Eduard Mörike
Griechische Lyrik
Eduard Mörike

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Anakreon

Lieder

1.
An Artemis

Flehend nah' ich dir, Jägerin,
Zeus' blondlockige Artemis,
O Wild schirmende Göttin!
    Komm zum raschen Lethäos nun!
Huldreich wende die Blicke du
Auf hochherziger Männer Stadt:
Denn roh schaltende Bürger nicht
    Sind es, welche du schützest!

2.
An Dionysos

Herrscher, der du mit Eros' Macht,
Mit schwarzäugigen Nymphen und
    Ihr, der purpurnen Kypris,
Fröhlich spielest und gern umher
Auf hochgipfligen Bergen schweifst:
Auf den Knieen dich fleh ich an,
Sei mir hold, Dionysos, komm,
    Meinem Wunsche dich neigend!
O sprich du Kleobulos selbst
Zu mit göttlichem Rat, laß dir
    Meine Liebe gefallen!

3.

Knabe du mit dem Mädchenblick,
Nach dir such' ich, doch hörst du nicht,
Weißt nicht, wie du am Band allwärts
    Meine Seele dir nachziehst.

4.

Mond Poseideon ist nun da,
Regenschweres Gewölk umher,
Und bestürmt von der Winde Wut
    Senkt der Zeus sich zu Tale.

5.

Nicht das Horn der Amalthia
Möcht' ich haben, noch hundert und
Fünfzig Jahre den Königsthron
    Von Tartessos besitzen.

6.

Auf mich werfend den Purpurball,
Winkt mir Eros im Goldgelock,
Mit dem farbig beschuhten Kind
    Spielend mich zu ergötzen.
Doch sie ist aus der herrlichen
Lesbos, und es mißfällt ihr mein
Graues Haar, denn ein andres gibt's,
    Dem sie brünstiglich nachschaut.

7.

Vom Dünnkuchen zum Morgenbrot
    Erst ein Stückchen mir brach ich;
Trank auch Wein einen Krug dazu;
    Und zur zärtlichen Laute
Greif ich jetzo, dem zartesten
    Kind ein Ständchen zu bringen.

8.

    Vom Leukadischen Fels herab
Stürz' ich mich in die weiß schäumende Meerflut mit dem Brand der Liebe!

9.

    Wer doch, der auf so liebliche
Jugend richtet den Sinn, tanzte wohl noch gern nach der armen Flöte?

10.

    Eurypyle liebt, die blonde, jetzt
Den vielbeleckten Artemon.

*

Trug er den Wollgugel doch einst, jene geschnürte Wespenform,
Hölzernes Ohrwürfelgehäng', und um die Rippen zog er sich
    Ein kahles Ochsenfell, von Schmutz
Klebend, ein alt Schildfutteral; und mit der Brotverkäuferin
Trieb er's und mannssüchtigen Weibsstücken, der schlechte Artemon.
    Unsauber ganz war sein Erwerb.
Oft in dem Block lag sein Genick, desgleichen oft im Rad, und oft
Auch mit dem Zuchtriemen gepeitscht ward er, und hundertmal am Schopf
Geschändet und sein Bart berupft.
Jetzo den Prachtwagen besteigt er, und es trägt der Sohn Kykes
Gold in den Ohr'n, schattendes Dach, zierlich gestielt aus Elfenbein,
    Als wie ein Weib . . .

11.

Ha, zu dem Olymp stürm' ich hinauf stracks mit behendem Fittich!
Wie er mich empört – Eros! Von mir wendet sich spröd mein Knabe.

12.

Aber sobald er halbgrau
Schon um das Kinn her mich gesehn, fliegt er mit goldnen Flügeln
Wehend vorbei.

13.

    Aber ich floh wiederum gleich dem Kuckuck,
Warf an des schön flutenden Stroms Ufern das Schildchen von mir.

14.

Von Silber nicht blinkte damals noch Peitho.

15.

