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Ich will des Atreus Söhne,
      Ich will den Kadmos singen:
      Doch meiner Laute Saiten,
      Sie tönen nur von Liebe.
      Jüngst nahm ich andre Saiten,
      Ich wechselte die Leier,
      Herakles' hohe Taten
      Zu singen: doch die Laute,
      Sie tönte nur von Liebe.
      Lebt wohl denn, ihr Heroen!
      Weil meiner Laute Saiten
      Von Liebe nur ertönen.
Du singest Thebens Kriege,
      Und jener Trojas Schlachten,
      Ich meine Niederlagen.
      Kein Reiterheer, kein Fußvolk
      Schlägt mich und keine Flotte.
      Ein andres Heer bekriegt mich –
      Aus jenem Augenpaare.
Als Fels auf Phrygiens Bergen
      Stand ehdem Tantals Tochter;
      Und einst als Schwalbe durfte
      Pandions Tochter fliegen.
O wär' ich doch dein Spiegel,
      Daß du mich stets beschautest!
      Könnt' ich zum Kleide werden,
      Daß du mich immer trügest! 
Zum Wasser wenn ich würde,
      Um deinen Leib zu baden!
      Zum Balsam, o Geliebte,
      Daß ich dich salben dürfte!
Zur Binde deines Busens,
      Zur Perle deines Halses,
      Zur Sohle möcht' ich werden,
      Damit du mich nur trätest!
Reichet, reicht mir Wein, o Mädchen,
      Vollauf, atemlos zu trinken!
      Ein verratner Mann! Wie kocht es
      Mir im Busen – ich ersticke!
Kränze von Lyäos' Blumen
      Gebt mir, um die Stirn zu winden!
      Meine Schläfen glühn und toben.
      – Aber Eros' wilde Gluten,
      Herz, wie mag ich diese dämpfen?
Hier im Schatten, o Bathyllos,
      Setze dich! Der schöne Baum läßt
      Ringsum seine zarten Haare
      Bis zum jüngsten Zweige beben.
Neben ihm mit sanftem Murmeln
      Rinnt der Quell und lockt so lieblich.
      Wer kann solches Ruheplätzchen
      Sehen und vorübergehen?
Verstehst du alle Blätter
      Der Bäume anzugeben,
      Hast du gelernt, die Wellen
      Der weiten See zu zählen, 
      Sollst du allein die Summe
      Berechnen meiner Mädchen.
Erst von Athen nimm zwanzig
      Und dann noch fünfzehn andre,
      Dann eine lange Reihe
      Von Liebchen aus Korinthos;
      Denn in Achaia liegt es,
      Dem Lande schöner Weiber.
      Aus Jonien und Lesbos,
      Aus Karien und Rhodos
      Nimm an: zweitausend Mädchen.
      Was sagst du, Freund? Du staunest?
      Noch hab' ich zu gedenken
      Der Schätzchen aus Kanobos,
      Aus Syrien und Kreta,
      Dem segensreichen Kreta,
      Wo Eros in den Städten
      Der Liebe Feste feiert.
      Wie könnt' ich, was von Gades
      Und weiterher von Baktra
      Und Indien mich beglücket,
      Dir alles hererzählen?
Du kommst, geliebte Schwalbe,
      Wohl alle Jahre wieder
      Und baust dein Nest im Sommer;
      Allein vor Winter fliehst du
      Zum Nil hin und nach Memphis.
      Doch Eros bauet immer
      Sein Nest in meinem Herzen.
      Hier ist ein Eros flügge,
      Dort in dem Ei noch einer
      Und halb heraus ein andrer.
      Mit offnem Munde schreiet
      Die Brut nun unaufhörlich;
      Da ätzen denn die ältern
      Eroten ihre Jungen. 
      Kaum sind sie aufgefüttert,
      So hecken sie auch wieder.
      Wie ist da Rat zu schaffen?
      Ich kann mich ja so vieler
      Eroten nicht erwehren!
Leidig ist es, nicht zu lieben;
      Leidig auch fürwahr, zu lieben;
      Aber leidiger als beides:
      Lieben sonder Gegenliebe.
Nicht auf Adel sieht die Liebe;
      Weisheit, Tugend stehn verachtet;
      Gold allein wird angesehen.
      O, daß den Verdammnis treffe,
      Der zuerst das Gold geliebet!
      Gold – daneben gilt kein Bruder
      Mehr, nicht Mutter mehr noch Vater;
      Mord und Krieg ist seinetwegen,
      Und wir Liebenden – das Ärgste!
      Müssen seinethalb verderben.
Auf der Myrte junge Sprossen
      Und auf weiche Lotosblätter
      Hingelagert, will ich trinken.
      Eros möge auf der Schulter
      Sich das Kleid mit Byblos knüpfen,
      Und so reich' er mir den Becher.
Denn das Leben flieht von hinnen,
      Wie das Rad am Wagen hinrollt;
      Und ist dies Gebein zerfallen,
      Ruhn wir als ein wenig Asche.
      Drum, was soll's, den Grabstein salben?
      Was, umsonst die Erde tränken? 
