Theodor Mommsen
Römische Geschichte
Theodor Mommsen

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6. Kapitel

Pompeius' Rücktritt und die Koalition der Prätendenten

Als Pompeius nach Erledigung der ihm aufgetragenen Verrichtungen seine Blicke wieder der Heimat zuwandte, fand er zum zweiten Male das Diadem zu seinen Füßen. Längst neigte die Entwicklung des römischen Gemeinwesens einer solchen Katastrophe sich zu; es war jedem Unbefangenen offenbar und war tausendmal gesagt worden, daß, wenn der Herrschaft der Aristokratie ein Ende gemacht sein werde, die Monarchie unausbleiblich sei. Jetzt war der Senat gestürzt zugleich durch die bürgerliche, liberale Opposition und die soldatische Gewalt; es konnte sich nur noch darum handeln, für die neue Ordnung der Dinge die Personen, die Namen und Formen festzustellen, die übrigens in den teils demokratischen, teils militärischen Elementen der Umwälzung bereits klar genug angedeutet waren. Die Ereignisse der letzten fünf Jahre hatten auf diese bevorstehende Umwandlung des Gemeinwesens gleichsam das letzte Siegel gedrückt. In den neu eingerichteten asiatischen Provinzen, die in ihrem Ordner den Nachfolger des großen Alexander königlich verehrten und schon seine begünstigten Freigelassenen wie Prinzen empfingen, hatte Pompeius den Grund seiner Herrschaft gelegt und zugleich die Schätze, das Heer und den Nimbus gefunden, deren der künftige Fürst des römischen Staats bedurfte. Die anarchistische Verschwörung aber in der Hauptstadt mit dem daran sich knüpfenden Bürgerkrieg hatte es jedem, der politische oder auch nur materielle Interessen hegte, mit empfindlicher Schärfe dargelegt, daß eine Regierung ohne Autorität und ohne militärische Macht, wie die des Senats war, den Staat der ebenso lächerlichen wie furchtbaren Tyrannei der politischen Industrieritter aussetzte und daß eine Verfassungsänderung, welche die Militärgewalt enger mit dem Regiment verknüpfte, eine unabweisliche Notwendigkeit war, wenn die gesellschaftliche Ordnung ferner Bestand haben sollte. So war im Osten der Herrscher aufgestanden, in Italien der Thron errichtet; allem Anschein nach war das Jahr 692 (62) das letzte der Republik, das erste der Monarchie.

Zwar ohne Kampf war an dieses Ziel nicht zu gelangen. Die Verfassung, die ein halbes Jahrtausend gedauert hatte und unter der die unbedeutende Stadt am Tiber zu beispielloser Größe und Herrlichkeit gediehen war, hatte ihre Wurzeln man wußte nicht wie tief in den Boden gesenkt, und es ließ sich durchaus nicht berechnen, bis in welche Schichten hinab der Versuch, sie umzustürzen, die bürgerliche Gesellschaft aufwühlen werde. Mehrere Nebenbuhler waren in dem Wettlauf nach dem großen Ziel von Pompeius überholt, aber nicht völlig beseitigt worden. Es lag durchaus nicht außer der Berechnung, daß alle diese Elemente sich verbanden, um den neuen Machthaber zu stürzen und Pompeius sich gegenüber Quintus Catulus und Marcus Cato mit Marcus Crassus, Gaius Caesar und Titus Labienus vereinigt fand. Aber nicht leicht konnte der unvermeidliche und unzweifelhaft ernste Kampf unter günstigeren Verhältnissen aufgenommen werden. Es war in hohem Grade wahrscheinlich, daß unter dem frischen Eindrucke des Catilinarischen Aufstandes einem Regimente, das Ordnung und Sicherheit, wenngleich um den Preis der Freiheit, verhieß, die gesamte Mittelpartei sich fügen werde, vor allem die einzig um ihre materiellen Interessen bekümmerte Kaufmannschaft, aber nicht minder ein großer Teil der Aristokratie, die, in sich zerrüttet und politisch hoffnungslos, zufrieden sein mußte, durch zeitige Transaktion mit dem Fürsten sich Reichtum, Rang und Einfluß zu sichern; vielleicht sogar mochte ein Teil der von den letzten Schlägen schwer getroffenen Demokratie sich bescheiden, von einem durch sie auf den Schild gehobenen Militärchef die Realisierung eines Teils ihrer Forderungen zu erhoffen. Aber wie auch immer die Parteiverhältnisse sich stellten, was kam, zunächst wenigstens, auf die Parteien in Italien überhaupt noch an, Pompeius gegenüber und seinem siegreichen Heer? Zwanzig Jahre zuvor hatte Sulla, nachdem er mit Mithradates einen Notfrieden abgeschlossen hatte, gegen die gesamte, seit Jahren massenhaft rüstende liberale Partei, von den gemäßigten Aristokraten und der liberalen Kaufmannschaft an bis hinab zu den Anarchisten, mit seinen fünf Legionen eine der natürlichen Entwicklung der Dinge zuwiderlaufende Restauration durchzusetzen vermocht. Pompeius' Aufgabe war weit minder schwer. Er kam zurück, nachdem er zur See und zu Lande seine verschiedenen Aufgaben vollständig und gewissenhaft gelöst hatte. Er durfte erwarten, auf keine andere ernstliche Opposition zu treffen als auf die der verschiedenen extremen Parteien, von denen jede einzeln gar nichts vermochte und die, selbst verbündet, immer nicht mehr waren als eine Koalition eben noch hitzig sich befehdender und innerlich gründlich entzweiter Faktionen. Vollkommen ungerüstet waren sie ohne Heer und Haupt, ohne Organisation in Italien, ohne Rückhalt in den Provinzen, vor allen Dingen ohne einen Feldherrn; es war in ihren Reihen kaum ein namhafter Militär, geschweige denn ein Offizier, der es hätte wagen dürfen, die Bürger zum Kampfe gegen Pompeius aufzurufen. Auch das durfte in Anschlag kommen, daß der jetzt seit siebzig Jahren rastlos flammende und an seiner eigenen Glut zehrende Vulkan der Revolution sichtlich ausbrannte und anfing, in sich selber zu erlöschen. Es war sehr zweifelhaft, ob es jetzt gelingen werde, die Italiker so für Parteiinteressen zu bewaffnen, wie noch Cinna und Carbo dies vermocht hatten. Wenn Pompeius zugriff, wie konnte es ihm fehlen, eine Staatsumwälzung durchzusetzen, die in der organischen Entwicklung des römischen Gemeinwesens mit einer gewissen Naturnotwendigkeit vorgezeichnet war?

Pompeius hatte den Moment erfaßt, indem er die Mission nach dem Orient übernahm; er schien fortfahren zu wollen. Im Herbste des Jahres 691 (63) traf Quintus Metellus Nepos aus dem Lager des Pompeius in der Hauptstadt ein und trat auf als Bewerber um das Tribunat, in der ausgesprochenen Absicht, als Volkstribun Pompeius das Konsulat für das Jahr 693 (61) und zunächst durch speziellen Volksbeschluß die Führung des Krieges gegen Catilina zu verschaffen. Die Aufregung in Rom war gewaltig. Es war nicht zu bezweifeln, daß Nepos im direkten oder indirekten Auftrag des Pompeius handelte; Pompeius' Begehren, in Italien an der Spitze seiner asiatischen Legionen als Feldherr aufzutreten und daselbst die höchste militärische und die höchste bürgerliche Gewalt zugleich zu verwalten, ward aufgefaßt als ein weiterer Schritt auf dem Wege zum Throne, Nepos' Sendung als die halboffizielle Ankündigung der Monarchie.

