Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Zweites Festspiel

zur Feier des Allerhöchsten Geburtstages
Sr. Majestät Wilhelm II.
Deutschen Kaisers und Königs von Preußen.

Aufgeführt im Stadttheater zu Kiel,
am 25. und 27. Januar 1891.

Personen.

Lätitia.

Kilia.

Jochen, Maurer und Kampfgenosse von 1870 und 71.

Peter, Invalide, schleswig-holsteinischer Kampfgenosse von 1841-51.

Berliner, Schlossergeselle, Arbeiter der Kaiserlichen Werft.

Sachse, Tischlergeselle, Arbeiter der Kaiserlichen Werft.

Ein Bootsmannsmaat.

Acht Matrosen von der Kaiserlichen Marine.

Andere Personen.

Dekoration.

Für die 1., 2. und 3. Szene bis zum Auftreten der Lätitia und unmittelbar hinter dem Vorhange, also vor der Rampe, ein schmaler Bühnenraum, nicht breiter (tiefer) als die Länge einer kurzen, etwa 4 bis 5 Fuß langen Bank. Eine solche Bank in schräger Stellung rechts und links von der Kulisse. Hintergrund: eine Zimmerwand. Nach Aufgehen desselben, gleich nach Beendigung des vom Orchester gespielten Liedes »An die Freude«, Hintergrund und Kulissen: Gebüsch und Wald. Hinter dem Waldhintergrunde später das Schlußbild.

Erste Szene.

Direktor. Jochen.

(Der Direktor im Frack und mit weißer Krawatte und Handschuhen, den Zylinder in der Hand. Jochen im Sonntagsanzug eines Maurergesellen aus früherer Zeit. Langer, etwas altmodischer Rock, schwarzer, etwas schäbiger Zylinder u. s. w.)

Direktor. (von rechts auftretend, den Hut in der Hand. Jochen ihm folgend). So, kommen Sie hier nur her! Sie haben mich um einen schönen Platz gebeten,   möglichst nach vorn (nach der Bank zeigend). Da haben Sie ihn!   Setzen Sie sich.   Wünsch' auch viel Vergnügen. (Rechts ab.)

Jochen. Wünsch' auch viel Vergnügen! Wa spöttsch he dat sä. Weer't ni de Herr Direkter sülben we'n, denn har ick em anschnauzt.   Setzen Sie sich!     (Er setzt sich schnell.) Sitt ja all!   So an de föftein Jahr heff ick hier nu all mit rumflickt. Wenn dar mal en beten to muern weer, oder uttoputzen, denn heff ick dat da'n.   Ick hör' dar nu ja ock all so quanzwies' mit to, un wil ick nu just mal streiken do, heff ick denn dacht, schast mal en beten int Theater gahn und di den Zauber mal mit ansehn. (Pfeifen auf der Gallerie.   Er steht auf und sieht hinauf). Wat hebbt ju dar to fleuten? Ich bitte mir Ruhe aus!   (Er setzt sich wieder.   Kurze Pause.   Er sieht ins Publikum hinein.)       Ick weet ni, dat gefallt mi hier doch ni so recht.   Vun alle Kanten kiekt se op een dal.   Man sitt hier ja rein als op'n Verwunnerungsstohl! (Sieht nach oben.) Un denn so lik ünner den roten Panzer.   Wenn de nu mal hindal full, dat weer ja de reine Gulljonetine! Denn flög min Kopp ja wul mank de Muskanten un ick bleev auf die Bühne.

Zweite Szene.

Peter. Jochen.

Peter. (von links auftretend, im alten Waffenrock mit dem Eisernen Kreuz am blau-weiß-roten Bande, dunkle Hose, Feldmütze, Handstock): Süh', gu'n Dag, Jochen!   Na, wat makst du denn hier?

Jochen (kurz). Dat sühst du ja!   Ick streik!

Peter. Dat harrst ock laten kunnt!

Jochen. So? Wat weest du davun?

Peter. Wi keem dat denn?

Jochen. De Mann behandel mi ni höflich genug.   Na, un als he mi denn nu güstern wiesmaken wull, dat ick en paar Muersteen scheef vermuert harr,   dar smeet ick em den Kram vor de Föt!  

Peter. Un nu geihst du denn to din Vergnögen mal en beten int Theater.

Jochen. Ja! en beten int Theater!   Dat dei'st du ja ock!   Wat wullt du denn hier?

Peter. Ja, dat hett so sin egen Bewandnis. Ick spel di nämlich vunabend mal so'n beten mit.

Jochen. Du?   Snack mi doch keen Löcker in'n Kopp!  

Peter. Wat ick di segg!   Un als ick denn dar nu so eben längs de Achtertrepp heropkeem, dar kreeg de Herr Direkter mi ock all forts bi'n Wickel. »Es geht gleich los«, sä he to mi,   »setzen Sie sich da links man hin, ganz vorne auf die andere Bank, Ihrem Freunde Jochen gegenüber«. (Er setzt sich.) Na, un dar sitt ick denn nu, di lik gegenöwer!

Jochen. Un ick di!   Awers warum spelst du denn mit?!

Peter. Na, wil dar hüt abend to Kaisersgeburtsdag (Jochen unruhig, bewegt sich und grunzt) noch jüst een fehlen de' för de plattdütsche Roll, dar bün ick denn so ut Gefälligkeit gau mal mit rinsprungen.

Jochen. Dar harrst du ock doch leewer op wat anners stüern künnt, als jüst op dat!

Peter. Du büst doch ock hier!

Jochen. Awers doch man blots, wil ick nu mal streiken do',   un man jo ni wegen den Kaiser sin Geburtsdag! (Pfeifen auf der Gallerie.)

Stimme (im Parterre). Smit em rut!

Jochen (dahinsehend). Rutsmiten?   Dar hört en langen Arm to!   Hier reckst du ni her!

Dritte Szene.

Sachse. Die Vorigen.

Sachse.

(im Orchester beim Paukenschläger, im schönsten Sonntagsstaat). Ei, Herrcheses!   ist mer det awer nich mehr scheene bei so änne Festvorstellung ins Dheader, det die Leite im Bublichum man so mitreden duhn.   Det hätte mer in Bärne, womer daheeme, doch nimme nich wage därfen.

Jochen. (höhnisch). Hm! Rutsmiten?!   Ick sitt hier seker!  

Peter. Awers so, als du dar sittst, müch ick dar doch ni sitten.

Jochen. Un ick ni so als du!

Peter. Du büst en Sozialdemokrat!

Jochen. Dat bün ick ock! Un wat büst du denn?

Peter. En olen Achtunveerdiger!   en echten Sleswig-Holsteener!   un en guden Dütschen!