Mich vielmehr, weil ich noch lebe,
      Salbe! Schling' um meine Stirne
      Rosen, rufe mir ein Mädchen!
      Ich, bevor ich hin muß wandern,
      Hin zum Reihentanz der Toten,
      Will die Sorgen mir verscheuchen.
Mit Gyges' Schätzen geht mir,
      Mit Sardes' Königsthrone!
      Nach Golde nicht verlang ich,
      Noch neid' ich Fürstengröße.
Nach Myrrhenöl verlang ich,
      Mir meinen Bart zu salben;
      Nach Rosen nur verlang ich,
      Zu kränzen mir die Stirne.
Ich denke nur auf heute;
      Was morgen ist, wer weiß es!
Darum bei guten Tagen
      Die Würfel nimm und trinke
      Und opfere Lyäen!
      Denn sucht einmal die Krankheit
      Dich heim, da möcht' es heißen:
      Den Becher von dem Munde!
Wenn unser sterblich Leben
      Mit dargewognem Golde
      Der Reichtum könnte fristen,
      Ich wollt' ihn fleißig hüten,
      Daß, wenn der Tod nun käme,
      Er nähme was und ginge.
      Doch weil ja nie kann kaufen
      Ein Sterblicher das Leben,
      Was mag das Gold mir frommen.
      Denn ist mein Los, zu sterben, 
      Wozu deshalb mich quälen?
      – Darum so will ich trinken,
      Des süßen Weines trinken,
      Bei trauten Freunden weilend.
Weil ich sterblich bin geboren,
      Auf des Lebens Pfad zu wandeln,
      Weiß ich wohl, wie lang bis heute, –
      Nicht, wie lang ich fürder walle.
      Drum, ihr Sorgen, lasset mich!
      Nichts mit euch hab ich zu schaffen.
      Eh das Ziel mich überraschet,
      Will ich scherzen, lachen, tanzen
      Mit dem schönen Gott Lyäos.
Trink ich den Saft der Traube,
      Dann schlummern meine Sorgen:
      Was soll mir all die Müh und Pein
      Und Klagen und Gestöhne?
      Ob gern, ob ungern, fort muß ich:
      Was täuscht' ich mich ums Leben?
      Nein! lasset Wein uns trinken,
      Des schönen Bakchos Gabe!
      Denn trinken wir der Traube Saft,
      Dann schlummern unsre Sorgen!
Wann Bakchos erst mich heimsucht,
      Dann schlummern meine Sorgen,
      Reich bin ich dann wie Krösus
      Und singe süße Weisen.
Bekränzt mit Efeu lieg ich,
      Im Übermute tret ich
      Verachtend alles nieder.
      – Schenk ein! Es gilt zu trinken!
*
 Reich mir den Becher, Knabe!
      Viel besser ist es, trunken,
      Als tot am Boden liegen.
Wann Bakchos erst, des Zeus Sohn,
      Lyäos der Befreier,
      Des edlen Weines Geber,
      Einzog in meine Seele,
      Gleich lehret er mich tanzen.
Noch andre Freude lachet
      Dem taumelfrohen Zecher:
      Mit Spiel und mit Gesängen
      Ergötzt mich Aphrodite;
      Und wieder muß ich tanzen!
Trink ich ihn, den Saft der Reben,
      Gleich erwarmet meine Seele
      Und beginnt in hellen Tönen
      Einen Preisgesang der Musen.
Trink ich ihn, den Saft der Reben,
      Alsbald streu ich meinen Kummer,
      All mein Zweifeln, all mein Sorgen
      In den Braus der Meereswinde.
Trink ich ihn, den Saft der Reben,
      Läßt mich Bakchos, der des Schmerzes
      Bande löset, Blumen atmend,
      Süßberauscht im Tanze schwanken.
Trink ich ihn, den Saft der Reben,
      Wind ich Blumen mir zu Kränzen,
      Schmücke meine Stirne, singe
      Von des Lebens stillem Glücke.
Trink ich ihn, den Saft der Reben,
      Mag ich, schön von Salbe duftend 
      Und im Arm das Mädchen haltend,
      Gerne von Kythere singen.
Trink ich ihn, den Saft der Reben,
      Wie entzückt ein Kreis von Mädchen
      Mich, wo volle, tiefe Becher
      Erst mir Geist und Sinn erweitern!
Trink ich ihn, den Saft der Reben,
      Mir vor Tausenden gewinn ich,
      Was ich scheidend mit mir nehme;
      Doch den Tod teil ich mit allen.
Wir sind guter Dinge: trinket!
      Trinkt und singt den Gott der Reben!
Er hat uns den Tanz erfunden,
      Er liebt volle Kraftgesänge!
      Eros gleich ist er geartet,
      Ist der Liebling Kythereas.
Bakchos hat den Rausch geboren,
      Bakchos ist der Freude Vater;
      Er ist's, der den Kummer dämpfet,
      Der den Schmerz in Schlaf versenket.
Denn wird uns der wohlgemischte
      Trunk gereicht von zarten Knaben,
      Flugs entweicht der Gram, im Wirbel
      Fort mit allen Winden treibend.
