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I

 

1

Ohne Leidenschaft, doch ganz in Liebe
komm' ich zu dir und frage dich:
Willst du mich haben?
Ich sitze gern im Frühling, in thauigen Gärten,
wo ein Wind weht
über ein Blumenbeet.
Und kommt der greise Gärtner mir vorüber,
so red' ich gern mit ihm ein Viertelstündchen
von seinen Büschen und von seiner Erde;
ein Vogel singt im Baum.
Da reden wir, auch wir: was Menschen reden.
Und nehm' ich dann ein Blatt vom Baum
und leg' es dir auf deine große Hand,
so fühlst du das: du hast mein Herz.

 

2

Am letzten Ende des schönen Gartens
schichtet der Gärtner die erfrorenen Sträucher
und welken Äste.
Dort ist es schön, dort sitz' ich gern.
Ich liebe die Dornen und die welken Äste.
Und in Mondnächten geben sie mir Alles,
was ein Mensch zum Leben nötig hat.

*

Den Dichter seh' ich wandeln in der Mondnacht,
und hör' ihn flüstern unter den hohen Bäumen –
so süß! so süß!

Denn das ist Alles Dichtung,
womit ein Mensch sich seine Schmerzen lindert.

 

3

Am liebsten schliefe ich in der Heimat,
im Vaterhause, in der Mutterstube.
Doch da's nicht sein kann, bin ich in der Fremde,
umgeben von den Schriften toter Menschen.
Und wenn ich nachts aufwache und dann denke,
höre ich rings Menschen atmen, Menschen schlafen, Menschen weinen.
Und Jeder könnte mir Vater sein und Mutter.
So nah beieinander sind sich allalle Menschen.

*

Ich schliefe gern im Vaterhause;
ich läg' bewacht von einem ewigstillen Licht,
hoch über mir ein luftiges Gesause.

 

4

Ein Haus ... Nur der Grille Stimme klang
in die stillen Bereiche.
Manchmal, eines Mädchens kühler Sang,
der wellengleiche.
Und ein Kind, ein Knabe lag tagelang
am zitternden Teiche.

*

Ich hörte den Wind durch die Eichenkronen streichen.
Mein Herz war kühl wie die Teiche meiner Heimat.
Die weißen Wolken über den grünen Hügeln!
Dann kam die Schwalbe, die Schwalbe übers Meer.

 

5

Da ich hier auf den Wurzeln der deutschen Eiche liege, raste,
wird der schwere alte Baum stumm vor Glück,
er bebt in seinen jüngsten Mondlicht-Wipfeln.

*

Die Nacht ruht glänzend über den stillen Hügeln.
Eine Pflanze atmet neben mir,
ihr feuchtes Blättchen ruht an meiner Wange.
Ich bin die Musik der Welt. Den goldenen Thau
leg' ich in jede schicksaldunkle Blüte.

*

Mein Schatten füllt die Felswand in der Mondnacht.
Eine Quelle glänzt zu meinen Füßen
und löst mein Leben auf in lispelnd Wasser.
Mein Lied, so schlummervoll lieblich tönest du,
daß ich zu leben vergesse; und sterbe.

 

6

Da schweres Laub im Mondlicht hängt,
so dicht in sich gedrängt,
so regunglos –
wie mein Geist, der in die Welt gesenkt.
Das Ernste, das ich in die Welt gebracht;
ich weinte eine Nacht,
bis Alles still stand,
so regunglos,
als wär's nur mein Gewand.
Das Ferne, das ich in die Welt gebracht,
die Geister,
der Glanz aus meinem Heimatland.
Hätt' ich Tränen nie vergossen,
wär' jetzt alle Freude in mir beschlossen.

 

7

Geliebte –

Verschwebend im Gesange eines Vogels,
der über den Bäumen
in letzter Wipfelkühle
die Abendinbrunst singt,
indes zu seinen Füßen
glutrote Sonne
in dem schwarzen Forst ertrinkt

Ahne, was einst sein wird,
wann der Gesang verstummt, und meine Seele
nur noch aus Quellen unsichtbarer Wälder klingt.

 

8

Einsames Land! Einsamer Baum darinnen!
Süß ist das Stehn und Sinnen
unter deinen Zweigen.
Aus deinen Wipfeln sinkt es nieder,
das Selig-Dämmernde und Schweigende.
Die Hände strecke ich aus, und sie füllen sich
und unsichtbaren Blättern, und ich fühle das ganz
im reifgewordenen Herzen.

