Theodor Mommsen
Römische Geschichte
Theodor Mommsen

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9. Kapitel

Crassus' Tod. Der Bruch der Gesamtherrscher

Unter den Häuptern des "dreiköpfigen Ungeheuers" war Marcus Crassus jahrelang mitgerechnet worden, ohne eigentlich mitzuzählen. Er diente den wirklichen Machthabern Pompeius und Caesar als Gleichgewichtstein, oder genauer gesagt, er fiel in Caesars Waagschale gegen Pompeius. Diese Rolle ist nicht allzu ehrenvoll; aber Crassus ward nie durch leidenschaftliches Ehrgefühl gehindert, seinen Vorteil zu verfolgen. Er war Kaufmann und ließ mit sich handeln. Was ihm geboten ward, war nicht viel; da indes mehr nicht zu erhalten war, nahm er es an und suchte den nagenden Ehrgeiz und den Verdruß über seine der Macht so nahe und doch machtlose Stellung über den immer höher sich ihm häufenden Goldbergen zu vergessen. Aber die Konferenz zu Luca wandelte auch für ihn die Verhältnisse um: um gegen Pompeius nach den so ausgedehnten Zugeständnissen auch ferner im Übergewicht zu bleiben, gab Caesar seinem alten Verbündeten Crassus Gelegenheit, durch den Parthischen Krieg ebendahin in Syrien zu gelangen, wohin Caesar durch den keltischen in Gallien gelangt war. Es war schwer zu sagen, ob diese neuen Aussichten mehr den Heißhunger nach Gold reizten, der dem jetzt sechzigjährigen Manne zur anderen Natur geworden war und mit jeder neu erworbenen Million nur um so zehrender ward, oder mehr den in der Brust des Graukopfs lange mühsam niedergekämpften und jetzt mit unheimlichem Feuer in ihr glühenden Ehrgeiz. Bereits Anfang 700 (54) traf er in Syrien ein: nicht einmal den Ablauf seines Konsulats hatte er abgewartet um aufzubrechen. Voll hastiger Leidenschaft schien er jede Minute auskaufen zu wollen, um das Versäumte nachzuholen, zu den Schätzen des Westens noch die des Ostens einzutun, Feldherrnmacht und Feldherrnruhm rasch wie Caesar und mühelos wie Pompeius zu erjagen.

Er fand den Parthischen Krieg bereits eingeleitet. Pompeius' illoyales Verhalten gegen die Parther ist früher erzählt worden; er hatte die vertragsmäßige Euphratgrenze nicht respektiert und zu Gunsten Armeniens, das jetzt römischer Klientelstaat war, mehrere Landschaften vom Parthischen Reich abgerissen. König Phraates hatte sich das gefallen lassen: nachdem er aber von seinen beiden Söhnen Mithradates und Orodes ermordet worden war, erklärte der neue König Mithradates dem König von Armenien, des kürzlich verstorbenen Tigranes Sohn Artavasdes, sofort den Krieg (um 698Tigranes lebte noch im Februar 698 (56) (Cic. Sest. 27, 59); dagegen herrschte Artavasdes schon vor 700 (54) (Iust. 42, 2, 4; Plut. Crass. 49). 56). Es war dies zugleich eine Kriegserklärung gegen Rom; sowie daher der Aufstand der Juden unterdrückt war, führte der tüchtige und mutige Statthalter Syriens, Gabinius, die Legionen über den Euphrat. Im Partherreich indes war inzwischen eine Umwälzung eingetreten; die Großen des Reiches, an ihrer Spitze der junge, kühne und talentvolle Großwesir, hatten den König Mithradates gestürzt und dessen Bruder Orodes auf den Thron gesetzt. Mithradates machte deshalb gemeinschaftliche Sache mit den Römern und begab sich in Gabinius' Lager. Alles versprach dem Unternehmen des römischen Statthalters den besten Erfolg, als er unvermutet Befehl bekam, den König von Ägypten mit Waffengewalt nach Alexandreia zurückzuführen. Er wußte gehorchen; aber in der Erwartung, bald wieder zurück zu sein, veranlaßte er den bei ihm um Hilfe bittenden entthronten Partherfürsten, den Krieg inzwischen auf eigene Faust zu eröffnen. Mithradates tat es und Seleukeia und Babylon erklärten sich für ihn; aber Seleukeia nahm der Wesir, er persönlich der erste auf der Zinne, mit stürmender Hand ein, und in Babylon wußte Mithradates selbst, durch Hunger bezwungen, sich ergeben, worauf er auf Befehl des Bruders hingerichtet ward. Sein Tod war ein fühlbarer Verlust für die Römer; aber die Gärung im Parthischen Reich war doch keineswegs damit zu Ende und auch der armenische Krieg währte noch fort. Eben war Gabinius im Begriff, nach Beendigung des ägyptischen Feldzuges die immer noch günstige Gelegenheit zu nutzen und den unterbrochenen Parthischen Krieg wiederaufzunehmen, als Crassus in Syrien eintraf und mit dem Kommando zugleich die Pläne seines Vorgängers übernahm. Voll hochfliegender Hoffnungen schlug er die Schwierigkeiten des Marsches gering, die Widerstandskraft der feindlichen Heere noch geringer an; zuversichtlich sprach er nicht bloß von der Unterwerfung der Panther, sondern eroberte schon in Gedanken die Reiche von Baktrien und Indien.

Eile indes hatte der neue Alexander nicht. Erfand, bevor er so große Pläne ins Werk setzte, noch Muße zu sehr weitläufigen und sehr einträglichen Nebengeschäften. Der Tempel der Derketo in Hierapolis Bambyke, des Jehova in Jerusalem und andere reiche Heiligtümer der syrischen Provinz wurden auf Crassus' Befehl ihrer Schätze beraubt und von allen Untertanen Zuzug oder lieber noch statt desselben Geldsummen beigetrieben. Die militärischen Operationen des ersten Sommers beschränkten sich auf eine umfassende Rekognoszierung in Mesopotamien: der Euphrat ward überschritten, bei Ichnä (am Belik, nördlich von Rakkah) der parthische Satrap geschlagen und die nächstliegenden Städte, darunter das ansehnliche Nikephorion (Rakkah), besetzt, worauf man mit Zurücklassung von Besatzungen in denselben wieder nach Syrien zurückging. Man hatte bisher geschwankt, ob es ratsamer sei, auf dem Umweg über Armenien oder auf der geraden Straße durch die mesopotamische Wüste nach Parthien zu marschieren. Der erste Weg durch gebirgige und von zuverlässigen Verbündeten beherrschte Landschaften empfahl sich durch die größere Sicherheit; König Artavasdes kam selbst in das römische Hauptquartier, um diesen Feldzugsplan zu befürworten. Allein jene Rekognoszierung entschied für den Marsch durch Mesopotamien. Die zahlreichen und blühenden griechischen und halbgriechischen Städte in den Landschaften am Euphrat und Tigris, vor allen die Weltstadt Seleukeia, waren der parthischen Herrschaft durchaus abgeneigt; wie früher die Bürger von Karrhä, so hatten jetzt alle von den Römern berührten griechischen Ortschaften es mit der Tat bewiesen, wie bereit sie waren, die unerträgliche Fremdherrschaft abzuschütteln und die Römer als Befreier, beinahe als Landsleute zu empfangen. Der Araberfürst Abgaros, der die Wüste von Edessa und Karrhä und damit die gewöhnliche Straße vom Euphrat an den Tigris beherrschte, hatte im Lager der Römer sich eingefunden, um dieselben seiner Ergebenheit persönlich zu versichern. Durchaus hatten die Parther sich unvorbereitet gezeigt. So ward denn der Euphrat (bei Biradjik) überschritten (701 53). Um von da an den Tigris zu gelangen, konnte man einen zwiefachen Weg wählen: entweder rückte das Heer am Euphrat hinab bis auf die Höhe von Seleukeia, wo der Euphrat und der Tigris nur noch wenige Meilen voneinander entfernt sind; oder man schlug sogleich nach dem Übergang auf der kürzesten Linie, quer durch die große mesopotamische Wüste, den Weg zum Tigris ein. Der erste Weg führte unmittelbar auf die parthische Hauptstadt Ktesiphon zu, die Seleukeia gegenüber am andern Ufer des Tigris lag; es erhoben sich für diesen im römischen Kriegsrat mehrere gewichtige Stimmen; namentlich der Quästor Gaius Cassius wies auf die Schwierigkeiten des Wüstenmarsches und auf die bedenklichen, von den römischen Besatzungen am linken Euphratufer über die parthischen Kriegsvorbereitungen einlaufender. Berichte hin. Allein damit im Widerspruch meldete der arabische Fürst Abgaros, daß die Parther beschäftigt seien, ihre westlichen Landschaften zu räumen. Bereits hätten sie ihre Schätze eingepackt und sich in Bewegung gesetzt, um zu den Hyrkanern und Skythen zu flüchten; nur durch einen Gewaltmarsch auf dem kürzesten Wege sei es überhaupt noch möglich, sie zu erreichen; durch einen solchen werde es aber auch wahrscheinlich gelingen, wenigstens den Nachtrab der großen Armee unter Sillakes und dem Wesir einzuholen und aufzureiben und die ungeheure Beute zu gewinnen. Diese Rapporte der befreundeten Beduinen entschieden über die Marschrichtung; das römische Heer, bestehend aus sieben Legionen, 4000 Reitern und 4000 Schleuderern und Schützen, wandte vom Euphrat sich ab und hinein in die unwirtlichen Ebenen des nördlichen Mesopotamiens. Weit und breit zeigte sich kein Feind; nur Hunger und Durst und die endlose Sandwüste schienen Wache zu halten an den Pforten des Ostens. Endlich, nach vieltägigem mühseligen Marsch, unweit des ersten Flusses, den das römische Heer zu überschreiten hatte, des Balissos (Belik), zeigten sich die ersten feindlichen Reiter. Abgaros mit seinen Arabern ward ausgesandt, um zu kundschaften; die parthischen Reiterscharen wichen zurück bis an und über den Fluß und verschwanden in der Ferne, verfolgt von Abgaros und den Seinen. Ungeduldig harrte man auf die Rückkehr desselben und auf genauere Kundschaft. Der Feldherr hoffte, hier endlich an den ewig zurückweichenden Feind zu kommen; sein junger tapferer Sohn Publius, der mit der größten Auszeichnung in Gallien unter Caesar gefochten hatte und von diesem an der Spitze einer keltischen Reiterschar zur Teilnahme an dem Parthischen Kriege entsandt worden war, brannte vor stürmischer Kampflust. Da keine Botschaft kam, entschloß man sich, auf gut Glück vorwärts zu gehen: das Zeichen zum Aufbruch ward gegeben, der Balissos überschritten, das Heer nach kurzer, ungenügender Mittagsrast ohne Aufenthalt im Sturmschritt weitergeführt. Da erschollen plötzlich rings umher die Kesselpauken der Parther; auf allen Seiten sah man ihre seidenen, goldgestickten Fahnen flattern, ihre Eisenhelme und Panzer im Strahl der heißen Mittagssonne glänzen; und neben dem Wesir hielt Fürst Abgaros mit seinen Beduinen.