Es kam alles darauf an, wie die beiden großen politischen Parteien zu diesen Eröffnungen sich verhielten; ihre künftige Stellung und die Zukunft der Nation hingen davon ab. Die Aufnahme aber, die Nepos fand, war selbst wieder bestimmt durch das damalige Verhältnis der Parteien zu Pompeius, das sehr eigentümlicher Art war. Als Feldherr der Demokratie war Pompeius nach dem Osten gegangen. Er hatte Ursache genug, mit Caesar und seinem Anhang unzufrieden zu sein, aber ein offener Bruch war nicht erfolgt. Es ist wahrscheinlich, daß Pompeius, der weit entfernt und mit andern Dingen beschäftigt war, überdies der Gabe, sich politisch zu orientieren, durchaus entbehrte, den Umfang und den Zusammenhang der gegen ihn gesponnenen demokratischen Umtriebe damals wenigstens keineswegs durchschaute, vielleicht sogar in seiner hochmütigen und kurzsichtigen Weise einen gewissen Stolz darein setzte, diese Maulwurfstätigkeit zu ignorieren. Dazu kam, was bei einem Charakter von Pompeius' Art sehr ins Gewicht fiel, daß die Demokratie den äußeren Respekt gegen den großen Mann nie aus den Augen gesetzt, ja eben jetzt (691 63), unaufgefordert wie er es liebte, ihm durch einen besonderen Volksschluß unerhörte Ehren und Dekorationen gewährt hatte. Indes wäre auch alles dies nicht gewesen, so lag es in Pompeius' eigenem wohlverstandenen Interesse, sich wenigstens äußerlich fortwährend zur Popularpartei zu halten; Demokratie und Monarchie stehen in so enger Wahlverwandtschaft, daß Pompeius, indem er nach der Krone griff, kaum anders konnte, als sich wie bisher den Vorfechter der Volksrechte nennen. Wie also persönliche und politische Gründe, zusammenwirkten, um trotz allem Vorgefallenen Pompeius und die Führer der Demokratie bei ihrer bisherigen Verbindung festzuhalten, so geschah auf der entgegengesetzten Seite nichts, um die Kluft auszufüllen, die ihn seit seinem Übertritt in das Lager der Demokratie von seinen sullanischen Parteigenossen trennte. Sein persönliches Zerwürfnis mit Metellus und Lucullus übertrug sich auf deren ausgedehnte und einflußreiche Koterien. Eine kleinliche, aber für einen so kleinlich zugeschnittenen Charakter eben ihrer Kleinlichkeit wegen um so tiefer erbitternde Opposition des Senats hatte ihn auf seiner ganzen Feldherrnlaufbahn begleitet. Er empfand es schmerzlich, daß der Senat nicht das geringste getan, um den außerordentlichen Mann nach Verdienst, das heißt außerordentlich zu ehren. Endlich ist es nicht aus der Acht zu lassen, daß die Aristokratie eben damals von ihrem frischen Siege berauscht, die Demokratie tief gedemütigt war, und daß die Aristokratie von dem bocksteifen und halb närrischen Cato, die Demokratie von dem schmiegsamen Meister der Intrige Caesar geleitet ward.

In diese Verhältnisse traf das Auftreten des von Pompeius gesandten Emissärs. Die Aristokratie betrachtete nicht bloß die Anträge, die derselbe zu Pompeius' Gunsten ankündigte, als eine Kriegserklärung gegen die bestehende Verfassung, sondern behandelte sie auch öffentlich als solche und gab sich nicht die mindeste Mühe, ihre Besorgnis und ihren Ingrimm zu verhehlen: in der ausgesprochenen Absicht, diese Anträge zu bekämpfen, ließ sich Marcus Cato mit Nepos zugleich zum Volkstribun wählen und wies Pompeius' wiederholten Versuch, sich ihm persönlich zu nähern, schroff zurück. Es ist begreiflich, daß Nepos hiernach sich nicht veranlaßt fand, die Aristokratie zu schonen, dagegen den Demokraten sich um so bereitwilliger anschloß, als diese, geschmeidig wie immer, in das Unvermeidliche sich fügten und das Feldherrnamt in Italien wie das Konsulat lieber freiwillig zugestanden als es mit den Waffen sich abzwingen ließen. Das herzliche Einverständnis offenbarte sich bald. Nepos bekannte sich (Dezember 691 63) öffentlich zu der demokratischen Auffassung der von der Senatsmajorität kürzlich verfügten Exekutionen als verfassungswidriger Justizmorde; und daß auch sein Herr und Meister sie nicht anders ansah, bewies sein bedeutsames Stillschweigen auf die voluminöse Rechtfertigungsschrift, die ihm Cicero übersandt hatte. Andererseits war es der erste Akt, womit Caesar seine Prätur eröffnete, daß er den Quintus Catulus wegen der bei dem Wiederaufbau des Kapitolinischen Tempels angeblich von ihm unterschlagenen Gelder zur Rechenschaft zog und die Vollendung des Tempels an Pompeius übertrug. Es war das ein Meisterzug. Catulus baute an dem Tempel jetzt bereits im sechzehnten Jahr und schien gute Lust zu haben, als Oberaufseher der kapitolinischen Bauten wie zu leben so zu sterben; ein Angriff auf diesen, nur durch das Ansehen des vornehmen Beauftragten zugedeckten Mißbrauch eines öffentlichen Auftrags war der Sache nach vollkommen begründet und in hohem Maße populär. Indem aber zugleich dadurch Pompeius die Aussicht eröffnet ward, an dieser stolzesten Stelle der ersten Stadt des Erdkreises den Namen des Catulus tilgen und den seinigen eingraben zu dürfen, ward ihm ebendas geboten, was ihn vor allem reizte und der Demokratie nicht schadete, überschwengliche, aber leere Ehre, und ward zugleich die Aristokratie, die doch ihren besten Mann unmöglich fallen lassen konnte, auf die ärgerlichste Weise mit Pompeius verwickelt.

Inzwischen hatte Nepos seine Pompeius betreffenden Anträge bei der Bürgerschaft eingebracht. Am Tage der Abstimmung interzedierten Cato und sein Freund und Kollege Quintus Minucius. Als Nepos sich daran nicht kehrte und mit der Verlesung fortfuhr, kam es zu einem förmlichen Handgemenge: Cato und Minucius warfen sich über ihren Kollegen und zwangen ihn innezuhalten; eine bewaffnete Schar befreite ihn zwar und vertrieb die aristokratische Fraktion vom Markte; aber Cato und Minucius kamen wieder, nun gleichfalls von bewaffneten Haufen begleitet, und behaupteten schließlich das Schlachtfeld für die Regierung. Durch diesen Sieg ihrer Bande über die des Gegners ermutigt, suspendierte der Senat den Tribun Nepos sowie den Prätor Caesar, der denselben bei der Einbringung des Gesetzes nach Kräften unterstützt hatte, von ihren Ämtern; die Absetzung, die im Senat beantragt ward, wurde, mehr wohl wegen ihrer Verfassungs- als wegen ihrer Zweckwidrigkeit, von Cato verhindert. Caesar kehrte sich an den Beschluß nicht und fuhr in seinen Amtshandlungen fort, bis der Senat Gewalt gegen ihn brauchte. Sowie dies bekannt ward, erschien die Menge vor seinem Hause und stellte sich ihm zur Verfügung; es hätte nur von ihm abgehangen, den Straßenkampf zu beginnen oder wenigstens die von Metellus gestellten Anträge jetzt wiederaufzunehmen und Pompeius das von ihm gewünschte Militärkommando in Italien zu verschaffen; allein dies lag nicht in seinem Interesse, und so bewog er die Haufen, sich wieder zu zerstreuen, worauf der Senat die gegen ihn verhängte Strafe zurücknahm. Nepos selbst hatte sogleich nach seiner Suspension die Stadt verlassen und sich nach Asien eingeschifft, um Pompeius von dem Erfolg seiner Sendung Bericht zu erstatten.

