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II

 

31

Kennst du den Übergang vom Er zum Ich?
Berührte er dich?
Er wurde in mir immer dringender,
immer zwingender.
Wie kalt die Luft! Voll ziehender Wolken!
In grauen Schleiern flammte der Vulkan.
Und Er trat zu häupten meinem Lager;
und war ein trüber Wortesager.
Er schritt so groß an mich heran;
Ihm folgte als Mantelsaum der Ozean.
Um sein Haupt das Diadem der Sterne;
so sah ich Ihn in meiner Kindheit gerne.
Aber dann wollt' ich allein sein
und wandte mich ab und schlief ein.
Da durchbrach ich die letzten Schranken
und fand mich erwacht auf Himmelwiesen;
und die Blumen, die bei mir blühten, hießen
»erste Schöpfunggedanken«.
Es saß bei mir ein junges Weib, und sang.
Eine fremde Göttersage.
Ein graues Altertum vergangener Tage.
Zuweilen kam ein Wort, das mich bezwang.
Ihr Auge war tief träumerisch verirrt.
Und der Mund wie in ein Netz verwirrt;
der schien noch zu hängen
zwischen alten dunklen Zwängen;
als stünde ein Dritter unsichtbar im Hintergrund,
überschattend den ringenden Mund;
dann wieder schien er sich durchzubrechen,
um das freie Glanzwort auszusprechen.
Da leuchteten die Sterne-Nächte!
Manche Glut, und wilde Purpurprächte.
Und zwischen den Gesängen, die jetzt kamen,
erhob sich immer deutlicher mein Namen.
Silberne Wasser, die plätschernd über uns zusammenschlagen!
Und wir versanken in seligen Schöpfungtagen.
»Weib, Wen meinst du?« flüsterte ich leise ...
Und sie lächelte den tiefsten Blick der Liebe.
Und sie krönte mich mit einem ersten Blütenreife.
Und da ward das klarste Wort gebunden,
das ich hier nicht sage,
weil ich Keinen so heilig je erfunden,
daß er Solches in der Seele trage;
weil mir die Menschen wie Flimmer sind entschwunden
in der Seligkeit der blauen Tage.

 

32

Gott ist vom Schöpferstuhl gefallen
hinunter in die Donnerhallen
des Lebens und der Liebe.
Er sitzt beim Fackelschein
und trinkt seinen Wein
zwischen borstigen Gesellen,
die von Weib und Meerflut überschwellen.
Und der Mond rollt über die Wolkenberge
durch die gestirnte Meernacht,
und die großen Werke
sind vollendet und vollbracht.

 

33

Trinkend hatt' ich erharrt
deine Gegenwart.
Und nun du eingetreten,
ist Alles schön und stille,
du und deine feierlichen Reden,
lächelnd ruht mein Wille.

Du und dein Sammt- und Sternekleid.
Ich und meine schaffende Vergangenheit.

Und ich bemerke wein- und glutselig:
Die Krone, die um deine Schläfen blitzt und dämmert,
Hab' ich vor tausend Jahren zurechtgehämmert.

 

34

In dieser mitternächtigen Zeit
wirft mich zu Boden große Seligkeit,
so daß ich alles Geschaffene schaue,
uferloses Meer, das wilde, blaue,
Mond und Sonne im Auf- und Niedersteigen
mit Posaunen und Geigen.

 

35

In einer Nacht
sah ich alle Gewänder fallen.
In den Donnerhallen:
da saß das Weib, nackt bis zum Hals geschürzt.
Ich hab' Wein hinuntergestürzt
und dröhnend gelacht.
Und war über mir kein Dach mehr.
Ich sah die großen Himmellichter fliegen.
Und ich durfte Alles niedersiegen.
Ich hob das Meer und sein Gebraus,
und setzte es an den Mund, und trank es aus.
Ich wurde ein Abgrund,
drin Mond und Sonne auf- und niederreigen.
Und sank aufs Bett. Ich schlief.
Da sah ich viele Sterne niedersteigen.

Ein Baum in dunklen Zweigen
senkte sich tief.
In seine Schatten trat ein Glanzgestirn,
seliges Gesicht, und sang.
Und stand an meinem Lager. Jahrelang.
Zu Zeiten
sah ich Vater und Mutter erscheinen.
Mir die Kissen bereiten.
Sie legten heiße Hände auf meine Stirn.
Ich sah sie glänzende Tränen weinen.
Ich sah mich selbst: auf meinem Linnenlager;
starr; kalt; hager.
Und über uns ein Baum in dunklen Zweigen.
Und in dem großen Schweigen,
ewigkeitenlang,
stand neben mir ein Glanzgestirn. Und sang.

