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Lätitia.

Festspiel mit Gesang in einem Akt.
Musik arrangiert und komponiert
von
L. Friedr. Witt.

Zur Feier des allerhöchsten Geburtstages
Sr. Majestät Wilhelm II.,
Deutschen Kaisers und Königs von Preußen,
aufgeführt im Stadttheater zu Kiel
in der ersten Bearbeitung am 26., 27. und 30. Januar 1889,
in der vorliegenden am 23. und 27. Februar 1890.

Personen.

Lätitia.

Apoll.

Suecia.

Dania.

Austria.

Italia.

Russia.

Tristitia.

Erster Matrose.

Zweiter Matrose.

Dritter Matrose.

Vierter Matrose.

Unteroffizier Piffke.

Bell.

Erster Student.

Zweiter Student.

Erster Bürger.

Zweiter Bürger.

Erster Handwerker.

Zweiter Handwerker.

Ein Bauer.

Germania.

Borussia.

Dekoration:

Die Bühne stellt eine Waldlandschaft dar, etwa drei Kulissen tief, so daß weiter zurück noch genügend Platz für das große Gruppenbild der letzten Szene übrig bleibt.

(Rechts und links immer vom Zuschauer aus.)

Vorspiel.

Musik: »Freude, schöner Götterfunken!«

(Nachdem die Melodie einmal durchgespielt, geht der Vorhang rasch in die Höhe.)

1. Szene.

Lätitia.

(Rasch von rechts auftretend, mit dithyrambischer Begeisterung.)

Ich bin die Freude!   Die Freude!!   Lätitia!  
Und jubelnd ringsum feiert vom Fels zum Meer
Das deutsche Volk den Tag der Freude!
Seht,   und da bin ich, weil mein die Stunden!
Und unverweilt
Durch die Gassen der Stadt bin ich geeilt,
Die geschmückt sich so ganz
Nun mit festlichem Glanz,
Und mir allerwärts
Freudig geweiht hat ihr pochendes Herz!
Und nun ich alles geseh'n und vernommen,
Was so froh sich entfaltet
Und so herrlich gestaltet,
Wo mein süßer, mein himmlischer Zauber waltet,
Bin ich hierher gekommen,
Wo die Kamönen
Dienen der Kunst,
Der ewig schönen,
Und sich erfreuen Apollos Gunst!
Auch hier bin ich heute die Königin!
Auch hier will ich heute das Szepter halten
Und nach meinem Sinn
Die Feier gestalten!
Ja! Ja!
So soll es sein!
Apoll, dich rufet Lätitia!
Deine heilige Stätte die meine!
Sieh', ich harre dein,
Hier im grünen Hain
Und bitt' dich, erschein' mir, erscheine!

Musik: »Der frei'sten Mütter freie Söhne.«
Mendelssohn: »An die Künstler.«

2. Szene.

Lätitia. Apoll.

Apoll.

(Von rechts kommend.)

Du riefest mich und gern erschein ich dir;
Denn wo die Kunst ist, weilet auch die Freude!  
Nun aber sag', was wünschest du von mir?

Lätitia.

Dich selbst und deine Musen heute, du strahlender Gott,
Zu feiern auch hier den herrlichen Tag,
So froh, als eure Kunst es vermag!

Apoll.

Wär's nicht dein Ernst, es klänge mir wie Spott!
Mir das zu sagen, dem Musengott!
Wo mehr, als hier mit uns im Bunde,
Feiert das Volk ihn zu dieser Stunde?!

Lätitia.

Und doch ist hier noch nichts gescheh'n!

Apoll.

Grünt denn der Wald nicht, wo wir steh'n?
Hat sich denn nicht gefüllt die Runde?
Und hängen nicht an unserm Munde,
Die froh wir hier versammelt seh'n?!

Musik: Zapfenstreich.

(Aus der Ferne näher kommend und dann wiederverklingend.)

Lätitia.

Horch! was ist das?   gar lustge, Klänge?!
Musik   und wilder Lärm zugleich?!