Laßt uns denn zum Becher greifen
      Und den Grillen Abschied geben!
      Wozu mag es dir doch helfen,
      Dich mit Sorgen abzuquälen?
Was da künftig ist, wer sagt es?
      Jedem ist sein Ziel verborgen.
      Drum will ich, vom Gott beseligt,
      Salbeglänzend scherzen, tanzen, 
      Bald mit allerliebsten Mädchen,
      Bald mit Jünglingen voll Anmut.
      Mag, wer will, indes nur immer
      Sich mit seinen Sorgen plagen.
Wir sind guter Dinge: trinket!
      Trinkt und singt den Gott der Reben!
Immer freuen Dionysos'
      Tänze mich, des scherzereichen,
      Und mit einem holden Freunde
      Trinkend, rühr ich gern die Leier.
Doch wenn ich, den Hyazinthen-
      Kranz um meine Stirne, fröhlich
      Unter jungen Mädchen weile –
      Süßre Kurzweil fand ich nimmer.
Keinen Neid kennt meine Seele,
      Und der Lästerzunge stumpfen
      Pfeilen mag ich ferne bleiben,
      Wüsten Streit beim Becher haß ich.
Lautenspiel und Tanz beim heitern
      Schmause unter zarten Mädchen
      Lieb ich mir: in Frieden will ich
      Meinen Lebenstag verbringen.
Von Basilios
Gebt mir des Homeros Leier,
      Aber ohne blut'ge Saiten!
      Gebt den Becher, um gehörig
      Nach dem Trinkgesetz zu mischen;
      Daß ich trunken möge tanzen
      Und, noch klug genug im Taumel,
      Zu dem Barbiton ein Trinklied
      Mit gewalt'ger Stimme singen.
      Gebt mir des Homeros Leier,
      Aber ohne blut'ge Saiten! 
Kränze laßt uns, Rosenkränze,
      Jetzt um unsre Schläfen winden,
      Trinken unter milden Scherzen!
      Einen Thyrsos in den Händen,
      Welchen Efeulaub umrauschet,
      Soll die Tänzerin den feinen
      Fuß im Takt der Laute heben;
      Und ein weichgelockter Knabe
      Lasse seine würz'gen Lippen
      Zu dem Saitenklang der Pektis
      Herrlich von Gesange schwellen.
      Eros selbst im goldnen Haarschmuck,
      Mit dem schönen Gott Lyäos,
      Mit der holden Kythereia,
      Kommt, des Schmauses Lust zu teilen,
      Dessen sich die Greise freuen.
Um Kybele, die schöne,
      Soll Attis, der entmannte,
      Laut schreiend auf den Bergen
      Umhergeraset haben.
Am Quellrand auch zu Klaros,
      Vom Wunderborne trunken
      Des lorbeerreichen Phöbos,
      Sind Rasende zu hören:
Ich aber, von Lyäos
      Berauscht, von Salbendüften
      Berauscht und meinem Mädchen –
      So will, so will ich rasen!
Laßt, bei den Göttern, lasset
      Mich trinken! Trinken will ich
      Unabgesetzt und rasen. 
Einst rasete Alkmäon,
      Orest mit nackten Füßen,
      Die Mörder ihrer Mütter.
Ich, keines Menschen Mörder –
      Bezecht von rotem Weine
      Will ich, ja will ich rasen!
Einst rasete Herakles,
      Den fürchterlichen Köcher
      Und Iphitos' Bogen schüttelnd.
Auch raste jener Aias,
      Als er samt seinem Schilde
      Das Schwert des Hektor schwenkte.
Ich aber – mit dem Becher
      Und mit bekränztem Haupthaar
      Will ich, so will ich rasen!
Die schwarze Erde trinket;
      So trinken sie die Bäume;
      Es trinkt das Meer die Ströme;
      Die Sonne trinkt die Meere,
      Der Mond sogar die Sonne:
      Was wollt ihr doch, o Freunde,
      Das Trinken mir verbieten?
Es sagen mir die Mädchen:
      Anakreon, du alterst.
      Den Spiegel nimm und siehe,
      Du hast das Haar verloren;
      Ganz kahl ist deine Stirne.
      – Ob ich noch Haare habe,
      Ob sie mir ausgegangen,
      Ich weiß es nicht; doch weiß ich,
      Daß holde Lust und Lachen,
      Je näher kommt das Ende,
      So mehr den Alten ziemet. 
Nicht fliehen mußt du, Mädchen,
      Vor diesen grauen Haaren!
      Nicht, weil der Jugend Blume
      Noch herrlich an dir leuchtet,
      Verachten meine Gaben.
      Sieh nur am Kranze selber,
      Wie lieblich weiße Lilien
      Mit Rosen sich verflechten!
Alt bin ich zwar, doch trink ich
      Trotz einem Jüngling wacker;
      Und wenn es gilt zu tanzen,
      Mach ich in meinem Chore
      Den tanzenden Seilenos,
          Nehme den Schlauch zum Stabe.
Geht mir mit eurem Stecken!
      Hat einer Lust zu kämpfen,
      Der kämpfe meinetwegen.