Man begriff zu spät, in welches Netz man sich hatte verstricken lassen. Mit sicherem Blick hatte der Wesir sowohl die Gefahr durchschaut wie die Mittel, ihr zu begegnen. Mit orientalischem Fußvolk war gegen die römische Linieninfanterie nichts auszurichten: er hatte sich desselben entledigt und, indem er diese auf dem Hauptschlachtfeld unbrauchbare Masse unter König Orodes' eigener Führung gegen Armenien sandte, den König Artavasdes gehindert, die versprochenen 10000 schweren Reiter zu Crassus' Heer stoßen zu lassen, die dieser jetzt schmerzlich vermißte. Dagegen trat der römischen, in ihrer Art unübertrefflichen Taktik der Wesir mit einer vollkommen verschiedenen gegenüber. Sein Heer bestand ausschließlich aus Reiterei; die Linie bildeten die schweren Reiter, mit langen Stoßlanzen bewaffnet und Mann und Roß durch metallene Schuppenpanzer oder Lederkoller und durch ähnliche Schienen geschirmt; die Masse der Truppen bestand aus berittenen Bogenschützen. Diesen gegenüber waren die Römer in den gleichen Waffen sowohl der Zahl wie der Tüchtigkeit nach durchaus im Nachteil. Ihre Linieninfanterie, wie vorzüglich sie auch im Nahkampf, sowohl auf kurze Distanz mit dem schweren Wurfspeer als im Handgemenge mit dem Schwert, war, konnte doch eine bloß aus Reiterei bestehende Armee nicht zwingen, sich mit ihr einzulassen, und fand, wenn es zum Handgemenge kam, auch hier in den eisenstarrenden Scharen der Lanzenreiter einen ihr gewachsenen, wo nicht überlegenen Gegner. Einem Heer gegenüber, wie dies parthische war, stand das römische strategisch im Nachteil, weil die Reiterei die Kommunikationen beherrschte; taktisch, weil jede Nahwaffe der Fernwaffe unterliegen muß, wenn jene nicht zum Kampfe Mann gegen Mann gelangt. Die konzentrierte Stellung, auf der die ganze römische Kriegsweise beruhte, steigerte einem solchen Angriff gegenüber die Gefahr; je dichter die römische Kolonne sich scharte, desto unwiderstehlicher ward allerdings ihr Stoß, aber desto weniger fehlten auch die Fernwaffen ihr Ziel. Unter gewöhnlichen Verhältnissen, wo Städte zu verteidigen und Bodenschwierigkeiten zu berücksichtigen sind, hätte jene bloß mit Reiterei gegen Fußvolk operierende Taktik sich niemals vollständig durchführen lassen; in der mesopotamischen Wüste aber, wo das Heer, fast wie das Schiff auf der hohen See, viele Tagemärsche hindurch weder auf ein Hindernis noch auf einen strategischen Anhaltspunkt traf, war diese Kriegführung eben darum so unwiderstehlich, weil die Verhältnisse hier gestatteten, sie in ihrer ganzen Reinheit und also in ihrer ganzen Gewalt zu entwickeln. Hier vereinigte sich alles, um die fremden Fußgänger gegen die einheimischen Reiter in Nachteil zu setzen. Wo der schwerbeladene römische Infanterist mühsam durch den Sand oder die Steppe sich hinschleppte und auf dem pfadlosen, durch weit auseinandergelegene und schwer aufzufindende Quellen bezeichneten Wege vor Hunger und mehr noch vor Durst verkam, flog der parthische Reitersmann, von Kindesbeinen an gewohnt, auf seinem geschwinden Roß oder Kamel zu sitzen, ja fast auf demselben zu leben, leicht durch die Wüste, deren Ungemach er seit langem gelernt hatte sich zu erleichtern und im Notfall zu ertragen. Hier fiel kein Regen, der die unerträgliche Hitze gemildert und die Bogensehnen und Schleuderriemen der feindlichen Schützen und Schleuderer erschlafft hätte; hier waren in dem tiefen Sande an vielen Stellen kaum ordentliche Gräben und Wälle für das Lager zu ziehen. Kaum vermag die Phantasie eine Lage zu erdenken, in der die militärischen Vorteile alle mehr auf der einen, die Nachteile alle mehr auf der andern Seite waren.

Auf die Frage, unter welchen Verhältnissen bei den Parthern diese neue Taktik entstand, die erste nationale, die auf ihrem rechten Terrain sich der römischen überlegen erwies, können wir leider nur mit Mutmaßungen antworten. Die Lanzenreiter und berittenen Bogenschützen sind im Orient uralt und bildeten bereits die Kerntruppen in den Heeren des Kyros und Dareios; bisher aber waren diese Waffen nur in zweiter Reihe und wesentlich zur Deckung der durchaus unbrauchbaren orientalischen Infanterie verwendet worden. Auch die parthischen Heere wichen hierin von den übrigen orientalischen keineswegs ab; es werden dergleichen erwähnt, die zu fünf Sechsteln aus Fußvolk bestanden. In dem Feldzug des Crassus dagegen trat die Reiterei zum ersten Male selbständig auf, und es erhielt diese Waffe dadurch eine ganz neue Verwendung und einen ganz anderen Wert. Die unwiderstehliche Überlegenheit des römischen Fußvolks im Nahkampf scheint unabhängig voneinander die Gegner Roms in den verschiedensten Weltgegenden zu gleicher Zeit und mit ähnlichem Erfolg darauf geführt zu haben, ihm mit der Reiterei und dem Fernkampf entgegenzutreten. Was Cassivellaunus in Britannien vollständig, Vercingetorix in Gallien zum Teil gelang, was bis zu einem gewissen Grade schon Mithradates Eupator versuchte, das hat der Wesir des Orodes nur in größerem Maßstab und vollständiger durchgeführt: wobei es ihm namentlich zustatten kam, daß er in der schweren Kavallerie das Mittel, eine Linie zu bilden, in dem im Orient nationalen und vornehmlich in den persischen Landschaften mit meisterlicher Schützenkunst gehandhabten Bogen eine wirksame Fernwaffe, endlich in den Eigentümlichkeiten des Landes und des Volkes die Möglichkeit fand, seinen genialen Gedanken rein zu realisieren. Hier, wo die römische Nahwaffe und das römische Konzentrierungssystem zum ersten Male der Fernwaffe und dem Deployierungssystem unterlagen, bereitete diejenige militärische Revolution sich vor, die erst mit der Einführung des Feuergewehrs ihren vollständigen Abschluß erhalten hat.

Unter diesen Verhältnissen ward sechs Meilen südlich von Karrhä (Harran), wo römische Besatzung stand, in nördlicher Richtung etwas näher an Ichnä, inmitten der Sandwüste die erste Schlacht zwischen Römern und Parthern geschlagen. Die römischen Schützen wurden vorgesandt, wichen aber augenblicklich zurück vor der ungeheuren Überzahl und der weit größeren Spannkraft und Tragweite der parthischen Bogen. Die Legionen, die trotz der Mahnung der einsichtigeren Offiziere, sie möglichst entfaltet gegen den Feind zu führen, in ein dichtes Viereck von zwölf Kohorten an jeder Seite gestellt worden waren, waren bald überflügelt und von den furchtbaren Pfeilen überschüttet, die hier auch ungezielt ihren Mann trafen und denen die Soldaten mit nichts auch nur zu erwidern vermochten. Die Hoffnung, daß der Feind sich verschießen möge, verschwand bei einem Blick auf die endlose Reihe der mit Pfeilen beladenen Kamele. Immer weiter dehnten die Parther sich aus. Damit die Überflügelung nicht zur Umzingelung werde, rückte Publius Crassus mit einem auserlesenen Korps von Reitern, Schützen und Linieninfanterie zum Angriff vor. In der Tat gab der Feind es auf, den Kreis zu schließen, und wich zurück, hitzig verfolgt von dem ungestümen Führer der Römer. Als aber darüber das Korps des Publius die Hauptarmee ganz aus dem Gesicht verloren hatte, hielten die schweren Reiter ihm gegenüber stand, und wie ein Netz zogen die von allen Seiten herbeieilenden parthischen Haufen sich um dasselbe zusammen. Publius, der die Seinigen unter den Pfeilen der berittenen Schützen dicht und nutzlos um sich fallen sah, stürzte verzweifelt mit seiner unbepanzerten keltischen Reiterei sich auf die eisenstarrenden Lanzenreiter der Feinde; allein die todesverachtende Tapferkeit seiner Kelten, die die Lanzen mit den Händen packten oder von den Pferden sprangen, um die Feinde niederzustechen, tat ihre Wunder umsonst. Die Trümmer des Korps, unter ihnen der am Schwertarm verwundete Führer, wurden auf eine kleine Anhöhe gedrängt, wo sie den feindlichen Schützen erst recht zur bequemen Zielscheibe dienten. Mesopotamische Griechen, die der Gegend genau kundig waren, beschworen den Crassus, mit ihnen abzureiten und einen Versuch zu machen, sich zu retten; aber er weigerte sich, sein Schicksal von dem der tapferen Männer zu trennen, die sein verwegener Mut in den Tod geführt hatte, und ließ von der Hand seines Schildträgers sich durchbohren. Gleich ihm gaben die meisten noch übrigen Offiziere sich selbst den Tod. Von der ganzen gegen 6000 Mann starken Abteilung wurden nicht mehr als 500 gefangen; zu retten vermochte sich keiner. Gegen das Hauptheer hatte inzwischen der Angriff nachgelassen und man rastete nur zu gern. Als endlich das Ausbleiben jeder Meldung von dem entsandten Korps es aus der trügerischen Ruhe aufschreckte und es, um dasselbe aufzusuchen, der Walstatt sich näherte, ward dem Vater das Haupt des Sohnes auf einer Stange entgegengetragen; und abermals begann nun gegen das Hauptheer die schreckliche Schlacht, mit demselben Ungestüm und derselben hoffnungslosen Gleichförmigkeit. Man vermochte weder die Lanzenreiter zu sprengen noch die Schützen zu erreichen; erst die Nacht machte dem Morden ein Ende. Hätten die Parther auf dem Schlachtfeld biwakiert, es wäre schwerlich vom römischen Heer ein Mann entkommen. Allein nicht geübt, anders als beritten zu fechten, und darum besorgt vor einem Überfall, hatten sie die Gewohnheit, niemals hart am Feinde zu lagern; höhnisch riefen sie den Römern zu, daß sie dem Feldherrn eine Nacht schenkten, um seinen Sohn zu beweinen, und jagten davon, um am anderen Morgen wiederzukehren und das blutend am Boden liegende Wild abzufangen. Natürlich warteten die Römer den Morgen nicht ab. Die Unterfeldherren Cassius und Octavius – Crassus selbst hatte gänzlich den Kopf verloren – ließen sofort und in möglichster Stille, mit Zurücklassung der sämtlichen – angeblich 4000 – Verwundeten und Versprengten, die noch marschfähigen Leute aufbrechen, um in den Mauern von Karrhä Schutz zu suchen. Daß die Parther, als sie den folgenden Tag wiederkamen, zunächst sich daran machten, die zerstreut Zurückgelassenen aufzusuchen und niederzumetzeln, und daß die Besatzung und die Einwohnerschaft von Karrhä, durch Ausreißer frühzeitig von der Katastrophe in Kenntnis gesetzt, schleunigst der geschlagenen Armee entgegengerückt waren, rettete die Trümmer derselben vor der, wie es schien, unausbleiblichen Vernichtung. An eine Belagerung von Karrhä konnten die parthischen Reiterscharen nicht denken. Allein bald brachen die Römer freiwillig auf, sei es durch Mangel an Lebensmitteln genötigt, sei es infolge der mutlosen Übereilung des Oberfeldherrn, den die Soldaten vergeblich versucht hatten vom Kommando zu entfernen und durch Cassius zu ersetzen. Man schlug die Richtung nach den armenischen Bergen ein; die Nacht marschierend und am Tage rastend, erreichte Octavius mit einem Haufen von 5000 Mann die Festung Sinnaka, die nur noch einen Tagesmarsch von den sicheren Höhen entfernt war, und befreite sogar mit eigener Lebensgefahr den Oberfeldherrn, den der Führer irregeleitet und dem Feinde preisgegeben hatte. Da ritt der Wesir vor das römische Lager, um im Namen seines Königs den Römern Frieden und Freundschaft zu bieten und auf eine persönliche Zusammenkunft der beiden Feldherren anzutragen. Das römische Heer, demoralisiert wie es war, beschwor, ja zwang seinen Führer, das Anerbieten anzunehmen. Der Wesir empfing den Konsular und dessen Stab mit den üblichen Ehren und erbot sich aufs neue, einen Freundschaftspakt abzuschließen; nur forderte er, mit gerechter Bitterkeit an das Schicksal der mit Lucullus und Pompeius hinsichtlich der Euphratgrenze abgeschlossenen Verträge erinnernd, daß derselbe sogleich schriftlich abgefaßt werde. Ein reichgeschmückter Zelter ward vorgeführt: es war ein Geschenk des Königs für den römischen Oberfeldherrn; die Diener des Wesirs drängten sich um Crassus, beeifert, ihn aufs Pferd zu heben. Es schien den römischen Offizieren, als beabsichtige man, sich der Person des Oberfeldherrn zu bemächtigen; Octavius, unbewaffnet wie er war, riß einem Parther das Schwert aus der Scheide und stieß den Pferdeknecht nieder. In dem Anlauf, der sich hieraus entspann, wurden die römischen Offiziere alle getötet; auch der greise Oberfeldherr wollte, wie sein Großohm, dem Feinde nicht lebend als Trophäe dienen und suchte und fand den Tod. Die im Lager zurückgebliebene führerlose Menge ward zum Teil gefangen, zum Teil versprengt. Was der Tag von Karrhä begonnen hatte, vollendete der von Sinnaka (9. Juni 701 53); beide nahmen ihren Platz neben den Daten von der Allia, von Cannae und von Arausio. Die Euphratarmee war nicht mehr. Nur der Reiterschar des Gaius Cassius, welche bei dem Abmarsch von Karrhä von dem Hauptheer abgesprengt worden war, und einigen anderen zerstreuten Haufen und vereinzelten Flüchtlingen gelang es, sich den Parthern und den Beduinen zu entziehen und einzeln den Rückweg nach Syrien zu finden. Von über 40000 römischen Legionären, die den Euphrat überschritten hatten, kam nicht der vierte Mann zurück; die Hälfte war umgekommen; gegen 10000 römische Gefangene wurden von den Siegern im äußersten Osten ihres Reiches, in der Oase von Merv, nach parthischer Art als heerpflichtige Leibeigene angesiedelt. Zum ersten Male, seit die Adler die Legionen führten, waren dieselben in diesem Jahre zu Siegeszeichen in den Händen fremder Nationen, fast gleichzeitig eines deutschen Stammes im Westen und im Osten der Parther geworden. Von dem Eindruck, den die Niederlage der Römer im Osten machte, ist uns leider keine ausreichende Kunde geworden; aber tief und bleibend muß er gewesen sein. König Orodes richtete eben die Hochzeit seines Sohnes Pakoros mit der Schwester seines neuen Verbündeten, des Königs Artavasdes von Armenien, aus, als die Siegesbotschaft seines Wesirs bei ihm einlief und, nach orientalischer Sitte, zugleich mit ihr der abgehauene Kopf des Crassus. Schon war die Tafel aufgehoben; eine der wandernden kleinasiatischen Schauspielertruppen, wie sie in jener Zeit zahlreich bestanden und die hellenische Poesie und die hellenische Bühnenkunst bis tief in den Osten hineintrugen, führten eben vor dem versammelten Hofe Euripides' 'Bakchen' auf. Der Schauspieler, der die Rolle der Agaue spielte, welche in wahnsinnig dionysischer Begeisterung ihren Sohn zerrissen hat und nun das Haupt desselben auf dem Thyrsus tragend, vom Kithäron zurückkehrt, vertauschte dieses mit dem blutigen Kopfe des Crassus, und zum unendlichen Jubel seines Publikums von halbhellenisierten Barbaren begann er aufs neue das wohlbekannte Lied:

