Jean Baptiste Molière
Die Schule der Frauen
Jean Baptiste Molière

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Fünfter Akt

Erster Auftritt

Arnolph. Alain. Georgette

Arnolph. Unselige, was habt ihr angerichtet!

Alain. Pünktlich ist Ihr Befehl vollzogen worden.

Arnolph. Vergeb'ne Ausflucht, die ihr euch erdichtet!
Ihn schlagen hieß ich euch, nicht ihn ermorden.
Und nicht auf seinen Kopf, nur auf den Rücken,
Sagt' ich, wie ich beschwören kann.
O welche jammervollen Schicksalstücken!
Was fang' ich mit dem toten Menschen an?
Nur fort, und niemand dürft ihr's eingestehn,
Daß ich gutmeinend euch dies aufgetragen.
      (Allein)
Der Tag bricht an. Ich muß zu Rate gehn,
Was mir in diesem Jammer übrig bleibt.
Was wird aus mir? Was wird sein Vater sagen,
Wenn plötzlich ihm bekannt wird, was geschah?

Zweiter Auftritt

Arnolph. Horace

Horace (für sich). Wer mag es sein, der dort herum sich treibt?

Arnolph (ohne ihn zu bemerken).
Wie hätt' ich ahnen sollen ...
      (Horace stößt auf ihn)
    Wer ist da?

Horace. Sie sind's, Herr Arnolph?

Arnolph.     Ja; doch Sie ...?

Horace.         Noch immer
Horace. Ich komme, weil ein Wunsch mich drückt.
Sie standen zeitig auf!

Arnolph.     Bin ich verrückt?
Ist das ein Blendwerk? Ist's ein Augenflimmer?

Horace. Fürwahr, ich spielt' ein sehr gewagtes Spiel
Und muß des Himmels Gnade segnen,
Der grade jetzt mich Ihnen läßt begegnen.
So hören Sie nur gleich: Ich bin am Ziel,
Weit mehr, als jemals ich gewagt zu hoffen,
Und was mir schaden sollte, nützte nur.
Man kam – mir unbegreiflich – auf die Spur
Der Übereinkunft, die wir still getroffen;
Denn während ich schon dicht am Fenster bin,
Erblick' ich zwei verdächtige Gestalten,
Zum Schlag bereit; ich weiß mich nicht zu halten
Und stürze rücklings auf das Pflaster hin.
Auf Kosten ein'ger blauen Flecken
Bewahrte mich der Fall vor zwanzig Hieben;
Die Zwei – der Alte war gewiß darunter – schrieben
Jedoch den Sturz auf Rechnung ihrer Stecken,
Und weil für ein'ge Zeit des Schmerzes Macht
Mir völlig raubte die Bewegung,
So glaubten sie voll schrecklicher Erregung,
Ich sei von ihnen umgebracht.
Ihr Flüstern hört' ich in der nächt'gen Stille:
Sie hielten gegenseitig Strafgericht,
Ihr Los verwünschend, kamen ohne Licht
Und forschten, ob in mir noch Leben quille.
Natürlich half die Nacht mir, meisterhaft
Den Mausetoten darzustellen.
Entsetzt verließen mich die Spießgesellen,
Und als ich selber mich nun aufgerafft,
Kam Agnes hergestürzt, von wildem Jammer
Erfaßt durch mein vermeintliches Verscheiden;
Denn das Geflüster jener beiden
War durchgedrungen bis zu ihrer Kammer,
Und minder streng bewacht in all dem Trubel,
Gelang's ihr leicht, von Hause zu entfliehn;
Doch als sie mich lebendig fand, den Jubel,
In den sie ausbrach, wie beschreib' ich ihn?
Kurzum, entschlossen ist das holde Kind,
Nur ihres Herzens Stimme nachzuleben,
Will überhaupt nicht wieder heim und blind
Ihr ganz Geschick in meine Hände geben.
Nun denken Sie, zu welches Abgrunds Rand
Des blöden Tropfs Verblendung sie getrieben,
Und was hier alles auf dem Spiele stand,
Würd' ich sie minder redlich lieben.
Doch weil mein Herz in echtem Feuer loht,
Drum, eh' ich sie betrüge, möcht' ich sterben:
Ein beßres Los verdient sie zu erwerben,
Und von ihr trennen soll mich nur der Tod.
Zwar weiß ich, daß mein Vater zürnen wird;
Doch mit der Zeit wird dieser Groll sich legen.
So folg' ich meinem Herzen unbeirrt
Und seh' der Zukunft ohne Furcht entgegen.
Sie aber bitt' ich, daß ich ganz im stillen
In Ihre Hut die Teure geben könne,
Und daß Ihr Haus um meiner Liebe willen
Nur ein'ge Tage lang ihr Zuflucht gönne.
Denn nicht nur gilt's, nachdem sie dort entrann,
Sie vor Verfolgern zu verstecken:
Ein schönes Kind mit einem jungen Mann,
Das müßte häßlichen Verdacht erwecken,
Und wie nur Ihrer Klugheit und Erfahrung
Ich das Geheimnis meines Glücks gestand,
So nur in meines edlen Freundes Hand
Möcht' ich dies Kleinod legen zur Verwahrung.