O Baum, an deinem Stamm, unter deinen Zweigen
ward ich ein blinder Mann, und sammle ein
die Gaben, die aus deinen Wipfeln niedersinken.
Das Herrlichste, es sinkt mir auf das Haupt,
und auf die Schultern, liegt zu meinen Füßen.
Es verschüttet mich.
Reicht eine Harfe! Das Tief-Ewige
umschauert mich.

Es dringt ein Glanz herein in meine Nacht.
Das muß die Träne sein, die draußen auf der Schwelle
des Hauses lagert und den Mond anblickt.
Reicht mir die Harfe! Glänzender war ich nie!
Schließt die Pforten auf! öffnet die Fenster!
Ihr Alle, Alle, kommt zum großen Fest!

 

9

Eingeborene Schwermut, und das Anschaun eines Glanzgestirns
in der Jugendzeit ...
Aus der Welt so stolz und weit
fanden sich in mir die Beiden.
Ich aber war ein Mensch und that das gerne leiden. –
Aus meinem Haupt mächtig ein Wasserfall
stürzt sich in meine eingeborene Schwermut nieder.

Ich lausche meiner obern Melodie.
Doch hin! – hinauf zu mir! – gelang' ich nie.

Drum möcht' ich: eilen: ewig, unverhüllt
ins Weite,
das Meer an meiner Seite,
und die Sehnsucht ungestillt.

 

10

Ich lieg' auf einer Insel, zwischen hohen sanften Blumen.
Wie still ist mir ums Herz!
Reine Berge stehen rund um mich: eine Habe
die mir gehört – fast möcht' ich lächeln.
Über meinen Augen liegt eine glänzende Decke –
fast möcht' ich die Hände rühren und sie wegziehn.
Fast möcht' ich aufstehn!
Ich höre das Meer – es stürmt blau auf den Strand.

*

Bevor ich diesen Inselstrand verließ,
entdeckte ich letztmals streifend eine Höhle,
da drinnen ward mir eine neue Seele,
die mir ein höchstes Glück verhieß.

Und so saß ich lange,
ein tiefes Lächeln auf meiner Wange.
Vom Licht umzittert in der Dämmerkühle.
Glühend in einem neuen
Heimat-Urgefühle.

*

Es war zur Nacht, da ich ins Meerhorn stieß.
Es war zur Nacht, da ich zum Aufbruch blies.
Es war zur Nacht, da ich den Strand verließ.
Mein Boot lag in der Mondquelle.
Ich stand in vollendeter Helle.
Ich stand schlafähnlich starr auf silbernem Kies.

 

11

Ich kam in eine Gegend endlos überflutet
von Wassern, und der kühle Luftraum
atmete drüber in großen Zügen
und sprach Etwas; ich stand in einem Boot
traumhaft hochaufgerichtet, und ich trieb
mit einer langen Stange langsam vorwärts,
die langte bis in Grund, und rührte drunten
glänzende Sterne auf aus einem Schlummer.
Und drüberhin glitt ewiglang das Boot,
sein Boden war vergoldet aus der Tiefe
von jenen Angesichtern, die jetzt dort erwachten,
und das – das rührte mich nun innig,
weil ich so dunkel war in einem Mantel,
und weil ich selbst mein Angesicht nicht sah.
Und so im Boote stehend trieb ich vorüber
an einer einsam blühenden Wasserpflanze,
schön wie ein Strauß und dicht wie eine Insel.
Dort ankerte ein Nachen. Und drin saß ein Mann
in tiefem Sinnen. Und mich überfiel es,
wie groß er war, und hier ganz in der Heimat.
Die Sterne, die mir aus der Tiefe glänzten,
sie waren die Gedanken jenes Mannes,
er füllte hier Alles aus,
er sah mich immer an.
Doch fiel mir bei, daß auch ich da war
und machtvoll hinfuhr durch dies Reich,
daß er nur früher kam als ich
und es durchdrang und gänzlich in Besitz nahm –
eine Stunde früher als ich.