Apoll.

Da draußen folget im Gedränge
Die Menge froh dem Zapfenstreich'!

Lätitia.

Nun kommt es gar durch uns're Gasse!  
Und wenn die Türen offen steh'n,  

Apoll.

Vielleicht wird von der großen Masse
Ein Teil noch in's Theater geh'n.

Lätitia.

Das würde unserm Fest' nicht frommen,
Verwehre ihnen diesen Ort!
Wenn sie so laut dazwischen kommen,
Wär' aller Ernst der Feier fort!

Apoll.

Und das sagst du?   Und bist die Freude,
Die heut' das Szepter führt allein?!
(Nach der Koulisse rechts rufend.)
Herein! Herein! Ihr lieben Leute!
Ihr sollt mir all' willkommen sein!

Lätitia.

Sie kommen!   Es ist dein Verschulden!

Apoll.

Und keinen laß ich wieder fort!
Lätitia mag sich gedulden,  
Die Freude hat allein das Wort!  

3. Szene.

Lätitia. Apoll. Studenten. Bürger. Handwerker. Bauer.

Erster Bürger.

(Zu Apoll.)

Entschuldigen Sie, Verehrtester!   Da sind wir wohl durch die verkehrte Tür gekommen?!

Die andern.

Na, das ist gut!

Erster Handwerker.

Da war so ein verflixtes Frauenzimmer da vorn,   in einem langen Gewande und mit einer Maske in der Hand!

Zweiter Bürger.

Aber hübsch war sie doch, und gar lustig sah sie aus!

Die andern.

Hübsch und lustig!

Apoll.

Kein Wunder!   Doch ihr habt sie nicht erkannt?

Die andern.

Nein!

Zweiter Handwerker.

Hier nur hinein! sagte sie,   na, und da sind wir nun!

Erster Bürger.

Aber wir wollten doch ins Parterre,   und hier ist ja die Bühne!

Die andern.

Ja, ins Parterre!

Apoll.

Schon gut! ihr werdet's nicht bereu'n,   ihr seid
Uns all' willkommen!   Rief ich euch nicht selbst?!
Ich bin Apoll!

Die andern.

Apoll?!

Apoll.

Und die euch allen
Den Streich gespielt und euch zu mir gesandt,
Thalia war es, meine heitre Muse!

Erster Handwerker.

Nein, diese Mamsell!   Na, lustig ist es doch!   Aber wo sind denn unsere beiden lustigen Brüder Studio aus Berlin geblieben?

Bauer.

Dat weern en paar fidele Pommern! echte Stettiner Jungs!   Ja wahrhaftig, de sünd ja gar nich mit herin kamen!

Zweiter Handwerker.

Die hat das schmucke Frauenzimmer da vorn uns denn wohl gleich schon mal weggekapert!

(Zwei Studenten treten von rechts auf.)

Bauer.

A, de Studenten!   da sünd se doch!

4. Szene.

Zwei Studenten. Die Vorigen.

Erster Student.

Pardon,   wir sind verkehrt!   Ha, was ist das?!
Vivat Apoll!   der Musengott soll leben!

Apoll.

Es dankt Apoll dem lust'gen Musensohn'!

Zweiter Student.

(Auf Lätitia zeigend.)

Und sie da! die da!   Vivat hoch daneben!
Wer ist die Holde?

Apoll.

Kennt ihr sie nicht schon?
Und doch beherrscht sie euch schon alle beide
Und auch die andern all!   Lätitia ist's

Die andern.

Lätitia?!

Beide Studenten.

Lätitia, o du himmlisch süße Freude!

Lätitia.

Ja, ja!   Ich bin's!   Und was euch heut' so froh
Das Herz bewegt,   was könnt' es anderes sein
Als meines Geistes himmlische Gewalt,
In dessen Bann ihr alle?!   Ist's nicht so?!

Erster Student.