Arnolph. Da sind Sie ganz gewiß nicht fehlgegangen.

Horace. Erfüllen Sie mein sehnliches Verlangen?

Arnolph. Mit Freuden, und den Himmel muß ich preisen,
Durch dessen Gnade mir mein guter Stern
Erlaubt, mich Ihnen hilfreich zu erweisen:
Denn nichts im Leben tat ich je so gern.

Horace. Wie soll ich für so große Güte danken!
Ich fürchtete, Sie würden zaudern, schwanken;
Doch Ihre reife Welterfahrung mag
Mit Jugendfeuer gerne Nachsicht üben.
Mein Diener wartet schon mit ihr da drüben ...

Arnolph. Wie aber machen wir's? Schon wird es Tag.
Geschieht es hier, so könnte man uns sehn;
Empfang' ich sie jedoch im Hause droben,
Schwatzt das Gesind. Wir würden sichrer gehn,
Begrüßt' ich sie an einem dunklern Ort.
Mein Hausflur ist dazu geeignet; dort
Erwart' ich sie.

Horace.     Die Vorsicht ist zu loben.
Ich führe sie zu Ihnen kerzengrade
Und schleiche dann sofort zu mir nach Haus. (Ab)

Arnolph (allein). Dank dir, Fortuna! Diese neuste Gnade
Söhnt mich mit allen deinen Tücken aus.
      (Er verbirgt sein Gesicht)

Dritter Auftritt

Arnolph. Horace. Agnes

Horace (zu Agnes). Nur unbesorgt, wohin ich jetzt Sie führe!
Es ist die beste Zuflucht, die sich bot.
Sie mit mir nehmen, brächt' uns beiden Not;
Drum treten Sie getrost in diese Türe.

      (Arnolph ergreift ihre Hand, ohne von ihr erkannt zu werden)

Agnes (zu Horace). Sie gehn?

Horace.     Mein Lieb, es ist am besten so.

Agnes. Dann bitt' ich Sie, recht bald zurückzukehren.

Horace. Mich selber wird die Sehnsucht ja verzehren.

Agnes. Wenn Sie nicht da sind, werd' ich nimmer froh.

Horace. Getrennt von Ihnen fehlt mir Luft und Licht.

Agnes. Ach, wär' es wahr, Sie gingen nicht.

Horace. Noch zweifeln können Sie an meiner Liebe!

Agnes. Sie ist nicht halb so groß wie meine.
      (Arnolph zieht sie fort)
Wer zerrt mich so?

Horace.     Nur weil im Tagesscheine
Unser Geheimnis nicht verborgen bliebe,
Und nur um unsre Sicherheit in Sorgen,
Drängt dieser wackre Freund; er meint es gut.

Agnes. So muß ich einem Fremden folgen ...