Wir bringen vom Berge
Nach Hause getragen
Die herrliche Beute,
Das blutende Wild.

Es war seit den Zeiten der Achämeniden der erste ernsthafte Sieg, den die Orientalen über den Okzident erfochten; und wohl lag auch darin ein tiefer Sinn, daß zur Feier dieses Sieges das schönste Erzeugnis der okzidentalischen Welt, die griechische Tragödie, durch ihre herabgekommenen Vertreter in jener grausigen Groteske sich selber parodierte. Das römische Bürgertum und der Genius von Hellas fingen gleichzeitig an, sich auf die Ketten des Sultanismus zu schicken.

Die Katastrophe, entsetzlich an sich, schien auch in ihren Folgen furchtbar zu werden und die Grundfesten der römischen Macht im Osten erschüttern zu sollen. Es war das wenigste, daß jetzt die Parther. jenseits des Euphrat unbeschränkt schalteten, daß Armenien, nachdem es schon vor der Katastrophe des Crassus vom römischen Bündnis abgefallen war, durch dieselbe ganz in parthische Klientel geriet, daß den treuen Bürgern von Karrhä durch den von den Parthern ihnen gesetzten neuen Herrn, einen der verräterischen Wegweiser der Römer namens Andromachos, ihre Anhänglichkeit an die Okzidentalen bitter vergolten ward. Allen Ernstes schickten die Parther sich an, nun ihrerseits die Euphratgrenze zu überschreiten und im Verein mit den Armeniern und den Arabern die Römer aus Syrien zu vertreiben. Die Juden und andere Orientalen mehr harrten hier der Erlösung von der römischen Herrschaft nicht minder ungeduldig, wie die Hellenen jenseits des Euphrat der Erlösung von der parthischen; in Rom stand der Bürgerkrieg vor der Tür; der Angriff ebenhier und ebenjetzt war eine schwere Gefahr. Allein zum Glücke Roms hatten auf beiden Seiten die Führer gewechselt. Sultan Orodes verdankte dem heldenmütigen Fürsten, der ihm erst die Krone aufgesetzt und dann das Land von den Feinden gesäubert hatte, zu viel, um sich seiner nicht baldmöglichst durch den Henker zu entledigen. Seinen Platz als Oberfeldherr der nach Syrien bestimmten Invasionsarmee füllte ein Prinz aus, des Königs Sohn Pakoros, dem seiner Jugend und Unerfahrenheit wegen der Fürst Osakes als militärischer Ratgeber beigegeben werden mußte. Andererseits übernahm an Crassus' Stelle das Kommando in Syrien interimistisch der besonnene und entschlossene Quästor Gaius Cassius. Da die Parther, ebenwie früher Crassus, den Angriff nicht beeilten, sondern in den Jahren 701 (53) und 702 (52) nur schwache, leicht zurückgeworfene Streifscharen über den Euphrat sandten, so behielt Cassius Zeit, das Heer einigermaßen zu reorganisieren und die Juden, die die Erbitterung über die von Crassus verübte Spoliation des Tempels schon jetzt unter die Waffen getrieben hatte, mit Hilfe des treuen Anhängers der Römer, Herodos Antipatros, zum Gehorsam zurückzubringen. Die römische Regierung hätte also volle Zeit gehabt, zur Verteidigung dar bedrohten Grenze frische Truppen zu senden; allein es unterblieb über den Konvulsionen der beginnenden Revolution, und als endlich im Jahre 703 (51) die große parthische Invasionsarmee am Euphrat erschien, hatte Cassius immer noch nur die zwei schwachen, aus den Trümmern der Armee des Crassus gebildeten Legionen ihr entgegenzustellen. Natürlich konnte er damit weder den Übergang wehren noch die Provinz verteidigen. Syrien ward von den Parthern überrannt und ganz Vorderasien zitterte. Allein die Parther verstanden es nicht, Städte zu belagern. Von Antiocheia, in das Cassius mit seinen Truppen sich geworfen hatte, zogen sie nicht bloß unverrichteter Sache ab, sondern wurden auf dem Rückzug am Orontes noch durch Cassius' Reiterei in einen Hinterhalt gelockt und hier durch die römische Infanterie übel zugerichtet; Fürst Osakes selbst war unter den Toten. Freund und Feind ward hier inne, daß die parthische Armee unter einem gewöhnlichen Feldherrn und auf einem gewöhnlichen Terrain nicht viel mehr leiste als jede andere orientalische. Indes aufgegeben war der Angriff nicht. Noch im Winter 703/04 (51/50) lagerte Pakoros in Kyrrhestike diesseits des Euphrat; und der neue Statthalter Syriens, Marcus Bibulus, ein ebenso elender Feldherr wie unfähiger Staatsmann, wußte nichts Besseres zu tun, als sich in seine Festungen einzuschließen. Allgemein ward erwartet, daß der Krieg im Jahre 704 (50) mit erneuter Heftigkeit ausbrechen werde. Allein statt gegen die Römer wandte Pakoros die Waffen gegen seinen eigenen Vater und trat deshalb sogar mit dem römischen Statthalter in Einverständnis. Damit war zwar weder der Fleck von dem Schilde der römischen Ehre gewaschen noch auch Roms Ansehen im Orient wiederhergestellt, allein mit der parthischen Invasion in Vorderasien war es vorbei, und es blieb, vorläufig wenigstens, die Euphratgrenze erhalten.

In Rom wirbelte inzwischen der kreisende Vulkan der Revolution seine Rauchwolken sinnbetäubend empor. Man fing an, keinen Soldaten und keinen Denar mehr gegen den Landesfeind, keinen Gedanken mehr übrig zu haben für die Geschichte der Völker. Es ist eines der entsetzlichsten Zeichen der Zeit, daß das ungeheure Nationalunglück von Karrhä und Sinnaka den derzeitigen Politikern weit weniger zu denken und zu reden gab als jener elende Krawall auf der Appischen Straße, in dem ein paar Monate nach Crassus der Bandenführer Clodius umkam; aber es ist begreiflich und beinahe verzeihlich. Der Bruch zwischen den beiden Machthabern, lange als unvermeidlich gefühlt und oft so nahe verkündigt, rückte jetzt unaufhaltsam heran. Wie in der alten griechischen Schiffersage befand sich das Fahrzeug der römischen Gemeinde gleichsam zwischen zwei aufeinander zuschwimmenden Felsen; von Augenblick zu Augenblick den krachenden Zusammenstoß erwartend, starrten die, welche es trug, von namenloser Angst gebannt, in die hoch und höher strudelnde Brandung, und während jedes kleinste Rücken hier tausend Augen auf sich zog, wagte nicht eines, den Blick nach rechts oder links zu verwenden.