 

36

Stürz' ein, o Seele, und erwache im Chaos!
Auf der Felsklippe gelagert
ruf' ich, schroffer Adlerschrei,
eine wilde Welt herbei.
Aufschwillt ein Meer,
wälzt seinen Brand an meine Füße schwer.
Öffne die Flügel frei!

Und mitten, hoch! über die schäumende Flut,
in ersten Schöpfungtagen,
und Feuermäntel umgeschlagen,
seh' ich Vater und Mutter ragen.
Ich höre sie tiefes Geheimnis sagen.
Und wieder verschlingt sie die träumende Flut.
Und die träumende Flut hebt an zu singen,
und ungeheuer wird das Meer,
und wieder Vater und Mutter, die bringen:
          als brennende Türme,
          lächelnde Stürme:
Mond und Sonne auf den Händen her,
aus der Tiefe, der Singenden,
herauf zu meinem Fels, dem Klingenden –
Es wird ein seliger Verkehr.

 

37

Einen Strauß wildfunkelnder Blumen
streckt eine Hand von hinten
über mein verhülltes Haupt.
Ich sitze groß im Nachtschatten
einer dicken Riesenmauer.
Tief, an meine Füße, wogt das Meer.
Milliarden goldener Fische
drehen sich drin im Tanz.

Es glänzt bis ganz hinaus,
ganz hinaus in die Nacht. –
Und flüstert.

*

Oben, über mir
auf endloser Mauerhöhe,
beginnt eine Posaune zu blasen.
Sie quillt ganz auf.
Drin in den Tonwogen
steht Einer.
Was der ist, bin ich auch.
Doch bin ich nicht so hoch oben.

*

Er ist so hoch oben.
Wenn ich hinaufzudenken versuche,
schrumpft das goldglitzernde Meer zum Teich.
Ich will nur Eines noch:
Ihm ins Antlitz schauen.

*

Ich glaube. Er denkt immer an mich.
Oben über mir
denkt er immer an mich.
Er ist so hoch oben,
daß er nicht mehr schaffen kann.

Er denkt immer, immer
an meiner Hände schöpferische Macht.

*

Im Nachtschatten der Mauer
betracht' ich meine Hände.
Mond und Sterne eilen jubelnd herbei
und leuchten dazu.
Mein Herz braust in strahlender Seligkeit,
da ich meine Hände erblicke.

 

38

Lange lebte ich neben den Brandungen
asiatischer Meere. Im blumenlosen Gebrause.
Dort stürmte Geist in gewaltigen Ton-Hallen
dröhnend aufgebaut, dröhnend eingestürzt.
Um meinen Scheitel spielten Welt-Schöpfungen,
in meiner Herz-Höhle harfte die Zeit.
Meine Hände ruhten im Sturm-Schoos der ewigen Mutter.
Nächte: ein einsamer Stern im Wasser-Schleier!

Kam einmal Einer: Meer-Anwohner
von jenseits der Brandung: mich zu schauen:
So hielt er vor einer Mauer gelbgrüner Steil-Wogen.
Sein Antlitz: Klippe; Schaum.

Jeder von uns griff zur Trompete.
Wir verstanden einander durch Trompeten-Signale.
Denn hier endete die Rede.
Hier zerbarst das Wort.

 

39

Die Tiere des Meeres stiegen auf den Strand.
Ich lag auf dem Strand im Schlaf und sah ihre Bilder;
sie schwammen weltgroß frei in meiner Seele:
für sie ein neues, ewigeres Meer.
Und es trieb in diesen Gewässern
eine glühende Sonne, und das war mein Herz.
Und ich sah all' die wundervollen Tiere
mit ihren leisen scheuen Händen,
mit zaubervollen Lippen
an mein glühend Herz rühren.

 

40

Ich saß am wildgewordenen Meer, und zechte:
ich saß in einer Säulenhalle, trinkend
im kalten Morgen.
Vor meinen Augen lag die Sonne auf den kahlsten Wogen
im Aufgang furchtbar stechendweiß und neu.
Vor meinen Augen stand mein Sohn
nackt im wilden Meer, ich sah den Leib
schmerzhaft verzerrt sich drehen im harten Chaos-Licht,
ich sah ihn weinen und die Hände ringen,
ein Ton entfuhr ihm, tierisch ungeheuer –
doch der Ton fuhr göttlich auf
im schwebenden Triumphgesang des Vaters,
des frühen Schöpfers und des seligen Zechers.