Und so erhob ich meine lange Stange
aus diesen Fluten, und ich winkte Jenem
halb fragend, halb gebieterisch, hinüber.
Und er stand herrlich hoch in schmalem Nachen.
Eine goldene Flöte in der Hand
wies sein ausgestreckter Arm
weit, weit ins Ferne. Dort im Äußersten
lag ein Gebirge; ein blau Gewölk
drüberher.

Dorthin wies er mich, selig glänzte sein Antlitz,
und ganz in Rührung lag sein Blick auf mir,
auf meiner Dunkelheit und meinem Feuer.
Als wär' ich seines Geistes
ersehnter Erbe, und Vollender.
Dort fern im Letzten lag ein Reich – mein Reich.

 

12

»Ob's möglich ist, hier einen Weg zu bahnen.«
Das ist das Wort, das ich mir oftmals sage
im Tiefen-Bewußtsein, währenddeß mein Geist
eindringt in eine Welt urgroßer Bilder.
Unbewegt lagern sie,
den Wanderer anschauend.
Hier hängt ein Vogel seine Flügel über mich,
daß ich wie in Höhlen stehe.
Aufblickend seh' ich wunderbare Sterne
den Federn eingefügt, ein Nacht-Gewölbe
strahlt über mir, und macht in Wonne staunen.
Dann saust das auf, dann wirbeln Blätter nieder
aus Wipfeln eines Welt-Baums.
Niederblickend seh' ich schillernden Strom
an mir vorübergleiten, der treibt die Blätter
über meinem Spiegelbild dahin.
Liegen muß ich, übers Wasser starren,
bis Etwas wie ein Greis mich weckt, eine Bergstange
mir in die Hände legt. Ich merk' es jetzt:
Ich bin im Eisgebirg. Das Mondlicht silbert
an scharfen Zinnen. Und ich stehe; schaue ...
Eine Sonne schau' ich. Glutrot
hängt sie über drei Weltmeeren.
In alle drei tropft ihre Glut hinunter
und sinkt durch Wogen sichtbar bis in Grund.
An jedem der drei Meere
sitzt ein Ufer-Greis mit einer Angel
in tiefem Sinnen.
Er fischt Gluttropfen aus den dunklen Wogen,
er legt sie auf die Hand, und läßt sie glühen,
und blickt aus traumalten Augen
in tiefe Himmel.

»Ob's möglich ist, hier einen Weg zu bahnen.«
Das ist das Wort, das tief im Haupte nistet
und mir oftmals den Fuß rührt und die Hände.
's ist das, was »Mensch« ist, und »das Leben« ist;
's ist das, was einzig einen Namen trägt.
Doch Alles Andre, das ist Namenloses;
und lagert; und blickt mich an.
Und dran zu denken, wie dies Wort
mir in das Haupt kam, und warum es kam –
auch das ist Namenloses;
und lagert; und blickt mich an.

 

13

Nur daß ich wachte.
Nur daß ich eine Fackel trug,
die zuckend rot den dunklen Gang beblutete,
den steinernen Gang, in dem wir wandelten.
O wie ich wachte!
O jeder Nerv und jeder Zoll ist wach.
Und während ich hieroben gespannt die Wand beschaue,
fühl' ich tiefinnen hinaus – zurück den dunklen Gang! –
und weiß auch: ich fühle – weiß selbst, daß ich weiß! –
Kristalle – Kristalle – leuchtende Kristalle! –
Die Seele erblindet am eignen Glanze! ...
Der ganze Gang ward von mir ausgewuchert,
ist ein Gewächshaus, drin meine Seele haust –
ist nichts als Ausdruck! Außenform,
die meine Seele launenvoll sich schuf! –
Doch damals ward zugleich ewiger Schmerz geboren:
ward der Gewalt ihr ewiges »Halt!« geboren:
Sie weiß es nicht, warum sie also formte,
warum nicht anders ...
Und wann ich jetzt die blutende Fackel ans Gewölb stieß,
wußte ich:
Das war in der Seele lange vorher schon gethan:
Von einer Urhand, die manchmal aus Urtiefen
die blutende Fackel ans Gewölb stößt ...
Und jetzt lausch' ich dem allerspätesten fernsten Echo...