Nachdem auf der Zusammenkunft von Luca im April 698 (36) Caesar sich Pompeius gegenüber zu ansehnlichen Konzessionen verstanden und die Machthaber damit sich wesentlich ins Gleichgewicht gesetzt hatten, fehlte es ihrem Verhältnis nicht an den äußeren Bedingungen der Haltbarkeit, insoweit eine Teilung der an sich unteilbaren monarchischen Gewalt überhaupt haltbar sein kann. Eine andere Frage war es, ob die Machthaber, wenigstens für jetzt, entschlossen waren, zusammenzuhalten und gegenseitig sich ohne Hinterhalt als gleichberechtigt anzuerkennen. Daß dies bei Caesar insofern der Fall war, als er um den Preis der Gleichstellung mit Pompeius sich die zur Unterwerfung Galliens notwendige Frist erkauft hatte, ist früher dargelegt worden. Aber Pompeius war es schwerlich jemals auch nur vorläufig Ernst mit der Kollegialität. Er war eine von den kleinlichen und gemeinen Naturen, gegen die es gefährlich ist, Großmut zu üben: seinem kleinlichen Sinn erschien es sicher als Gebot der Klugheit, dem unwillig anerkannten Nebenbuhler bei erster Gelegenheit ein Bein zu stellen, und seine gemeine Seele dürstete nach der Möglichkeit, die durch Caesars Nachsicht erlittene Demütigung ihm umgekehrt zu vergelten. Wenn aber Pompeius wahrscheinlich nach seiner dumpfen und trägen Natur niemals recht sich dazu verstanden hatte, Caesar neben sich gelten zu lassen, so ist doch die Absicht, das Bündnis zu sprengen, ihm wohl erst allmählich zum klaren Bewußtsein gelangt. Auf keinen Fall wird das Publikum, das überhaupt Pompeius' An- und Absichten gewöhnlich besser durchschaute als er selbst, darin sich getäuscht haben, daß wenigstens mit dem Tode der schönen Julia, welche in der Blüte ihrer Jahre im Herbst 700 (54) starb und der ihr einziges Kind bald in das Grab nachfolgte, das persönliche Verhältnis zwischen ihrem Vater und ihrem Gemahl gelöst war. Caesar versuchte, die vom Schicksal getrennten verwandtschaftlichen Bande wiederherzustellen; er warb für sich um die Hand der einzigen Tochter des Pompeius und trug diesem seine jetzt nächste Verwandte, seiner Schwester Enkelin Octavia, als Gemahlin an; allein Pompeius ließ seine Tochter ihrem bisherigen Gatten Faustus Sulla, dem Sohn des Regenten, und vermählte sich selber mit der Tochter des Quintus Metellus Scipio. Der persönliche Bruch war unverkennbar eingetreten, und Pompeius war es, der die Hand zurückzog. Man erwartete, daß der politische ihm auf dem Fuße folgen werde; allein hierin hatte man sich getäuscht: in öffentlichen Angelegenheiten blieb vorläufig noch ein kollegialisches Einvernehmen bestehen. Die Ursache war, daß Caesar nicht geradezu das Verhältnis lösen wollte, bevor Galliens Unterwerfung eine vollendete Tatsache war, Pompeius nicht, bevor durch die Übernahme der Diktatur die Regierungsbehörden und Italien vollständig in seine Gewalt gebracht sein würden. Es ist sonderbar, aber wohl erklärlich, daß die Machthaber hierbei sich gegenseitig unterstützten; Pompeius überließ nach der Katastrophe von Aduatuca im Winter 700 (54) eine seiner auf Urlaub entlassenen italienischen Legionen leihweise an Caesar; andererseits gewährte Caesar Pompeius seine Einwilligung und seine moralische Unterstützung bei den Repressivmaßregeln, die dieser gegen die störrige republikanische Opposition ergriff. Erst nachdem Pompeius auf diesem Wege im Anfang des Jahres 702 (52) sich das ungeteilte Konsulat und einen durchaus den Caesars überwiegenden Einfluß in der Hauptstadt verschafft und die sämtliche waffenfähige Mannschaft in Italien den Soldateneid in seine Hände und auf seinen Namen abgeleistet hatte, faßte er den Entschluß, baldmöglichst mit Caesar förmlich zu brechen; und die Absicht trat auch klar genug hervor. Daß die nach dem Auflauf auf der Appischen Straße stattfindende gerichtliche Verfolgung eben Caesars alte demokratische Parteigenossen mit schonungsloser Härte traf, konnte vielleicht noch als bloße Ungeschicklichkeit hingehen. Daß das neue Gesetz gegen die Wahlumtriebe, indem es bis 684 (70) zurückgriff, auch die bedenklichen Vorgänge bei Caesars Bewerbung um das Konsulat miteinschloß, mochte gleichfalls nicht mehr sein, obgleich nicht wenige Caesarianer darin eine bestimmte Absicht zu erkennen meinten. Aber auch bei dem besten Willen konnte man nicht mehr die Augen verschließen, als Pompeius sich zum Kollegen im Konsulat nicht seinen früheren Schwiegervater Caesar erkor, wie es der Lage des Sache entsprach und vielfach gefordert ward, sondern in seinem neuen Schwiegervater Scipio sich einen von ihm völlig abhängigen Figuranten an die Seite setzte; noch weniger, als Pompeius sich gleichzeitig die Statthalterschaft beider Spanien auf weitere fünf Jahre, also bis 709 (45) verlängern und für die Besoldung seiner Truppen sich aus der Staatskasse eine ansehnliche feste Summe auswerfen ließ, nicht nur, ohne für Caesar die gleiche Verlängerung des Kommandos und die gleiche Geldbewilligung zu bedingen, sondern sogar durch die gleichzeitig ergangenen neuen Regulative über die Besetzung der Statthalterschaften von weitem hinarbeitend auf eine Abberufung Caesars vor dem früher verabredeten Termin. Unverkennbar waren diese Übergriffe darauf berechnet, Caesars Stellung zu untergraben und demnächst ihn zu stürzen. Der Augenblick konnte nicht günstiger sein. Nur darum hatte Caesar in Luca Pompeius so viel eingeräumt, weil Crassus und dessen syrische Armee bei einem etwaigen Bruch mit Pompeius notwendig in Caesars Waagschale fielen; denn auf Crassus, der seit der sullanischen Zeit mit Pompeius aufs tiefste verfeindet und fast ebensolange mit Caesar politisch und persönlich verbündet war, und der nach seiner Eigentümlichkeit allenfalls, wenn er nicht selbst König von Rom werden konnte, auch damit sich begnügt haben würde, des neuen Königs von Rom Bankier zu sein, durfte Caesar überhaupt zählen und auf keinen Fall besorgen, ihn sich gegenüber als Verbündeten seiner Feinde zu erblicken. Die Katastrophe von Juni 791 (53), in der Heer und Feldherr in Syrien zu Grunde gingen, war darum auch für Caesar ein furchtbar schwerer Schlag. Wenige Monate später loderte in Gallien, ebenda es vollständig unterworfen schien, die nationale Insurrektion gewaltiger empor als je und trat zum erstenmal hier gegen Caesar ein ebenbürtiger Gegner in dem Arvernerkönig Vercingetorix auf. Wieder einmal hatte das Geschick für Pompeius gearbeitet: Crassus war tot, ganz Gallien im Aufstand, Pompeius faktisch Diktator von Rom und Herr des Senats – was hätte kommen mögen, wenn er jetzt, statt in weite Ferne hinein gegen Caesar zu intrigieren, kurzweg die Bürgerschaft oder den Senat zwang, Caesar sofort aus Gallien abzurufen!

Aber Pompeius hat es nie verstanden, das Glück bei der Locke zu fassen. Er kündigte den Bruch deutlich genug an; bereits 702 (52) ließen seine Handlungen darüber keinen Zweifel und schon im Frühjahr 703 (51) sprach er seine Absicht, mit Caesar zu brechen, unverhohlen aus; aber er brach nicht und ließ ungenutzt die Monate verstreichen.

Indes wie auch Pompeius zögerte, die Krise rückte doch durch das Schwergewicht der Dinge selbst unaufhaltsam heran. Der bevorstehende Krieg war nicht etwa ein Kampf zwischen Republik und Monarchie – die Entscheidung darüber war bereits vor Jahren gefallen –, sondern ein Kampf um den Besitz der Krone Roms zwischen Pompeius und Caesar. Aber keiner der Prätendenten fand seine Rechnung dabei, die rechte Parole auszusprechen; er hätte damit den ganzen sehr ansehnlichen Teil der Bürgerschaft, der den Fortbestand der Republik wünschte und an dessen Möglichkeit glaubte, dem Gegner geradezu ins Lager getrieben. Die alten Schlachtrufe, wie sie Gracchus und Drusus, Cinna und Sulla angestimmt hatten, wie verbraucht und inhaltlos sie waren, blieben immer noch gut genug zum Feldgeschrei für den Kampf der beiden um die Alleinherrschaft ringenden Generale; und wenn auch für den Augenblick sowohl Pompeius wie Caesar offiziell sich zu der sogenannten Popularpartei rechneten, so konnte es doch keinen Augenblick zweifelhaft sein, daß Caesar das Volk und den demokratischen Fortschritt, Pompeius die Aristokratie und die legitime Verfassung auf sein Panier schreiben werde. Caesar hatte keine Wahl. Er war von Haus aus und sehr ernstlich Demokrat, die Monarchie, wie er sie verstand, mehr äußerlich als im Wesen selbst von dem gracchischen Volksregiment verschieden; und er war ein zu hochsinniger und zu tiefer Staatsmann, um seine Farbe zu decken und unter einem anderen als seinem eigenen Wappen zu fechten. Der unmittelbare Nutzen freilich, den dies Feldgeschrei ihm brachte, war gering; er beschränkte in der Hauptsache sich darauf, daß er dadurch der Unbequemlichkeit überhoben ward, das Königtum beim Namen zu nennen und mit dem verfemten Worte die Masse der Lauen und die eigenen Anhänger zu konsternieren. Positiven Gewinn trug die demokratische Fahne kaum noch ein, seit die gracchischen Ideale durch Clodius schändlich und lächerlich geworden waren; denn wo gab es jetzt, abgesehen etwa von den Transpadanern, einen Kreis von irgendwelcher Bedeutung, der durch die Schlachtrufe der Demokratie zur Teilnahme an dem Kampfe sich hätte bestimmen lassen?

Damit wäre auch Pompeius' Rolle in dem bevorstehenden Kampf entschieden gewesen, wenn nicht ohnehin schon es sich von selbst verstanden hätte, daß er in denselben eintreten wußte als der Feldherr der legitimen Republik. Ihn hatte, wenn je einen, die Natur zum Glied einer Aristokratie bestimmt, und nur sehr zufällige und sehr egoistische Motive hatten ihn als Überläufer aus dem aristokratischen in das demokratische Lager geführt. Daß er jetzt wieder auf seine sullanischen Traditionen zurückkam, war nicht bloß sachgemäß, sondern in jeder Beziehung von wesentlichem Nutzen. So verbraucht das demokratische Feldgeschrei war, von so gewaltiger Wirkung wußte das konservative sein, wenn es von dem rechten Mann ausging. Vielleicht die Majorität, auf jeden Fall der Kern der Bürgerschaft, gehörte der verfassungstreuen Partei an, und ihrer numerischen und moralischen Stärke nach war dieselbe wohl berufen, in dem bevorstehenden Prätendentenkampf in mächtiger, vielleicht in entscheidender Weise zu intervenieren. Es fehlte ihr nichts als ein Führer. Marcus Cato, ihr gegenwärtiges Haupt, tat als Vormann seine Schuldigkeit, wie er sie verstand, unter täglicher Lebensgefahr und vielleicht ohne Hoffnung auf Erfolg; seine Pflichttreue ist achtbar, aber der letzte auf einem verlorenen Posten zu sein, ist Soldaten-, nicht Feldherrnlob. Die gewaltige Reserve, die der Partei der gestürzten Regierung wie von selber in Italien erwachsen war, wußte er weder zu organisieren noch rechtzeitig in den Kampf zu ziehen; und, worauf am Ende alles ankam, die militärische Führung hat er aus guten Gründen niemals in Anspruch genommen. Wenn anstatt dieses Mannes, der weder Parteihaupt noch General zu sein verstand, ein Mann von Pompeius' politischer und militärischer Bedeutung das Banner der bestehenden Verfassung erhob, so strömten notwendig die Munizipalen Italiens haufenweise demselben zu, um darunter, zwar nicht für den König Pompeius, aber doch gegen den König Caesar fechten zu helfen. Hierzu kam ein anderes, wenigstens ebenso wichtiges Moment. Es war Pompeius' Art, selbst wenn er sich entschlossen hatte, nicht den Weg zur Ausführung seines Entschlusses finden zu können. Wenn er den Krieg vielleicht zu führen, aber gewiß nicht zu erklären verstand, so war die catonische Partei sicher unfähig, ihn zu führen, aber sehr fähig und vor allem sehr bereit gegen die in der Gründung begriffene Monarchie den Krieg zu motivieren. Nach Pompeius' Absicht sollte, während er selbst sich beiseite hielt und in seiner Art bald davon redete demnächst in seine spanischen Provinzen abgehen zu wollen, bald zur Übernahme des Kommandos am Euphrat sich reisefertig machte, die legitime Regierungsbehörde, das heißt der Senat, mit Caesar brechen, ihm den Krieg erklären und mit dessen Führung Pompeius beauftragen, der dann, dem allgemeinen Verlangen nachgebend, als Beschützer der Verfassung gegen demagogisch-monarchische Wühlereien, als rechtlicher Mann und Soldat der bestehenden Ordnung gegen die Wüstlinge und Anarchisten, als wohlbestallter Feldherr der Kurie gegen den Imperator von der Gasse aufzutreten und wieder einmal das Vaterland zu retten gedachte. Also gewann Pompeius durch die Allianz mit den Konservativen, teils zu seinen persönlichen Anhängern eine zweite Armee, teils ein angemessenes Kriegsmanifest – Vorteile, die allerdings erkauft wurden um den hohen Preis des Zusammengehens mit prinzipiellen Gegnern. Von den unzähligen Übelständen, die in dieser Koalition lagen, entwickelte sich vorläufig nur erst der eine, aber bereits sehr ernste, daß Pompeius es aus der Hand gab, wann und wie es ihm gefiel, gegen Caesar loszuschlagen, und in diesem entscheidenden Punkte sich abhängig machte von allen Zufälligkeiten und Launen einer aristokratischen Korporation.