 

41

Ich saß in einem Nachen, ich trieb
auf niebefahrenen Gewässern.
Das machte mich sehr selig,
ich konnte mein Herz nicht mehr bändigen,
es entfiel mir, fiel in die Gewässer.
Und drunten in den Tiefen begann jetzt sein Glanz.
Hinabgebeugt über den Kiel
sah ich den fernen Glanz eines Planeten,
der wuchs ungeheuer, und gewann die Allmacht.
Und also saß ich in dunklem Mantel
über einem Licht-Ozean,
ich war heilig über Tiefen,
ich hörte das Getöse des Weltalls.

 

42

Meine Jugendzeit.
Ich war nicht Haupt und nicht Hand,
ich war ganz Feuer, Glut und Brand.
Ein Wagen rollte über die Wogen,
hingestreckt lag ich bewußtlos drinnen,
nur das Brausen des Meeres drang zu meinen Sinnen,
und die grauen Tiere, die mich überflogen,
groß wie frühe Morgenewigkeit.
Und der Glanz dann unter den spritzenden Räderbogen.

*

Ich lag in ungeformten Schöpfungstürmen.
Noch war kein Gewölbe aufgerichtet.
Mein Auge ins tiefe Innere gerichtet.
Ich hörte die schweren Wogen des Geistes
brausend an unsichtbare Küsten stürmen.
Manchmal: ich wußte, meine Lippe glänzte.
Manchmal: ich fühlte, wie mein Augenlid sich hob.
Dann sah ich einen brennenden Scheiterhaufen;
hochdrauf ein nacktes Weib in Posaunenpracht.

 

43

Über dem Welt-Meer, über dem Wonne-Meer
auf weitgewölbter Brücke licht im Himmel:
Ich liege, ich lausche einem Gesang.
Es zieht ein Schiff tiefunten auf dem Meer,
es ruht ein nacktes Weib in Wind und Klang.
          Es liebt mich sehr
          Swedja, die Blüte.
Die einst von meiner Brust ins Weltall fiel:
          meiner Träume buntes Spiel
          Swedja, die Rose.

 

44

An grüner Wildnis abgeschwommen,
durch das glänzende Meer gekommen,
große Lichter hingen über dir,
dein nackter Fuß trat auf die glatten Klippen,
bis dein nasser Leib war bei mir,
bis dein Namen in meiner Seele war.
Grünes Wasser stürzt aus dem rauhen Haar,
nun dein Haupt auf meinen Armen ruht,
meine Hand auf deinen großen Lippen.
Ah, ich weiß, das thut dir Wilden gut.

 

45

Am roten Zelte;
silbern spritzt der Wein.
Und du bist mein!

Auf meinem grünen Sofa gefangen weißes Wild,
drei Schritt vor mir – ein Sprung: ich bin gestillt.

Drum ist mein Haupt weich zurückgelehnt.
Und die Glieder selig hingedehnt.
Und mein Hirn voll neuer Werke.
Und meine Faust voll Meisterstücke.

 

46

Abendbeisammensein.
Du trägst die Lampe herein,
und Wein,
und holst den Kasten,
und spielst auf der Geige
Alles, was ich verschweige.

Und drängst dich selig in die Welt hinein.
Und drängst mich aus der Welt hinaus
in Anfang und in Urgebraus.

Ich liege über den finsteren Gewässern,
gehüllt in wogende Wolkenmassendünste,
meine Seele schafft in fürchterlicher Brunst die Himmellichter.

Ihr seligen Gestirne
über meiner dunklen Schöpferstirne,
zieht glänzende Kreise,
singt mir Schlaf mit einer Kinderweise.

 

47

Steh' auf, zünde Licht!
Denn es entstand ein glühendes Gedicht.
In meiner Seele stürmen noch die Meere
          der Nacht,
es leuchten noch die Speere
          der Schlacht.

Und an mein Lager, liebes Weib.
Nun will ich dein gedenken,
in deinen dunklen Leib
all' meinen Glanz versenken.

 

48

Ein Entwurf für eine neue Welt:
Ein einzig fernhin ungeheuer Schneefeld,
mitten ragt steil ein ungeheurer Turm,
drin droben im gläsernen Turmgemach
ein Weib, prachtvoll in rotem Flammenhaar,
das beleuchtet durch die kristallenen Scheiben
hinunter über den Schnee die Welt.
Das kann so ewig bleiben.
Aber Einmal in jeder Ewigkeit
stapft ein felsenhoher Mann
von der Welt Enden
        mächtiger Schritt – heran, heran,
heran und in den Turm hinein,
da werden droben die Läden geschlossen
von großen zarten Händen:
zu dieser Zeit ist Finsternis
über der Welt, nur ein rötlicher Streifenschein
leuchtet durch einen schmalen Ladenriß –

Und hoch über Allem, daß jeglich Blut gerinnt,
häng' ich als wüste kosmische Träne,
die über die Ewigkeiten sinnt.