Pompeius hatte alle Ursache, mit der Wendung der Dinge zufrieden zu sein. Der Weg zum Thron ging nun einmal notwendig durch den Bürgerkrieg; und diesen mit gutem Fug beginnen zu können dankte er Catos unverbesserlicher Verkehrtheit. Nach der rechtswidrigen Verurteilung der Anhänger Catilinas, nach den unerhörten Gewaltsamkeiten gegen den Volkstribun Metellus konnte Pompeius ihn führen zugleich als Verfechter der beiden Palladien der römischen Gemeindefreiheit, des Berufungsrechts und der Unverletzlichkeit des Volkstribunats, gegen die Aristokratie und als Vorkämpfer der Ordnungspartei gegen die Catilinarische Bande. Es schien fast unmöglich, daß Pompeius dies unterlassen und mit sehenden Augen sich zum zweitenmal in die peinliche Situation begeben werde, in die die Entlassung seiner Armee im Jahre 684 (70) ihn versetzt und aus der erst das Gabinische Gesetz ihn erlöst hatte. Indes, wie nahe es ihm auch gelegt war, die weiße Binde um seine Stirn zu legen, wie sehr seine eigene Seele danach gelüstete: als es galt, den Griff zu tun, versagten ihm abermals Herz und Hand. Dieser in allem, nur in seinen Ansprüchen nicht, ganz gewöhnliche Mensch hätte wohl gern außerhalb des Gesetzes sich gestellt, wenn dies nur hätte geschehen können, ohne den gesetzlichen Boden zu verlassen. Schon sein Zaudern in Asien ließ dies ahnen. Er hätte, wenn er gewollt, sehr wohl im Januar 692 (62) mit Flotte und Heer im Hafen von Brundisium eintreffen und Nepos hier empfangen können. Daß er den ganzen Winter 691/92 (63/62) in Asien säumte, hatte zunächst die nachteilige Folge, daß die Aristokratie, die natürlich den Feldzug gegen Catilina nach Kräften beschleunigte, inzwischen mit dessen Banden fertiggeworden war und damit der schicklichste Vorwand, die asiatischen Legionen in Italien zusammenzuhalten, hinwegfiel. Für einen Mann von Pompeius' Art, der in Ermangelung des Glaubens an sich und an seinen Stern sich im öffentlichen Leben ängstlich an das formale Recht anklammerte, und bei dem der Vorwand ungefähr ebensoviel wog wie der Grund, fiel dieser Umstand schwer ins Gewicht. Er mochte sich ferner sagen, daß, selbst wenn er sein Heer entlasse, er dasselbe nicht völlig aus der Hand gebe und im Notfall doch noch eher als jedes andere Parteihaupt eine schlagfertige Armee aufzubringen vermöge; daß die Demokratie in unterwürfiger Haltung seines Winkes gewärtig und mit dem widerspenstigen Senat auch ohne Soldaten fertig zu werden sei und was weiter sich von solchen Erwägungen darbot, in denen gerade genug Wahres war, um sie dem, der sich selber betrügen wollte, plausibel erscheinen zu lassen. Den Anschlag gab natürlich wiederum Pompeius' eigenstes Naturell. Er gehörte zu den Menschen, die wohl eines Verbrechens fähig sind, aber keiner Insurbordination; im guten wie im schlimmen Sinne war er durch und durch Soldat. Bedeutende Individualitäten achten das Gesetz als die sittliche Notwendigkeit, gemeine als die hergebrachte alltägliche Regel; ebendarum fesselt die militärische Ordnung, in der mehr als irgendwo sonst das Gesetz als Gewohnheit auftritt, jeden nicht ganz in sich festen Menschen wie mit einem Zauberbann. Es ist oft beobachtet worden, daß der Soldat, auch wenn er den Entschluß gefaßt hat, seinen Vorgesetzten den Gehorsam zu versagen, dennoch, wenn dieser Gehorsam gefordert wird, unwillkürlich wieder in Reihe und Glied tritt; es war dies Gefühl, das Lafayette und Dumouriez im letzten Augenblick vor dem Treuebruch schwanken und scheitern machte, und eben demselben ist auch Pompeius unterlegen.

Im Herbst 692 (62) schiffte Pompeius nach Italien sich ein. Während in der Hauptstadt alles sich bereitete, den neuen Monarchen zu empfangen, kam der Bericht, daß Pompeius, kaum in Brundisium gelandet, seine Legionen aufgelöst und mit geringem Gefolge die Reise nach der Hauptstadt angetreten habe. Wenn es ein Glück ist, eine Krone mühelos zu gewinnen, so hat das Glück nie mehr für einen Sterblichen getan, als es für Pompeius tat; aber an den Mutlosen verschwenden die Götter alle Gunst und alle Gabe umsonst.

Die Parteien atmeten auf. Zum zweiten Male hatte Pompeius abgedankt; die schon überwundenen Mitbewerber konnten abermals den Wettlauf beginnen, wobei wohl das wunderlichste war, daß in diesem Pompeius wieder mitlief. Im Januar 693 (61) kam er nach Rom. Seine Stellung war schief und schwankte so unklar zwischen den Parteien, daß man ihm den Spottnamen Gnaeus Cicero verlieh. Er hatte es eben mit allen verdorben. Die Anarchisten sahen in ihm einen Widersacher, die Demokraten einen unbequemen Freund, Marcus Crassus einen Nebenbuhler, die vermögende Klasse einen unzuverlässigen Beschützer, die Aristokratie einen erklärten FeindDer Eindruck der ersten Ansprache, die Pompeius nach seiner Rückkehr an die Bürgerschaft richtete, wird von Cicero (Art. 1, 14) so geschildert: prima contio Pornpei non iucunda miseris, inanis improbis, beatis non grata, bonis non gravis;. Er war wohl immer noch der mächtigste Mann im Staat; sein durch ganz Italien zerstreuter militärischer Anhang, sein Einfluß in den Provinzen, namentlich den östlichen, sein militärischer Ruf, sein ungeheurer Reichtum gaben ihm ein Gewicht wie es kein anderer hatte; aber statt des begeisterten Empfanges, auf den er gezählt hatte, war die Aufnahme, die er fand, mehr als kühl, und noch kühler behandelte man die Forderungen, die er stellte. Er begehrte für sich, wie er schon durch Nepos hatte ankündigen lassen, das zweite Konsulat, außerdem natürlich die Bestätigung der vor. ihm im Osten getroffenen Anordnungen und die Erfüllung des seinen Soldaten gegebenen Versprechens, sie mit Ländereien auszustatten. Hiergegen erhob sich im Senat eine systematische Opposition, zu der die persönliche Erbitterung des Lucullus und des Metellus Creticus, der alte Groll des Crassus und Catos gewissenhafte Torheit die hauptsächlichsten Elemente hergaben. Das gewünschte zweite Konsulat ward sofort und unverblümt verweigert. Gleich die erste Bitte, die der heimkehrende Feldherr an den Senat richtete, die Wahl der Konsuln für 693 (61) bis nach seinem Eintreffen in der Hauptstadt aufzuschieben, war ihm abgeschlagen worden; viel weniger war daran zu denken, die erforderliche Dispensation von dem Gesetze Sullas über die Wiederwahl vom Senat zu erlangen. Für die in den östlichen Provinzen von ihm getroffenen Anordnungen begehrte Pompeius die Bestätigung natürlich im ganzen; Lucullus setzte es durch, daß über jede Verfügung besonders verhandelt und abgestimmt ward, womit für endlose Trakasserien und eine Menge Niederlagen im einzelnen das Feld eröffnet war. Das Versprechen einer Landschenkung an die Soldaten der asiatischen Armee ward vom Senat wohl im allgemeinen ratifiziert, jedoch zugleich ausgedehnt auf die kretischen Legionen des Metellus und, was schlimmer war, es wurde nicht ausgeführt, da die Gemeindekasse leer und der Senat nicht gemeint war, die Domänen für diesen Zweck anzugreifen. Pompeius, daran verzweifelnd, der zähen und tückischen Opposition des Rates Herr zu werden, wandte sich an die Bürgerschaft. Allein auf diesem Gebiet verstand er noch weniger sich zu bewegen. Die demokratischen Führer, obwohl sie ihm nicht offen entgegentraten, hatten doch auch durchaus keine Ursache, seine Interessen zu den ihrigen zu machen und hielten sich beiseite. Pompeius' eigene Werkzeuge, wie zum Beispiel die durch seinen Einfloß und zum Teil durch sein Geld gewählten Konsuln Marcus Pupius Piso 693 (61) und Lucius Afranius 694 (60), erwiesen sich als ungeschickt und unbrauchbar. Als endlich durch den Volkstribun Lucius Flavius in Form eines allgemeinen Ackergesetzes die Landanweisung für Pompeius' alte Soldaten an die Bürgerschaft gebracht :ward, blieb der von den Demokraten nicht unterstützte, von den Aristokraten offen bekämpfte Antrag in der Minorität (Anfang 694 60). Fast demütig buhlte der hochgestellte Feldherr jetzt um die Gunst der Massen, wie denn auf seinem Antrieb durch ein von dem Prätor Metellus Nepos eingebrachtes Gesetz die italischen Zölle abgeschafft wanden (694 60). Aber er spielte den Demagogen ohne Geschick und ohne Glück; sein Ansehen litt darunter, und was er wollte, erreichte er nicht. Er hatte sich vollständig festgezogen. Einer seiner Gegner fußt seine damalige politische Stellung dahin zusammen, daß er bemüht sei, "seinen gestickten Triumphalmantel schweigend zu konservieren". Es blieb ihm in der Tat nichts übrig, als sich zu ärgern.