Nur: Ich wachte.
Sie aber, düster Volk von Männern,
magre Weiber, greishafte Kinder
schritten schlafend, geschlossene Augen hinter mir,
graue Gesichter schmerzlos stumpf,
etwas seitlich neigten die schweren Häupter.
Nur wann ich manchmal die blutende Fackel ans Gewölb stieß,
glühende Kohlen brannten auf sie nieder,
auf Gesichter schmerzlos stumpf geneigt:
Es zuckte leise darunter –
                ach so leise ...
Eine Spannung –
                ach so leise ...
Ein Wissen, das kaum schon Atmen ist –
                ach so leise ...
Das allerfrüheste fernste Glänzen des Bewußt-Seins –
                ach so leise...

 

14

Ich that auf das dunkle Fenster.
Ein Licht brach herein über mein Antlitz; und verging.
Ich saß nieder und weinte,
über mein Antlitz quollen meine Tränen.

 

15

Ich komme an in einem großen Regen.
Es ruht die wilde Stadt in schwerem Schlaf;
am Thor der Wächter hält sein schlafkrank Antlitz mir entgegen,
sein silberglänzendes.
Nachtvögel schreien, und es schleichen Hunde;
Das Alles überbraust ein naher Wasserfall.

Ich lehne schwer an den schimmernden Mauerwall.
Ich halte in Händen den eisernen Kelch
des glühenden Eintritt-Trankes
der furchtbaren Orgien-Stadt.

*

Ich will Dich so sehr vergessen,
so sehr ich Dich einst liebte.
Du kannst daraus ermessen,
wie sehr ich Dich einst liebte.

 

16

Sie sitzen noch auf der Tribüne,
die wilden Geiger, glühenden Bläser;
das ganze Macht-Orchester.
Sie alle sind eiskalt zu Erz erstarrt;
metallne Glieder, bronzene Gesichter,
auf schwarzen Locken thront regunglos der Sturmhelm.
Und drunten tief im Saal auf tausend Stühlen,
in langen stillen Reihen,
drin manchmal ein Häufchen Asche niederfällt,
sitzen die Skelette der verzehrten Hörer.
Doch alle überragt der Meister der Kapelle.
Er flammt vor seinem Pult als rauschende Fackel
zu den Gewölben auf, und die Erz-Posaune
verkündet schmetternd seine Herrschaft.

Aber in dunklen Hintergründen einer Galerie
sitzt der Geist der Freiheit:
sitzt der Tondichter.
Den Fuß hält er gestemmt auf den Kopf des Tieres im Abgrund;
und das Tier ist das Chaos.

 

17

Ein Riese steht im Morgengrauen
nahe meinem Landhause
vor einem schwarzen Wäldchen.
Er hält eine feurig glühende Armbrust,
sein glühender Bolzen zielt auf die hölzerne Thür des Hauses.
Rundum ein tönend Heer von Stimmen,
und immer tönender die Stimme eines Greises,
die sagt: »– ich sei ein ewiger Gedanke.« –
Und ungeheuer, wirbelnd wird die Stimme,
und der glühende Armbrustschütze vor dem schwarzen Wäldchen
versinkt in ein tiefes Träumen,
er brütet, kauernd bei gesunkener Waffe,
sein schwermütig Auge, das große glühende,
haftet an der verschlossenen Thür des Hauses.

*

Ich höre das dämonische Weinen des Meeres
im Morgengrauen.
Zu meinen Häupten, zu meinen Füßen
weint Alles.
Und auch mein Fleisch hebt jetzt an zu weinen.
Doch entsteigt ihm der selig goldene Fels,
der tränenlose Ewige.

 

18

In deinem Gartenhaus im Thal des grünen Friedens,
wo Marmorgräber schriftbedeckt zerfallen,
manchmal plätschert ein Brunnen über Stufen,
liegst du auf einem Lager. Dort am Fenster
schwankt eine kranke Blume – kummervoll.
Zwei Männer stehn zuseiten deinem Lager.
Sie halten hochgeschwungene lange Hämmer.
Sie pochen an deine Stirne Tag und Nacht,
damit du deinen inneren Gedanken:
den grausigen Logos-Ton, nicht hörest.
Und draußen vor den grünkristallnen Scheiben
sinkt die Sonne kupfern unter.
Die Blume schwankt immer – Jene pochen
schlummerlos an dein gequält Gehirn.
Sie pochen – pochen. Jetzt schon vierzig Tage.
Aber einmal werden deine Sklaven müde,
ihre Arme fallen bleiern in der Nacht,
an einem Morgen in der steinernen Dämmerung
zertrümmern sie dein schmachgekröntes Haupt.
Und jetzt aus deinem Haupte kriecht hervor
eine Fliege, leibgeschwollen wie ein Sperling.
Sie hinkt auf einem Fuß übers Kissen.
Ein Flügel schleift lahm.
Ein Auge glast blind.