      Auf! Bringe mir, o Knabe,
      Gemischt mit honigsüßem
          Weine den vollen Becher!
Alt bin ich zwar, doch trink ich
      Trotz einem Jüngling wacker.
Ei, was lehrst du mich des Redners
      Kunst und seine feinen Griffe?
      Wozu soll ich all den Plunder
      Kennen, der mir gar nichts frommet?
Lieber lehre du mich trinken
      Den gelinden Saft Lyäens,
      Lieber lehre du mich scherzen
      Mit der goldnen Aphrodite. 
Graues Haar kränzt meinen Scheitel:
      Reiche, Knabe, Wein mit Wasser,
      Wiege meinen Geist in Schlummer!
      Bald bedeckst du den Entseelten;
      Der hat nichts mehr zu begehren.
Ich liebe frohe Greise,
      Ich liebe junge Tänzer.
      Ein Alter, wenn er tanzet,
      Ist wohl ein Greis an Haaren,
      Doch jung an Geist und Herzen
Meine Jugend hab ich wieder,
      Seh ich dich im Jünglingskreise:
      Dann, ja dann zum Tanz beflügelt
      Kann ich noch, ich Alter, schreiten.
      Bleibe bei mir, o Kybebes!
      Rosen her! – Ich will mich kränzen.
      Graues Alter, dich verjag ich,
      Jung mit Jünglingen zu tanzen.
      Reichet mir von Dionysos'
      Traubennaß – und ihr sollt sehen,
      Sehen eines Alten Stärke,
      Der noch kann so kräftig singen,
      Der noch kann so tapfer trinken
      Und vor Freude trunken schwärmen!
Arbeite dieses Silber
      Für mich, Hephästos: aber
      Nicht etwa Wehr und Waffen,
      Nein, einen Becher mache,
      So tief du kannst und räumig!
 Nur von Gestirnen komme
      Mir nichts darauf, kein Wagen,
      Kein leidiger Orion!
      Was kümmern mich Plejaden,
      Und was Bootes' Sterne?
Du sollst mir Rebenstöcke
      Und Trauben daran bilden
      Und goldne Keltertreter,
      Den schönen Gott Lyäos
      Mit Eros und Bathyllos.
Auf, du bester aller Maler,
      Male, allerbester Maler,
      Meister in der Kunst der Rhoder,
      Male mir, wie ich dir sage,
      Die entfernte liebste Freundin!
Erstlich weiche schwarze Haare,
      Und, will es dein Wachs vergönnen,
      Male sie von Salbe duftend.
      Oben wo die Wangen enden
      – Deren eine ganz sich zeige –
      Male unter dunkeln Locken
      Weiß wie Elfenbein die Stirne;
      Laß die Bogen dann der Brauen
      Sich nicht trennen, nicht verbinden,
      Sondern, wie bei ihr, gelinde
      Ineinander sich verlieren;
      Dunkel wölbe sich die Wimper.
      Aber zu dem Blick des Auges
      Mußt du lauter Feuer nehmen.
      Blau sei dieses, wie Athenes,
      Wie Kytheres feucht in Liebe.
      Wirst du Nas' und Wange malen,
      So vermische Milch und Rosen.
      Gib ihr Lippen gleichwie Peitho's,
      Die zum Kusse lieblich locken.
      In dem weichen Kinne mitten, 
      Um des Halses Marmor schweben
      Alle Chariten vereinigt!
      Endlich laß in lichtem Purpur
      Ihr Gewand hinunterwallen,
      Fleisch ein weniges durchschimmern
      Und den Umriß nur erscheinen.
– Doch genug! Schon steht sie vor mir!
      Nächstens wirst du, Bild, auch reden.
Male den Bathyll mir also,
      Meinen Liebling, wie ich sage:
Salbenglanz gib seinen Haaren,
      Dunkel schattend nach dem Grunde,
      Außen aber Sonnenschimmer.
      Kunstlos nur gebunden, laß sie,
      Wie sie eben wollen, selber
      Sich in freie Locken legen;
      Und den zarten Schmelz der Stirne
      Schmücken dunkle Augenbrauen,
      Dunkler als des Drachen Farbe.
      Trotzig sei sein schwarzes Auge,
      Doch von fern ein Lächeln zeigend;
      Jenes nimm von Ares, dieses
      Von der lieblichen Kythere:
      Daß man, bange vor dem einen,
      Bei dem andern hoffen könne.
      Male seine Rosenwange
      Mit dem zarten Flaum der Quitte;
      Und sieh zu, daß sie das edle
      Rot der Scheu erkennen lasse!
      Seine Lippen – weiß ich denn auch
      Selbst, wie du mir diese malest?
      Weich, von Überredung schwellend.
      Wisse kurz: das Bild, es müsse
      Redsam selber sein im Schweigen!
      Unterm Kinn da schließe zierlich,
      Wie ihn nicht Adonis hatte,  Elfenbeinern sich der Hals an.
      Gib ihm Brust und beide Hände
      Von der Maia schönem Sohne,
      Leih ihm Polydeukes' Schenkel,
      Bauch und Hüften ihm von Bakchos.