Da bot sich eine neue Kombination dar. Der Führer der demokratischem Partei hatte die politische Windstille, die zunächst auf den Rücktritt des bisherigen Machthabers gefolgt war, in seinem Interesse tätig benutzt. Als Pompeius aus Asien zurückkam, war Caesar wenig mehr gewesen als was auch Catilina war: der Chef einer fast zu einem Verschwörerklub eingeschwundenen politischen Partei und ein bankrotter Mann. Seitdem aber hatte er nach verwalteter Prätur (692 62) die Statthalterschaft des Jenseitigen Spanien übernommen und dadurch Mittel gefunden, teils seiner Schulden sich zu entledigen; teils zu seinem militärischen Ruf den Grund zu legen. Sein alter Freund und Bundesgenosse Crassus hatte durch die Hoffnung, den. Rückhalt gegen Pompeius, den er an Piso verloren, jetzt an Caesar wiederzufinden, sich bestimmen lassen, ihn noch vor seinem Abgang in die Provinz von dem drückendsten Teil seiner Schuldenlast zu befreien. Er selbst hatte den kurzen Aufenthalt daselbst energisch benutzt. Im Jahre 694 (60) mit gefüllten Kassen und als Imperator mit wohlgegründeten Ansprüchen auf den Triumph aus Spanien zurückgekehrt, trat er für das folgende Jahr als Bewerber um das Konsulat auf, um dessentwillen er, da der Senat ihm die Erlaubnis, abwesend sich zu der Konsulwahl zu melden, abschlug, die Ehre des Triumphes unbedenklich darangab. Seit Jahren hatte die Demokratie danach gerungen, einen der Ihrigen in den Besitz des höchsten Amtes zu bringen, um auf dieser Brücke zu einer eigenen militärischen Macht zu gelangen. Längst war es ja den Einsichtigen aller Farben klar geworden, daß der Parteienstreit nicht durch bürgerlichen Kampf, sondern nur noch durch Militärmacht entschieden werden könne; der Verlauf aber der Koalition zwischen der Demokratie und den mächtigen Militärchefs, durch die der Senatsherrschaft ein Ende gemacht worden war, zeigte mit unerbittlicher Schärfe, daß jede solche Allianz schließlich auf eine Unterordnung der bürgerlichen unter die militärischen Elemente hinauslief und daß die Volkspartei, wenn sie wirklich herrschen wollte, nicht mit ihr eigentlich fremden, ja feindlichen Generalen sich verbünden, sondern ihre Führer selbst zu Generalen machen müsse. Die dahin zielenden Versuche, Catilinas Wahl zum Konsul durchzusetzen, in Spanien oder Ägypten einen militärischen Rückhalt zu gewinnen, waren gescheitert; jetzt bot sich ihr die Möglichkeit, ihrem bedeutendsten Manne das Konsulat und die Konsularprovinz auf dem gewöhnlichen, verfassungsmäßigen Wege zu verschaffen und durch Begründung, wenn man so sagen darf, einer demokratischen Hausmacht sich von dem zweifelhaften und gefährlichen Bundesgenossen Pompeius unabhängig zu machen.

Aber je mehr der Demokratie daran gelegen sein mußte, sich diese Bahn zu eröffnen, die ihr nicht so sehr die günstigste als die einzige Aussicht auf ernstliche Erfolge darbot, desto gewisser konnte sie dabei auf den entschlossenen Widerstand ihrer politischen Gegner zählen. Es kam darauf an, wen sie hierbei sich gegenüber fand. Die Aristokratie vereinzelt war nicht furchtbar; aber es hatte doch soeben in der Catilinarischen Angelegenheit sich herausgestellt, daß sie da allerdings noch etwas vermochte, wo sie von den Männern der materiellen Interessen und von den Anhängern des Pompeius mehr oder minder offen unterstützt ward. Sie hatte Catilinas Bewerbung um das Konsulat mehrmals vereitelt, und daß sie das gleiche gegen Caesar versuchen werde, war gewiß genug. Aber wenn auch vielleicht Caesar ihr zum Trotze gewählt ward, so reichte die Wahl allein nicht aus. Er bedurfte mindestens einige Jahre ungestörter Wirksamkeit außerhalb Italiens, um eine feste militärische Stellung zu gewinnen, und sicherlich ließ die Nobilität kein Mittel unversucht, um während dieser Vorbereitungszeit seine Pläne zu durchkreuzen. Der Gedanke lag nahe, ob es nicht gelingen könne, die Aristokratie wieder, wie im Jahre 683/84 (71 /70) zu isolieren und zwischen den Demokraten nebst ihrem Bundesgenossen Crassus einer- und Pompeius und der hohen Finanz andererseits ein auf gemeinschaftlichen Vorteil fest begründetes Bündnis aufzurichten. Für Pompeius war ein solches allerdings ein politischer Selbstmord. Sein bisheriges Gewicht im Staate beruhte darauf, daß er das einzige Parteihaupt war, das zugleich über Legionen, wenn auch jetzt aufgelöste, doch immer noch in einem gewissen Maße verfügte. Der Plan der Demokratie war ebendarauf gerichtet, ihn dieses Übergewichtes zu berauben und ihm in ihrem eigenen Haupt einen militärischen Nebenbuhler zur Seite zu stellen. Nimmermehr durfte er hierauf eingehen, am allerwenigsten aber einem Manne wie Caesar, der schon als bloßer politischer Agitator ihm genug zu schaffen gemacht und soeben in Spanien die glänzendsten Beweise auch militärischer Kapazität gegeben hatte, selber zu einer Oberfeldherrnstelle verhelfen. Allein auf der anderen Seite war, infolge der schikanösen Opposition des Senats und der Gleichgültigkeit der Menge für Pompeius und Pompeius' Wünsche, seine Stellung, namentlich seinen alten Soldaten gegenüber, so peinlich und so demütigend geworden, daß man bei seinem Charakter wohl erwarten konnte, um den Preis der Erlösung aus dieser unbequemen Lage ihn für eine solche Koalition zu gewinnen. Was aber die sogenannte Ritterpartei anlangt, so fand diese überall da sich ein, wo die Macht war, und es verstand sich von selbst, daß sie nicht lange auf sich werde warten lassen, wenn sie Pompeius und die Demokratie aufs neue ernstlich sich verbünden sah. Es kam hinzu, daß wegen Catos übrigens sehr löblicher Strenge gegen die Steuerpächter die hohe Finanz eben jetzt wieder mit dem Senat in heftigem Hader lag.