So ist es!   Ungeheure Heiterkeit!
Und heut' regieret eine nur,   die Freude!
Wer dies bezweifeln und bestreiten wollte  

Bauer.

Ja, wer das bezweifeln wollte,   de weer ja ni wert, dat em de Sünn beschien!

Erster Student.

Recht so, mein lieber Ackerbürger!

Die andern.

Recht so!

Bauer.

Ja, dat schull ick doch man meen! Op unsen leewen
Herrn Kaiser sin Geburtstag?! Krüzfidel wüllt wi ween!

Zweiter Handwerker.

Ja, kreuzfidel! Wie wir das allemal waren, wenn des alten Kaiser Wilhelm Geburtstag war! Und der Apfel fällt auch nicht weit vom Stamm'.

Erster Bürger.

Das tut er nicht! Kaiser Wilhelm, der Siegreiche, war ja auch sein Großvater, und Kaiser Friedrich, unser zweiter Siegfried, sein Vater! Er hat es von beiden!

Zweiter Bürger.

Das hat er! Und gedient hat er von der Picke auf!   Zuerst bei der Garde zu Fuß und dann bei der Garde zu Pferde!

Bauer.

Dat schull ick meen!   Als min Klas bi de Garr stunn, weer Prinz Wilhelm sin Major!   Den Jung is dat Hart noch vull davon!

Erster Handwerker.

Na, und in Kassel ist er doch auch gewesen! Er und sein Bruder Prinz Heinrich, auf der Wilhelmshöh!   Und auf'm Gymnasium haben sie studiert! Und mitgefangen,   mitgehangen! Ochsen und büffeln haben sie müssen, wie all' die andern!

Zweiter Student.

Auf der Wilhelmshöh!   Tempora mutantur!   Jérôme, der Champagner-Bonaparte: »Morgen wieder lustik!«   Napoleon, der Gefangene, morgen wieder traurig! Und Kaiser Wilhelm der Zweite als fleißiger Schüler, morgen wieder auf der Schulbank, sich vorbereitend auf seinen allerhöchsten, aber auch allerschwersten Beruf!

Erster Student.

Und seine volle zwei Jahre Primaner!   Und sogar durchs Abitur hat er mit müssen,   brr! Und dann ist er ein fideler Bruder Studio in Bonn gewesen!

Zweiter Handwerker.

Und nun schon unser Kaiser!

Bauer.

Ja, un wat för een!   Wi harrn uns wahrhaftig doch gar keen betern nich wünschen kunnt!

Zweiter Student.

Da hat er Recht, mein lieber Bauer!   Und was ließe sich nicht schon alles über ihn sagen! Ihm zum Ruhme und zum Preise!   Und seinem Volk, zur Freude!

Lätitia.

Seinem Volk zur Freude!

Erster Student.

Über sein Herz und seinen Sinn!   Sein Gemüt und seinen Charakter!

Die andern.

Ja! Ja!

Zweiter Student.

Über seine Energie und seine Entschlossenheit!

Bauer.

Na, dat schull ick meen!   He is fix un forsch!   Un he weet, wat he deit!

Erster Student.

Über seine Frömmigkeit und sein Gottvertrauen!

Bauer.

Ja, dat mögt Se wull man seggn!   He geiht noch mehr to Kark als uns' Slag Lüd.   Un hett doch so heel vel mehr to do'n!

Die andern.

Ja, das hat er!

Zweiter Student.

Und über seine Toleranz und Duldsamkeit!

Bauer.

Sin Duldsamkeit,   jüst akkerat!   Kinners, denkt doch man blots mal an de Judenfreters!

Erster Student.

Die Judenfreters! Recht so, mein lieber Niedersachse! Ha! Ha! Ha!

Alle.

(lachen.)

Ha! Ha! Ha!

Zweiter Student.

Und wie klar ist sein Verständnis für alles Praktische! Wie groß sein Interesse für alle Wohlfahrtsbestrebungen zumal für die Arbeiter!   Wie oft hat er ihnen das schon selber gesagt und durch die Tat bewiesen!