So ward also die republikanische Opposition, nachdem sie sich Jahre lang mit der Zuschauerrolle hatte begnügen müssen und kaum hatte wagen dürfen zu pfeifen, jetzt durch den bevorstehenden Bruch der Machthaber wieder auf die politische Schaubühne zurückgeführt. Es war dies zunächst der Kreis, der in Cato seinen Mittelpunkt fand, diejenigen Republikaner, die den Kampf für die Republik und gegen die Monarchie unter allen Umständen und je eher desto lieber zu wagen entschlossen waren. Der klägliche Ausgang des im Jahre 698 (56) gemachten Versuchs hatte sie belehrt, daß sie für sich allein den Krieg weder zu führen noch auch nur hervorzurufen imstande waren; männiglich war es bekannt, daß selbst in dem Senat zwar die ganze Körperschaft mit wenigen vereinzelten Ausnahmen der Monarchie abgeneigt war, allein die Majorität doch das oligarchische Regiment nur dann restaurieren wollte, wenn es ohne Gefahr sich restaurieren ließ, womit es denn freilich gute Weile hatte. Gegenüber einesteils den Machthabern, andernteils dieser schlaffen Majorität, die vor allen Dingen und um jeden Preis Frieden verlangte und jedem entschiedenen Handeln, am meisten einem entschiedenen Bruch mit dem einen oder dem anderen der Machthaber abgeneigt war, lag für die Catonische Partei die einzige Möglichkeit, zu einer Restauration des alten Regiments zu gelangen, in der Koalition mit dem minder gefährlichen der Herrscher. Wenn Pompeius sich zu der oligarchischen Verfassung bekannte und für sie gegen Caesar zu streiten sich erbot, so konnte und mußte die republikanische Opposition ihn als ihren Feldherrn anerkennen und mit ihm im Bunde die furchtsame Majorität zur Kriegserklärung zwingen. Daß es Pompeius mit seiner Verfassungstreue nicht voller Ernst war, konnte zwar niemand entgehen; aber halb, wie er in allem war, war es ihm doch auch keineswegs so wie Caesar zum deutlichen und sicheren Bewußtsein gekommen, daß es das erste Geschäft des neuen Monarchen sein müsse, mit dem oligarchischen Gerümpel gründlich und abschließend aufzuräumen. Auf alle Fälle bildete der Krieg ein wirklich republikanisches Heer und wirklich republikanische Feldherren heran, und es konnte dann, nach dem Siege über Caesar, unter günstigeren Aussichten dazu geschritten werden, nicht bloß einen der Monarchen, sondern die im Werden begriffene Monarchie selbst zu beseitigen. Verzweifelt wie die Sache der Oligarchie stand, war das Anerbieten des Pompeius, mit ihr sich zu verbünden, für sie die möglichst günstige Fügung.

Der Abschluß der Allianz zwischen Pompeius und der catonischen Partei erfolgte verhältnismäßig rasch. Schon während Pompeius' Diktatur hatte beiderseits eine bemerkenswerte Annäherung stattgefunden. Pompeius ganzes Verhalten in der Milonischen Krise, seine schroffe Zurückweisung des die Diktatur ihm antragenden Pöbels, seine bestimmte Erklärung, nur vom Senat dies Amt annehmen zu wollen, seine unnachsichtige Strenge gegen die Ruhestörer jeder Art und namentlich gegen die Ultrademokraten, die auffallende Zuvorkommenheit, womit er Cato und dessen Gesinnungsgenossen behandelte, schienen ebenso darauf berechnet, die Männer der Ordnung zu gewinnen, wie sie für den Demokraten Caesar beleidigend waren. Andererseits hatten auch Cato und seine Getreuen den Antrag, Pompeius die Diktatur zu übertragen, statt ihn mit gewohntem Rigorismus zu bekämpfen, unter unwesentlichen Formänderungen zu dem ihrigen gemacht; zunächst aus den Händen des Bibulus und Cato hatte Pompeius das ungeteilte Konsulat empfangen. Wenn so schon zu Anfang des Jahres 702 (52) die Catonische Partei und Pompeius wenigstens stillschweigend sich verstanden, so durfte das Bündnis als förmlich abgeschlossen gelten, als bei den Konsulwahlen für 703 (51) zwar nicht Cato selbst gewählt ward, aber doch neben einem unbedeutenden Manne der Senatsmajorität einer der entschiedensten Anhänger Catos, Marcus Claudius Marcellus. Marcellus war kein stürmischer Eiferer und noch weniger ein Genie, aber ein charakterfester und strenger Aristokrat, eben der rechte Mann, um, wenn mit Caesar der Krieg begonnen werden sollte, denselben zu erklären. Wie die Verhältnisse lagen, kann diese nach den unmittelbar vorher gegen die republikanische Opposition ergriffenen Repressivmaßregeln so auffallende Wahl kaum anders erfolgt sein als mit Einwilligung oder wenigstens unter stillschweigender Zulassung des derzeitigen Machthabers von Rom. Langsam und schwerfällig, wie er pflegte, aber unverwandt schritt Pompeius auf den Bruch zu.

In Caesars Absicht lag es dagegen nicht, in diesem Augenblicke mit Pompeius sich zu überwerfen. Zwar ernstlich und auf die Dauer konnte er die Herrschergewalt mit keinem Kollegen teilen wollen, am wenigsten mit einem so untergeordneter Art, wie Pompeius war, und ohne Zweifel war er längst entschlossen, nach Beendigung der gallischen Eroberung die Alleinherrschaft für sich zu nehmen und nötigenfalls mit den Waffen zu erzwingen. Allein ein Mann wie Caesar, in dem der Offizier durchaus dem Staatsmann untergeordnet war, konnte nicht verkennen, daß die Regulierung des staatlichen Organismus durch Waffengewalt denselben in ihren Folgen tief und oft für immer zerrüttet, und mußte darum, wenn irgend möglich, die Verwicklung durch friedliche Mittel oder wenigstens ohne offenbaren Bürgerkrieg zu lösen suchen. War aber dennoch der Bürgerkrieg nicht zu vermeiden, so konnte er doch nicht wünschen, jetzt dazu gedrängt zu werden, wo in Gallien der Aufstand des Vercingetorix eben alles Erreichte aufs neue in Frage stellte und ihn vom Winter 701/02 (53/52) bis zum Winter 702/03 (52/51) unausgesetzt beschäftigte, wo Pompeius und die grundsätzlich ihm feindliche Verfassungspartei in Italien geboten. Darum suchte er das Verhältnis mit Pompeius und damit den Frieden aufrecht zu halten und, wenn irgend möglich, in friedlicher Weise zu dem bereits in Luca ihm zugesicherten Konsulat für 706 (48) zu gelangen. Ward er alsdann nach abschließender Erledigung der keltischen Angelegenheiten in ordnungsgemäßer Weise an die Spitze des Staates gestellt, so konnte er, der dem Staatsmann Pompeius noch weit entschiedener überlegen war als dem Feldherrn, wohl darauf rechnen, ohne besondere Schwierigkeit diesen in der Kurie und auf dem Forum auszumanövrieren. Vielleicht war es möglich, für seinen schwerfälligen, unklaren und hoffärtigen Nebenbuhler irgendeine ehrenvolle und einflußreiche Stellung zu ermitteln, in der dieser sich zu annullieren zufrieden war; die wiederholten Versuche Caesars, sich mit Pompeius verschwägert zu halten, mochten darauf abzielen, eine solche Lösung anzubahnen und in der Sukzession der aus beider Nebenbuhler Blut herstammenden Sprößlinge die letzte Schlichtung des alten Haders herbeizuführen. Die republikanische Opposition blieb dann führerlos, also wahrscheinlich ebenfalls ruhig und der Friede ward erhalten. Gelang dies nicht und mußten, wie es allerdings wahrscheinlich war, schließlich die Waffen entscheiden, so verfügte dann Caesar als Konsul in Rom über die gehorsame Senatsmajorität und konnte die Koalition der Pompeianer und der Republikaner erschweren, ja vielleicht vereiteln und den Krieg weit schicklicher und vorteilhafter führen, als wenn er jetzt als Prokonsul von Gallien gegen den Senat und dessen Feldherrn marschieren ließ. Allerdings hing das Gelingen dieses Planes davon ab, daß Pompeius gutmütig genug war, jetzt noch Caesar zu dem ihm in Luca zugesicherten Konsulat für 706 (48) gelangen zu lassen; aber selbst wenn er fehlschlug, war es für Caesar immer noch nützlich, die größte Nachgiebigkeit tatsächlich und wiederholt zu dokumentieren. Teils ward dadurch Zeit gewonnen, um inzwischen im Keltenland zum Ziele zu kommen, teils blieb den Gegnern die gehässige Initiative des Bruches und also des Bürgerkriegs, was sowohl der Senatsmajorität und der Partei der materiellen Interessen, also auch namentlich den eigenen Soldaten gegenüber für Caesar vom größten Belang war.

Hiernach handelte er. Er rüstete freilich: durch neue Aushebungen im Winter 702/03 (52/51) stieg die Zahl seiner Legionen, einschließlich der von Pompeius entlehnten, auf elf. Aber zugleich billigte er ausdrücklich und öffentlich Pompeius' Verhalten während der Diktatur und die durch ihn bewirkte Wiederherstellung der Ordnung in der Hauptstadt, wies die Warnungen geschäftiger Freunde als Verleumdungen zurück, rechnete jeden Tag, um den es gelang, die Katastrophe zu verzögern, sich zum Gewinn, übersah, was sich übersehen ließ, und ertrug, was ertragen werden konnte, unerschütterlich festhaltend nur an der einen und entscheidenden Forderung, daß, wenn mit dem Jahre 705 (49) seine Statthalterschaft zu Ende ging, das nach republikanischem Staatsrecht zulässige, von seinem Kollegen vertragsmäßig zugestandene zweite Konsulat für das Jahr 706 (48) ihm zuteil werde.