      Dann, ob jenen weichen Schenkeln,
      Jenen feuervollen, gib ihm
      Eine glatte Scham, die eben
      Aphrodites Freuden ahne.
      – Aber deine Kunst, wie neidisch!
      Kannst du ihn doch nicht vom Rücken
      Zeigen! Herrlich, wenn du's könntest!
      – Soll ich erst die Füße schildern? –
      Nimm den Preis, den du verlangest,
      Und gib diesen Phöbos auf, mir
      Den Bathyll daraus zu bilden.
      Wirst du einst nach Samos kommen,
      Male nach Bathyll den Phöbos.
In diesem Stier da, Knabe,
      Ist wohl ein Zeus zu suchen.
      Denn auf dem Rücken traget
      Er ein sidonisch Mädchen
      Durchs weite Meer und teilet
      Die Wellen mit den Klauen.
      Ich wüßte nicht, daß sonsten
      Ein Stier entlief der Herde
      Und durch die Fluten schiffte,
      Als eben nur der eine.
Seht dies Kunstgebilde! Wahrlich,
      Eine Zauberhand hat Wellen
      Ausgegossen auf den Diskos.
      Welch ein kühner, hochentzückter
      Geist, der hier die zarte, weiße
      Kypris auf dem Meere schwimmend
      Schuf, die Mutter sel'ger Götter!
 Nackend zeigt er sie den Blicken;
      Nur was sich nicht ziemt zu schauen,
      Decket eine dunkle Welle.
Gleich der weißen Alge schaukelnd
      Auf des sanft ergoßnen Meeres
      Fläche gleitet sie umher, und,
      In die Flut gelehnet, trennt sie
      Vor sich her den Schwall der Wasser.
Über ihrem ros'gen Busen,
      Unter ihrem zarten Halse
      Teilt sich eine große Woge.
      Mitten in des heitern Meeres
      Furche glänzet Kytherea
      Wie die Lilie unter Veilchen.
Ob dem Silber aber wiegen
      Sich auf tanzenden Delphinen
      Himeros und Eros, tückisch
      Lachend zu der Menschen Torheit,
      Und ein Heer gekrümmter Fische
      Überschlägt sich in den Wellen,
      Scherzet um den Leib der Göttin,
      Wo sie hin mit Lächeln schwimmet.
Laßt die Rose, Eros' Blume,
      Zu Lyäen sich gesellen;
      Mit der Rose Zier die Schläfe
      Kränzend, lasset uns den Becher
      Leeren unter milden Scherzen!
Rose heißt die schönste Blume,
      Rose heißt des Lenzes Schoßkind,
      Rosen flicht der Sohn Kytheres
      Um die gelben Ringelhaare,
      Mit den Chariten zu tanzen.
Kränze, Bakchos, mich mit Rosen,
      Und ich will, die Laute rührend, 
      Mit dem zierlichsten der Mädchen,
      Deinen Kranz auf meinem Haupte,
      Froh bei deinem Tempel tanzen.
Säng' ich wohl den schön bekränzten
      Lenz und dich nicht, holde Rose?
      Mädchen, auf! ein Wechselliedchen!
Wohlgeruch haucht sie den Göttern;
      Sie, der Erdgebornen Wonne,
      Ist der Chariten erwählter
      Schmuck zur Zeit, wo in der Blüten
      Fülle die Eroten schwärmen.
      Aphroditens Spielzeug ist sie,
      Jedes Dichters Lustgedanke,
      Ja der Musen Lieblingsblume.
Lieblich duftet sie vom Strauche
      Dir am dornbewachsnen Pfade;
      Lieblich hauchet Eros' Blume,
      Wenn du, sie in zarten Händen
      Wärmend, ihren Atem saugest.
Bei dem Schmaus, beim Trinkgelage,
      Bei Lyäos' frohen Festen,
      Sagt, was möchte wohl den Sänger
      Freuen, wenn die Rose fehlte?
Rosenfingerig ist Eos,
      Rosenarmig sind die Nymphen,
      Rosig Aphrodite selber;
      Also lehren uns die Dichter.
Auch den Kranken heilt sie wieder,
      Scheucht von Toten die Verwesung,
      Ja sie trotzt der Zeit des Welkens:
      Reizend selber ist ihr Alter
      Durch den Wohlgeruch der Jugend.
Aber nun: wie ward die Rose?
      – Als dem Schaum des blauen Meeres
 Die betauete Kythere,
      Pontos' Tochter, einst entstiegen,
      Und die kriegerische Pallas,
      Schrecklich selber dem Olympos,
      Auf Kronions Haupt sich zeigte,
      Damals ließ auch Mutter Erde
      Sie, die vielgepriesne Rose,
      Dieses holden Wunderwerkes
      Ersten jungen Strauch, entsprießen.
      Und die Schar der sel'gen Götter
      Kam, mit Nektar sie zu netzen.
      Alsbald blühend, purpurglänzend,
      Stieg sie aus dem Dorngesträuche,
      Bakchos' ewig junge Blume.
Sieh den jungen Lenz! Wie ringsum
      Schon die Chariten in Fülle
      Ihre Rosenpracht ergießen!