Erster Student.

Ja, wie oft! Und fort und fort jene großen Werke vollendend, die sein hochseliger Herr Großvater, unser alter lieber Kaiser Wilhelm, so schön begonnen!   Die Unfallversicherung der Arbeiter und ihre Pensionsversorgung im Alter!

Bauer.

(Beiseite.)

Ne, düsse Studenten!

Zweiter Student.

Und wie warm ist nicht sein Interesse für die Wissenschaft und Kunst!

Apoll.

Wo immer die Gelegenheit sich bot,
Dies zu betätigen, da tat er es!
Des bin ich Zeuge, und ihr alle seid's!

Die andern.

Das sind wir! Ja!

Erster Student.

Und wie groß ist seine Liebe zum Vaterlande! Seine Opferwilligkeit dafür!   Unsere glorreiche Armee! Unsere stolze Flotte!   Unsere großen Kolonien! Und diese, welche Schätze für die Zukunft!

Bauer.

(Beiseite.)

Ne, düsse Studenten!

Zweiter Student.

Und dann alle seine Reisen!

Die andern.

Doch wahrlich nicht zum Vergnügen!

Zweiter Student.

Nur für sein Reich und sein Volk!   Zur Erhaltung der Freundschaft mit allen Staaten! Wohin er kam, war's um die Palme des Friedens!

Die andern.

Das war es!

Bauer.

(Zugleich.)

Ja, dat weer dat!

Erster Student.

Und last not least!   Welch ein ritterliches Wesen!
Welch eine Schneidigkeit als König und Kaiser!

Bauer.

(Beiseite.)

Ne, düsse Studenten!  

Zweiter Student.

Jedoch genug!   Verzeih' es, hoher Gott,
Daß wir so vorlaut hier in deiner Nähe!

Apoll.

Ihr tatet nur, was meinem Wunsch' genehm
Und die gewollt, die euch zu mir entsandte!

Erster Student.

Der Jubel der Begeisterung riß uns fort!
Lätitia selber hauchte sie uns ein
Und löste uns den Mund,   die süße Freude!

Die andern.

Ja! Ja! Die Freude!

Lätitia.

Nehmt meinen Dank, ihr habt mich hoch entzückt!

Zweiter Student.

Wir dich?   du uns!   Wer wäre nicht beglückt,
Wenn er die Freude und in ihrer Nähe
Zugleich Apoll, den Gott der Musen, sähe?!

Bauer.

Ne, düsse Studenten!   Se lat een ja gar nich mehr to Wort kamen!

Erster Student.

Was willst du, Rustice? Denn pauk' mal los!  

Zweiter Student.

Silentium! Der Bauer hat das Wort!

Apoll.

Und auch Apoll gestattet dir es gern!

Lätitia.

Lätitia auch!

Bauer.

Na, wat ick man noch seggn wull,   wi sünd ja all so vergnögt!  

Die andern.

Ja ja! Das sind wir!

Bauer.

Un warum sünd wi so vergnögt?   Is't ni vunwegen unsen Herrn Kaiser?!

Die andern.

Ja! Ja!

Bauer.

Na, un vundag fiert he doch ton drütten Mal sin Geburtsdag als Kaiser!   Un wi hebbt em noch gar ni mal leben laten!  

Zweiter Student.

(Schnell.)

Unser allergnädigster Herr Kai      

Bauer.

(Ihn unterbrechend.)

Sch! Sch!   Nu heff ick endlich mal dat Wort! Un nu paßt man alltohopen blots mal op!

(Er nimmt den Hut ab und geht weiter nach vorn.)

Un nich alleen hier habn, ne, ock dar nerrn!   Un rund herum hier allerwegen! Nu paßt man blots mal op un fallt mit in! Un ock ju Herrn Muskanten alltosamen, mit Pauken, Becken, Trummeln un Trumpeten! Nu paßt mal op!

Uns' allergnädigste Herr Kaiser Wilhelm de Tweete, de schall leben! Vivat

Alle.