Jochen. Ja!   Di hebbt se ock mit öwersluckt.

Peter. Na, hebbt wi unsen Herzog denn ock ni kregen, so hett dat ja wull na Gottes Willen so sin schullt!   Awers vun de Dän sünd wie dochen los, un mit to Dütschland sünd wi kam,   un dat hebbt wi de Preußen to verdanken!

Vierte Szene.

Berliner. Die Vorigen.

Berliner. (im schönsten Sonntagsstaat. In der Prosceniumsloge links, sich über die Brüstung lehnend. Wenn er angefangen zu sprechen, sehen Jochen und Peter nach ihm hin). Sieste, wo de biste? Ick bin en Berliner, un wat mein Oller is, der hat feste mit uf de Schanzen bei Düppel mit los jestürmt, det hat er!   und dadruff bin ick stolz als Berliner!

Sachse. Ei Herrcheses!   Kriß Gott, Perliner!

Berliner. Bon jour, Sachse!

Sachse. Ooch ä bissel hier?

Berliner. Yes! Wie de siehste! oui! ick mach' en Blauen!

Sachse. (vornehm). Und denn man unten ins Brozenium, fier zwee Mark finfzig in de vornehme Losche?

Berliner.

An so en Tag doch immer mit Pläsier,
Mag 't kosten, wat et will!

Sachse.

(Sich auf den Bauch schlagend.) Mer kostet's nischt!
Mich hat der Bauchenschläger mitgenomme.

Jochen. (gegen den Berliner, dahin sehend). Awers öwer'n Snabel nahmn hebbt ju uns doch! Un unrecht Gut weer dat.

Peter. Un dat seggst du als Sozialdemokrat?   de öwerhaupt keen Eegendom mehr kennt?!  

Stimme. (auf der Gallerie). Jochen, nu hol di stief.

Jochen. (dahinsehend). Ja, Eigentum is Diebstahl.

Peter. Ne!   Eegendom is dat, wat man sick op'n rechtmäßige Wis' dör Flit un rechtmäßige Arbeid verdeent hett.   Un, ock dat noch, wat sick op düsse Art vellicht ock all de Öllern oder Grotöllern erworben un op ehr Nafolgers verarvt hebbt.

Jochen. De Kommunismus is dat eenzig Wahre.

Peter. Unsinn! Denn mak' doch eerst mal de Menschen anners, als uns' Herrgott se makt hett.

Jochen. Dei't garni nödig!   Wi Sozialdemokraten sünd ja all de annern!

Peter. Und dochen nich anners als all wi annern!   Desülwigen Menschen ut densülwigen Klumpen Eer!   mit datsülwige lüttje Menschenhart mit all sin guden un sin slechten Siden,     mit sin Haß un sin Leevde, sin Leidenschaften un Begierden!     Dat de Welt so is, als se is, dar sünd wi Menschen an Schuld!   wi makt ehr so.   Un schull se anners warrn als se is, denn muß uns' Herrgott doch toerst dit Minschengeschlecht wedder vun ehr wegnehmen un ehr ganz annere, nie Menschen weddergeben!   Awers darum will ick likers ni bestriden, dat dat nich ock all en Land gifft, wo de Sozialdemokratie all för full an't Ruder is!    

Jochen (neugierig). So woneem is dat denn?   Wo is dat, Peter?  

Peter. Ja, woneem dat liggn dei't, dat kann ick di nu just so genau noch nich seggn. Awers ick weet dochen all ganz genau, wasücken als dat heeten deit!  

Jochen (neugierig). So? Dat weest du?   Denn fegg mi dat, Peter!   Segg mi dat!   Denn will ick utwannern.

Peter. Wullt du 't denn pattu vun mi weten?

Jochen. Ja, dat will ick, segg mi dat!

Peter. Dat Land   dat heet   Utopien!

Jochen macht unwillige Geberden und Bewegungen.

Berliner, Sachse (zugleich). Ha! Ha! Ha!

Sachse. Udobien! Ha, Ha, Ha!   Det is awer scheene Perliner, Udobien!  

Berliner. Det stimmt, Sachse!   wo die Jänse man so jleich jebraten durch die Jasse trippeln!

Peter. Un wenn nich allens drüggt, denn liggt dat am Enn wul op'n Mand!

Jochen. Wa so? op'n Mand? op'n Mand?

Peter. Wil he allemal, wenn wi em mal ördentlich to sehn kriegt, jümmers so vull un dick is, als wenn he 'n groten Fretbüdel un en groten Supjökel weer!

Sachse, Berliner (zugleich). Ha! Ha! Ha!

Peter. Ja, un wil he denn ock allemal mit sin dicken Pusbacken so swinplitsch un so smerig op uns hendal grient, als wenn he seggn wull: Hier is dat!   kamt hier man her!

Sachse, Berliner (zugleich). Ha! Ha! Ha!

Sachse. Buspacken, Perliner!

Berliner. Und swinplitsch, Sachse!   det is jut!

Sachse, Berliner (zugleich). Ha! Ha! Ha!

Jochen (aufgebracht laut). Meenst du denn, dat du mi optrecken kannst?!

Peter. Jochen, schall ick di mal war seggn? Op düsse Eer kann so'n Land doch ni liggn, denn darför paßt se nicht. Un een mutt dar dochen allemal öwer den annern stahn un so wit recken, als sin Arm denn nu mal langt, ob he en König is oder en Edelmann, en Fabrikherr oder en Meister, en Bur oder en Burknecht, en Werkmeister oder en Vörarbeider un en Arbeider.  

Jochen (aufgebracht). Arbeider!

Peter. Ja! Arbeider!   arbeiden möt se dochen all!

Sachse. Ei ne! Ei ne! awer so merschtendeels hat er doch keen Unrecht nicht, der Beder!   Mer in Sachsen sein doch ooch so änne sozialtemogratischer Pienegorp, awer unsern Genig und unsre Genigin ham mer doch! und unsere Fabrikherren ooch und unsere Meister und Gesellen.

Berliner. Na, und wir Berliner alleweil erst recht.   Herr Jottes, wenn wir so uff eenmal keenen König nich mehr hätten und keenen Kaiser nich mehr!   Ick möchte et ja nich beleben, Sachse! Janz Berlin würde ja uff die Koppe stehn und dämelig mit die Beene strampeln.

Peter (zu Jochen). Denn probeert dochen eerst mal ju System. Smit allens, wat ju verdeent un wat ju hebbt, mal in een Pütt, un diffedeert dat denn mal mit ebn so veel, als dar Andeel an hebbt, dat weer to'n minnsten doch mal so'n lütjen Anfang.

Jochen. Meenst du denn, dat dat so swar weer?