 

49

Es ist lange her, o Liebe.
Und meine Seele begehrt nach dir.
Ich möchte mich über dich beugen.
Und du bist nicht hier.

Ich will die ganze Welt neu zeugen.
Und dir lächeln wie am ersten Tag.
Du sollst jung werden, so jung dein Herz mag.
Du sollst werden, was dein Herz mag.
Ich will dir die Birke schenken.

Und ich will Alles neu machen.
Es soll keine blaue Wölbung mehr zerkrachen.

*

Du Einzige, die mich verstand!
Die meine glühenden Verbrechen
selig verwand.
Die meinen tiefen Schöpfergram
ins Heilige gemildert
in ihren Geist hinübernahm.

*

Kehre zurück aus den strahlenden Wassern.
Kehre zurück vom Mond.
Kehre zurück vom blauen Gipfel des Gaurisankar.
Kehre zurück aus der Morgenröte.
Aus der Wüste.
Kehre wieder.
Kehre wieder, du Feuchte,
liege wieder bei mir.
Du, Du einst im Anfang.

*

Ich hab' die Welt an meinem Leib zerdrückt,
alle Sterne aus der Bahn gerückt,
mit flackernder Hand
steckt' ich meine Herrlichkeiten in Brand,
deine Brüste hab' ich überall gesucht,
und Alles zerstört und Alles verflucht –

Kehre zurück vom blauen Gipfel des Gaurisankar,
lösche meinen brennenden Gesang,
liege wieder bei mir.
Du, Du einst im Anfang.

*

Keine Antwort mehr.
Erinnerunglos schweigt Alles ringsumher.

Nur das Meer, das Meer
erinnert sich noch manchmal meiner.
Da lieg' ich am Strand,
lasse die Hand
von der Woge spülen.

Das ich früh in Jugendglut gebar,
du Wesen wunderbar,
mein Herz wird alt und schwer.
Mein Kind, mein Meer,
lange, lang ist's her.

*

Da spülst du bunte Muscheln an den Strand
zum Spiel für die alte Schöpferhand.
Und so ruhend Hand in Hand mit dir
fühl' ich das Unvergängliche in mir.
In blauer Luft der Adler schreit.
O feuchter Wind! o kühle Zeit!
Ein spielend Kind,
ein Kind mit uferloser Vergangenheit.
O Lächeln, das aus meinem Menschenherzen fließt
und sich in tränendem Gesang vergießt.
Du Glut und Pracht!
Du meine Schöpfermacht!
Du Meer! Du Sonne! – Adlerschrei! –
Und immer die große Melodie dabei.

 

50

Ich irrte auf dem Strand, bedeckt mit Muscheln.
Eine Frau schritt hinter mir
mit offenem Haar und wundersüßem Leib.
Sie weinte. Ihre Tränen fielen
als schillernde Perlen in die offenen Muscheln.
Ich lächelte, da ich es sah – traumhaft
schlug mein Herz als Welten-Uhr.
Ich bückte mich nach einer Perlenmuschel,
die Frau berührte mich mit ihrem Leib –
knieend blickte ich auf:
Die Welt war Traum, und alle Muscheln bebten,
golden leuchtete das Haar des Weibes.

 

51

Du Schiff, das mir vom Horizonte naht
über ein Farben-Meer, mit wilden Schimmern
auf kristallnen Wogen hochgehoben –

Du drehst dich jetzt im Schlummer, Fantasia,
auf deinem Lager. Und dein Antlitz lächelt
mir einen neuen Meer-Gott in den Geist.
Du schlummerst fern im Boot, mein herrliches Weib,
dein Haupt ruht schön an Bord, es treibt dein Haar
auf den Wassern – und dein nackter Fuß –
dein Knie – dein Schoos –

Eine Rose über Bord, ins Meer –
o Fantasia! nackte Göttin! –
du treibst mir zu auf wogenden Silberschäumen –
entgegen meiner weltgespannten Hand –

 

52

Sie saß dann dicht bei mir in einer Sänfte.
Nichts hüllte ihre weltengroße Nacktheit.
Nur ein breiter goldener Schlapphut
ruhte auf dem Haupt dem seligstillen.
Und ruhend ganz in Geist
sah ich hinaus in die hellste Steppen-Wintermondnacht,
man trug uns hin an schäumenden Bergwassern,
zwischen eisig glänzenden Hügeln.
– Jemand sprach: »– wie frei ist alles Leben.«


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