So ward im Sommer 694 (60) die zweite Koalition abgeschlossen. Caesar ließ sich das Konsulat für das folgende Jahr und demnächst die Statthalterschaft zusichern; Pompeius ward die Ratifikation seiner im Osten getroffenen Verfügungen und Anweisung von Ländereien an die Soldaten der asiatischen Armee zugesagt; der Ritterschaft versprach Caesar gleichfalls das, was der Senat verweigert hatte, ihr durch die Bürgerschaft zu verschaffen; Crassus endlich, der unvermeidliche, durfte wenigstens dem Bunde sich anschließen, freilich ohne für den Beitritt, den er nicht verweigern konnte, bestimmte Zusagen zu erhalten. Es waren genau dieselben Elemente, ja dieselben Personen, die im Herbst 683 (71) und die im Sommer 684 (70) den Bund miteinander schlossen; aber wie so ganz anders standen doch damals und jetzt die Parteien! Damals war die Demokratie nichts als eine politische Partei, ihre Verbündeten siegreiche, an der Spitze ihrer Armeen stehende Feldherren; jetzt war der Führer der Demokraten selber ein sieggekrönter, von großartigen militärischen Entwürfen erfüllter Imperator, die Bundesgenossen gewesene Generale ohne Armee. Damals siegte die Demokratie in Prinzipienfragen und räumte um diesen Preis die höchsten Staatsämter ihren beiden Verbündeten ein; jetzt war sie praktischer geworden und nahm die höchste bürgerliche und militärische Gewalt für sich selber, wogegen nur in untergeordneten Dingen den Bundesgenossen Konzessionen gemacht und, bezeichnend genug, nicht einmal Pompeius' alte Forderung eines zweiten Konsulats berücksichtigt wurde. Damals gab sich die Demokratie ihren Verbündeten hin; jetzt mußten diese sich ihr anvertrauen. Alle Verhältnisse sind vollständig verändert, am meisten jedoch der Charakter der Demokratie selbst. Wohl hatte dieselbe, seit sie überhaupt war, im innersten Kern ein monarchisches Element in sich getragen; allein das Verfassungsideal, wie es ihren besten Köpfen in mehr oder minder deutlichen Umrissen vorschwebte, blieb doch immer ein bürgerliches Gemeinwesen, eine perikleische Staatsordnung, in der die Macht des Fürsten darauf beruhte, daß er die Bürgerschaft in edelster und vollkommenster Weise vertrat und der vollkommenste und edelste Teil der Bürgschaft ihren rechten Vertrauensmann in ihm erkannte. Auch Caesar ist von solchen Anschauungen ausgegangen; aber es waren nun einmal Ideale, die wohl auf die Realitäten einwirken, aber nicht geradezu realisiert werden konnten. Weder die einfache bürgerliche Gewalt, wie Gaius Gracchus sie besessen, noch die Bewaffnung der demokratischen Partei, wie sie Cinna, freilich in sehr unzulänglicher Art, versucht hatte, vermochten in dem römischen Gemeinwesen als dauerndes Schwergewicht sich zu behaupten; die nicht für eine Partei, sondern für einen Feldherrn fechtende Heeresmaschine, die rohe Macht der Condottieri zeigte sich, nachdem sie zuerst im Dienste der Restauration auf den Schauplatz getreten war, bald allen politischen Parteien unbedingt überlegen. Auch Caesar mußte im praktischen Parteitreiben hiervon sich überzeugen und also reifte in ihm der verhängnisvolle Entschluß, diese Heeresmaschine selbst seinen Idealen dienstbar zu machen und das Gemeinwesen, wie er es im Sinne trug, durch Condottiergewalt aufzurichten. In dieser Absicht schloß er im Jahre 683 (71) den Bund mit den Generalen der Gegenpartei, welcher, ungeachtet dieselben das demokratische Programm akzeptiert hatten, doch die Demokratie und Caesar selbst an den Rand des Unterganges führte. In der gleichen Absicht trat elf Jahre später er selber als Condottiere auf. Es geschah in beiden Fällen mit einer gewissen Naivität, mit dem guten Glauben an die Möglichkeit, ein freies Gemeinwesen wo nicht durch fremde, doch durch den eigenen Säbel begründen zu können. Man sieht es ohne Mühe ein, daß dieser Glaube trog und daß niemand den bösen Geist zum Diener nimmt, ohne ihm selbst zum Knecht zu werden; aber die größten Männer sind nicht die, welche am wenigsten irren. Wenn noch nach Jahrtausenden wir ehrfurchtsvoll uns neigen vor denn, was Caesar gewollt und getan hat, so liegt die Ursache nicht darin, daß er eine Krone begehrt und gewonnen hat, was an sich so wenig etwas Großes ist wie die Krone selbst, sondern darin, daß sein mächtiges Ideal: eines freien Gemeinwesens unter einem Herrscher – ihn nie verlassen und auch als Monarchen ihn davor bewahrt hat, in das gemeine Königtum zu versinken.

Ohne Schwierigkeit ward von den vereinigten Parteien Caesars Wahl zum Konsul für das Jahr 695 (59) durchgesetzt. Die Aristokratie mußte zufrieden sein, durch einen selbst in dieser Zeit tiefster Korruption Aufsehen erregenden Stimmenkauf, wofür der ganze Herrenstand die Mittel zusammenschoß, ihm in der Person des Marcus Bibulus einen Kollegen zuzugesellen, dessen bornierter Starrsinn in ihren Kreisen als konservative Energie betrachtet ward und an dessen gutem Willen wenigstens es nicht lag, wenn die vornehmen Herren ihre patriotischen Auslagen nicht wieder herausbekamen.

Als Konsul brachte Caesar zunächst die Begehren seiner Verbündeten zur Verhandlung, unter denen die Landanweisung an die Veteranen des asiatischen Heeres bei weitem das wichtigste war. Das zu diesem Ende von Caesar entworfene Ackergesetz hielt im allgemeinen fest an den Grundzügen, wie sie der das Jahr zuvor in Pompeius' Auftrag eingebrachte, aber gescheiterte Gesetzesentwurf aufgestellt hatte. Zur Verteilung ward nur das italische Domanialland bestimmt, das heißt wesentlich das Gebiet von Capua, und, wenn dies nicht ausreichen sollte, anderer italischer Grundbesitz, der aus dem Ertrage der neuen östlichen Provinzen zu dem in den zensorischen Listen verzeichneten Taxationswert angekauft werden sollte; alle bestehenden Eigentums- und Erbbesitzrechte blieben also unangetastet. Die einzelnen Parzellen waren klein. Die Landempfänger sollten arme Bürger, Väter von wenigstens drei Kindern sein; der bedenkliche Grundsatz, daß der geleistete Militärdienst Anspruch auf Grundbesitz gebe, ward nicht aufgestellt, sondern es wurden nur, wie es billig und zu allen Zeiten geschehen war, die alten Soldaten sowie nicht minder die auszuweisenden Zeitpächter den Landausteilern vorzugsweise zur Berücksichtigung empfohlen. Die Ausführung ward einer Kommission von zwanzig Männern übertragen, in die Caesar bestimmt erklärte, sich selber nicht wählen lassen zu wollen.