Peter. Dat will ick jüst ni seggt hebbn, wil't doch man blots en eenfaches Rekenexempel weer!   Awers gesetzt den Fall, du harrst denn nu noch een lüttje Kist Zigarren, de du dochen so bannig geern för di deholen möchst, und du versteckst ehr denn un smökst di denn so heemlich darvun,     denn weerst du ja all keen echten Sozialdemokrat mehr.

Sachse. Weß Kneppchen!   da hat er merschtendeels doch wieder mal keen Unrecht nich, der Beder!

Peter. Ja, heff ick ni?

Berliner. Ha! Ha! Ha! Ha! Wat is mich det aber doch für 'n Schlauberger! (zu Peter) Na, hören Sie mal, Sie oller Kampfjenosse, wenn der Jochen nun aber die Zigarren zum allgemeinen Besten ooch mit abliefern dähte,   wat denn aber?

Peter. Fallt em ja garnich in!   Denn müß ick Jochen ja ni kenn!

Berliner. Ha! Ha! Ha! Bravo, Sie oller Aujustenburger!

Sachse. Ei ne! Ei ne! Na heren Se mal, mei Kutester!

Peter. Ja, ick hör ja all!   Awers Jochen is ock ni dov.

Jochen (etwas erregt). Ick bün ock ni dov?! Wat wullt du darmit seggn?!

Peter. Ah, ick meen ja man!   De groten Versammlungen, wo du alle Näslank hinlöppst un dat Schimpen so mit anhörst.

Jochen. Schimpen? Wakeen schimpt dar denn?

Peter. Ju alltohopen!   de den Unsinn quatscht   un de dar Bravo ropt un Bifall klatscht!     Un wo ju am meisten op schimpen do't, dat is de Börgerstand.

Berliner. Siehste, Sachse? merkst de wat?   Nun kommt er ihm auch noch mit die Burschoisie!

Sachse. Na ewen!   mer verschtehn ihn schon!   weeß Kneppchen,   die Purkoasie!

Peter. Awers wo bleeben ju wul, wenn wi den Börgerstand ni harrn?   Wakeen gifft de meisten von ju denn de Arbeid un den Lohn? Un wakeen verhürt ju Dack und Fack?   Doch tomeist wul de Börgerstand,     de Bourgoisie, als ju em nömt   Un wenn de Not mal dar is, wakeen sünd de Eersten?   De Hölpers un de Plegers ut'n Börgerstand!  

Berliner. Yes!   Det stimmt, Sachse!

Sachse. Nu ewen!   yes! Perliner! die Purkoasie!

Peter. Un op ju Karten klevt he man so sin baares Geld,   Un wat för Armenlasten hett he to dregen!   Awers darför dankt ju em mit Undank un makt sin Ehrennam to en Schimpwort!   Mensch, wa dumm muß du we'n!

Jochen. Hm!   Dumm!     wenn du dat man ni büst!

Peter. Ja, dumm!   Un de dümmste vun all ju Dummheiten, dat is noch de mit de Frunslüd!

Jochen (unwillig). Wa so? Mit de Frunslüd?

Berliner. Nu paß man mal uff, Sachse! wat er da dermit wohl meinen duht!

Sachse. Ei ne! Perliner! Am Ende meent er die freie Liwe!  

Peter. Freie Liebe?!   Ja, dat 's ock so 'n Unsinn,   awers dar heff ick noch garni mal an dacht!   Ick meen de Frunslüd, dat se nu ock mit wähl'n un mit stimm'n schüllt, wenn dar mal en Wahl is. De hebbt ja so wie so all de Büxen an, un denn kriegt se dat eerst recht!  

Berliner. Ha! Ha! Ha! Die Büxen an! Det is jut!

Sachse. Wat heeßt denn det? Die Pixen an? Perliner?!

Berliner. Dat heeßt so ville, als Männeken kommt unter'm Pantoffel.

Sachse. Under'n Bandoffel?   Ei Herrcheses, ne! abrobo Perliner!   Awer da hat er doch merschtendeels wieder mal so Unrecht nich, der Beder!  

Peter. Ja, heff ick ni?!   De hebbt dat eerste un dat letzte Wort doch all so wie so!   un denn hebbt se dat eerst recht   paßt man blots mal op, wa gau se ju achter rut stimmt!   Wat wüllt ju Schapsköpp sick dar ock noch en Rod' binn för ju'n eegen Puckel!

Berliner. Ha! Ha! Ha! Det stimmt, Sachse, mulier taceat in ecclesia sagten schon die ollen Jriechen!

Sachse. Ne, die Remer, die Remer, Perliner!

Peter. Na, wakeen dat seggt hebbt, de hebbt dat nn mal seggt! dat makt ja wider nix ut!   (Zu Jochen.) Awers wat seggst du denn, Jochen? Du seggst ja gar nix mehr!

Jochen. Mit di,   mit di is ni to striden!

Peter. Un mit di eerst recht ni!

Jochen (aufstehend und sich ihm nähernd). Un du,   du büst en Fürstenknecht!

Peter (aufstehend und sich ihm ebenfalls nähernd). Un du, du büst en Dummbüdel!

Jochen (heftiger und lauter). Wat!   Fängst du nu ock noch an to schimpen?!  

Peter (heftiger, lauter). Du reizt mi ja!

Jochen (noch heftiger). Ne, du mi;   (Stehen drohend einander gegenüber, als wenn sie mit einander raufen wollten.)

Sachse (laut). Ei ne! ei ne! Herr Direkter!   Herr Direkter!   Sie kriegen sich, weeß Kneppchen,   noch bei die Keppe!

Jochen. Awers an di vergrip ick mi ni! Dar hol ick mi veel to gut to.

Peter. Un ick mi ock för di!

Jochen. Du heft dat letzte Wort!

Peter. Ne, du heft dat!

Jochen. Punktum! (Er setzt sich.)

Peter. Sand darop! (Setzt sich.)

Jochen. Oha!   Dar mutt ick eerst mal een op smöken. (Nimmt eine kurze Pfeife aus der Tasche und zündet sie sich an.)

Peter. Ick ock! (Macht es ebenso. Kurze Pause, während welcher beide rauchen.)

Jochen. Du, Peter!

Peter. Na, wat denn?

Jochen. Dat is hier mal still,   so langwilig!

Peter. Denn mak doch mal wedder Lärm, als vorhin!

Jochen. Nu warst du all wedder anzüglich!   Harrn wi doch man en beten Musik!

Peter. Denn bestell mal wat.   Die Marseilleise!

Jochen (aufgebracht). Nu stichelst du all wedder! (Er steht auf und wendet sich gegen das Orchester.) Spelt doch mal een op, ju ful'n Muskanten.