Hoch!

(Orchestertusch.)

Bauer.

Un uns' allergnädigste Fru Kaiserin Auguste Viktoria daneben! Vivat

Alle.

Hoch!

(Orchestertusch.)

Bauer.

Un all de lüttjen kaiserlichen Prinzen schüllt leben! Vivat

Alle.

Hoch!

(Orchestertusch.)

Musik: Derselbe Marsch, wie vorher.

(Aus der Ferne näher kommend und wieder verhallend.)

Bauer.

(Wie von der Musik elektrisiert, sehr schnell und lebhaft.)

De Tappenstrich! de Tappenstrich!
Nu mutt ick mit!   Ick bliev hier nich!

Erster Handwerker.

Er kommt im raschen Tempolauf
Die Gasse eben wieder rauf!

Erster Bürger.

Und unserm Kaiser ist's zu Ehr'n!

Zweiter Bürger.

Da woll'n wir mit dazu gehör'n!

Bauer.

Jedoch die Brüder Studio?

Beide Studenten.

Man los! Wir machen's ebenso!

Bauer.

Na, denn man to!   denn hakt man ein!
Nu woll'n wir mal fidele sein!

(Der Bauer nimmt in jeden Arm einen der andern. Die übrigen paarweise gleichfalls Arm in Arm. Alle singend und nach der Musik marschierend links ab. Hinter der Kulisse verhallt der Gesang, gleich nachher auch die Musik.)

Alle.

(Im Abgehen.)

Hoch soll er leben! hoch soll er leben! dreimal hoch!  
Hoch soll er leben! hoch soll er leben! dreimal      

Apoll.

Nun, war's so gut?  

Lätitia.

Vortrefflich!   Hätte ich
Mit dir nicht, die da kommen, zu begrüßen,
Mit ihnen wär' davongeeilet ich,
Dem frohen Volksgewühl mich anzuschließen!

Apoll.

Unnötig!   Sicher ist bewußt es dir,
Wer heut' auch herrscht im jubelnden Gedränge,
Und bleibt Lätitia in persona hier,
Ihr Geist weilt dennoch auch in jener Menge!

Musik: Die schwedische oder dänische Nationalhymne.

Lätitia.

Horch!   wieder schallt es aus der Ferne her!
Ein Born der Lust sind deine Phantasien!
Das rauscht und woget wie von einem Meer
Vielsüßer Melodien und Harmonien!
Musik, auch deine Kunst,   wie sie beglückt!
Und mein Gemüt so sanft bezwingt, so milde!
Mir ist, als würde plötzlich ich entrückt
In weit entleg'ne, nordische Gefilde!

Apoll.

Mir auch!   Und daß du so begeisterungsvoll
Rühmst Polyhymnia,   hab' ich gern vernommen!
(Nach der Kulisse rechts schauend.)
Sieh da!   zwei schöne Frau'n!     Euch grüßt Apoll!

Lätitia.

Und auch Lätitia!   Seid uns beid' willkommen!

5. Szene.

Suecia. Dania. Lätitia. Apoll.

Dania.

Wir danken freundlich euch für euren Gruß!
Dir, Musagetes, und nicht minder dir,
Lätitia, der Vielfreudigen, die heut'
Der frohen Feier ihren Namen gab!

Suecia.

Vom hohen Norden kommen beide wir
In diese Musenstadt des Holstenlandes,
Wo das Geburtsfest ihr so froh begeht
Des Fürsten, dem die uns'rigen
Durch uns des Herzens Gruß und Glückwunsch senden.

Dania.

Mich nennt man Dania!   Und ein Deutscher ist
Mein König; denn in Schleswig-Holstein steht
Sein Ahnenschloß!    

Suecia.

Und ich bin Suecia,
Und unsers Königsohnes hold Gemahl
Entstammt sogar dem deutschen Kaiserhause!

Lätitia.