Mein arm heimatlich Land werd' ich denn wiedersehn.

16.

Durch die holden Reden fessl' ich wohl der Knaben Herzen an mich;
Wie ich Schönes singe, weiß ich auch zu reden, was da schön ist.

17.

Zum Genossen dich erwünsch' ich, denn der Sitten Adel schmückt dich.

18.

Stets ist des Eros Würfelspiel rasender Wahn und Kriegsgelärm nur.

19.

Wie mit Machtstreichen der Schmied, so hämmert' erst mich Eros,
Und im Wildbache nun schreckt er grausend kalt die Glut mir.

20.

Deines Haars schmeidige reiche Pracht verschnittest du dir.

21.

Daß ich sterben dürfte! Sonst ist ja doch nicht Rat
Noch Erlösung aus dem Drangsal für mich mehr da.

22.

Wie das Rehlein, das noch still begnügt die Milch saugt,
Wenn die horntragende Mutter nun sich abseits
In dem Walddunkel verlief, mit Bangen umblickt.

23.

Du bist ja gastlich, – einen Trunk, Kind, für den Durst reichst du wohl mir.

24.

Ha, nach Wasser geh, nach Wein, Bursch!
Und nach Blumenkränzen sieh mir
Nur geschwind! Denn jetzt beginn' ich
Mit dem Eros einen Faustkampf.

25.

Den Pokal, mein Sohn! Ein Trank soll
Mir gedeihn, ein voller! Doch nimm
Nur den Becher Wassers zehnfach
Und vom Lautern schöpfe fünfmal.
Denn nicht überkühn und maßlos
Mit dem Gott zu schwärmen denk' ich.

Nicht den wilden Lärm fortan! Nicht
Wie der Skythe sich des Weins freut –
Unter süßen Liedern, sinnvoll,
Nur so sachte schlürfen wir ihn.

26.

                                              Alexis
Hat noch Freiersgelüste, der Kahlkopf.

27.

Aber beraubt ist die Stadt nun ihres Kranzes.

28.

                                                        Ich hasse alle
Jene versteckten Gemüter, die so unhold
Sind und so schwierig; in dir, Megistes, fand ich
Eines der kindlichen Herzen.

29.

Thrakisch Füllen, warum wirfst du doch auf mich so schräge Blicke?
Grausam fliehst du mich, du traust mir wohl des Klugen wenig zu?

Aber wisse nur, ich wollte dich aufs allerbeste zäumen
Und dich fest im Zügel haltend lenken um das Ziel der Bahn.

Jetzt noch weidest du im Grünen, spielst umher in leichten Sprüngen,
Denn es mangelt noch ein Reiter, der der Schule kundig ist.

30.

Hör' mich Alten, schönbehaartes Mädchen du im Goldgewande!

31.

Schwelgend in des dunkeln Lorbeers Schatten und des heitern Ölbaums.

32.

Erzeigt euch jenen angenehmen Gästen gleich,
Die Dach und Fach und Feuer brauchen, weiter nichts.

33.

Ich lieb' und liebe doch auch nicht,
Verrückt bin ich, und nicht verrückt.

34.

Auch plaudre nicht, der Welle gleich
Des Meeres, mit der trätschenden
Frau Gastrodore, allezeit
Den vollen Hauspokal am Mund.

35.

Hat einer Lust zu kämpfen,
Der kämpfe meinetwegen!

36.

Dich zuerst, Aristokleides, klag' ich aus der Freunde Zahl:
Um des Vaterlandes Freiheit in der Blüte gingst du hin.

37.

Grau bereits sind meine Schläfen, und das Haupt ist weiß geworden,
Hin, dahin die holde Jugend; schon gealtert sind die Zähne.

Von dem süßen Leben ist mir nur ein Restchen Zeit noch übrig.
Oft mit Tränen dies bejammr' ich, vor dem Tartaros erbebend.