Peter. Ja, dar kannst du wat na luern!   Bi de Muskanten geiht allens na'n Takt, dat sünd taktvolle Menschen!   Wenn du awers in so'n Tonart mit se spreken dei'st, denn büst du taktlos.

Jochen. Lat doch dat ewige Sticheln na! (Er setzt sich.)

Peter. Warum büst du ock so plump? (aufstehend.) Süh', so mußt du dat maken. (Er wendet sich an den Kapellmeister.) Ach bitte, Herr Kapellmeister, wollen Sie nicht die Güte haben, uns mal einen aufzuspielen? (Der Kapellmeister greift nach seinem Taktstock, die Musiker greifen nach ihren Instrumenten.) Sühst du,   sühst du? nu do't se dat all!   Awers, bitte, so recht was Vergnügliches, was Freudiges, so was, was so recht zu die Stimmung paßt.   Ick freu mi so!       (setzt sich).

Jochen. Ick ock!   Ne!   ick bün argerlich!  

Musik: (eine Strophe des Liedes »An die Freude«.   Jochen und Peter stummes Spiel betreffend die Musik, die ihnen sehr gefällt. Unmittelbar nach Beendigung der Musik geht der zweite Vorhang rasch in die Höhe.   Winterlandschaft.)

Jochen (aufstehend, schnell). Na, wat is dat?!

Peter (aufstehend, schnell). Ja, nu geiht de Kummedi denn ja wul los!

Fünfte Szene.

Lätitia. Die Vorigen.

Lätitia (rasch von rechts auftretend. Kurzes griechisches, rosafarbenes und mit Rosen besetztes Gewand. Auf dem Haupte einen Kranz von Rosen.)

Jochen, Peter (zugleich)Ah!

(Beiden fällt vor Überraschung und Verwunderung die Pfeife aus dem Munde.)

Berliner.

Schau, Sachse, schau!

Sachse.

Ei Herrcheses! ne! Ei ne! ei ne!

Lätitia (zum Publikum).

Wir kennen uns,   habt ihr mich früher doch
In menschlicher Gestalt schon hier gesehn!

Jochen. Dat ick ni wüß.

Peter (freudig). Ja, ja!   Lätitia!

Sachse, Berliner (zugleich.) Läditiä?!

Lätitia.

Doch wenn ich körperlos, kennt ihr mich wohl
Viel besser noch und tragt nach mir Verlangen!
Dann bin ich ja des Menschen schönstes Gut
Hier, von der Wiege bis zum Grabe;   denn
Wo ich ihm lächle, blüht ihm ja das Glück,
Weil meines Daseins Wesen ist die Freude!

Jochen. Hm! Freude!

Peter. Nu swig doch still!

Jochen. Swig ja all!

Lätitia.

Auf Rosen wandle ich dahin;   denn wo
Mein Fuß berührt den Boden, sprießen sie!
Und Rosen, rote Rosen schmücken mich
Und blüh'n im duft'gen Kranz' um meine Stirn!  
Und daß ich heute wiederum vor euch
An diesem Tage und in dieser Stunde
In menschlicher Gestalt erscheine,   seht,
Das ist geschehn, weil ganz das Heute mein;  
Denn heute ist es ja ein Tag der Freude!

Peter (froh.) Ja, ja! ein Tag der Freude!

Jochen. Hm,   all als man dat nimmt. (Setzt sich.)

Berliner. Du, Sachse, weest du wat?

Sachse. Ick? ne, Perliner.   Na, wat weeste denn?

Berliner. Det Mächen zieht mich an, wie en Magnet!

Sachse. Weeß Kneppchen! mich ooch!     So eene zweete ham mer nich bei uns daheeme in ganz Sachsen nich,   wo doch sonst allemal, wie du weeste, die Mädchen uff de Beime wachse.

Jochen (ärgerlich zum Berliner und Sachsen). Snackt doch nich ümmer dazwischen!

Peter. Dat dei'st du ja ock!

Jochen (ärgerlich und laut). Un du eerst recht!

Lätitia (anfänglich zu Jochen).

Ich bitt euch, nicht so zänkisch sein!   Seht her,
Wie ich mich freue!   Freut euch doch mit mir!
Vom Fels zum Meer, durchs ganze deutsche Reich
Schallt heut des Volkes Jubel um mich her!
Und wie mich auch durch eure liebe Stadt
Des Holstenlandes meine Schwingen tragen,
Das habt ihr schon erschaut am frühen Morgen,
Mit ihrer Flaggen bunter Farbenpracht
Sie sich so schön geschmückt   und frohe Menschen
Die, meiner voll, durch ihre Gassen gehn!

Jochen (grunzt und räuspert sich). Hm! Hm! Hm!

Peter. Wat grunzt du denn all wedder?!

Jochen. Wat geiht di dat an?!

Lätitia.

Und da, wo eurem Kaiser auch ein Heim,
Ein liebes, trautes winkt, wenn müde er
Zurückkehrt aus dem Drange der Geschäfte
In sein Familienglück,   wo von der Stirn
Die Sorg' sein hold, viellieb Gemahl ihm nimmt.
Die, eine Fürstentochter dieses Landes,  

Peter (begeistert). Sin schönsten Edelsteen hett he ehr nömt!

Lätitia.

Und wo der vollen Rosenknospen sieben,
Zu einem Kranz, so wunderlieblich schön
Vereint, um beide blühn,   o, wie mag da,
Von meinem goldnen Sonnenschein verklärt,
Heut alles,   alles leuchten!      

Peter (freudig begeistert). Ja, alles leuchten!   (Nach der Mitte vorgehend und die Mütze schwenkend.) Hurra! de söß lüttjen fröhlichen Prinzen mit ehr roden Backen un hellen Ogen,   un dat lüttje Nestküken, de lüttje nüdliche Prinzessin, de schüllt leben, Hurra! (dreimaliger Orchestertusch, Lätitia, Peter, Sachse und Berliner dreimal mitrufend, während Jochen teilnahmslos sitzen geblieben.) (Zu Jochen.) Na?!   warum steihst denn nich op und röppst ni mit?   Wat hebbt de lüttjen unschulligen Kinner di da'n?

Jochen (nach kurzer Pause, gerührt). De lüttjen Kinner? Nix, gar nix hebbt se mi da'n!     Möchen alle Öllern, de dar Kinner hebbt, se to ehr Freud un Glück beholn!   Ick sülben heff ja ock doch Kinner!   un harr sogar noch een mehr als söben!   Doch dree darvun  

In söben Dag heff ick de dree begraben!  

(Er bedeckt mit den Händen das Gesicht und weint.)

Lätitia (tritt hinzu, ihm die Hand auf die Schulter legend).