Horace.     Mut!
In seinen Händen sind Sie wohl geborgen.

Agnes. In Ihren wär' mir ruhiger zu Sinn,
Und ... (Zu Arnolph, der sie wieder fortziehen will)
    Warten Sie!

Horace.         Tag wird es. Ich muß fort.

Agnes. Wann kommen Sie zurück?

Horace.     Bald, auf mein Wort!

Agnes. Langweile werd' ich dulden bis dahin!

Horace (im Abgehen). Gottlob, nun ist in Sicherheit mein Schatz:
Ich kann in aller Ruh' mich schlafen legen.

Vierter Auftritt

Arnolph. Agnes

Arnolph (in den Mantel gehüllt und mit verstellter Stimme).
Beliebt es, Fräulein, hier ist nicht Ihr Platz;
Ein andres Haus bestimmt' ich, Sie zu hegen.
Sie werden trefflich aufgehoben sein. – –
Erkennst du mich?

Agnes.     Ach je!

Arnolph.         Ha, meine Mienen,
Spitzbübin, flößen dir Entsetzen ein,
Und sehr zur Unzeit bin ich dir erschienen:
Denn Störung bring' ich deinem Liebestraum.
      (Agnes versucht Horace nachzuspähen)
Willst du dem Liebsten winken mit den Augen?
Er ist bereits zu fern und hilft dir kaum.
O, noch so jung sein und so wenig taugen!
Sie spielt mir ein vollkommnes Gänschen vor,
Fragt, ob die Kinder kämen durch das Ohr,
Und gibt um Mitternacht sich Stelldichein,
Damit sie heimlich rauben soll ihr Buhle! –
Ei meiner Treu, das nenn' ich zärtlich sein!
Man merkt, du warst in keiner schlechten Schule!
Wo Kuckuck hast du das so schnell erwischt?
Ist dir nun nicht mehr vor Gespenstern bange?
Hat er des Nachts den Mut dir aufgefrischt?
Kam's schon so weit mit dir, du Schlange?
War all mein Wohltun dir kein Hindernis,
Du Natter, die ich mir am Busen hegte,
Die, kaum belebt, mit undankbarem Biß
Den Mann verwundet, der sie pflegte!

Agnes. Was schmähn Sie mich?

Arnolph.     Hab' ich vielleicht nicht Recht?

Agnes. Was war in meinem Tun so tadelnswert?

Arnolph. Durchgehn mit einem Mann – ist das nicht schlecht?

Agnes. Es ist ein Mann, der mich zur Frau begehrt.
Beherzigt hab' ich Ihre trift'gen Gründe;
Sie sagten: Nur die Ehe tilgt die Sünde.

Arnolph. Ja; doch ich selbst begehrte dich zur Ehe
Und hab' es klar genug dich merken lassen.

Agnes. Ja; doch damit ich's offen eingestehe,
Er schien dazu viel besser mir zu passen.
Sie schilderten die Ehe grau in grau,
Mit schrecklichen und hoffnungslosen Zügen;
Doch ach, bei ihm ist sie so voll Vergnügen,
Daß man sich wünscht, man wäre seine Frau.

Arnolph. Weil du ihn liebst, du Ehrvergeßne!

Agnes.     Ja,
Ich lieb' ihn.

Arnolph.     Und das wagst du mir zu zeigen?

Agnes. Warum, wenn's Wahrheit ist, soll ich's verschweigen?

Arnolph. Schamlose, durftest du?

Agnes.     Ach, wie's geschah,
Das weiß ich nicht. Es ist nur sein Verschulden:
Ich habe nichts dabei gedacht.

Arnolph. Du durftest diese Liebelei nicht dulden!

Agnes. Wie das nicht dulden, was so glücklich macht?

Arnolph. Doch wußtest du, es würde mich verletzen!

Agnes. Ich? Wirklich nicht. Ist's Ihnen ärgerlich?

Arnolph. Ich soll es mir wohl noch zur Ehre schätzen?
Mich also liebst du gar nicht?