 

19

Es giebt den Palast; den Fernen.
In seinen Hallen wohnt der Donner;
und draußen stürzt der Regen in das Meer.

Es giebt einen Saal im Palast.
Den Unbetanzten; Tonlosen.
Drin haucht einsam frühe Größe;
Bewußtlose.

Es schwebt im Saal; es glänzt in Schleim;
es glänzt und herrscht dort eine Sonne.

Willst du dich nähern jener fernen Sonne,
so lieg' in eine Kammer des Palastes.
Dicker Staub auf den grauen Dielen,
du deckst ein Tuch über deine Augen,
es schreitet namenlose Zeit an dir vorüber
und redet tieferschüttert.

Von deinen Fingern ziehe die goldnen Ringe,
die Diamanten und Opale,
auf dein Haupt, auf deine Hände
häufe dicken Staub.

 

20

Wann das Leben dich tötet,
lausche meinem Gesang.
Ich komme auf dich zu aus einem dunklen Gang
und trage ein glänzend Herz in den Händen.
Du mußt dich nicht wegwenden:
Schaue mich an.

 

21

Du siehst in mir den Gramzerfurchten,
den der Mond bescheint.
Doch fühlst du's nicht, wie zauberhaft das thut,
wenn das Licht in meine Furchen weint.

Und stehst auch nicht den Kranz von Eisgebirgen,
mein Marmor-Haus in seiner Mitte,
die Purpurvorhänge der Fenster.
Wann der Tag sinkt,
wird waches Licht mein Geist;
der Finsternis enthoben
schreit' ich entlang der weiten Fensterreihe
meines Höhen-Hauses
im Mondglanz.

Dicht vor den kristallenen Scheiben
grünbläulich überflutet
steilt die Eisgebirg – Welt
rund um mich empor und blüht.
Hier mitten drinnen ist mein dunkel Haupt:
Eisgebirge sind sein Blütenkranz.

*

In erhobener Hand
halt' ich den Kelch
monddurchglänzter Flut.
Ich trinke ihn aus!

 

22

» – Denn nur Melancholie, dämonisch denkende,
kann dich befreien« –
So sprach zu mir der schwarze Geier,
der ernst und träumend saß auf meinem Lager
an einem Abend, da ich heimkehrend
auf der Mondlichtwiese
die schimmernde Decke meines Zeltes aufhob.

»Dämonisch denkende« – ich sprach es leise
dem Vogel nach, und ließ den Vorhang fallen.
Wohl lebte ich viele Jahre dem Gedanken.
Ich sah ihn oft in urweltlicher Schönheit
als glühenden Feuerball herschwebend zu meinem Haupte,
wann ich ins hohe Gras mich niederbückte,
wann ich die farbenwilden Blumen pflückte
vor meinem Zelte auf der Mondlichtwiese.
Ich war sein Dämon; doch er nicht der meine.
Ich habe ihn verführt, genossen, und zerstört.

 

23

Hier in der Hütte
fand ich Traum, fand ich Nacht-Feuer,
eine dampfende Zecherschale –

– Und draußen liegt ringsum ein endlos Schneeland,
von sieghaften Gestirnen überglitzert,
und schaut mit Augen, großen, durch die großen Scheiben
in die Hütte –

Das ist die Stunde.
Die tausendjahrelang erharrte Stunde.

 

24

Der du die Welt umwandelst jede Nacht.
O Feuer, ich sah dich rastend am Ufer eines großen Meeres sitzen,
auf schroffer Kreideklippe, hoch, da lag dein Haar
rot gebreitet hinter dir über dunklen Fichtenwäldern,
singend, und dein Gesang strömend die Klippen umglutend.
Vom Monde beglänzt dein urtraumtiefes Profetenantlitz.

Tief unten Ich: Auf dem Rücken der kühlen Schaukelwoge.
Träumend, beglänzt, und weit geöffnet: hinauf zu Dir.

