkte bald, was kommen sollte: denn die drei Bösewichter waren schon vorigen Tages, als sie von meiner Genesung Kunde erhalten hatten, eingekommen, nicht allein ihre alte Klage wider mich auszuführen, sondern auch wegen sothaner Kriegshändel viel neue Sachen wider mich anzuzetteln.

Andern Morgens um acht Uhr ward mir durch Hans Thurnmeier angesagt, daß ich vor den Heldenrath kommen sollte. Sie waren schon wegen anderer Sachen versammelt. Sobald ich hinein kam und meine Schuldigkeit nicht mit welschem, verhaßtem, herzlosem Gepräng, sondern auf gut deutsch mit einem Bückling oder Knix abgelegt hatte, sprach der Erzkönig Ariovist: »Du Philander, oder auf Heldenart zu reden, du Mannhold, hast du Lust bei uns zu sitzen?« Allergnädigster Herr Erzkönig, sprach ich, mir will's nicht gebühren. Sprach er: »Ei, warum? du bist ja nun auch einer von den Helden geworden, denn ich höre von den wunderkühnen Thaten, die du seit neulicher Zeit gethan hast.« Ich schwieg still, denn ich merkte gar wohl, daß es zu meiner Schmach – ich will lieber sagen, zu meinem Unbesten: denn was Obrigkeiten mit Unterthanen reden, auch wenn es oft hart, schmählich und ehrenrührig lautet, ist darum doch nicht also aufzunehmen. Obrigkeiten sind Väter, die im Zorn oft viel reden, was aber den Kindern deshalb nicht zum Schaden dienen soll, trotzdem es einer nachreden wollte. Darum soll es auch von Unterthanen mit Sittsamkeit und Geduld aufgenommen und überhört werden – geredet worden war, bis nach einer Weile der Held Deutschmeier, als der Jüngste, in ihrer aller Namen sprach: »Philander, es ist diese Beschickung nur allein darum geschehen, damit wir in dem Heldenrath wegen der neulich wider dich angebrachten Sache deine Meinung frei von dir hören wollen. Denn außer dem, was sie wegen der Gesichte wider dich geklagt, haben sie jetzt die Klage um soviel vermehrt, als du Ungebühr im Soldatenleben verübt haben sollst (indem sie an allen Orten und auf alle Weise und Wege auch das Geringste ausgeforscht haben), und es ist zu besorgen, du werdest ihnen dies Mal schwerlich entgehen, zumal du gestern auf Befehl angelobt hast, vor Beendigung dieser Sache nicht auszuweichen.« Gnädigster Herr, sprach ich unerschrocken: was ich neulich über die anmaßenden Kläger gesagt habe, das lasse ich noch gelten, und erbiete mich nochmals ihnen fernerhin zu antworten, wenn sie Vollmacht von ehrlichen Leuten vorweisen können, sonst aber nicht. Was aber die Kriegshändel anbelangt, die sie mir aufs neue vorrücken wollen, so bin ich nicht schuldig ihnen Rechenschaft darüber abzulegen; wenn aber ein hochadliger deutscher Heldenrath Ungebührliches von mir erfahren wird, so will ich mich deroselben gnädigster Erkenntnis auch ohne Kläger aus freien Stücken gern unterwerfen.

Darauf wurden die drei Aufwiegler auch beschieden; als man die Vollmacht ihrer Herren Oberen vorzulegen begehrte, brachten sie bei einen alten zerlumpten schmutzigen ihnen gleichförmigen Zettel mit einer elenden Schrift und vielen großen Namen unterzeichnet, der für nichts anderes als für eines Käsekrämer oder Kretschmars Kretschmar, ein slavisches Wort, bedeutet Schankwirth. Handschrift gehalten werden konnte. Daher wurde ihnen ohne ferneres Anhören, da aus allen Anzeichen die Bösewichter anfingen sich ihrer Sache zu fürchten und sich selbst zu mißtrauen, über diese Sache ein ewiges Stillschweigen auferlegt. Soviel aber meine Kriegshändel betreffe, so verwundere sich ein hochadliger altdeutscher Heldenrath, was sie darüber zu klagen haben wollten, da sie doch selbige Sache nicht im geringsten angehe, auch dieselbe nicht verständen, darum sie denn im Fall fernerer Verfolgung nur könnten für Lästerer gehalten werden. – Ueber diesen Bescheid bedankte ich mich unterthänigst.