Agnes.     Sie?

Arnolph.     Ja, mich.

Agnes. Ach nein.

Arnolph.     Was, nein!

Agnes.     Soll ich Sie denn belügen?

Arnolph. So, Fräulein Vorwitz? Fällt es gar so schwer,
Mich lieben?

Agnes.     Ach, weshalb grad mich drum rügen?
Warum verstehn Sie's nicht so gut wie er,
Mir zu gefallen? Hab' ich Sie gehindert?

Arnolph. Mein Eifer, dies zu tun, war nie vermindert,
Und doch hat alle Mühe nichts erreicht.

Agnes. Dann ist er wohl geschickter drin gewesen;
Ihm war mir lieb zu werden leicht.

Arnolph (für sich). Wo hat der Balg das Mundwerk aufgelesen!
Blitz! Ob das wohl ein Blaustrumpf besser kann?
Ich hab' sie schwer verkannt; sonst müßt' ich sagen:
Die Dümmste schlägt hierin den klügsten Mann.
      (Zu Agnes)
Sprich, da du so beschönigst dein Betragen,
Mein süßer Anwalt: Hab' ich deshalb nicht gegeizt
Und dich so lang ernährt auf meine Kosten?

Agnes. Gern wird er Ihnen diesen ganzen Posten
Zurückerstatten.

Arnolph (leise für sich).     O, wie sie mich reizt!
      (Laut)
Mißratne, wird mit Geld denn überhaupt
Der Dank, den du mir schuldest, aufgewogen?

Agnes. Die Dankesschuld ist kleiner, als man glaubt.

Arnolph. Wie? Hab' ich nicht mit Sorgfalt dich erzogen?

Agnes. Ja, die Erziehung brachte mir Gewinn:
Sie ließen mich vortrefflich unterrichten;
O nein, ich täusche mich mit nichten
Und weiß, was für ein dummes Ding ich bin.
Kein Kind mehr bin ich, und ich mag nicht länger
Für albern gelten; mich erfüllt's mit Scham!

Arnolph. Wie schnell die Wißbegier dich überkam,
Etwas zu lernen von dem Müßiggänger.

Agnes. Ich weiß von ihm, was mir an Wissen fehlt,
Und schuld' ihm so weit größern Dank als Ihnen.

Arnolph. Mit Mühe kann ich meine Hand noch zügeln,
Für diese frechen Reden dir zu dienen.
Wenn mich dein kalter Spott erbost und quält,
Wär's eine Wohltat mir, dich durchzuprügeln.

Agnes. Ach, tun Sie's doch, wenn's Ihnen Freude macht.

Arnolph (für sich).
Ihr Blick und Ton schlägt meine Waffen nieder;
Die alte Zärtlichkeit empfind' ich wieder,
Die mich vergessen lehrt, was sie vollbracht.
Ach, Lieb' ist unergründlich, und wie schwächlich
Stehn doch wir Männer da vor diesen Katzen!
Wir wissen, dass sie falsch sind und gebrechlich,
Fortwährend Launen haben oder schwatzen;
Ihr Herz ist schwach, ihr Geist von Gift geschwollen,
Ihr Wille matt, ihr Denken zu bequem,
Ihr Handeln treulos, und trotz alledem
Tun wir am Ende, was die Luder wollen.
      (Zu Agnes)
Nun, mag denn Friede sein. Aus eignem Trieb
Verzeih' ich dir, du kleines Ungeheuer;
Ersieh daraus, wie stark mein Liebesfeuer,
Und zur Vergeltung hab auch du mich lieb.

Agnes. Ich will ja gern mir alle Mühe geben;
Wie aber, wenn ich doch nicht kann?