Denn entsetzlich ist des Hades Tiefe, leidvoll seine Straße,
Offen stets der Stieg, hinunter –, nimmermehr herauf zu gehen.

 

Aus den Elegien

38.

Der sei nicht mein Genoss', der mir zum Weine beim vollen
    Becher von Fehden erzählt und von dem leidigen Krieg;
Vielmehr der in geselligem Frohsinn gerne der Musen
    Und Aphrodites holdseliger Gaben gedenkt.

39.

Nicht nach der Thrakerin mehr neigt sich verlangend mein Herz.

40.

Zum Weintrinker gemacht bin ich.

 

Epigramme

41.

Agathon, der für Abdera starb, den gewaltigen, klaget
    Neben dem Scheitergerüst laut die versammelte Stadt;
Denn aus der Jünglinge Zahl ward nimmer ein gleicher durch Ares'
    Gierige Hände gefällt in dem Gewühle der Schlacht.

42.

Dies ist Timokritos' Mal. Ein Mann war er in der Feldschlacht;
    Doch nicht die Trefflichen schont Ares, die Feiglinge wohl.

43.

Pheidolas' wackeres Roß, aus Korinthos' Gefilden, das schnelle,
    Stehe, des Siegs Denkmal, hier dem Kroniden geweiht.

44.

Dir zum Dank, Dionysos, der Stadt zum glänzenden Schmucke
    Stellt Echekratidas mich, Führer der Thessaler, auf.

45.

Vordem weihte Kalliteles mich; nun stellten die Enkel
    Solchergestalt mich auf. Ihrer gedenke mit Dank!

46.

Gaben, den Göttern geweiht von Praxagoras, Sohn des Lykäos,
    Stehen wir hier, und es schuf uns Anaxagoras' Hand.

47.

Semeies Sprößling, dem kranzschmuckliebenden, dies von Melanthos,
    Areïphilos' Sohn, Sieger im Chore, geschenkt.

48.

Pythons Schild hängt hier in Athenes Tempel, dieweil er
    Aus dem Getümmel des Kriegs glücklich den Kämpfer gebracht.

49.

Die mit dem Thyrsos ist Helikonias, welcher zur Seite
    Geht Xanthippe, sodann Glauke. Sie schreiten im Tanz,
Von dem Gebirg herkommend, und bringen Geschenke für Bakchos,
    Efeu, Trauben, dazu diese gewichtige Geiß.

50.

Dieses Gewand, Prexidike hat es gemacht, von Dyseris
    Ist die Erfindung; gleich teilen sie Kunst und Geschmack.

51.

Du mit dem Silbergeschoß sei huldreich Äschylos' Sohne,
    Naukrates, und mit Gunst nimm, was er fromm dir gelobt.

52.

Huld und Gedeihn vom olympischen Boten erfleh für Timonax,
    Welcher den heiteren Hof schmückte durch mich für den Gott,
Der hier waltet, Hermeias. So viele begehren zur Halle,
    Fremde wie Söhne der Stadt, heiß ich willkommen bei mir.

53.

Maias Sohn, du verleihe dem Tellias glückliche Tage,
    Gnädig der Gaben gedenk, die er zum Schmuck dir gebracht.
Laß ihn auch bei seinen Euonymiäern, den wackern
    Freunden von Recht und Gesetz, lange des Lebens sich freun.

54.

Dir auch wurde, Kleanorides, Sehnsucht nach der Heimat
    Tödlich; dich schreckte der Süd nimmer, der winterlich stürmt.
So fing dich die betrügliche Jahrszeit ein, und strömend
    Spülten die Wogen den Reiz lieblicher Jugend hinweg.

55.

Weide doch abseits weiter die Herde da, Hirt, daß du Myrons
    Kuh nicht etwa hinaus treibst mit der lebenden Schar!

56.

Nicht in der Form ist gegossen die Kuh hier, sondern vor Alter
    Ward sie zu Erz, Myron prahlt; sie ist nimmer sein Werk.


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