Mutius Hundsfisch, den dies im Namen der andern im Herzen dreifach verdroß, nahm mit Naseschnupfen Abschied und überreichte zugleich Herrn Thurnmeier ein Buch mit diesen Worten: »Allergnädigster Herr Erzkönig und gnädige Herren! auf derselben Bescheid beruhigen wir uns zwar sehr gern, wie wir schuldig sind; aber damit gleichwohl des gemeinen Nutzens unterdessen nicht vergessen werde, so bitte ich allerunterthänigst, dies abgegebene Buch von einem geheimen Rathsschreiber aus dem Heldenrath durchsehen zu lassen, auf daß, so etwas wider gemeine Ruhe, Frieden und Wohlstand darin zu finden wäre, dasselbe zur Verhütung des weiter einschleichenden verführerischen Gifts der Gebühr nach beschnitten und geändert werde.« Darauf mußten sie unter großem Schimpf und Gelächter des Hofvolks abziehen. Seitdem habe ich die Aufwiegler nicht mehr gesehen, wiewohl ich auf alle Fälle mich bereit halte, künftiger Zeit ihren Tuschereien, die sie unter dem Vorwand des gemeinen Bestens (wie viel böse Buben pflegen, die doch eine ganz andere Absicht haben), wie es auch wäre, mit Gott zu begegnen.

Nun hoffte ich, meine Sachen würden alle ihr Ende erreicht haben, und ich würde einmal meiner Freiheit, wohin mich das Glück begehren wollte, genießen können; aber halt Pfeffer, halt, wir haben noch mehr zu singen! Folgenden Morgens, als ich hoffte meinen Abschied von Hofe zu erhalten, wurde ich neben Expertus Robertus nochmals vor den Hofrath gefordert. Ich glaubte nicht anders, als daß es wegen des Paßzettels wäre. Aber Hans Thurnmeier, vermöge seines Amts und seines mündlichen Befehls, fing an folgendermaßen mit mir zu reden: »Philander, du bist neben Expertus Robertus, des Heldenraths Oberhofrichter, jetzt vorbeschieden und wirst dich bestermaßen zu erinnern wissen, wie du aller nichtigen Anklage, die Mutius Jungfisch, Don Unfalo und ihr Anhang wider dich ersonnen haben, gestern hier bist los erkannt worden. Dieweil aber er eben zu derselben Zeit in deiner Gegenwart ein Gesichtenbuch eingegeben und aus christlicher Schuldigkeit und großer inniglicher Liebe und Eifer, den er zu gemeinem Nutzen trägt, begehrt, daß alles Aergerliche und Aufrührerische darin verzeichnet und beschnitten oder gar abgeschafft werde: so wirst du dich nicht beschweren, allhier in Exp. Rob., als deines Bürgen, Hand vor dem Rath anzugeloben erstlich: nicht auszuweichen, bis alle diese Sachen zu Ende gebracht sind; darnach: allem dem nachzuleben, wozu ein hochadliger deutscher Heldenrath dich schuldig erachten wird. Willst du das thun. so gelobe es an.« Edler und fester Herr! sprach ich, wenn mir erlaubt wäre vorher ein Wort zu reden, wollte ich's kurz machen. »Was denn?« Ich will, sprach ich, dieser beiden Punkte wegen sogleich angeloben; aber in aller Untertänigkeit erinnere ich nur dies: dieser unruhige Mutius Hundsfisch und sein Anhang geben vor, wie ich höre, daß sie dies aus christlicher Schuldigkeit und großer inniger Liebe und Eifer für das allgemeine Beste gethan hätten. Doch ich erkläre hiermit vor aller Welt, daß sie ehrlose Verräther sind, denn ich will sie in ihren eigenen Worten überführen, daß sie diesen Vorwand einig und allein zur Beschönigung und Färbung ihrer losen Streiche gebrauchen: sie, die sonst ihr Lebtag sich des gemeinen Nutzens nicht anders als zum äußersten Schaden und allein zu ihrem eigenen Vortheil bedient haben, auch zum höchsten Verderben und zur Bestehlung des armen Vaterlandes. Und es ist aus diesem ihrem Falsch zu sehen, so sie mehr Gewalt hätten, was für greuliche Sachen sie sich unter dem Vorwand des allgemeinen Nutzens unterstehen würden, ärgere als alle Aufrührer und Verräther, als Fettmilch und Gerngroß S. Erster Theil, 2. Gesicht. je gethan haben. Dies allein habe ich zur Nachricht nicht verschweigen wollen, und gelobe hiermit in die Hände des Herrn Expertus Robertus all dem, was mir jetzt auf allergnädigstes Geheiß wird anbefohlen werden, getreulich nachzuleben und nicht auszuweichen, bis ich durch das hochadlige richterliche Amt bin ledig und frei erkannt worden. – Darauf wurde uns abzutreten befohlen. Nach einer Stunde, denn so lange mußten wir warten, wurden wir wieder eingelassen; und als mir von Hans Thurnmeier dasselbe noch einmal, wie vorhin, vorgestellt war, gelobte ich auch ihm an Eides Statt an, allem dem, was er mir vorlesen würde, nachzukommen. Darauf las er Folgendes:

»Nachdem es für eine Staatsnothwendigkeit erachtet worden ist, auf untertänigste von verschiedenen Orten eingegangene Aufforderungen die zwei Gesicht-Bücher des sogenannten Philander von Sittewald überlesen und fleißig durchgehen zu lassen, um zu sehen, was in denselben zu ändern sein möchte: so ist nach reifer Erwägung alles Inhalts befunden worden, daß zwar hauptsächlich er, Philander, darauf geht, die heutiges Tages in unserem betrübten Vaterlande gangbaren und giltigen Untugenden und Thorheiten mit Scherz- und Lustreden den Menschen verhaßt zu machen, welche nicht leiden können noch wollen, daß man ihnen ihr Unrecht mit Ernst vorhalte und abwehre. Dieser Zweck, wie er an sich selbst gut ist, ist auch nicht zu verwerfen. Hingegen in Anbetracht, daß viele Dinge in gedachten Büchern hätten förmlicher, zierlicher, gebührlicher, verantwortlicher, unvergreiflicher, bescheidener, annehmbarer, verständlicher könnten vorgebracht, theils ganz ausgelassen werden, wodurch Philander viel Ungunst, Mißtrauen, Eifer, Sauersehen und bei etlichen Verhinderung seiner selbst hätte verhüten können, indem es scheint, auch wohl sein kann, er habe einem Theil zu viel, dem andern zu wenig gethan, bei vielen auch das Ansehen erweckt, als habe er zum Theil aus Vorwitz, aus Rachgier, aus Unverstand, aus Thorheit, aus Frevel zusammengeschrieben, obwohl er in seinem Herzen ein oder das andere Ding so, wie es aufgenommen wird, nicht gemeint hat, was, da es ohne unsere vorhergehende Erkenntnis in den Druck gekommen, von männiglich umso weniger für passend gehalten wird: – so ist von dem hochadligen Rath für thunlich und nöthig erachtet, gedachte zwei Gesicht-Bücher dem Reformationsrath zu übergeben, welcher in acht Tagen von jetzt an dieselben Gesichte nochmals zu durchgehen sich wird angelegen sein lassen; und was sie dann zu ändern, zu mehren, zu mindern, auszustreichen, beizusetzen, zu erläutern, zu erklären für recht befinden werden, dem soll gedachter Philander nachzuleben geruhen.