Nicht weinen, lieber Mann, was weinst du denn?
Sieh her!   Sieh mir ins Aug'! Ich bin die Freude!
Und meine schöne Schwester ist die Liebe!
Ich lindere dir den herben Schmerz;   es gibt
Dafür kein bess'res Mittel als die Freude!
Auch einen teuren Bruder haben wir,
Das ist der Glaube,   der dem Menschen ja
Den Mut verleiht, das Schwerste zu ertragen!
(Darauf wieder zurückgehend.)

Peter (zum Publikum, schnell). Vellicht is dat de rechte Sted'?!

Jochen (weich) Lieber Mann,   nicht weinen!   Wa week se dat sä! un wa sanft un tröstlich!   Un wa. leevlich se is!   un wa schön!   wa schön!   un, as se mi de Hand hier so op de Schuller leggt, dar weer mi dat ja rein, als wenn dar en hitten Strom dör min Hart gung und all dat Is darum all smölten wull!       Ja, wenn ick mi man freuen kunn!   Awers, ick kann mi ja man ni mehr freuen!   mi is sitdem de ganze Welt toweddern, un vundag, wo alle Lüd so fröhlich sünd, eerst recht!  

Peter (zum Publikum). Hier sla ick en Haken in!   (Zu Jochen.) Denn is di ock ni mehr to hölpen! En Mensch, de sick ni mehr freuen kann, de hett ock keen Religion mehr.

Jochen. Wakeen seggt dat?

Peter. Dat segg ick.   Dat kummt allens vun din verdreihten Ansichten her!   De Religion is jüm ja ock man Nebensak.

Jochen. Privatsak! Privatsak!

Peter. Na, Privatsak oder Nebensak!   Wat is dar in düssen Fall wull noch för'n Ünnerscheed?! De se ni mag un den se ni gefallt, wil se em't in't Gewissen redt, de smitt ehr eenfach vun sick, für den is se Nebensak.

Jochen (erregt aufspringend). Privatsak heff ick seggt   Swig still, dat mi de Gall nich öwerlöppt!

Peter. Ick swig ja all. (Jochen setzt sich wieder.)

Lätitia.

Aber ihr müßt mich nicht immer stören,
Ihr trübt mir ja den schönen Augenblick,
Wo der Begeistrung Flamme in mir lodert.
Und du,   du wirst so wild und böse oft,
Daß ich mich fürchte und von meiner Lippe
Das sonst so flücht'ge Wort nicht weiter will.
(Nach der Kulisse rechts sehend, die andern gleichfalls).
Ah, dort!   was seh ich?   Hülfe, die mir naht!
Frau Kilia!

Sechste Szene.

Kilia. Die Vorigen.

Kilia. von rechts auftretend.

Berliner. Frau Kilia?!

Sachse. (zugleich). Vrau Gilia?!

Berliner.

Nu brat' mir aber eener eenen Storch!

Peter (froh, schnell.) Wahrhaftig, ja se is't!

Jochen (schnell.) Dat harr 'ck ni dacht!

Kilia.

Lätitia, du lieblich Kind, du Süße!
Ich grüß und küsse (sie küssend) dich; denn ganz von dir
Ist heut' das Herz mir voll!

Lätitia.

Dann sprich du weiter
Und schütte meines mit dem deinen aus
Zum Preise dieses Tags!   Ich fürchte mich
(nach Jochen zeigend)
Vor diesem da!   Er schaut so finster drein,
Als wär' er mit der ganzen Welt zerfallen!

Jochen. Dat is ni wahr!   Doch man blots mit min Meister!

Kilia. Sch! Sch! Dich fürcht' ich nicht, du bist ein Kieler!

Jochen. Ja, dat bün ick!

Peter (froh). Un ick doch ock!   en echten Kieler Jung!

Berliner. So halb und halb sein wirs doch ooch schon, Sachse!

Sachse. So halb und halb, weeß Kneppchen,   ja, det schtimmt. Schon merschtendeels Vrau Gilia ihre Ginder

Kilia.

So hört denn auf die Worte eurer Mutter!
Lätitia schweigt,   und freudig fahr' ich fort,
(auf Lätitia zeigend.)
Von ihr begeistert und zum Preise dem,
Dem heut' zum fünften mal als deutschem Kaiser
Im Zeitenfluge jener Tag genaht,
An welchem einst vor vierunddreißig Jahren
Derselbe, dem wir all das Leben danken,
Auch ihn in dieses Erdenleben rief.
(Während des folgenden Prologs ist stummes Spiel des Berliners und des Sachsen, am meisten Lätitia, doch auch Kilia und Jochen betreffend.)

Berliner. Du, Sachse!

Sachse. Perliner!

Berliner (auf Lätitia zeigend). Ick schweb' im siebenten Himmel!

Sachse. Mer schwebe ooch!

Berliner. Die lad' ick mir nachher zu Ball, bei Wriedt!

Sachse. Den erschten Danz mit ihr;

Berliner. Ne, ick den ersten!

Sachse. Na, denn den zweeten danze ick mit ihr,
Und fiehr' sie alleweil denn ooch ze Disch!

Berliner. Det möchste wohl,   Det Vorrecht habe ick.

Sachse.

So deile mir uns d'rein.   Ich sitze links,
Du rechts und die Läditia in der Midde,
Dadrum, weil se Läditia is, de Freide!
So ham mer beede zwee ja Deil daran!

Berliner. Det laß ick mir jefallen! ja, det stimmt!
Und daderum denn nu man ruff zu ihr!

Sachse. Man ruff ze ihr, daß mer sie ankaschiere!

(Beide ab.)

Kilia.

Ihr wißt, wie trüb' und dunkel war die Zeit,
Wo ihm an seines teuren Vaters Statt,
Des Unvergeßlichen, beschieden war,
Alldeutschlands kaiserlicher Herr zu sein.  
Zwei Kaiser tot in einem Jahr'!   und wie
Noch edlere nicht das deutsche Volk gehabt.

Lätitia (freudig, begeistert). Noch edlere nicht!

Peter. Ja, Ja!

Berliner. (zugleich). Det stimmt!

Peter (zu Jochen). Meenst du't nich ock, Jochen?

Jochen. Dat lat't!   Wat kümmert't mi?!

Kilia.

Doch Trost und Hoffnung kam zur selben Stunde,
Wo, starken Armes und mit fester Hand,
Das Doppelzepter, das umflorte, hielt
Zum erstenmal der Enkel und der Sohn!
Ihr habt die Worte alle ja gehört,
Die aus der Tiefe seines edlen Herzens
Er an sein teures, deutsches Volk gerichtet!  
Und unvergeßlich bleibt auch das zumal,
Was allen er verheißen und gesagt,
Die, treu in seinem Dienst' die Waffen tragend,
Die ersten Hüter jenes Kleinods sind,
Des Träger er,   der deutschen Kaiserkrone.