Die Opposition hatte gegen diesen Vorschlag einen schweren Stand. Es ließ sich vernünftigerweise nicht leugnen, daß die Staatsfinanzen nach Einrichtung der Provinzen Pontus und Syrien imstande sein mußten, auf die kampanischen Pachtgelder zu verzichten; daß es unverantwortlich war, einen der schönsten und eben zum Kleinbesitz vorzüglich geeigneten Distrikt Italiens dem Privatverkehr zu entziehen; daß es endlich ebenso ungerecht wie lächerlich war, noch jetzt nach der Erstreckung des Bürgerrechts auf ganz Italien der Ortschaft Capua die Munizipalrechte vorzuenthalten. Der ganze Vorschlag trug den Stempel der Mäßigung, der Ehrlichkeit und der Solidarität, womit sehr geschickt der demokratische Parteicharakter verbunden war; denn im wesentlichen lief derselbe doch hinaus auf die Wiederherstellung der in der marianischen Zeit gegründeten und von Sulla wiederaufgehobenen capuanischen Kolonie. Auch in der Form beobachtete Caesar jede mögliche Rücksicht. Er legte den Entwurf des Ackergesetzes, sowie zugleich den Antrag, die von Pompeius im Osten erlassenen Verfügungen in Bausch und Bogen zu ratifizieren und die Petition der Steuerpächter um Nachlaß eines Drittels der Pachtsummen, zunächst dem Senat zur Begutachtung vor und erklärte sich bereit, Abänderungsvorschläge entgegenzunehmen und zu diskutieren. Das Kollegium hatte jetzt Gelegenheit, sich zu überzeugen, wie töricht es gehandelt hatte, durch Verweigerung dieser Begehren Pompeius und die Ritterpartei dem Gegner in die Arme zu treiben. Vielleicht war es das stille Gefühl hiervon, das die hochgeborenen Herren zu dem lautesten und mit dem gehaltenen Auftreten Caesars übel kontrastierenden Widerbellen trieb. Das Ackergesetz ward von ihnen einfach und selbst ohne Diskussion zurückgewiesen. Der Beschluß über Pompeius' Einrichtungen in Asien fand ebensowenig Gnade vor ihren Augen. Den Antrag hinsichtlich der Steuerpächter versuchte Cato nach der unlöblichen Sitte des römischen Parlamentarismus totzusprechen, das heißt bis zu der gesetzlichen Schlußstunde der Sitzung seine Rede fortzuspinnen; als Caesar Miene machte, den störrigen Mann verhaften zu lassen, ward schließlich auch dieser Antrag verworfen.

Natürlich gingen nun sämtliche Anträge an die Bürgerschaft. Ohne sich weit von der Wahrheit zu entfernen, konnte Caesar der Menge sagen, daß der Senat die vernünftigsten und notwendigsten, in der achtungsvollsten Form an ihn gebrachten Vorschläge, bloß weil sie von dem demokratischen Konsul kamen, schnöde zurückgewiesen habe. Wenn er hinzufügte, daß die Aristokraten ein Komplott gesponnen hätten, um die Verwerfung der Anträge zu bewirken, und die Bürgerschaft, namentlich Pompeius selbst und dessen alte Soldaten, aufforderte, gegen List und Gewalt ihm beizustehen, so war auch dies keineswegs aus der Luft gegriffen. Die Aristokratie, voran der eigensinnige Schwachkopf Bibulus und der standhafte Prinzipiennarr Cato, hatte in der Tat vor, die Sache bis zu offenbarer Gewalt zu treiben. Pompeius, von Caesar veranlaßt, sich über seine Stellung zu der obschwebenden Frage auszusprechen, erklärte unumwunden, wie es sonst seine Art nicht war, daß, wenn jemand wagen sollte, das Schwert zu zücken, auch er nach dem seinigen greifen und dann den Schild nicht zu Hause lassen werde; ebenso sprach Crassus sich aus. Pompeius' alte Soldaten wurden angewiesen, am Tage der Abstimmung, die ja zunächst sie anging, zahlreich mit Waffen unter den Kleidern auf dem Stimmplatz zu erscheinen.