Das war ein Fest, als Hymen sie verband!
Wie für die Eltern für die Völker beide
Und Deutschlands alten Kaiser, welche Freude!

Apoll.

So ist's!   So war's!   Und Schwedens König gar
Ein Jünger meiner Kunst, dem auch der Kranz
Des Dichters grünt aus meines Baumes Zweigen!

Suecia.

Und Pate ist mein König bei dem Vierten
Der Deutschen Kaiserprinzen!   Oskar heißt
Sein Patenkind, wie er,   und in Berlin
Hob ihn mein König selber aus der Taufe!

Lätitia.

Auch dessen war ich Zeuge, und von mir
Und meinem Glück erfüllt, wie froh bewegt
An jenem Tage schlugen aller Herzen!

Dania.

Und sind wir nicht Germanen, wie die Kinder
Borussia's, wir Skandinavier, all'
Demselben Stamm gehörend?   eint uns nicht
Das gleiche Band des Glaubens?!  

Suecia.

Gustav Adolf
Und seine Krieger schirmten ihn dereinst
Nicht bloß für uns,   auch für die Protestanten
Des deutschen Reiches,   und bei Lützen starb
Der große Schwedenkönig auch für sie!

Dania.

Und nur nach Deutschland, dessen Kaiserhaus
Auch meinem Königshause schon verwandt,
Weist uns für Skandinaviens Wohlergehn
Der Pulsschlag unseres Lebens!   Nicht gen Osten
Und noch viel wen'ger über Deutschland hin,
Gen Westen nach dem Erbfeind' der Germanen!

Lätitia.

Nein, diese Freude!   Zwei edle Frau'n!
Und beide so begeistert für die Feier
Des heut'gen Tages!

Dania.

Beide sicherlich!
Wie uns're Könige, die uns entsandten!

Suecia.

War das für Sverigs Volk ein Tag der Freude,  

Lätitia.

(Schnell beiseite.)

Ein Tag der Freude!   Und Lätitia ich!  

Suecia.

Als Deutschlands Kaiser auf der Hohenzollern,
Geführt von seinem Bruder, mit der Flotte
Der stolzen Panzer vor Stockholm erschien,
Das Königshaus der Schweden zu begrüßen!

Dania.

War das ein Tag der Freude, als sie dann  

Lätitia.

(Entzückt beiseite.)

Ein Tag der Freude!  

Dania.

Zurück die Ostsee fahrend in den Sund,
Die Anker warfen hart vor Kopenhagen!
Auch meinem Königshause war ein Gast
Viellieb und teuer, Deutschlands junger Kaiser,
Wie einst sein teurer Vater, der so schnell
Alt-Dänemarks Herz gewann, das gerade ihm
Und seinem Vater noch bisher gegrollt!  
Nun ist ja alles Freude!

Lätitia.

(Entzückt beiseite.)

Alles Freude!

Dania.

Und Lieb' und Freundschaft!

Lätitia.

(Entzückt beiseite.)

Lieb' und Freundschaft alles!

Dania.

Und jeder Groll dahin!   In diesem Sinn'
Bring' ich ihm meines Königs besten Gruß
Und schönsten Glückwunsch für sein teures Leben!

Suecia.

Und ich ihm den auch meines teuren Königs,
Ihm wünschend, daß Norwegias Felsgestad',
Wo jüngst sein Kaiserpaar von den Lofoten
Hinauf zum Nordkap stolzen Fluges zog,  
Ihm alles das im vollen Maß gewährt,
Was er zu suchen kam, die stillen Tage
Der Ruhe und Erholung, die daheim
Des Szepters schwere Last ihm nicht gestattet.

Musik: »Gott erhalte Franz den Kaiser!«

Dania.

Horch! Was ist das?  

Suecia.

Das klingt gar wunderschön!
So innig, treu und froh und fromm, als käm'
Es aus der Seele eines ganzen Volkes!

Lätitia.

(Nach der Kulisse rechts schauend, freudig.)

Seht dort!   Ha, welch ein Weib, wie stolz und schön!