Lätitia (freudig, begeistert). Der deutschen Kaiserkrone.

Peter. Ja, ja! Sin beiden Proklamatschonen »An mein Volk!«   un »An min Heer!«

(Sachse und Berliner treten auf).

Jochen. Snack doch nich ümmer dartwischen!

Peter. Nimm di man sülben bi de Näs!

Jochen (laut und aufgebracht). Ne, du!

Peter (laut und aufgebracht). Ne, du!

Sachse. Schon wieder diese zwee sich in die Haare!

Berliner. Det Maul jehalten! Muttern hat det Wort!

(Berliner und Sachse gehen nach links hinüber, wo die Lätitia steht, mit der sie stummes Spiel machen. Zuerst versuchen beide sie zu engagieren und nachher schneiden beide ihr, eifersüchtig auf einander, Cour.)

Kilia.

Schon gut!   So dann und wann gestatt ich gern
Das Wort euch mal, weil ihr ja meine Kinder!
Doch nun erinnert euch, wie er gehalten
Sein kaiserliches Wort   und was er alles
Seit jener Zeit, wo er so mutig nun
Der Doppelkrone schwere Bürde trägt,
Zum Besten seines Reichs und Volks getan.

Lätitia (freudig, begeistert). Zum Besten seines Reichs und Volks getan.

Peter. Wakeen kunn dat vergeten?!   Ja, dat's wahr!

Kilia.

Noch schmerzbelastet, gönnte er sich nicht
Die Ruhe der Erholung,   kam er schon
Zu uns, von hier die erste Meerfahrt freudig
Zu unternehmen, einsichtsreich erwägend,
Daß seiner Energie es möglich sei,
Die Wolken zu zerstreu'n, die, Unheil drohend,
Im fernen Osten sich emporgetürmt!

Jochen. Na, ja!   Dat is wul so!   Awers sünd wi mit de Franzosen farrig wurrn, denn warrn wi't ock wull mit de Kosaken.

Berliner. Die erste Meerfahrt, Sachse, weeßt du noch!

Sachse. Weeß Kneppchen, weeß ich's!   hab'n mer's doch geschaut.

Peter. Weer dat en Dag för Kiel!

Kilia.

Und voll und ganz gelang das schöne Werk
Des Friedens und der Freundschaft,   Und ihr wißt,
Wie nun unausgesetzt gar lange Zeit,
Zu Land und Wasser, allenthalben, wo
Sein hoher Einfluß es erheischen mochte,
Persönlich unser kaiserlicher Herr
Dem deutschen Reiche und dem deutschen Volk'
Das höchste Gut zu sichern, tätig war,
Den goldnen Frieden!

Lätitia (freudig, begeistert). Den goldnen Frieden!

Peter (zu Jochen). Na, wat seggst du nu?!

Jochen. Na ja! Dat will ick ock jüst ni bestriden! Awer all de Reisen, wat hebbt de wul för'n Geld kost!

Berliner. Det Jeld spielt doch forn Kaiser keene Rolle!

Sachse. Und imbonieren misse mer die Velker!

Kilia.

Das sollt' ich meinen!   Und ihr alle wißt,
Wie er im gleichen Sinne tätig war
Auch für den innern Frieden seines Reichs!
Das können selbst auch die nicht leugnen, die
Stets Zwietracht anzuschüren sich beflissen
(Jochen wird unruhig, erregt, rollt mit den Augen.)
Und so die heil'ge Ordnung untergrabend,
Doch ihres Kaisers ärgste Feinde sind.

Peter (schadenfroh). Dar kreeg hee't awer dick! Dat schadt em nix!

Berliner. Nu schau mal, Sachs, wie rollt er mit die Oogen!

Sachse. Weeß Kneppchen! Ja! Als gummt schon än Kewidder!

Jochen (zu Peter) Meen se mi damit, Peter? Meen se mi damit? (aufspringend zur Kilia) Wat schull dat heeten? Weer dat münzt op mi? (noch mehr gereizt) Wat wull se damit seggn?

Sachse (ängstlich). Herr Direkter! Herr Direkter! Er wird schon wieder witerig, der Jochen!

Kilia. Spricht denn ein Kind mit seiner Mutter so?

Jochen (sehr böse) Ick sei keen Zwiedracht!   Ick heff mi ja man blots mal mit min Meister vertörnt!   Un ick,   ick ünnergrav keen Ordnung!   Un ick,   ick bün unsern Kaiser sin ärgsten Fiend doch nich!

Peter (zum Publikum). Gott Lof! Nu ward he wedder vernünftig.

Kilia.

Nun, das ist brav von dir!   Doch hör' mich weiter.
Zu solchem edlen Friedenswerk' vor allem,
Recht in der Mitte seines Volks gehört
Ja jenes herrliche und große Werk,
Das schon begann der alte teure Kaiser,
Das Werk für jene, deren fleiß'ge Hände
Von Schwielen hart, verkündigen, daß sie
Im Zwang' der körperlichen Arbeit steh'n!    
So unser hoher, kaiserlicher Herr
Als Friedensfürst nach innen und nach außen!

Lätitia (freudig, begeistert).

Als Friedensfürst nach innen und nach außen!

Berliner.

Yes! oui! Det schtimmt!

Sachse.

Als Vriedensfärscht!   wi sehre!

Kilia.

Und willst du Frieden, halt' dich kriegsbereit!
Auch jenes große Werk hat er vollendet,
Das ihm die beiden Väter noch nicht ganz
Vollendet hinterließen!   Welches Heer
Von all den andern auf der Welt vermöchte
Den Sieg der Feldschlacht uns'rer Landarmee
Wohl heut' noch zu entreißen?    

Jochen. Dat lett sick allerdings ni bestrieden! Ick bün dar anno söbndig un eenunsöbndig ja ock mit bi wesen!

Peter. Un ick all achteinhunnertachtunveerdig!

Jochen. Junge, Junge, wat hebbt wi se awers verneiht, de Parlewus!

Peter. Un wi de Hannemänner, Junge! Junge!

Kilia.

Und wie so prächtig, stolz und schön und hehr
Des teuren Kaisers zweite Macht und Wehr!
Ich meine das Dreikaiserwerk: die Flotte!

Lätitia (freudig, begeistert). Die Flotte!

Sachse, Berliner (zugleich). Die Flotte!

Peter (begeistert). Ja, de Flott!

Kilia.

Wie oft schon hat sie ihre Treu' bewährt
Im Sturm und Drang bis in den Tod hinein!