Die Nobilität ließ dennoch kein Mittel unversucht, um die Anträge Caesars zu vereiteln. An jedem Tage, wo Caesar vor dem Volke auftrat, stellte sein Kollege Bibulus die bekannten politischen Wetterbeobachtungen an, die alle öffentlichen Geschäfte unterbrachen; Caesar kümmerte sich um den Himmel nicht, sondern fuhr fort, seine irdischen Geschäfte zu betreiben. Die tribunizische Interzession ward eingelegt; Caesar begnügte sich, sie nicht zu beachten. Bibulus und Cato sprangen auf die Rednertribüne, harangierten die Menge und veranlaßten den gewöhnlichen Krawall; Caesar ließ sie durch Gerichtsdiener vom Markte hinwegführen und übrigens dafür sorgen, daß ihnen kein Leides geschah – es lag auch in seinem Interesse, daß die politische Komödie das blieb, was sie war. Alles Schikanierens und alles Folterns der Nobilität ungeachtet, wurden das Ackergesetz, die Bestätigung der asiatischen Organisationen und der Nachlaß für die Steuerpächter von der Bürgerschaft angenommen, die Zwanzigerkommission, an ihrer Spitze Pompeius und Crassus, erwählt und in ihr Amt eingesetzt; mit allen ihren Anstrengungen hatte die Aristokratie nichts weiter erreicht, als daß ihre blinde und gehässige Widersetzlichkeit die Bande der Koalition noch fester gezogen und ihre Energie, deren sie bald bei. wichtigeren Dingen bedürfen sollte, an diesen im Grunde gleichgültigen Angelegenheiten sich erschöpft hatte. Man beglückwünschte sich untereinander über den bewiesenen Heldenmut; daß Bibulus erklärt hatte, lieber sterben als weichen zu wollen, daß Cato noch in den Händen der Büttel fortgefahren hatte zu perorieren, waren große patriotische Taten; übrigens ergab man sich in sein Schicksal. Der Konsul Bibulus schloß sich für den noch übrigen Teil des Jahres in sein Haus ein, wobei er zugleich durch öffentlichen Anschlag bekannt machte, daß er die fromme Absicht habe, an allen in diesem Jahr zu Volksversammlungen geeigneten Tagen nach Himmelszeichen zu spähen. Seine Kollegen bewunderten wieder den großen Mann, der, gleich wie Ennius von dem alten Fabius gesagt, "den Staat durch Zaudern errette", und taten wie er; die meisten derselben, darunter Cato, erschienen nicht mehr im Senat und halfen innerhalb ihrer vier Wände ihrem Konsul sich ärgern, daß der politischen Astronomie zum Trotz die Weltgeschichte weiterging. Dem Publikum erschien diese Passivität des Konsuls sowie der Aristokratie überhaupt wie billig als politische Abdikation; und die Koalition war natürlich sehr wohl damit zufrieden, daß man sie die weiteren Schritte fast ungestört tun ließ. Der wichtigste darunter war die Regulierung der künftigen Stellung Caesars. Verfassungsmäßig lag es dem Senat ob, die Kompetenzen des zweiten konsularischen Amtsjahrs nach vor der Wahl der Konsuln festzustellen; demgemäß hatte er denn auch, in Voraussicht der Wahl Caesars, dazu für 696 (58) zwei Provinzen ausersehen, in denen der Statthalter nichts anderes vorzunehmen fand als Straßenbauten und dergleichen nützliche Dinge mehr. Natürlich konnte es nicht dabei bleiben; es war unter den Verbündeten ausgemacht, daß Caesar ein außerordentliches nach dem Muster der Gabinisch-Manilischen Gesetze zugeschnittenes Kommando durch Volksschluß erhalten solle. Caesar indes hatte öffentlich erklärt, keinen Antrag zu seinen eigenen Gunsten einbringen zu wollen; der Volkstribun Publius Vatinius übernahm es also, den Antrag bei der Bürgerschaft zu stellen, die natürlich unbedingt gehorchte. Caesar erhielt dadurch die Statthalterschaft des cisalpinischen Galliens und den Oberbefehl der drei daselbst stehenden, schon im Grenzkrieg unter Lucius Afranius erprobten Legionen, ferner proprätorischen Rang für seine Adjutanten, wie die Pompeianischen ihn gehabt hatten; auf fünf Jahre hinaus, auf längere Zeit, als je früher ein überhaupt auf bestimmte Zeit beschränkter Feldherr bestellt worden war, ward dies Amt ihm gesichert. Den Kern seiner Statthalterschaft bildeten die Transpadaner, seit Jahren schon, in Hoffnung auf das Bürgerrecht, die Klienten der demokratischen Partei in Rom und insbesondere Caesars. Sein Sprengel erstreckte sich südlich bis zum Arnus und zum Rubico und schloß Luca und Ravenna ein. Nachträglich ward dann noch die Provinz Narbo mit der einen daselbst befindlichen Legion zu Caesars Amtsbezirk hinzugefügt, was auf Pompeius' Antrag der Senat beschloß, um wenigstens nicht auch dies Kommando durch außerordentlichen Bürgerschaftsbeschluß auf Caesar übergehen zu sehen. Man hatte damit, was man wollte. Da verfassungsmäßig in dem eigentlichen Italien keine Truppen stehen durften, so beherrschte der Kommandant der norditalischen und gallischen Legionen auf die nächsten fünf Jahre zugleich Italien und Rom; und wer auf fünf Jahre, ist auch Herr auf Lebenszeit. Caesars Konsulat hatte seinen Zweck erreicht. Es versteht sich, daß die neuen Machthaber nebenbei nicht versäumten, die Menge durch Spiele und Lustbarkeiten aller Art bei guter Laune zu erhalten, und daß sie jede Gelegenheit ergriffen, ihre Kasse zu füllen; wie denn zum Beispiel dem König von Ägypten der Volksschluß, der ihn als legitimen Herrscher anerkannte, von der Koalition um hohen Preis verkauft ward, und ebenso andere Dynasten und Gemeinden Freibriefe und Privilegien bei dieser Gelegenheit erwarben.

Auch die Dauerhaftigkeit der getroffenen Einrichtungen schien hinlänglich gesichert. Das Konsulat ward wenigstens für das nächste Jahr sicheren Händen anvertraut. Das Publikum glaubte anfangs, daß es Pompeius und Crassus selber bestimmt sei; die Machthaber zogen es indes vor, zwei untergeordnete, aber zuverlässige Männer ihrer Partei, Aulus Gabinius, den besten unter Pompeius' Adjutanten, und Lucius Piso, der minder bedeutend, aber Caesars Schwiegervater war, für 696 (58) zu Konsuln wählen zu lassen. Pompeius übernahm es persönlich, Italien zu bewachen, wo er an der Spitze der Zwanzigerkommission die Ausführung des Ackergesetzes betrieb und gegen 20000 Bürger, großenteils alte Soldaten aus seiner Armee, im Gebiete von Capua mit Grundbesitz ausstattete; als Rückhalt gegen die hauptstädtische Opposition dienten ihm Caesars norditalische Legionen. Auf einen Bruch unter den Machthabern selbst war zunächst wenigstens keine Aussicht. Die von Caesar als Konsul erlassenen Gesetze, an deren Aufrechterhaltung Pompeius wenigstens ebensoviel gelegen war als Caesar, verbürgten die Fortdauer der Spaltung zwischen Pompeius und der Aristokratie, deren Spitzen, namentlich Cato, fortfuhren, die Gesetze als nichtig zu behandeln, und damit den Fortbestand der Koalition. Es kam hinzu, daß auch die persönlichen Bande zwischen ihren Häuptern sich enger zusammenzogen. Caesar hatte seinen Verbündeten redlich und treulich Wort gehalten, ohne sie in dem Versprochenen zu beknappen oder zu schikanieren, und namentlich das in Pompeius' Interesse beantragte Ackergesetz völlig wie seine eigene Sache mit Gewandtheit und Energie durchgefochten; Pompeius war nicht unempfänglich für rechtliches Verhalten und gute Treue und wohlwollend gestimmt gegen denjenigen, der ihm über die seit drei Jahren gespielte armselige Petentenrolle mit einem Schlag hinweggeholfen hatte. Der häufige und vertraute Verkehr mit einem Manne von der unwiderstehlichen Liebenswürdigkeit Caesars tat das übrige, um den Bund der Interessen in einen Freundschaftsbund umzugestalten. Das Ergebnis und das Unterpfand dieser Freundschaft, freilich zugleich auch eine öffentliche, schwer mißzuverstehende Ankündigung der neubegründeten Gesamtherrschaft, war die Ehe, die Pompeius mit Caesars einziger, dreiundzwanzigjähriger Tochter einging. Julia, die die Anmut ihres Vaters geerbt hatte, lebte mit ihrem um das doppelte älteren Gemahl in der glücklichsten Häuslichkeit, und die nach so vielen Nöten und Krisen Ruhe und Ordnung herbeisehnende Bürgerschaft sah in diesem Ehebündnis die Gewähr einer friedlichen und gedeihlichen Zukunft.