Arnolph. Du kannst es, wenn du willst, mein süßes Leben.
Hör' diesen tiefen Liebesseufzer an!
Schau diesen Blick voll schmachtender Begier,
Schau meinen Wuchs und laß den dummen Jungen;
Mit Zauberkünsten hat er dich bezwungen,
Und zehnmal glücklicher wirst du mit mir.
Begehrst du Schmuck und Kleider wie Prinzessen,
Du sollst sie haben, auf mein Wort;
Ich schwöre, dich zu hätscheln immerfort,
Mit dir zu schnäbeln, ja, dich aufzuessen,
Und leben sollst du ganz, wie dir's gefällt.
Mehr sag' ich nicht; denn alles liegt darin.
      (Leise für sich)
Wie maßlos reißt die Leidenschaft mich hin!
      (Laut)
Kurz, größre Lieb' ist nirgends in der Welt.
Wie soll ich dir's beweisen, Undankbare?
Sprich, soll ich weinen? Soll ich selbst mich schlagen,
Ausraufen mir die Hälfte meiner Haare,
Mich töten? Ja, du brauchst es nur zu sagen.
Zu jeder Probe bin ich gern erbötig,
Grausames Weib.

Agnes.     All dies geht mir nicht nah:
Horace hat nicht so viele Worte nötig.

Arnolph. Zu viel! Ein solcher Trotz war noch nicht da!
Nun, blöde Gans, sollst du mich kennen lernen:
Du wirst noch heut dich aus der Stadt entfernen
Und daß du mich so weit getrieben hast,
Bereu'n, wenn Klostermauern dich umfangen.

Fünfter Auftritt

Vorige. Alain

Alain. Herr, das begreif', wer kann! Es scheint mir fast,
Agnes ist mit dem Toten durchgegangen.

Arnolph. Hier steht sie. Sperr sie in mein Zimmer ein!
      (Für sich)
Dort wird er sie nicht suchen. Schlimmsten Falles
Wird's nur für eine halbe Stunde sein.
Um sichrer sie zu wahren, richt' ich alles
Und werde selbst nach einem Wagen eilen.
      (Zu Alain)
Verschließ sie sorgsam und bewach sie gut.
      (Allein)
Vielleicht kann doch noch ihre Liebeswut
Durch eine Luftverändrung heilen.

Sechster Auftritt

Arnolph. Horace

Horace. Herr Arnolph, ach, Sie sehn mich kummervoll.
Der Himmel hat zum Unglück mich erlesen
Und will in ungerechtem Groll
Mich trennen von dem heißgeliebten Wesen.
Mein Vater hat zum Ritt die kühle Nacht
Benutzt und ist hier neben abgestiegen:
Der Grund jedoch, der ihn hierher gebracht,
Der, wie gesagt, bisher mir ward verschwiegen,
Ist eine Heirat: hinter meinem Rücken
Ward sie verfügt und soll mich heut beglücken.
Versetzen Sie sich nun in meine Lage:
Was könnte Schlimmres mir beschieden sein?
Und jener Herr Enrique allein,
Nach dem ich gestern frug, ist schuld an diesem Schlage.
Er kam mit meinem Vater, und ich bin
Bestimmt zu seiner einz'gen Tochter Gatten,
Ich, der schon das Bewußtsein fast verlor
Beim ersten Wort! Mein Vater hat im Sinn,
Gleich den Besuch bei Ihnen abzustatten,
Und angstgetrieben kam ich ihm zuvor.
Verraten Sie um alles in der Welt
Von meiner Liebe nichts – ich wär' vernichtet –
Und reden Sie, weil er was auf Sie hält,
Ihm zu, daß er auf jenen Plan verzichtet.

Arnolph. Und ob!

Horace.     Empfehlen Sie als sein Berater
Ihm Aufschub. Edler Freund, stehn Sie mir bei!

Arnolph. Mit aller Kraft.

Horace.     Dann atm' ich wieder frei.

Arnolph. So recht.

Horace.     Sie sind mein zweiter Vater.
Ich sei noch viel zu jung ... O weh, sie kommen!
Noch andre Gründe sind vielleicht im stand ...