Peter. Ja, dat schull ick meen.   Hett se nich, Jochen?

Jochen. Dat kann ick just ni bestrieden! Ja, dat hett se wul!

Peter. Denk' doch man blots mal an Kamerun!

Berliner. An Sansibar, Samoa, Apia!

Sachse. Und wie die andern Namen alle heeßen!

Kilia.

Nun ist der deutsche Kaiser Admiral!

Lätitia (freudig begeistert). Der deutsche Kaiser Admiral!

Berliner, Sachse, Peter (zugleich und die Kopfbedeckung schwingend). Hurra!

Kilia.

Und wie er seine Flotte liebt und, was
Er alles für sie tut, das wissen wir,
Wir Kieler ja noch mehr als all' die andern!
Und wenn einmal der kaiserliche Ruf
An sie ergehen sollte in der Not,  
Mit ihrem vielgeliebten Prinzen würde
Sie sicher dann, den andern ebenbürtig,
Für ihren teuren, kaiserlichen Herrn
Des Lorbeers grüne Siegeskränze flechten.

Lätitia (freudig, begeistert). Des Lorbeers grüne Siegeskränze flechten!

Peter. Ja, seker!

Sachse. Ei ne! ei ne! Wat sagst du nu, Perliner?

Berliner.

Ick sage: Allemal! na, ob und wie!
Da kannste Jift druf nehm'n, mein lieber Sachse!

Kilia.

Und freudig sei auch dessen noch gedacht,
Was unserm teuren Kaiser ja so sehr
Am Herzen liegt!   O, seht doch, wie da blüh'n
Im Segen goldnen Friedens    

Lätitia (freudig, begeistert). Im Segen goldnen Friedens!

Kilia.

ringsumher
Und unter seiner Weisheit Schirm und Schutz
Die Landwirtschaft,   der Handel,   das Gewerbe,  
Die Wissenschaft und Kunst,   zu aller Freude!

Lätitia (freudig, begeistert). Zu aller Freude!

Kilia.

Wie hoch schätzt er nicht solche Stätte auch,
Wo euch mit ihrem Spiel' erfreu'n die Musen!

Berliner. Ja, det dut er!   du, Sachse,   und det find' ick jerade so jemietlich von ihm, so, wie er die estimiert!

Sachse. Nu ewen! die Kinstler!   Desderwegen schwärmen sie ooch alle so vor ihn!

Kilia.

Das sollt' ein jeder anerkennend rühmen,
Wie ihr es tut!   Ja, ihr habt Recht!   Noch hatten
Die Deutschen keinen Kaiser, welcher so
Begeistert für die Kunst und alles Schöne,
Die Künstler ehrte!    

Lätitia.

(Nach der Koulisse rechts zeigend, verwundert).

A! A! was ist das?
O, schau, Frau Kilia, schau doch schnell mal hin!

(Alle schauen dahin!)

Kilia.

Das sind ja Leute von der Flotte!

Peter.

Wat?
Mariners? Ja, wahrhaftig!  

Berliner.

Nu schau mal, Sachse, is et nich en Pracht?

Sachse.

Weeß Kneppchen, all' so brobber wie der Schnee

Peter (Zu Jochen).

Kiek, Jochen, wat för'n Staat!

Jochen.

Der Deutscher hal!   Du, Peter, un vellicht
Min Swestersöhn, de Heine, mit dartwischen.
Dat weer en Spaß!

Peter.

Dat kann man garni weten!

Lätitia (zur Kilia).

Sei liebreich gegen sie!   Was sie bewegt
Hierherzukommen, ist wohl auch die Freude!

Kilia. (nach der Kulisse rechts winkend).

Kommt nur! kommt nur! Ihr seid uns all' willkommen!

Siebente Szene.

Matrosen, darunter ein Bootsmannsmaat. Die Vorigen.

Bootsmannsmaat.

Da sind wir denn!   Und danken dir's von Herzen!

Ein Matrose (zu Jochen).

Süh, Onkel Jochen! (Gibt ihm die Hand.)

Jochen.

Heff ick mi't ni dacht?!

Peter.

Jung, Heine, dat's ja lustig!   Awer du,
Spelt ju denn ock all mit?   Wat wüllt ju hier?

Matrose.

Heff man en Ogenblick Geduld, bit't kummt!

Bootsmannsmaat.

(Zieht die Mütze und verbeugt sich vor Kilia.)

Frau Kilia!

Sachse.

Da kummt et schon!   Der Erschte zieht das Käppchen
Und macht 'nen Kratzfuß vor Frau Gilia!

Kilia.

Nun, was ist dein Begehr?

Bootsmannsmaat.

Zuvor ein Wort!

Kilia.

So sprich,   von Herzen gern!

Lätitia (freudig, begeistert).

Von Herzen gern!

Bootsmannsmaat.

Frau Kilia, wie bist du schön geworden,
Du alte Holstenstadt am Ostseestrand',
Seitdem das deutsche Volk die Flotte hat
Und sich auf deiner Föhrde grüner Flut
Die mächt'gen, stolzen Panzer reihen und
Jenseits die Schlote dampfen   und die Hämmer
Im regen Fleiße geh'n, bis wieder mal
Vom Helg'n herab ein stolzer Panzer gleitet!  
Auf deines alten Schlosses Zinne rauscht
Die prinzliche Standarte.   Und der Prinz
Ein Bürger deiner Stadt   und bald einmal
Der deutschen Flotte erster Admiral!

Peter.

Ja, dat is klar!

Jochen.

Dat lett sick ni bestrieden!

Bootsmannsmaat.

Ist nun mal Not am Mann, so führt der Kaiser
Die Landarmee!   Und glorreich, wie die Väter!

Kilia.

Das sollt ich meinen!   Und der Prinz, sein Bruder,
Die Macht zur See!    

Bootsmannsmaat.

Und alle wir dabei!
Und sicherlich zum Ruhme und zum Siege!  

Kilia.

Du sprichst mir aus dem Herzen!

Lätitia (freudig, begeistert).

Und auch mir!

Peter (herzlich).

Mi ock! (Zu Jochen). Un di doch ock wul Jochen, wat?

Jochen.

Wa kannst noch fragen?!   Mi nich minner, ja!
Ne, wat för'n stramme Jungs!   un wat för'n Staat,
Un wat för'n Freud! Un wat för'n Frunslüd, Peter!
De Lüttj' dar un de Grote, wat för'n Frunslüd!
Un wat för'n Freud!  

Peter.

Dat is nett, Jochen! Dat mag ick liden vun di!
Süh, nu heff ick ock noch en lütt Geschenk för unsen
Herrn Kaiser to sin Geburtsdag!

Jochen.