Suecia.

In langen Locken wallt das blonde Haar
Vom Haupte ihr!  

Dania.

Und um den stolzen Leib
Die Hülle wie ein königlich Gewand,
Und schwarz und gelb sind ihre Farben!

Lätitia.

Seht, Schon kommt sie näher!   Welche Majestät
In der Erscheinung!

Apoll.

Austria, sei gegrüßt!

Suecia und Dania.

(Zugleich.)

Wie, Austria?!

Lätitia.

Austria?!

Apoll.

Austria! Ja, sie ist's!
Borussias teure Freundin, die uns naht!

Suecia.

So drängt ein Augenblick den andern fort,
Im Fluge ließ das Glück sie uns verstreichen!

Dania.

So ist für uns hier länger nicht der Ort,
Nie and're nahet,   und wir müssen weichen!

(Beide links ab.)

Lätitia.

Nein, bleibt!  

Apoll.

Zu spät!   Du hältst sie nicht zurück,
Die freundlich unserm Spiel gesandt die Musen!
Es bringt die andre schon der Augenblick,  
Und dieser auch schwellst du den stolzen Busen!

6. Szene.

Austria. Lätitia. Apoll.

Austria.

(Von rechts kommend.)

Dem deutschen Kaiser sendet seinen Gruß
Ein deutscher Kaiser!     Segensreicher Bund
Des Friedens für so viele Millionen!
Jüngst kam er ja zu uns,   und dann zu ihm
Mein teurer Kaiser, wenn auch schmerzerfüllt
Und gramgebeugt, da ihm und seinem Hause
Und seinem Volk' so namenloses Leid
Und unaussprechlich Unglück war geschehen.

Apoll.

Ja! Ja!   Die Götter neiden oft das Glück
Der Sterblichen, auch wenn sie Kronen tragen.

Lätitia.

Dein armer Kaiser!     Sieh, nun will ich stets
In seiner und der Seinen Nähe sein!
Und Rosen streu'n, wo ihre Tränen fielen!

Austria.

Hab' Dank, du Holde, welch' ein Trost für mich.
Die ihm so nah', und die zu jeder Zeit
Sein Los und seines Volkes Los geteilt!
Sieh, um so glücklicher nun steh ich hier
Als Abgesandte meines teuren Kaisers
Und seines Volks, daß ich dem deutschen Kaiser
Den warmen Glückwunsch überbringe, den
Ganz Östreich heut' so freudig für ihn hegt!

Lätitia.

Du sagtest freudig!   wie mich das beglückt!
Wen könnte mehr auch als Lätitia
Entzücken, was du sagst?!   Nun weiß ich doch,
Daß auch so fern um dieses Festes willen
Mein sanfter Flügel weilet, der zu Brüdern
Die Menschen macht!

Apoll.

Und meiner Musen Spiel,
Das, als ihr Führer, ich, Apoll, befahl,
Auch heute erst die rechte Weihe gibt!
Es wäre doch nur halb, wenn du nicht hier!

Austria.

Gewiß, die rechte Weihe, hoher Gott!
Denn eh' der deutschen Kaiserkrone Pracht
Das edle Haupt des großen Hohenzollern
So herrlich schmückte, rühmte Österreich
Des hehren Schatzes sich, den seine Kaiser
So viele Jahre ritterlich beschirmt,
Bis das Verhängnis ihn mit Nacht umhüllte.  
Sieh, wenn nunmehr uns in der Zeiten Lauf
Das Schicksal wieder nahm, was wir besessen
Mit jenes Kleinods Pracht, die nun das Haus
Der Hohenzollern schmückt,   nicht soll der Neid
Ihm das mißgönnen,   aber auch der Freund,
Weil dem so ist,   es um so höher schätzen!    
Und um so mehr hat es mein Herz erfreut,
Daß als die rechte Weihe eures Festes
Erst mein Erscheinen ward von dir betrachtet!

Apoll.