Je fester und enger also das Bündnis zwischen Pompeius und Caesar sich knüpfte, desto hoffnungsloser gestaltete sich die Sache der Aristokratie. Sie fühlte das Schwert über ihrem Haupte schweben und kannte Caesar hinlänglich, um nicht zu bezweifeln, daß er, wenn nötig, es unbedenklich brauchen werde. "Von allen Seiten", schrieb einer von ihnen, "stehen wir im Schach; schon haben wir aus Furcht vor dem Tode oder vor der Verbannung auf die 'Freiheit' verzichtet; jeder seufzt, zu reden wagt keiner". Mehr konnten die Verbündeten nicht verlangen. Aber wenn auch die Majorität der Aristokratie in dieser wünschenswerten Stimmung sich befand, so fehlte es doch natürlich in dieser Partei auch nicht an Heißspornen. Kaum hatte Caesar das Konsulat niedergelegt, als einige der hitzigsten Aristokraten, Lucius Domitius und Gaius Memmius, im vollen Senat den Antrag stellten, die Julischen Gesetze zu kassieren. Es war das freilich nichts als eine Torheit, die nur zum Vorteil der Koalition ausschlug; denn da Caesar nun selbst darauf bestand, daß der Senat die Gültigkeit der angefochtenen Gesetze untersuchen möge, konnte dieser nicht anders, als deren Legalität förmlich anerkennen. Allein begreiflicherweise fanden dennoch die Machthaber hierin eine neue Aufforderung, an einigen der namhaftesten und vorlautesten Opponenten ein Exempel zu statuieren, und dadurch sich zu versichern, daß die übrige Masse bei jenem zweckmäßigen Seufzen und Schweigen beharre. Anfangs hatte man gehofft, daß die Klausel des Ackergesetzes, welche wie üblich den Eid auf das neue Gesetz von den sämtlichen Senatoren bei Verlust ihrer politischen Rechte forderte, die heftigsten Widersacher bestimmen werde, nach dem Vorgange des Metellus Numidicus sich durch die Eidverweigerung selber zu verbannen. Allein so gefällig erwiesen sich dieselben doch nicht; selbst der gestrenge Cato bequemte sich zu schwören, und seine Sanchos folgten ihm nach. Ein zweiter wenig ehrbarer Versuch, die Häupter der Aristokratie wegen eines angeblich gegen Pompeius gesponnenen Mordanschlags mit Kriminalanklagen zu bedrohen und dadurch sie in die Verbannung zu treiben, ward durch die Unfähigkeit der Werkzeuge vereitelt; der Denunziant, ein gewisser Vettius, übertrieb und widersprach sich so arg und der Tribun Vatinius, der die unsaubere Maschine dirigierte, zeigte sein Einverständnis mit jenem Vettius so deutlich, daß man es geraten fand, den letzteren im Gefängnis zu erdrosseln und die ganze Sache fallen zu lassen. Indes hatte man bei dieser Gelegenheit von der vollständigen Auflösung der Aristokratie und der grenzenlosen Angst der vornehmen Herren sich sattsam überzeugt; selbst ein Mann wie Lucius Lucullus hatte sich persönlich Caesar zu Füßen geworfen und öffentlich erklärt, daß er seines hohen Alters wegen sich genötigt sehe, vom öffentlichen Leben zurückzutreten. Man ließ sich denn endlich an einigen wenigen Opfern genügen. Hauptsächlich galt es Cato zu entfernen, welcher seiner Überzeugung von der Nichtigkeit der sämtlichen Julischen Gesetze keinen Hehl hatte, und der Mann war so, wie er dachte zu handeln. Ein solcher Mann war freilich Marcus Cicero nicht, und man gab sich nicht die Mühe, ihn zu fürchten. Allein die demokratische Partei, die in der Koalition die erste Rolle spielte, konnte den Justizmord des 5. Dezember 691 (63), den sie so laut und mit so gutem Rechte getadelt hatte, unmöglich nach ihrem Siege ungeahndet lassen. Hätte man die wirklichen Urheber des verhängnisvollen Beschlusses zur Rechenschaft ziehen wollen, so maßte man freilich sich nicht an den schwachmütigen Konsul halten, sondern an die Fraktion der strengen Aristokratie, die den ängstlichen Mann zu jener Exekution gedrängt hatte. Aber nach formellem Recht waren für dieselbe allerdings nicht die Ratgeber des Konsuls, sondern der Konsul selbst verantwortlich, und vor allem war es der mildere Weg, nur den Konsul zur Rechenschaft zu ziehen und das Senatskollegium ganz aus dem Spiele zu lassen, weshalb auch in den Motiven des gegen Cicero gerichteten Antrags der Senatsbeschluß, kraft dessen derselbe die Hinrichtung anordnete, geradezu als untergeschoben bezeichnet ward. Selbst gegen Cicero hätten die Machthaber gern Aufsehen erregende Schritte vermieden; allein derselbe konnte es nicht über sich gewinnen, weder den Machthabern die verlangten Garantien zu geben, noch unter einem der mehrfach ihm dargebotenen schicklichen Vorwände sich selbst von Rom zu verbannen, noch auch nur zu schweigen. Bei dem besten Willen, jeden Anstoß zu vermeiden, und der aufrichtigsten Angst hatte er doch nicht Haltung genug, um vorsichtig zu sein; das Wort maßte heraus, wenn ein petulanter Witz ihn prickelte oder wenn sein durch das Lob so vieler adliger Herren fast übergeschnapptes Selbstbewußtsein die wohlkadenzierten Perioden des plebejischen Advokaten schwellte. Die Ausführung der gegen Cato und Cicero beschlossenen Maßregeln ward dem lockeren und wüsten, aber gescheiten und vor allen Dingen dreisten Publius Clodius übertragen, der seit Jahren mit Cicero in der bittersten Feindschaft lebte und, um diese befriedigen und als Demagog eine Rolle spielen zu können, unter Caesars Konsulat sich durch eilige Adoption aus einem Patrizier in einen Plebejer verwandelt und dann für das Jahr 696 (58) zum Volkstribun hatte wählen lassen. Als Rückhalt für Clodius verweilte der Prokonsul Caesar, bis der Schlag gegen die beiden Opfer gefallen war, in der unmittelbaren Nähe der Hauptstadt. Den erhaltenen Aufträgen gemäß schlug Clodius der Bürgerschaft vor, Cato mit der Regulierung der verwickelten Gemeindeverhältnisse der Byzantier und mit der Einziehung des Königreichs Kypros zu beauftragen, welches ebenso wie Ägypten durch das Testament Alexanders II. den Römern angefallen war und nicht, wie Ägypten, die römische Einziehung abgekauft, dessen König überdies den Clodius vor Zeiten persönlich beleidigt hatte. Hinsichtlich Ciceros brachte Clodius einen Gesetzentwurf ein, welcher die Hinrichtung eines Bürgers ohne Urteil und Recht als ein mit Landesverweisung zu bestrafendes Verbrechen bezeichnete. Cato also ward durch eine ehrenvolle Sendung entfernt, Cicero wenigstens mit der möglichst gelinden Strafe belegt, überdies in dem Antrag doch nicht mit Namen genannt. Das Vergnügen aber versagte man sich nicht, einerseits einen notorisch zaghaften und zu der Gattung der politischen Wetterfahnen zählenden Mann wegen von ihm bewiesener Energie zu bestrafen, andererseits den verbissenen Gegner aller Eingriffe der Bürgerschaft in die Administration und aller außerordentlichen Kommandos durch Bürgerschaftsbeschluß selbst mit einem solchen auszustatten; und mit gleichem Humor ward der Cato betreffende Antrag motiviert mit der abnormen Tugendhaftigkeit dieses Mannes, welche ihn vor jedem andern geeignet erscheinen lasse, einen so kitzlichen Auftrag, wie die Einziehung des ansehnlichen kyprischen Kronschatzes war, auszuführen, ohne zu stehlen. Beide Anträge tragen überhaupt den Charakter rücksichtsvoller Deferenz und kühler Ironie, der Caesars Verhalten dem Senat gegenüber durchgängig bezeichnet. Auf Widerstand stießen sie nicht. Es half natürlich nichts, daß die Senatsmajorität, um doch auf irgendeine Art gegen die Verhöhnung und Brandmarkung ihres Beschlusses in der Catilinarischen Sache zu protestieren, öffentlich das Trauergewand anlegte und daß Cicero selbst, nun da es zu spät war, bei Pompeius kniefällig um Gnade bat; er mußte, noch bevor das Gesetz durchging, das ihm die Heimat verschloß, sich selber verbannen (April 696 58). Cato ließ es gleichfalls nicht darauf ankommen, durch Ablehnung des ihm gewordenen Auftrags schärfere Maßregeln zu provozieren, sondern nahm denselben an und schiffte sich ein nach dem Osten. Das Nächste war getan; auch Caesar konnte Italien verlassen, um sich ernsteren Aufgaben zu widmen.

 


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