      Siehe, wie die Meereswelle
      Sich in heitrer Ruhe wieget!
      Siehe, wie die wilde Ente
      Rudert! Wie der Kranich ziehet!
Rein hernieder leuchtet Titan,
      Und die Wolkenschatten fliehen,
      Und die Flur des Landmanns glänzet.
      Früchte zeiget schon der Ölbaum,
      Und von Blättern und von Ranken
      Strotzend will auch Bromios' Gabe
      Schon, die Rebe, wieder blühen.
Schwarze Trauben erst in Körben
      Bringen Jünglinge und Mädchen
      Auf den Schultern hergetragen.
      In die Kelter aber schütten
      Jene sie sofort und lösen 
      Nun den Most, die Beeren tretend.
      Hoch erschallt das Lob des Gottes,
      Hoch in lauten Kelterliedern,
      Während sie den jungen Bakchos
      In der Tonne brausen sehen.
      Und der Greis, wenn er ihn trinket,
      Tanzet er auf wanken Füßen,
      Daß die Silberlocken beben;
      Und der junge, schöne Bursche
      Überschleicht im Rausch ein Mädchen,
      Das, dem schweren Schlummer weichend,
      Seinen zarten Leib im Schatten
      Grüner Blätter hingegossen,
      Reizet es, die höchsten Rechte
      Hymens keck vorauszunehmen.
      Wollen Worte nichts verfangen,
      Weiß er durch Gewalt zu siegen.
      Denn zu wilden Taten lockt der
      Trunkne Gott das junge Völkchen.
Der dem Jüngling Kraft im Kampfe
      Gibt, ihm Mut gibt in der Liebe,
      Reiz, wenn er beim Schmause tanzet –
      Seht, der Gott, er kehret wieder!
Seinen Wein, das Kind der Rebe,
      Den gelinden Trank der Liebe,
      Ihn, den lachenden, den Tröster,
      Bringet er den Menschenkindern.
In die grün umrankten Beeren
      Schließt er ihn und wartet seiner,
      Daß, wenn wir die Trauben schneiden,
      Alle Welt gesunden möge,
      Frisch und schön an Leib und Gliedern,
      Frisch und froh an Sinn und Herzen,
      Bis zur Wiederkehr der Lese. 
Selig preis ich dich, Zikade,
      Die du auf der Bäume Wipfel,
      Durch ein wenig Tau geletzet,
      Singend, wie ein König lebest.
      Dir gehöret eigen alles,
      Was du siehest auf den Fluren,
      Alles, was die Horen bringen.
      Lieb und wert hält dich der Landmann,
      Denn du trachtest nicht zu schaden;
      Du den Sterblichen verehrte,
      Süße Heroldin des Sommers!
      Auch der Musen Liebling bist du,
      Bist der Liebling selbst Apollons,
      Der dir gab die Silberstimme.
      Nie versehret dich das Alter,
      Weise Tochter du der Erde,
      Liederfreundin, Leidenlose,
      Ohne Fleisch und Blut Geborne,
      Fast den Göttern zu vergleichen!
Jüngst in mitternächt'ger Stunde,
      Als am Himmel schon der Wagen
      An Bootes' Hand sich drehte
      Und, ermattet von der Arbeit,
      Schlafend lagen alle Menschen,
      Da kam Eros noch und pochte
      An der Türe meines Hauses.
      »Wer doch«, rief ich, »lärmt da draußen
      So? Wer störet meine Träume?« –
      »Öffne!« rief er mir dagegen:
      »Fürchte nichts! Ich bin ein Knabe,
      Habe mich verirrt in mondlos
      Finstrer Nacht, von Regen triefend.«
      Mitleidsvoll vernahm ich dieses,
      Nahm in Eile meine Lampe,
      Öffnete und sah ein Knäbchen, 
      Welches Flügel an den Schultern
      Hatte, Pfeil und Bogen führte.
      Alsbald ließ ich ihn zum Feuer
      Sitzen, wärmte seine Hände
      In den meinen; aus den Locken
      Drückt' ich ihm die Regennässe.
      Drauf, als ihn der Frost verlassen,
      Sprach er: »Laß uns doch den Bogen
      Auch versuchen, ob die Sehne
      Nicht vom Regen schlaff geworden!« –
      Spannte, traf, und mir im Busen
      Tat es wie der Bremse Stachel.
      Er nun hüpfte auf und lachte:
      »Siehst du, guter Wirt, wie glücklich!
      Unbeschädigt ist mein Bogen,
      Doch dir wird das Herz erkranken.«
Mit einem Lilienstengel
      Gar grausam schlug mich Eros
      Und zwang mich, ihm zu folgen.
      Durch wilde Ströme ging es,
      Durch Wälder und durch Klüfte,
      Daß mich der Schweiß verzehrte.
      Schon auf die Lippe trat mir
      Die Seele, ja schon war ich
      Ganz nahe am Erlöschen:
      Da wehte Kühlung Eros
      Mit seinem sanften Fittich
      Mir auf die Stirn und sagte:
      »Noch kannst du, Freund, nicht lieben!«
Mir kam vor im Traum, ich liefe,
      Hatte Flügel an den Schultern;
      Eros, an den schönen Füßchen
      Blei, erhaschte mich im Laufe.