Du, wat denn, Peter? wat denn?

Peter.

Ja, süh,   nu schenk ick em een, de dar Jochen heet, un dat büst du!

Jochen (ablehnend).

A!   A, du!

Peter.

Ick kann di garni seggn, wa mi dat freut!

Lätitia (herzlich).

Mich auch!   nun ist er ja nicht mehr so böse!

Kilia. (zur Lätitia).

Lätitia, auch diese Freude noch
Zu all den andern, die der Tag uns brachte!  
Lätitia, mein Kind, wie hold bist du,
Wie süß ist deine Nähe!

Bootsmannsmaat.

Ja, wie süß!
Auch unsre Herzen sind ja voll von ihr!

Lätitia (freudig, begeistert).

Von mir!

Bootsmannsmaat.

Wie sie es damals waren, als das Glück
Uns ward zuteil, auf unserm Kaiserschiff',
Der »Hohenzollern«, mit im Dienst zu sein,
Als sie, von unserm Prinzen kommandiert,
An Bord den Kaiser in die Ostsee fuhr,
Frau Kilia, aus deinem schönen Hafen!

Kilia.

Mir unvergeßlich bleibt der schöne Tag!

Lätitia.

Und mir erst recht!

Berliner.

Und wir sind damals ooch dabei jewesen,
Der Sachs und ick.

Sachse.

Det soll ick meen'n, und wie!  

Peter (zu Jochen)

Na Jochen, wi doch ock?

Jochen.

Wa kannst noch fragen? Peter,   Peter, kumm!
Kum hier heröwer! (Peter geht hinüber,
Jochen reicht ihm die Hand.)
Süh, dar hest min Hand!
Wi wüllt uns nu nich eemal mehr vertör'n!

Kilia.

Und wie Lätita unter uns,
War sie es damals auch, die süße Freude!

Bootsmannsmaat (begeistert).

Und Kaiser Wilhelms erste Meerfahrt war,
Von allen, die ihr folgten, doch die schönste!

Kilia.

Die schönste ja!   weil sie die Wolken teilte,
Die in der Ferne schon sich aufgetürmt!

Bootsmannsmaat (begeistert).

Und weil sie uns und unserem Beruf'
Und unsers Reiches zweiter Macht, der Flotte,
So ganz und gar das Kaiserherz gewonnen!

Lätitia (freudig, begeistert).

Das Kaiserherz gewonnen!

Bootsmannsmaat.

Und einen Leutnant hatten wir an Bord
Der war Poet und hat in einem Liede
Des Kaisers erste Meerfahrt hübsch besungen!

Berliner.

Ein Leutnant, Sachse! Siehste, wo du biste!

Sachse.

Weeß Kneppchen! Was die Leutnants alles kinnen!

Bootsmannsmaat.

Nun wollen wir, Frau Kilia, dich bitten,
Und dich, Lätitia, du süße Freude,
Ihr wolltet beide freundlich uns gestatten,
Zum Preife unsers kaiserlichen Herrn
Und auch zugleich zur Feier dieses Tages
Das Lied euch vorzusingen.

Kilia.

O, wie gern
Gestatt ich das! (Zu Lätitia.) Lätitia nicht minder!

Lätitia (freudig).

Ich auch, wie gern!

Kilia.

Wohlan, so singt es denn!

Bootsmannsmaat (zu den andern).

Na, Jungens, denn man los!
(zur Kilia.) Das Lied es steigt!

 

Vorspiel.

Bootsmannsmaat (singt).

Als Kaiser Wilhelms erste Meerfahrt war,
Wie ließ da die Hohenzollern,
An deren Großmast' hing der Kaiseraar,
Den König Dampf erbrausen und kollern!
Das war ein herrlicher Kaiserzug,
Den die Möwen jauchzend umflogen,
/: Und wie froh aufschäumte das Meer am Bug
Und bekränzte das Schiff, das es trug,
Mit den grünen, weißblühenden Wogen!:/

Bootsmannsmaat.

(Nach Anfang dieser Strophe schleicht Lätitia unbemerkt davon.)

Und von des Zollernschiffs Kommandobrück'
Auf die stolze Flotte hernieder,
Zwei Hohenzollern schaun im vollen Glück',
Zwei Kaisersöhne und zwei Brüder!
Der Kaiseraar hoch drüber wie am Turm!
Welch ein Schauspiel dem Meeresgotte!
|: Kaiser Wilhelm in Admiralsuniform!  
Und Prinz Heinrich ihn führend durch den Sturm
Mit dem Kaiserschiff und der Flotte!:|

Sachse (nach dem Gesang).

Ei Herrcheses, Perliner, nu is des Mädchen weg,
Die Lätitia, die Freide!

Berliner, Peter, Jochen (zugleich). Wat?

Berliner.

Mir nach, Sachse, det wir se jreifen! (Links ab.)

Sachse.

Dich nach! (Links ab.)

Peter.

Kumm, Jochen, mitgriepen!

Jochen.

Ja, mitgriepen! (Beide eilen links ab.)

Kilia.

Nur weiter, weiter! Daß ich alles höre!

 

Vorspiel.

Bootsmannsmaat. (singt).

Und jeder weiß, es war vor Jahren mal,
Was wir erstrebten, aller Welt zum Spotte!
Nun ist der deutsche Kaiser Admiral!
Und sein die stolze, schöne deutsche Flotte!
Und kräht mal wieder der gallische Hahn
Und ruft Alldeutschland zum Kriege,
|:Im weiten Felde und auf hoher See alsdann
Zwei Hohenzollern dem deutschen Volk voran!
Und so geht es zum Kampf' und zum Siege!:|

Kilia. (nach dem Gesang).

Zum Kampf' und Siege, wenn es sein muß, ja!
Doch sei der blutge Krieg dem deutschen Volke
Noch lange fern!   Und schenk' noch lange ihm
Sein Gott den goldnen Frieden!   Segne er
Das deutsche Kaiserhaus, das deutsche Reich!
Und dankerfüllten Herzens ruft es nun
Und freudig alle mit:
Heil unserm Kaiser!

(Dreimaliger Orchestertusch.)

(Der Hintergrund geht in die Höhe. Großes Gruppenbild mit bengalischer Beleuchtung)

Hymne.

(Alle singen.)

Kaiser und König dir
Wünschen das Beste wir!
Werd's dir zuteil!
Dir sei Lätitia
Allzeit und immer nah!
Dir und Germania
Segen und Heil!

(Der Vorhang fällt)

(Nach Wiederaufgehen desselben bleibt die Bühne jedesmal so lange offen, bis obige Strophe unter Begleitung des Orchesters aufs neue ganz zu Ende gesungen.)


 << zurück weiter >>