      (Sie ziehen sich in den Hintergrund zurück und sprechen leise zusammen weiter)

Siebenter Auftritt

Vorige. [Enrique.] Oront. Chrysald

Enrique (zu Chrysald). Ich hätte Sie beim ersten Blick erkannt,
Hätt' ich auch nichts vorher vernommen;
Denn Ihrer Mienen Ausdruck gleicht genau
Dem Ihrer teuren Schwester, meiner Frau.
Nur leider kehrt sie nicht mit mir zurück,
Die treue Gattin, und versagt geblieben
Ist ihr nach langer Not das holde Glück,
Sich neu vereint zu sehn mit ihren Lieben.
Doch weil sie uns für alle Zeit entschwand,
Muß ich versuchen, mich zu fassen,
Und will mich freuen an dem Liebespfand,
Dem einzigen, das sie mir hinterlassen:
Das Kind steht Ihnen nah; nur im Vereine
Mit Ihnen darf ich über sie verfügen.
Ob mir der Sohn Oronts auch würdig scheine,
Erst muß er Ihnen so wie mir genügen.

Chrysald. Wer glaubt, daß diese Wahl mir nicht behagt,
Der muß nicht viel von meinem Urteil halten.

Arnolph (beiseite zu Horace).
Jawohl, ich bring' ihn schon herum, den Alten.

Horace (beiseite zu Arnolph).
Noch einmal bitt' ich Sie ...

Arnolph (zu Horace).     Nur unverzagt!
      (Er verläßt Horace, geht auf Oront zu und umarmt ihn)

Oront (zu Arnolph). Mit wahrer Freude drück' ich Ihre Hand.

Arnolph. Mit großer Herzlichkeit sag' ich: Willkommen!

Oront Ich kam hierher ...

Arnolph.     Mir ist bereits bekannt.
Zu welchem Zweck.

Oront.     Sie haben's schon vernommen?

Arnolph. Ja.

Oront.         Desto besser.

Arnolph.             Zwar der Trotzkopf tat,
Als wollten Sie zum Schrecklichsten ihn zwingen,
Und trug mir auf, Sie davon abzubringen;
Doch weiß ich Ihnen keinen bessern Rat,
Als daß Sie mit der Heirat nicht mehr säumen
Und streng Ihr väterliches Ansehn wahren:
Man muß die Jugend hindern aufzubäumen;
Denn unsre Nachsicht bringt ihr nur Gefahren.

Horace (für sich). O der Verräter!

Chrysald. Widersetzt er sich,
Dann, mein' ich, kann Gewalt hier wenig nützen.
[Mein Schwager denkt darin gewiß wie ich.]

Arnolph. Was! Ist dem Sohn der Vater untertan?
Soll dieser durch Gefügigkeit den Wahn
Der widerspenst'gen Jugend unterstützen?
Das wäre schön, ließ' er von dem sich lenken,
Den er zu lenken hat nach Recht und Brauch!
Ich muß als Freund des Freundes Ruf bedenken:
Er gab einmal sein Wort, drum halt er's auch
Und folge seinem Vorsatz unbeirrt,
Nicht achtend auf des Sohnes Herzensgrillen.

Oront. Sehr wahr. Ich bürge, daß er meinem Willen
In diesem Fall nicht widerstreben wird.

Chrysald (zu Arnolph). Ich ahne nicht, was Ihren Eifer schürt;
Vergebens such' ich nach dem Grunde,
Weshalb Sie grad zu diesem Ehebunde ...

Arnolph. Ich red' und handle, wie es sich gebührt.

Oront. Jawohl, Herr Arnolph ...

Chrysald.     Nicht nach seinem Sinn
Ist dieser Name mehr! der einzig echte
Heißt von Lasouche.

Arnolph.     Gleichviel!

Horace (für sich).         Ihr Himmelsmächte!

Arnolph (sich zu Horace umwendend).
Geht Ihnen nun ein Licht auf, wer ich bin?

Horace (für sich). Das hab' ich gut gemacht ...