      – Was wohl dieser Traum bedeutet? 
      Ich, der schon von mancher Liebe
      Halb verstrickt, bisher noch immer
      Glücklich allen war entronnen,
      Soll, so will es mich bedünken,
      Dieses Mal doch hängen bleiben.
Ein Mann, ein junger, brachte
      Aus Wachs ein Erosbildchen
      Zu Kauf. Da trat ich zu ihm
      Und frug: »Was soll es kosten?«
      »Nimm ihn zu jedem Preise!«
      Erwidert' er auf dorisch:
      »Die Wahrheit zu gestehen,
      Ich bin kein Wachsbossierer;
      Ich mag nur keinen solchen
      Begehrlichen Genossen
      Im Haus wie diesen Eros.«
      – »Hier nimm die Drachme! Gib mir
      Den schönen Schlafgesellen.
      Du aber, Eros, laß mich
      Jählings entbrennen, oder
      Du sollst mir selbst ins Feuer!«
Ja, lieben, lieben will ich!
      – Zu lieben riet mir Eros;
      Doch Törichter ich wollte
      Nicht dieses Rates achten;
      Da nahm er stracks den Bogen,
      Griff nach dem goldnen Köcher,
      Mich auf zum Kampfe fordernd.
      Rasch warf ich um die Schulter
      Den Harnisch wie Achilleus,
      Nahm Schild und Schwert und Lanze
      Und kämpfte gegen Eros.
      Er schoß – doch ich, behende,
      Wich ihm noch aus. Nun aber 
      Zuletzt, wie seine Pfeile
      Fort waren, zornig fuhr er
      Mit Pfeilsgewalt, er selber,
      In mich und tauchte mitten
      Ins Herz, und machtlos war ich!
      Was soll nun Schild und Wehre?
      Was Stich und Stoß hier außen?
      Ist doch der Kampf da drinnen!
Die Musen banden Eros
      Mit Kränzen einst und brachten
      Der Schönheit ihn zu eigen.
Nun suchet Kytherea,
      Das Lösegeld in Händen,
      Den Eros frei zu machen.
Doch komme, wer da wolle:
      Er geht nicht mehr, er bleibet,
      Der schöne Dienst gefällt ihm.
In einer Rose schlummert'
      Ein Bienlein, dessen Eros
      Sich nicht versehn. Am Finger
      Von ihm verwundet, schrie er
      Und schlug und schlug sein Händchen.
      Halb lief er dann, halb flog er
      Hin zu der schönen Kypris.
      »O weh mir, liebe Mutter!
      Ach weh, ich sterbe!« rief er:
      »Gebissen bin ich worden
      Von einer kleinen Schlange
      Mit Flügeln – Biene heißet
      Sie bei den Ackersleuten.«
      Sie sprach: »Kann so der Stachel
      Von einem Bienchen schmerzen,
      Was, meinst du, daß die leiden,
      Die du verwundest, Eros?« 
Dort in Lemnos' Feueressen
      Nahm der Mann der Kytherea
      Stahl und machte den Eroten
      Pfeile draus; die Spitzen tauchte
      Kypria in süßen Honig,
      Den ihr Sohn mit Galle mischte.
      Ares, einst vom Schlachtfeld kehrend
      Und die schwere Lanze schwingend,
      Spottet' über Eros' Pfeile.
      »Schwer genug ist der«, sprach Eros;
      »Nimm ihn nur, du wirst es finden.«
      Ares nahm den Pfeil; darüber
      Lächelte Kythere heimlich.
      Seufzend sprach der Gott des Krieges:
      »Er ist schwer – nimm ihn doch wieder!« –
      »Nein, behalt' ihn nur!« sprach Eros.
Von Julianos dem Ägypter
Unlängst – ich band gerade
      Mir einen Kranz – da fand ich
      Den Eros in den Rosen.
      Ich nahm ihn bei den Flügeln,
      Warf ihn in meinen Wein, und
      So trank ich ihn hinunter.
      Nun kitzelt er mich peinlich
      Ums Herz mit seinen Flügeln.
Als Kypris den Adonis
      Nun tot sah vor sich liegen,
      Mit wildverworrnem Haupthaar
      Und mit erblaßter Wange:
      Den Eber ihr zu bringen,
      Befahl sie den Eroten.
      Sie liefen gleich geflügelt
      Umher im ganzen Walde 
      Und fanden den Verbrecher
      Und banden ihn mit Fesseln.
      Der eine zog am Seile
      Gebunden den Gefangnen,
      Der andre trieb von hinten
      Und schlug ihn mit dem Bogen.
      Des Tieres Gang war traurig,
      Es fürchtete Kytheren.
Nun sprach zu ihm die Göttin:
      »Du böses Tier, du Untier!
      Du schlugst in diese Hüfte?