Ausgesprochen vor dem Heldenhofrath in der Burg Geroldseck im Wasgau auf Redwitz Tag im Jahr der Christen 1642.« Die Wahrheit zu gestehen: dies unverhoffte Urtheil kam mir fremd vor, auch theils unverständlich und ich hätte mich gern darüber beschweren mögen. Aber Expertus Robertus sprach zu mir: »Deine Sache ist gut, Philander; deine Neider werden sich dessen nur umsomehr schämen, und du wirst aus der Brühe kommen, weil die Sache unter der Helden Namen künftig wird zu verhandeln und zu verantworten sein; bedanke du dich und laß uns gehen.« Hans Thurnmeier fragte mich, ob ich dem, was ich jetzt habe ablesen hören, nachzukommen Willens wäre. Ich sprach ja und gelobte es ihm nochmals. Dann ging ich fort, es war eben ein Viertel vor zwölf Uhr. Diesen wie auch die übrigen Tage habe ich mit Anhörung etlicher geheimer Staatssachen (die mir aber bei Verlust meiner Wohlfahrt zu verschweigen geboten wurden) zugebracht, bis die acht Tage zum Reformationsrath auch vorbei waren. In dieser Zeit gab mir der Alte hinlänglich Bericht, wie ich mich in dem einen und dem andern ferner würde zu verhalten haben.

Weil ich nun dieses Tages, insonderheit aber dieses Kriegsgesichts Abenteuer, durch Gottes Hilfe bestanden habe, so kann ich nicht vorüber zur Beschließung dieses Gesichts und zur Bezeugung meiner schuldigen Dankbarkeit mit dem frommen Herrn Bartholomäus Ringwald aus seiner lauteren Wahrheit also zu seufzen:

O edler Fried', du höchstes Gut,
Wohl dem, der bei dir wohnen thut
Und fröhlich unter deinem Zelt
Sich mit den Deinen aufenthält.
Weh' aber dem, der allda sitzt
Im Krieg, daß ihm die Seele schwitzt,
Wo Bruder Veit mit seiner Ruth'
Ankommen und regieren thut.
Darum ihr Deutschen unverzagt
Euch wie die Christen wohlvertragt,
Auf daß ihr nicht durch euren Streit
Selbst Ursach' eures Unfalls seid;
Denn wenn ihr euch mit vielem Schlagen
Wollt selber aus dem Lande jagen,
Die Festen hin und her zerbrechen
Und euch wie Vieh zu Boden stechen,
Dazu die Rüstung sammt den Spießen
Verderben und all Kraut verschießen:
Wie wollt ihr denn im Ungarland
Dem Türken leisten Widerstand,
Wenn er mit seinen Säbeln schwer
Käm' wider euch gezogen her?
Wollt' Gott, daß alles Kraut und Loth,
So in dem Reich ohn' sondre Noth
Sammt manchem tapfern Kriegesmann
In zwanzig Jahren ist verthan,
Nach Ofen hin mit starker Hand
Wär' wider unsern Feind gewandt,
So glaub' ich, daß man wollte fein
Constantinopel nehmen ein.
Aber es ist, Gott sei's geklagt!
Allein nur an die Freund' gewagt,
Da die Gliedmaßen hochgesessen
Die Kleinen haben aufgefressen,
Dadurch der Leib, das röm'sche Reich,
Wird in die Läng' gar matt und bleich
Sich wider die blutdürst'gen Bären
Von Ismael mit Kraft zu wehren.
O frommer Gott, wie ist doch heut'
Im Reich so gar kein' Einigkeit,
In allen Ständen hin und her,
Sie blicken alle in die Quer.
Ein jeder zu dem Seinen sicht,
Getrauet seinem Nachbar nicht,
Besorgt, daß er ihm Spott beweis'
Und einen lahmen Possen reiß'.
Und ob sie schon einander schreiben,
Wie Brüder fest zusammen zu bleiben,
Und das mit Worten fest verschränken,
Doch innerlich viel anders denken:
Denn Ehr' und Treu' zu unsrer Frist
Bei jedermann gefallen ist,
Wie mancher Mann in seinem Orden
Mit Schaden ist gewahr geworden.
Wahrlich, wenn man dem Türken sagt,
Wie ihr euch selbst zu Boden schlagt
Und alles Uebel ärger macht,
So sitzt der dicke Schelm und lacht
Und denkt also: das ist für mich,
Nun hab' ich einen freien Stich
Wider die Christen, weil sie sich
Selber verderben jämmerlich.
Und wenn der Uhu abgericht't,
Die wohlgelegne Zeit ersicht,
So kommt er trotzig in das Feld
Mit seinen Eulen ungezählt
Und beut mit vielem Spott alldar
Dem altberühmten Adler klar
Sammt seinen Falken wohlgethan
Um Land und Leut' zu kämpfen an;
Habt ihr alsdann gleich wie die Raben,
Die sich zuvor gebissen haben,
Das Geld verschustert, Kraut verschossen
Und eurer Brüder Blut vergossen:
So wird der Adler neben euch,
Sammt allem Volk im ganzen Reich,
Besorgen müssen groß' Gefahr,
Wofür uns Gottes Sohn bewahr'.
Darum ihr Brüder allzugleich,
Die ihr noch liebt das röm'sche Reich:
Seid einig, wie die Christenleut',
Vermeidet den einheim'schen Streit,
Auf daß ihr euch nach einem Geist
Der brüderlichen Eintracht fleißt;
Und braucht nur euren Helm und Schild
Wenn's wider Türk' und Heiden gilt,
So wird das ganze Land gemehrt,
Dazu Gott und das Reich geehrt.
Du siehst, wie groß, Herr Jesu Christ,
Der Lärm in allen Landen ist,
Und jedermann in Dorf und Stadt
Den Todfeind an der Seite hat.
Dazu die Lieb bei Jung und Alt
Ist wie das harte Eis erkalt't,
Und keine Bess'rung auf der Erd'
Zu hoffen bis ein Ende werd'.
O komm mit deinem Richterstab
Ja in der Zeit von oben herab,
Eh' denn mit vieler Christen Weh
Der Glaube gar zu Boden geh',
Und heb' den ärgerlichen Lauf
Der Welt sammt allem Hader auf,
Der nicht kann werden weggenommen,
Eh' du nicht wirst vom Himmel kommen.
O Jesu, der du in dem Feld
Allein bist der starke Held,
Der du mit deinem schlichten Sprechen
Kannst Mauern, Schilde, Spieße brechen,
Dazu den Feinden die Gewalt
Und großen Hochmuth stillen bald,
Daß sie entweder auf den Füßen
Schnell laufen oder fallen müssen:
Steh' doch in diesem harten Streit
Auch bei der armen Christenheit,
Die jetzt durch sich selbst hochbedrängt
Allein an deiner Hilfe hängt.
Fürwahr es sieht bei jedermann
Als ob mit uns es wär' gethan,
Und ob es würde insgemein
Mit uns allen verloren sein;
Darum, o Herr, errett' uns doch
Von uns'rem selbstgemachten Joch,
Beweis' dein' Macht und Stärk' einmal
Von oben aus des Himmels Saal.
Du kennst das Herz, Herr Jesu Christ,
Weißt wohl, wer fried- und redlich ist,
Drum laß den Hauf zu Boden gehn,
Der sich zum Fried' nicht will verstehn:
Daß sich dein Volk erheben thu',
Hier zeitlich und dort immerzu.


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