Ebendies wurde das Schlachtfeld des jetzt beginnenden diplomatischen Krieges. Wenn Caesar genötigt wurde, entweder sein Statthalteramt vor dem letzten Dezember 705 (49) niederzulegen oder die Übernahme des hauptstädtischen Amtes über den 1. Januar 706 (48) hinauszuschieben, er also eine Zeitlang zwischen Statthalterschaft und Konsulat ohne Amt, folglich der – nach römischem Recht nur gegen den amtlosen Mann zulässigen – Kriminalanklage ausgesetzt blieb, so hatte, da Cato längst bereit stand, ihn peinlich zu belangen, und da Pompeius ein mehr als zweifelhafter Beschützer war, das Publikum guten Grund, ihm in diesem Fall das Schicksal Milos zu prophezeien. Um aber jenes zu erreichen, gab es für Caesars Gegner ein sehr einfaches Mittel. Nach der bestehenden Wahlordnung war jeder Bewerber um das Konsulat verpflichtet, vor der Wahl, also ein halbes Jahr vor dem Amtsantritt, sich persönlich bei dem wahlleitenden Beamten zu melden und die Einzeichnung seines Namens in die offizielle Kandidatenliste zu bewirken. Es mag bei den Verträgen von Luca als selbstverständlich angesehen worden sein, daß Caesar von dieser rein formellen und sehr oft den Kandidaten erlassenen Verpflichtung dispensiert werde; allein das desfällige Dekret war noch nicht ergangen, und da Pompeius jetzt im Besitz der Dekretiermaschine war, hing Caesar in dieser Hinsicht von dem guten Willen seines Nebenbuhlers ab. Unbegreiflicherweise gab Pompeius diese vollkommen sichere Stellung freiwillig auf; mit seiner Einwilligung und während seiner Diktatur 702 (52) ward durch ein tribunizisches Gesetz Caesar die persönliche Meldung erlassen. Als indes bald darauf die neue Wahlordnung erging, war darin die Verpflichtung der Kandidaten, persönlich sich einschreiben zu lassen, allgemein wiederholt und keinerlei Ausnahme zu Gunsten der durch ältere Volksschlüsse davon Entbundenen hinzugefügt; nach formellem Recht war das zu Gunsten Caesars ergangene Privileg durch das jüngere allgemeine Gesetz aufgehoben. Caesar beschwerte sich, und die Klausel wurde auch nachgetragen, aber nicht durch besonderen Volksschluß bestätigt, so daß diese durch reine Interpolation dem schon promulgierten Gesetz eingefügte Bestimmung rechtlich nur als eine Nullität angesehen werden konnte. Was also Pompeius einfach hätte festhalten können, hatte er vorgezogen erst zu verschenken, sodann zurückzunehmen und diese Zurücknahme schließlich in illoyalster Weise zu bemänteln.

Wenn hiermit nur mittelbar auf Verkürzung der Statthalterschaft Caesars hingearbeitet ward, so verfolgte dagegen das gleichzeitig ergangene Regulativ über die Statthalterschaften dasselbe Ziel geradezu. Die zehn Jahre, auf welche, zuletzt durch das von Pompeius selbst in Gemeinschaft mit Crassus beantragte Gesetz, Caesar die Statthalterschaft gesichert worden war, liefen nach der hierfür üblichen Rechnung vom 1. März 695 (59) bis zum letzten Februar 705 (49). Da ferner nach der früheren Übung dem Prokonsul oder Proprätor das Recht zustand, unmittelbar nach Beendigung seines Konsulats oder seiner Prätur in sein Provinzialamt einzutreten, so war Caesars Nachfolger nicht aus den städtischen Beamten des Jahres 704 (50), sondern aus denen des Jahres 705 (49) zu ernennen und konnte also nicht vor dem 1. Januar 706 (48) eintreten. Insofern hatte Caesar auch noch während der letzten zehn Monate des Jahres 705 (49) ein Anrecht auf das Kommando, nicht auf Grund des Pompeisch-Licinischen Gesetzes, aber auf Grund der alten Regel, daß das befristete Kommando auch nach Ablauf der Frist bis zum Eintreffen des Nachfolgers fortdauert. Seitdem nun aber das neue Regulativ des Jahres 702 (52) nicht die abgehenden, sondern die vor fünf Jahren oder länger abgegangenen Konsuln und Prätoren zu den Statthalterschaften berief und also zwischen dem bürgerlichen Amt und dem Kommando, statt der bisherigen unmittelbaren Aufeinanderfolge, ein Intervall vorschrieb, war nichts mehr im Wege, jede gesetzlich erledigte Statthalterschaft sofort anderweitig zu besetzen, also in dem gegebenen Falle für die gallischen Provinzen den Kommandowechsel statt am 1. Januar 706 (48) vielmehr am 1. März 705 (49) herbeizuführen. Pompeius' kümmerliche Hinterhältigkeit und zögernde Tücke sind in diesen Veranstaltungen in merkwürdiger Weise gemischt mit dem knifflichen Formalismus und der konstitutionellen Gelehrsamkeit der Verfassungspartei. Jahre zuvor, ehe diese staatsrechtlichen Waffen gebraucht werden konnten, legte man sie sich zurecht und setzte sich in die Verfassung, teils Caesar vor dem Tage, wo die durch Pompeius' eigenes Gesetz ihm zugesicherte Frist zu Ende lief, also vom 1. März 705 (49) an, durch Sendung der Nachfolger zur Niederlegung des Kommandos nötigen, teils die bei den Wahlen für 706 (48) auf ihn lautenden Stimmtafeln als nichtige behandeln zu können. Caesar, nicht in der Lage, diese Schachzüge zu hindern, schwieg dazu und ließ die Dinge an sich kommen.

Allgemach rückte denn der verfassungsmäßige Schneckengang weiter. Nach der Observanz hatte der Senat über die Statthalterschaften des Jahres 705 (49), insofern sie an gewesene Konsuln kamen, zu Anfang des Jahres 703 (51), insofern sie an gewesene Prätoren kamen, zu Anfang des Jahres 704 (50) zu beraten; jene erstere Beratung gab den ersten Anlaß, die Ernennung von neuen Statthaltern für beide Gallien im Senat zur Sprache zu bringen und damit den ersten Anlaß zu offener Kollision zwischen der von Pompeius vorgeschobenen Verfassungspartei und den Vertretern Caesars im Senat. Der Konsul Marcus Marcellus brachte den Antrag ein, den beiden für 705 (49) mit Statthalterschaften auszustattenden Konsularen die beiden bisher von dem Prokonsul Gaius Caesar verwalteten vom 1. März jenes Jahres an zu überweisen. Die lange zurückgehaltene Erbitterung brach im Strom durch die einmal aufgezogene Schleuse; es kam bei diesen Unterhandlungen alles zur Sprache, was die Catonianer gegen Caesar im Sinn trugen. Für sie stand es fest, daß das durch Ausnahmegesetz dem Prokonsul Caesar gestattete Recht, sich abwesend zur Konsulwahl zu melden, durch späteren Volksschluß wieder aufgehoben, auch in diesem nicht in gültiger Weise vorbehalten sei. Der Senat sollte ihrer Meinung nach diesen Beamten veranlassen, da die Unterwerfung Galliens beendigt sei, die ausgedienten Soldaten sofort zu verabschieden. Die von Caesar in Oberitalien vorgenommenen Bürgerrechtsverleihungen und Koloniegründungen wurden von ihnen als verfassungswidrig und nichtig bezeichnet; davon zu weiterer Verdeutlichung verhängte Marcellus über einen angesehenen Ratsherrn der Caesarischen Kolonie Comum, der, selbst wenn diesem Ort nicht Bürger-, sondern nur latinisches Recht zukam, befugt war, das römische Bürgerrecht in Anspruch zu nehmen, die nur gegen Nichtbürger zulässige Strafe des Auspeitschens.

Caesars derzeitige Vertreter, unter denen Gaius Vibius Pansa, der Sohn eines von Sulla geächteten Mannes, aber dennoch in die politische Laufbahn gelangt, früher Offizier in Caesars Heer und in diesem Jahre Volkstribun, der namhafteste war, machten im Senat geltend, daß sowohl der Stand der Dinge in Gallien als auch die Billigkeit erfordere, nicht nur Caesar nicht vor der Zeit abzurufen, sondern vielmehr ihm das Kommando neben dem Konsulat zu lassen; sie wiesen ohne Zweifel darauf hin, daß vor wenigen Jahren Pompeius ganz ebenso die spanischen Statthalterschaften mit dem Konsulat vereinigt habe und noch gegenwärtig, außer dem wichtigen Oberaufsichtsamt über das hauptstädtische Verpflegungswesen, mit dem spanischen Oberkommando das von Italien kumuliere, ja dessen sämtliche waffenfähige Mannschaft von ihm eingeschworen und ihres Eides noch nicht entbunden sei.

Der Prozeß fing an sich zu formulieren, aber er kam darum nicht in rascheren Gang. Die Majorität des Senats, den Bruch kommen sehend, ließ es Monate lang zu keiner beschlußfähigen Sitzung kommen; und wieder andere Monate gingen über Pompeius' feierlichem Zaudern verloren. Endlich brach dieser das Schweigen und stellte sich zwar wie immer in rückhaltiger und unsicherer Weise, doch deutlich genug, gegen seinen bisherigen Verbündeten auf die Seite der Verfassungspartei. Die Forderung der Caesarianer, ihrem Herrn die Kumulierung des Konsulats mit dem Prokonsulat zu gestatten, wies er kurz und schroff von der Hand; dies Verlangen, fügte er mit plumper Grobheit hinzu, komme ihm nicht besser vor, als wenn der Sohn dem Vater Stockschläge anbiete. Dem Antrag des Marcellus stimmte er im Prinzip insofern bei, als auch er erklärte, Caesar den unmittelbaren Anschluß des Konsulats an das Prokonsulat nicht erlauben zu wollen. Indes ließ er durchblicken, ohne doch hierüber sich bindend zu erklären, daß man die Zulassung zu den Wahlen für 706 (48) unter Beseitigung der persönlichen Meldung sowie die Fortführung der Statthalterschaft bis zum 13. November 705 (49) äußersten Falls Caesar vielleicht gestatten werde. Zunächst aber willigte der unverbesserliche Zauderer in die Vertagung der Nachfolgerernennung bis nach dem letzten Februar 704 (50), was von Caesars Wortführern verlangt ward, wahrscheinlich auf Grund einer Klausel des Pompeisch-Licinischen Gesetzes, welche vor dem Anfang von Caesars letztem Statthalterjahr jede Verhandlung des Senats über die Nachfolgerernennung untersagte.

In diesem Sinne fielen denn die Beschlüsse des Senats aus (29. September 703 51). Die Besetzung der gallischen Statthalterschaften ward für den 1. März 704 (50) auf die Tagesordnung gebracht, schon jetzt aber die Sprengung der Armee Caesars, ähnlich wie es einst durch Volksschluß mit dem Heere des Lucullus geschehen war, in der Art in die Hand genommen, daß die Veteranen desselben veranlaßt wurden, sich wegen ihrer Verabschiedung an den Senat zu wenden. Caesars Vertreter bewirkten zwar, soweit sie verfassungsmäßig es konnten, die Kassation dieser Beschlüsse durch ihr tribunizisches Veto; allein Pompeius sprach sehr bestimmt aus, daß die Beamten verpflichtet seien, dem Staat unbedingt zu gehorchen und Interzessionen und ähnliche antiquierte Formalitäten hierin nichts ändern würden. Die oligarchische Partei, zu deren Organ Pompeius jetzt sich machte, verriet nicht undeutlich die Absicht, nach einem allfälligen Siege die Verfassung in ihrem Sinn zu revidieren und alles zu beseitigen, was wie Volksfreiheit auch nur aussah; wie sie denn auch, ohne Zweifel aus diesem Grunde, es unterließ, bei ihren gegen Caesar gerichteten Angriffen sich irgendwie der Komitien zu bedienen. Die Koalition zwischen Pompeius und der Verfassungspartei war also förmlich erklärt, auch über Caesar das Urteil offenbar bereits gefällt und nur der Termin der Eröffnung verschoben. Die Wahlen für das folgende Jahr fielen durchgängig gegen ihn aus.