Achter Auftritt

Vorige. Alain. Georgette

Georgette.     Herr, kommen Sie nach Haus!
Mit Fräulein Agnes ist kein Haltens mehr;
Fortwährend will sie fliehn und ist ganz wütig;
Sie stürzt wohl gar zum Fenster sich hinaus.

Arnolph. Bringt sie geschwind! Ich will sogleich mit ihr
Verreisen. – (Zu Horace) Nehmen Sie's nicht allzuschwer:
Zu viel des Glücks macht leicht uns übermütig;
Das Sprichwort sagt: Heut mir und morgen dir.

Horace (für sich). O Gott, wie trag' ich solcher Schmerzen Last,
Und welcher Jammer gleicht dem meinen!

Arnolph (zu Oront). Der Hochzeitstag wird, hoff' ich, bald erscheinen;
Ich lade selber mich zu Gast.

Oront. Ganz meine Absicht.

Neunter Auftritt

Vorige. Agnes. Alain. Georgette

Arnolph (zu Agnes).     Komm, du holde Nixe,
die nicht zu halten ist, die sich empört.
Hier dein Verehrer. Ein paar hübsche Knickse
Mach ihm zum Abschied, wie es sich gehört.
      (Zu Horace)
Empfehle mich. Ist Ihnen nun der Spaß
Versalzen? Träume täuschen oft, mein Lieber.

Agnes. Daß man mich fortschleppt, dulden Sie's, Horace?

Horace. Vor meinem Aug' ist Nacht; ich bin im Fieber.

Arnolph. Fort, Schwätzerin!

Agnes.     Nein, nein, ich bleibe hier.

Oront. Darf man nach dieses Rätsels Lösung fragen?
Wir schau'n uns an und können's nicht erfassen.

Arnolph. Ein andermal werd' ich es Ihnen sagen.
Jetzt guten Morgen!

Oront.     Doch wohin mit ihr?
So dürfen Sie uns nicht verlassen.

Arnolph. Ich rate, daß man mit der Heirat eilt
Trotz seiner Weigrung.

Oront.     Ja, doch wir vermissen
Die Braut. Ist Ihnen, der Sie alles wissen,
Nicht kund, daß sie bis jetzt bei Ihnen weilt,
Daß jenes Kind dem Liebesbund entsprossen,
Den heimlich Herr Enrique dereinst geschlossen?

Chrysald. Mit meiner Schwester.

Arnolph.     Was?!

Chrysald.         Geheim vermählt.
Hat sie des Töchterleins Geburt verhehlt.

Oront. Entdeckung fürchtend, zog man auf dem Land
Es unter einem fremden Namen auf.

Chrysald. Ein schweres Mißgeschick hat bald darauf
Den Vater aus der Heimat weit verbannt.

Oront. Und in der Fremde hat er lange Zeit
Gekämpft mit Stürmen und mit Wogen.

Chrysald. Bis ihm sein Fleiß ersetzte, was ihm Neid
Und Hinterlist daheim entzogen.

Oront. Doch glücklich heimgekehrt, sucht' er geschwind
Das Weib, dem er vertraut das teure Leben ...

Chrysald. Und sie gestand ihm frei, daß sie das Kind,
Vierjährig kaum, in Ihre Hand gegeben.

Oront. Nun? Wollen Sie uns ein erklärend Wort ...

Horace. Sie werden volle Klarheit bald gewinnen,
Mein Vater. Freundlich spann der Zufall fort,
Was Ihre Weisheit strebte zu beginnen.
Durch Lieb' und Gegenliebe neu beseelt
Schwor ich, ihr nimmer zu entsagen,
Ja, ihr, dem Mädchen, das Sie mir gewählt,
Das ich zu Ihrem Ärger ausgeschlagen.

Chrysald (zu Arnolph, der keines Wortes mächtig ist).
Statt sich zu grämen, sei'n Sie doch erfreut!
Das Schicksal meint's mit Ihnen gnädig:
Wenn man sich so vorm Hörnertragen scheut,
Dann gibt's nur einen Rat: man bleibe ledig!

 


 


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