      Mir raubtest du den Gatten?«
Der Eber sprach dagegen:
      »Ich schwöre dir, Kythere,
      Bei dir, bei deinem Gatten,
      Bei diesen meinen Fesseln
      Und hier bei diesen Jägern:
      Ich dachte deinem holden
      Geliebten nicht zu schaden!
      Ein Götterbild an Schönheit
      Stand er, und voll Verlangen
      Stürmt' ich hinan, zu küssen
      Des Jägers nackte Hüfte,
      Da traf ihn so mein Hauer.
      Hier nimm sie denn, o Kypris,
      Reiß mir sie aus zur Strafe
      – Was soll mir das Gezeuge? –
      Die buhlerischen Zähne!
      Wenn das dir nicht genug ist,
      Nimm hier auch meine Lippen,
      Die sich den Kuß erfrechten!«
Das jammert' Aphrodite.
      Sie hieß die Liebesgötter
      Ihm lösen seine Bande.
Er folgte nun der Göttin
      Und ging zum Wald nicht wieder,
      Und, selbst ans Feuer laufend,
      Verbrannt' er seine Liebe. 
Woher, o liebe Taube,
      Woher kommst du geflogen?
      Wie triefst du so von Salben
      Und füllst die Luft im Fluge
      Mit ihren Wohlgerüchen?
      Was hast du vor? Wer bist du?
»Anakreons Gesandte;
      Zu seinem Liebling muß ich,
      Muß zu Bathyllos, dem ja
      Nun alles liegt zu Füßen.
      Verkauft hat mich Kythere
      Dem Sänger um ein Liedchen.
      Anakreon vertrauet
      Mir nun die größten Dinge.
      Siehst du, hier hab ich eben
      Jetzt Briefe zu bestellen.
      Wohl hat er mir versprochen,
      Mich ehstens frei zu lassen;
      Doch, wenn schon frei gelassen,
      In seinem Dienste bleib ich.
      Wie sollt' ich noch auf Bergen
      Umher und Feldern schweifen,
      Mich auf die Bäume setzen
      Und wildes Futter schlingen?
      Ich picke von dem Brote,
      Das mich der Dichter lässet
      Aus seinen Händen nehmen.
      Auch reicht er mir zu trinken
      Den Wein, von dem er trinket,
      Und nach dem Trunke trippl' ich
      Um meinen Herrn und recke
      Den Flügel, ihn beschattend.
      Dann setz ich mich, zu schlafen,
      Auf seiner Leier nieder.
      – Nun laß mich. Du weißt alles.
      Fürwahr, o Mann, du machtest
      Mich schwatzhaft trotz der Krähe.« 
Von Basilios
Anakreon, der Sänger
      Von Teos, – also träumt' ich –
      Ward mein gewahr und rief mich.
      Flugs auf ihn zugelaufen
      Umarmt' ich ihn und küßt' ihn.
      Zwar schon ein Greis, doch schön noch,
      Noch schön war er und zärtlich.
      Wein hauchte seine Lippe,
      Auf wanken Füßen ging er,
      Von Eros' Hand geleitet.
      Und nun vom eignen Haupte
      Den Kranz herunternehmend,
      Der alle Wohlgerüche
      Des Sängers von sich hauchte,
      Reicht' er mir den; ich nahm ihn
      Und band ihn um die Schläfe,
      Ich Tor! Seit jener Stunde
      Weiß ich von nichts als Liebe.
Von Lyäos frohgemutet,
      Schlief ich nachts auf Purpurdecken;
      Und mir war, als wenn ich scherzend
      Mich mit jungen Mädchen jagte.
      Leichthin schwebt' ich auf den Zehen;
      Sieh, da kamen Knaben, schöner
      Als der weiche Gott der Reben,
      Die mit bittrem Hohn mich schalten
      Jener holden Kinder wegen.
      Doch wie ich sie wollte küssen,
      Waren alle miteinander
      Im Erwachen mir entflohen,
      Und ich Armer lag verlassen,
      Wünschte wieder einzuschlafen. 
Wie soll ich dich bestrafen?
      Wie, plauderhafte Schwalbe,
      Bei deinen schnellen Schwingen
      Dich fassen und sie stutzen?
      Sag, oder soll ich etwa
      Wie vormals jener Tereus
      Die Zunge dir entreißen?
      Was! aus so süßem Traume
      Mit deinem frühen Zwitschern
      Mir den Bathyll zu rauben!
Es gab Natur die Hörner
      Dem Stier, dem Roß die Hufe,
      Schnellfüßigkeit dem Hasen,
      Dem Löwen Rachenzähne,
      Den Fischen ihre Flossen,
      Den Vögeln ihre Schwingen
      Und den Verstand dem Manne.
      – So bliebe nichts den Frauen?
      Was gab sie diesen? – Schönheit:
      Statt aller unsrer Schilde,
      Statt aller unsrer Lanzen!
      Ja über Stahl und Feuer
      Siegt jede, wenn sie schön ist.
Das Roß führt an den Hüften
      Ein eingebranntes Zeichen,
      Und am gespitzten Hute
      Mag man den Parther kennen.
Mit Einem Blick so will ich
      Die Liebenden erkennen:
      Ein zartes Mal ist ihnen
      Gezeichnet in die Seele.