Während dieser kriegsvorbereitenden Parteimanöver der Gegner war es Caesar gelungen, mit der gallischen Insurrektion fertigzuwerden und in dem ganzen unterworfenen Gebiet den Friedensstand herzustellen. Schon im Sommer 703 (51) zog er, unter dem schicklichen Vorwand der Grenzverteidigung, aber offenbar zum Zeichen dessen, daß die Legionen in Gallien jetzt anfingen entbehrt werden zu können, eine derselben nach Norditalien. Er mußte, wenn nicht früher, jedenfalls wohl jetzt erkennen, daß es ihm nicht erspart bleiben werde, das Schwert gegen seine Mitbürger zu ziehen; allein nichtsdestoweniger suchte er, da es höchst wünschenswert war, die Legionen noch eine Zeitlang in dem kaum beschwichtigten Gallien zu lassen, auch jetzt noch zu zögern und gab, wohl bekannt mit der extremen Friedensliebe der Senatsmajorität, die Hoffnung nicht auf, sie ungeachtet des von Pompeius auf sie ausgeübten Druckes von der Kriegserklärung noch zurückzuhalten. Selbst große Opfer scheute er nicht, um nur für jetzt nicht mit der obersten Regierungsbehörde in offenen Widerspruch zu geraten. Als der Senat (Frühling 704 50) auf Betrieb des Pompeius sowohl an diesen wie an Caesar das Ansuchen stellte, je eine Legion für den bevorstehenden Parthischen Krieg abzugeben, und als in Gemäßheit dieses Beschlusses Pompeius die vor mehreren Jahren an Caesar überlassene Legion von diesem zurückverlangte, um sie nach Syrien einzuschiffen, kam Caesar der zwiefachen Aufforderung nach, da an sich weder die Opportunität dieses Senatsbeschlusses noch die Berechtigung der Forderung des Pompeius sich bestreiten ließ und Caesar an der Einhaltung der Schranken des Gesetzes und der formalen Loyalität mehr gelegen war als an einigen tausend Soldaten mehr. Die beiden Legionen kamen ohne Verzug und stellten sich der Regierung zur Verfügung, aber statt sie an den Euphrat zu senden, hielt diese sie in Capua für Pompeius in Bereitschaft, und das Publikum hatte wieder einmal Gelegenheit, Caesars offenkundige Bemühungen, den Bruch abzuwenden, mit der perfiden Kriegsvorbereitung der Gegner zu vergleichen.

Für die Verhandlungen mit dem Senat war es Caesar gelungen, nicht nur den einen der beiden Konsuln des Jahres, Lucius Aemilius Paullus, zu erkaufen, sondern vor allem den Volkstribun Gaius Curio, wahrscheinlich das eminenteste unter den vielen liederlichen Genies dieser Epochehomo ingeniosissime nequam (Vell, 2, 48).: unübertroffen an vornehmer Eleganz, an fließender und geistreicher Rede, an Intrigengeschick und an jener Tatkraft, welche bei energisch angelegten, aber verlotterten Charakteren in den Pausen des Müßiggangs nur um so mächtiger sich regt; aber auch unübertroffen in wüster Wirtschaft, im Borgtalent – man schlug seine Schulden auf 60 Mill. Sesterzen (4½ Mill. Taler) an – und in sittlicher wie politischer Grundsatzlosigkeit. Schon früher hatte er Caesar sich zu Kauf angetragen und war abgewiesen worden: das Talent, das er seitdem in seinen Angriffen auf Caesar entwickelt hatte, bestimmte diesen, ihn nachträglich zu erstehen – der Preis war hoch, aber die Ware war es wert. Curio hatte in den ersten Monaten seines Volkstribunats den unabhängigen Republikaner gespielt und als solcher sowohl gegen Caesar wie gegen Pompeius gedonnert. Die anscheinend unparteiische Stellung, die dies ihm gab, benutzte er mit seltener Gewandtheit, um, als im März 704 (50) der Antrag über die Besetzung der gallischen Statthalterschaften für das nächste Jahr aufs neue im Senat zur Verhandlung kam, diesem Beschlusse vollständig beizupflichten, aber die gleichzeitige Ausdehnung desselben auch auf Pompeius und dessen außerordentliche Kommandos zu verlangen. Seine Auseinandersetzung, daß ein verfassungsmäßiger Zustand sich nur durch Beseitigung sämtlicher Ausnahmestellungen herbeiführen lasse, daß Pompeius, als nur vom Senat mit dem Prokonsulat betraut, noch viel weniger als Caesar demselben den Gehorsam verweigern könne, daß die einseitige Beseitigung des einen der beiden Generäle die Gefahr für die Verfassung nur steigere, leuchtete den politischen Halbweisen wie dem großen Publikum vollkommen ein, und Curios Erklärung, daß er jedes einseitige Vorschreiten gegen Caesar durch das verfassungsmäßig ihm zustehende Veto zu verhindern gedenke, fand in und außer dem Senat vielfach Billigung. Caesar erklärte sich mit Curios Vorschlag sofort einverstanden und erbot sich, Statthalterschaft und Kommando jeden Augenblick auf Anforderndes Senats niederzulegen, wofern Pompeius das gleiche tue; er durfte es, denn ohne sein italisch-spanisches Kommando war Pompeius nicht länger furchtbar. Dagegen konnte Pompeius eben deswegen nicht umhin sich zu weigern; seine Erwiderung, daß Caesar zuerst niederlegen müsse und er dem gegebenen Beispiel bald zu folgen gedenke, befriedigte um so weniger, als er nicht einmal einen bestimmten Termin für seinen Rücktritt ansetzte. Wieder stockte Monate lang die Entscheidung; Pompeius und die Catonianer, die bedenkliche Stimmung der Senatsmajorität erkennend, wagten es nicht, Curios Antrag zur Abstimmung zu bringen. Caesar benutzte den Sommer, um den Friedensstand in den von ihm eroberten Landschaften zu konstatieren, an der Schelde eine große Heerschau über seine Truppen und durch die ihm völlig ergebene norditalische Statthalterschaft einen Triumphzug zu halten; der Herbst fand ihn in der südlichen Grenzstadt seiner Provinz, in Ravenna. Die nicht länger zu verzögernde Abstimmung über Curios Antrag fand endlich statt und konstatierte die Niederlage der Partei des Pompeius und Cato in ihrem ganzen Umfang. Mit 370 gegen 30 Stimmen beschloß der Senat, daß die Prokonsuln von Spanien und Gallien beide aufzufordern seien, ihre Ämter zugleich niederzulegen; und mit grenzenlosem Jubel vernahmen die guten Bürger von Rom die frohe Botschaft von Curios rettender Tat. Pompeius ward also vom Senat nicht minder abberufen als Caesar, und während Caesar bereit stand, dem Befehl nachzukommen, verweigerte Pompeius geradezu den Gehorsam. Der vorsitzende Konsul Gaius Marcellus, des Marcus Marcellus Vetter und gleich diesem zur Catonischen Partei gehörig, hielt der servilen Majorität eine bittere Strafpredigt; und ärgerlich war es freilich, so im eigenen Lager geschlagen zu werden und geschlagen mittels der Phalanx der Memmen. Aber wo sollte der Sieg auch herkommen unter einem Führer, der, statt kurz und bestimmt den Senatoren seine Befehle zu diktieren, sich auf seine alten Tage bei einem Professor der Redekunst zum zweitenmal in die Lehre begab, um dem jugendfrischen glänzenden Talente Curios mit neu aufpolierter Eloquenz zu begegnen?

Die im Senat geschlagene Koalition war in der peinlichsten Lage. Die Catonische Fraktion hatte es übernommen, die Dinge zum Bruche zu treiben und den Senat mit sich fortzureißen und sah nun in der ärgerlichsten Weise ihr Fahrzeug auf den Sandbänken der schlaffen Majorität stranden. Von Pompeius mußten ihre Führer in den Konferenzen die bittersten Vorwürfe hören; er wies mit Nachdruck und mit vollem Recht auf die Gefahren des Scheinfriedens hin, und wenn es auch nur an ihm selber lag den Knoten durch eine rasche Tat zu durchhauen, so wußten seine Verbündeten doch sehr wohl, daß sie diese von ihm nimmermehr erwarten durften und daß es an ihnen war, wie sie es zugesagt, ein Ende zu machen. Nachdem die Vorfechter der Verfassung und des Senatsregiments bereits früher die verfassungsmäßigen Rechte der Bürgerschaft und der Volkstribune für inhaltlose Formalitäten erklärt hatten, sahen sie sich jetzt in die Notwendigkeit versetzt, die verfassungsmäßigen Entscheidungen des Senats selbst in ähnlicher Weise zu behandeln und, da die legitime Regierung nicht mit ihrem Willen sich wollte retten lassen, sie wider ihren Willen zu erretten. Es war das weder neu noch zufällig; in ganz ähnlicher Weise wie jetzt Cato und die Seinen hatten auch Sulla und Lucullus jeden im rechten Interesse der Regierung gefaßten energischen Entschluß derselben über den Kopf nehmen zu müssen: die Verfassungsmaschine war eben vollständig abgenutzt, und wie seit Jahrhunderten die Komitien, so jetzt auch der Senat nichts als ein lahmes, aus dem Geleise weichendes Rad.

Es ging die Rede (Oktober 704 50), daß Caesar vier Legionen aus dem Jenseitigen in das Diesseitige Gallien gezogen und bei Placentia aufgestellt habe. Obwohl diese Truppenverlegung an sich in den Befugnissen des Statthalters lag, Curio überdies die vollständige Grundlosigkeit des Gerüchts im Senat handgreiflich dartat und die Kurie den Antrag des Konsuls Gaius Marcellus, daraufhin Pompeius Marschbefehl gegen Caesar zu erteilen, mit Mehrheit verwarf, so begab sich dennoch der genannte Konsul in Verbindung mit den beiden für 705 (49) erwählten gleichfalls zur Catonischen Partei gehörigen Konsuln zu Pompeius, und diese drei Männer ersuchten kraft eigener Machtvollkommenheit den General, sich an die Spitze der beiden bei Capua stehenden Legionen zu stellen und nach Ermessen die italische Wehrmannschaft unter die Waffen zu rufen. Eine formwidrigere Vollmacht zur Eröffnung des Bürgerkrieges ließ schwer sich denken; allein man hatte keine Zeit mehr, auf solche Nebensachen Rücksicht zu nehmen: Pompeius nahm sie an. Die Kriegsvorbereitungen, die Aushebungen begannen; um sie persönlich zu fördern, verließ Pompeius im Dezember 704 (50) die Hauptstadt.