 

25

Als ich erwachte, atmete das Meer
und blickte in den Mond. Bei mir im Boot
saß hoch ein Schatten. Einen silbernen Helm
auf dem Haupt.

– Ich griff nach ihm, ich griff
in leere Luft. Und meine Hand erschien
im Wasser nachgespiegelt, ganz in Silber.

Ich sprach: Du bist so kalt und klar,
es fließt dein Blut in Silberadern,
es schießt die Möwe frei durch deinen Leib,
du wohnst auf glattem Spiegel hier im Mondlicht.
Du willst und hoffest nicht. Du rührst dich nicht.

Er sprach: Du bist so grausig göttlich,
voll ringender Geburten, und ist dein Antlitz
zermalmt und ausgebrannt von Gier und Wahnsinn,
du wohnst in Abendlandschaft, überschüttet
von wüstem Traum-Gestein und großen Spinnen.
Du träumst und stürmst. Du lebst.

Und danach lehnte sich der Schatten zärtlich
an meine Brust. Ich fühlte kühl am Haupt
den Silberhelm.

 

26

In Booten liegend. Und die Boote schwankten
und stießen mit den Kielen aneinander.
Die Ruder schlappten im Nacht-Wasser.
Und unsre Häupter lagen auf dem Bord,
groß, wild, und einsam,
und Augen glänzten überm gurgelnden Wasser.
Und Manche schliefen nach so langer Meerfahrt,
nach soviel glanzgestirnten Nächten,
jetzt nahe einer unbekannten Küste.
Wir aber, wir, wir Tiefsten, Schlummerlosen,
wir blickten in der Richtung einer Stadt,
die prachtvoll nackt am Strande sich erhob
mit Türmen und Palästen, hellerleuchtet,
mit wandelndem Volk auf weiten Marmorplätzen.
Die mir gefolgt durch die Gedanken-Meere,
und ich, ihr träumender Dämon:
Wir schauten glühend und begehrlich lüstern
hinüber in das greifbar nahe Land der Menschen.

 

27

Wir Männer standen schwarzgekleidet in den Booten,
wir fischten auf den dunkeltiefen Teichen
am Fuß des feuerspeienden Vulkans.
Wir standen aufgerichtet, die Blicke
niedergewandt zum Wasserspiegel.
Unten sahen wir in unsre Netze
glühende Feuermassen fliegen;
oben fühlten wir um unsre Häupter
den heißen Atem des Vulkans.

Und wir, die wir gelebt jedwedes Leben,
und ausgeschlürft die Becher der Gedanken:
wir wußten uns jetzt nah dem heißen Schlünde
des großen Glückes.

 

28

Es wölbt sich über mir die dunkle Halle
des alten Hauses.
Es schwebt hochoben sanft verhüllt die Ampel;
eine Feuerkugel im Gewölk.
Ich bin die Musik der Welt. Und wenn Musik
einschlafen könnte – ja, dann schlief' ich ein.

*

Es kreisen um das Haus die Albatrosse.
Die weißen Schwingen schimmern durch die feuchte Nacht;
es fällt auf sie ein warmer Regen.
Und viele liegen auf dem Dach und ruhen.
Ich höre, höre ihre Atemzüge.
Ich höre das Meer, die Geliebte. Die Geliebte.

*

Es wölbt sich über mir die dunkle Halle
des alten Hauses.
Es donnert,
es saust;
es treibt das Welt-Szepter auf brausenden Wogen.
Und ein Riese steht hinterm Ozean
mit hochgehobener Brandfackel,
seine dunkle Steinhand faßt über Wogen
nach dem Szepter, dem Unfaßbaren. –
Ich hielt es einmal in meinen stillen Händen.
Zwischen zwei Marmorsäulen stehend
erkannt' ich die Vollendung der Zeit.
Doch war ich selig im Geist
und bedurfte der Macht nicht mehr
und gab das ewige Szepter seinem Element zurück.

Es wölbt sich über mir die dunkle Halle
des alten Hauses.
Seliger Geist bricht aus meinem Herzen
und überströmt die Welt mit Freiheit.

 

29

Weht der Wind nicht leise
über die Welt dahin?
Eine Wolkenweise.
Über mein Herz dahin.

 

30

Schlafend trägt man mich
in mein Heimatland.
Ferne komm' ich her,
über Gipfel, über Schlünde,
über ein dunkles Meer
in mein Heimatland.


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