Caesar hatte es vollständig erreicht, den Gegnern die Initiative des Bürgerkrieges zuzuschieben. Er hatte, während er selber den Rechtsboden festhielt, Pompeius gezwungen, den Krieg zu erklären, und ihn zu erklären nicht als Vertreter der legitimen Gewalt, sondern als Feldherr einer offenbar revolutionären und die Mehrheit terrorisierenden Senatsminorität. Es war dieser Erfolg nicht gering anzuschlagen, wenngleich der Instinkt der Massen sich keinen Augenblick darüber täuschen konnte und täuschte, daß es in diesem Krieg sich um andere Dinge handelte als um formale Rechtsfragen. Nun, wo der Krieg erklärt war, lag es in Caesars Interesse, baldmöglichst zum Schlagen zu kommen. Die Rüstungen der Gegner waren erst im Beginnen und selbst die Hauptstadt unbesetzt. In zehn bis zwölf Tagen konnte daselbst eine den in Oberitalien stehenden Truppen Caesars dreifach überlegene Armee beisammen sein; aber noch war es nicht unmöglich, Rom unverteidigt zu überrumpeln, ja vielleicht durch einen raschen Winterfeldzug ganz Italien einzunehmen und den Gegnern ihre besten Hilfsquellen zu verschließen, bevor sie noch dieselben nutzbar zu machen vermochten. Der kluge und energische Curio, der nach Niederlegung seines Tribunats (9. Dezember 704 50) sofort zu Caesar nach Ravenna gegangen war, stellte seinem Meister die Lage der Dinge lebhaft vor, und es bedurfte dessen schwerlich, um Caesar zu überzeugen, daß jetzt längeres Zaudern nur schaden könne. Allein da er, um nicht den Gegnern Veranlassung zu Beschwerden zu geben, nach Ravenna selbst bisher keine Truppen gezogen hatte, konnte er für jetzt nichts tun, als seinen sämtlichen Korps den Befehl zum schleunigsten Aufbruch zufertigen und mußte warten, bis wenigstens die eine in Oberitalien stehende Legion in Ravenna eintraf. Inzwischen sandte er ein Ultimatum nach Rom, das, wenn zu nichts anderem, doch dazu nützlich war, daß es durch Nachgiebigkeit bis aufs äußerste seine Gegner noch weiter in der öffentlichen Meinung kompromittierte und vielleicht sogar, indem er selber zu zaudern schien, sie bestimmte, die Rüstungen gegen ihn lässiger zu betreiben. In diesem Ultimatum ließ Caesar alle früheren an Pompeius gestellten Gegenforderungen fallen und erbot sich seinerseits, bis zu der von dem Senate festgesetzten Frist sowohl die Statthalterschaft des Jenseitigen Galliens niederzulegen als auch von den zehn ihm eigenen Legionen acht aufzulösen; er erklärte sich befriedigt, wenn der Senat ihm entweder die Statthalterschaft des Diesseitigen Galliens und Illyriens mit einer oder auch die des Diesseitigen Galliens allein mit zwei Legionen, nicht etwa bis zur Übernahme des Konsulats, sondern bis nach Beendigung der Konsulwahlen für 706 (48) belasse. Er ging also auf diejenigen Vergleichsvorschläge ein, mit denen zu Anfang der Verhandlungen die Senatspartei, ja Pompeius selbst erklärt hatten, sich befriedigen zu wollen, und zeigte sich bereit, von der Wahl zum Konsulat bis zum Antritt desselben im Privatstand zu verharren. Ob es Caesar mit diesen erstaunlichen Zugeständnissen Ernst war und er sein Spiel gegen Pompeius selbst bei solchem Vorgeben durchführen zu können sich getraute oder ob er darauf rechnete, daß man auf der andern Seite bereits zu weit gegangen sei, um in diesen Vergleichsvorschlägen mehr zu finden als den Beweis dafür, daß Caesar seine Sache selbst als verloren betrachte, läßt sich nicht mehr mit Sicherheit entscheiden. Die Wahrscheinlichkeit ist dafür, daß Caesar weit eher den Fehler allzukecken Spielens als den schlimmeren beging, etwas zu versprechen, was er nicht zu halten gesonnen war, und daß, wenn wunderbarerweise seine Vorschläge angenommen worden wären, er sein Wort gutgemacht haben würde. Curio übernahm es, seinen Herrn noch einmal in der Höhle des Löwen zu vertreten. In drei Tagen durchflog er die Straße von Ravenna nach Rom; als die neuen Konsuln Lucius Lentulus und Gaius Marcellus der jüngereZu unterscheiden von dem gleichnamigen Konsul des Jahres 704 (SO); dieser war ein Vetter, der Konsul des Jahres 705 (49) ein Bruder des Marcus Marcellus, Konsul 703 (51). zum erstenmal am 1. Januar 705 (49) den Senat versammelten, übergab er in voller Sitzung das von dem Feldherrn an den Senat gerichtete Schreiben. Die Volkstribune Marcus Antonius, in der Skandalchronik der Stadt bekannt als Curios vertrauter Freund und aller seiner Torheiten Genosse, aber zugleich auch aus den ägyptischen und gallischen Feldzügen als glänzender Reiteroffizier, und Quintus Cassius, Pompeius' ehemaliger Quästor, welche beide jetzt an Curios Stelle Caesars Sache in Rom führten, erzwangen die sofortige Verlesung der Depesche. Die ernsten und klaren Warte, in denen Caesar den drohenden Bürgerkrieg, den allgemeinen Wunsch nach Frieden, Pompeius' Übermut, seine eigene Nachgiebigkeit mit der ganzen unwiderstehlichen Macht der Wahrheit darlegte, die Vergleichsvorschläge von einer ohne Zweifel seine eigenen Anhänger überraschenden Mäßigung, die bestimmte Erklärung, daß hiermit die Hand zum Frieden zum letztenmal geboten sei, machten den tiefsten Eindruck. Trotz der Furcht vor den zahlreich in die Hauptstadt geströmten Soldaten des Pompeius war die Gesinnung der Majorität nicht zweifelhaft; man durfte nicht wagen, sie sich aussprechen zu lassen. Über den von Caesar erneuerten Vorschlag, daß beiden Statthaltern zugleich die Niederlegung ihres Kommandos aufgegeben werden möge, über alle durch sein Schreiben nahegelegten Vergleichsvorschläge und über den von Marcus Caelius Rufus und Marcus Calidius gestellten Antrag, Pompeius zur sofortigen Abreise nach Spanien zu veranlassen, weigerten sich die Konsuln, wie sie als Vorsitzende es durften, die Abstimmung zu eröffnen. Selbst der Antrag eines der entschiedensten Gesinnungsgenossen, der nur nicht gegen die militärische Lage der Dinge so blind war wie seine Partei, des Marcus Marcellus: die Beschlußfassung auszusetzen, bis der italische Landsturm unter Waffen stehe und den Senat zu schützen vermöge, durfte nicht zur Abstimmung gebracht werden. Pompeius ließ durch sein gewöhnliches Organ Quintus Scipio erklären, daß er jetzt oder nie die Sache des Senats aufzunehmen entschlossen sei und sie fallen lasse, wenn man noch länger zaudere. Der Konsul Lentulus sprach es unumwunden aus, daß es gar auf den Beschluß des Senats nicht mehr ankomme, sondern, wenn derselbe bei seiner Servilität verharren sollte, er von sich aus handeln und mit seinen mächtigen Freunden das weitere veranlassen werde. So terrorisiert, beschloß die Majorität, was ihr befohlen ward: daß Caesar bis zu einem bestimmten, nicht fernen Tage das Jenseitige Gallien an Lucius Domitius Ahenobarbus, das Diesseitige an Marcus Servilius Nonianus abzugeben und das Heer zu entlassen habe, widrigenfalls er als Hochverräter erachtet werde. Als die Tribune von Caesars Partei gegen diesen Beschluß ihres Interzessionsrechts sich bedienten, wurden sie nicht bloß, wie sie wenigstens behaupteten, in der Kurie selbst von Pompeianischen Soldaten mit den Schwertern bedroht und, um ihr Leben zu retten, in Sklavenkleidern aus der Hauptstadt zu flüchten gezwungen, sondern es behandelte auch der nun hinreichend eingeschüchterte Senat ihr formell durchaus verfassungsmäßiges Einschreiten wie einen Revolutionsversuch, erklärte das Vaterland in Gefahr und rief in den üblichen Formen die gesamte Bürgerschaft unter die Waffen und an die Spitze der Bewaffneten die sämtlichen verfassungstreuen Beamten (7. Januar 705 49).

Nun war es genug. Wie Caesar durch die schutzflehend zu ihm ins Lager flüchtenden Tribune von der Aufnahme in Kenntnis gesetzt ward, welche seine Vorschläge in der Hauptstadt gefunden hatten, rief er die Soldaten der dreizehnten Legion, die inzwischen aus ihren Kantonierungen bei Tergeste (Triest) in Ravenna eingetroffen war, zusammen und entwickelte vor ihnen den Stand der Dinge. Es war nicht bloß der geniale Herzenskündiger und Geisterbeherrscher, dessen glänzende Rede in diesem erschütternden Wendepunkt seines und des Weltgeschicks hoch emporleuchtete und flammte; nicht bloß der freigebige Heermeister und der sieghafte Feldherr, welcher zu den Soldaten sprach, die von ihm selbst unter die Waffen gerufen und seit acht Jahren mit immer steigender Begeisterung seinen Fahnen gefolgt waren; es sprach vor allem der energische und konsequente Staatsmann, der nun seit neunundzwanzig Jahren die Sache der Freiheit in guter und böser Zeit vertreten, für sie den Dolchen der Mörder und den Henkern der Aristokratie, den Schwertern der Deutschen und den Fluten des unbekannten Ozeans Trotz geboten hatte, ohne je zu weichen und zu wanken, der die Sullanische Verfassung zerrissen, das Regiment des Senats gestürzt, die wehr- und waffenlose Demokratie in dem Kampfe jenseits der Alpen beschildet und bewehrt hatte; und er sprach nicht zu dem clodianischen Publikum, dessen republikanischer Enthusiasmus längst zu Asche und Schlacken niedergebrannt war, sondern zu den jungen Mannschaften aus den Städten und Dörfern Norditaliens, die den mächtigen Gedanken der bürgerlichen Freiheit noch frisch und rein empfanden, die noch fähig waren, für Ideale zu fechten und zu sterben, die selbst für ihre Landschaft das von der Regierung ihnen versagte Bürgerrecht in revolutionärer Weise von Caesar empfangen hatten, die Caesars Sturz den Ruten und Beilen abermals preisgab und die die tatsächlichen Beweise bereits davon besaßen, wie unerbittlichen Gebrauch die Oligarchie davon gegen die Transpadaner zu machen gedachte. Vor solchen Zuhörern legte ein solcher Redner die Tatsachen dar: den Dank für die Eroberung Galliens, den der Adel dem Feldherrn und dem Heer bereitete, die geringschätzige Beseitigung der Komitien, die Terrorisierung des Senats, die heilige Pflicht, das vor einem halben Jahrtausend von den Vätern mit den Waffen in der Hand dem Adel abgezwungene Volkstribunat mit gewaffneter Hand zu schirmen, den alten Schwur zu halten, den jene für sich wie für die Enkel ihrer Enkel geleistet, für die Tribune der Gemeinde Mann für Mann einzustehen bis in den Tod. Als dann er, der Führer und Feldherr der Popularpartei, die Soldaten des Volkes aufrief, jetzt, nachdem der Güteversuch erschöpft, die Nachgiebigkeit an den äußersten Grenzen angelangt war, jetzt ihm zu folgen in den letzten, den unvermeidlichen, den entscheidenden Kampf gegen den ebenso verhaßten wie verachteten, ebenso perfiden wie unfähigen und bis zur Lächerlichkeit unverbesserlichen Adel – da war kein Offizier und kein Soldat, der sich zurückgehalten hätte. Der Aufbruch war befohlen; an der Spitze seines Vortrabs überschritt Caesar den schmalen Bach, der seine Provinz von Italien schied und jenseits dessen die Verfassung den Prokonsul von Gallien bannte. Indem er nach neunjähriger Abwesenheit den Boden des Vaterlandes wieder betrat, betrat er zugleich die Bahn der Revolution. "Die Würfel waren geworfen."


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