Wie könnt es denn wohl anders sein?! Zumal
Euch nun ein Bund vereinigt, stark genug,
Der beiden Kaiserreiche Schirm zu sein
Und jedem seiner Feinde Trotz zu bieten!

Austria.

Und wer hat meinem Kaiser erst die Hand
Zu diesem Bunde freundlich angeboten
Im Namen seines kaiserlichen Vaters?  
Der Deutschen Siegfried, jener Edle war's,
Der zu bezaubern Freund und Feind vermochte,
Wo immer er erschien!

Lätitia.

Und wie einst Friedrich,
Kam später Friedrichs Sohn und Wilhelms Enkel.

Austria.

Er kam,   und diese Stunde sei gepriesen!
Noch sieht mein Auge ihn an jenem Tage
Und sieht die frohgeschmückte Stadt,   noch hört
Mein Ohr des Volkes freud'gen Jubelschall,
Da er zur Hofburg fuhr als unser Gast!
Und doch, wie wenig fern liegt noch die Zeit,
Die nachtumhüllte,   wo der   Bruderkrieg      

Lätitia.

(Schnell, erregt.)

Der Bruderkrieg!     Lösch' mir das Feuer nicht,
Das heut' so hell in meinem Busen flammt,
Mit der Erinnerung an jene Zeit,
Wo auch Lätitias Augen tränenschwer!    
Sie sei vergessen!    

Austria. Ist sie es denn nicht?!
Und ausgelöscht jedweder Schmerz darum?!
Das aber bleibe Östreichs teurem Kaiser
Und seinem treuen Volke unvergessen
Für alle Zeit: daß beide ohne Groll
Im Herzen gegen ihre deutschen Brüder
Die Bruderhand herzinnig drückten, welcher
Beschieden war nach Gottes ew'gem Rat',
Aus dem Verhängnis langer, dunkler Nacht
Die deutsche Kaiserkrone zu erlösen!
(Mit noch mehr Pathos.)
Nun komme, was da will!   Mit Österreich
Im Bunde fürchtet Deutschland keine Feinde!
Und beide Kaiser sind sich darin gleich:
Deutsch sind sie beide!   Beide Herzensfreunde!

(Links ab.)

Apoll.

(Zur Lätitia.)

Nun, hat es dich erfreut, was sie gesagt?

Lätitia.

Wie könnt es anders sein!   Erscheint sie doch
Wie eine Schwester der Germania
Zu dieser Feier weihevollen Stunde!
Gar sehr von ihren Worten ist mein Herz
Ergriffen und begeistert und entzückt,
Weil sie der Ausbruch reinster Freude waren!

Musik: Die italienische Nationalhymne.

Apoll.
Und reinste Freude schwellt auch der die Brust,
Die nun erscheint!   Es senden meine Musen
Auch diese uns!   Horch, wie die Melodien
Der Lieblingshymne ihres Volks so froh
Aus Polyhymnias Seele strömen!    
Sieh,
Da kommt sie schon!  
Italia, sei gegrüßt
Auch du, Vielschöne, unserm Fest zur Freude!

Lätitia.

Das rufet mit Apoll Lätitia!
Vieltausendmal willkommen sei uns beiden!

7. Szene.

Italia. Lätitia. Apoll.

Italia.

Führer der Musen,
Weit komm' ich her!
Von der Adria Busen,  
Vom tyrrhenischen Meer!  
Aus dem sonnigen Lande
Im Blumengewande,
Wo Venetia glänzt,
Von Najaden bekränzt!  
Wo Napoli liegt,
Die Stadt der Sirenen,
An den wunderbar schönen,
Tiefblauen Himmel des Meeres geschmiegt!  
Und wo, nimmer müde und lebenssatt,
Roma pranget, die ewige Stadt!

Lätitia.

Roma pranget!   Noch nie zuvor
Zog ein deutscher Kaiser durch Romas Tor.
Der and'ren als ihres Glaubens war!

Italia.

Der Kaiser, welcher das getan
Zum erstenmal
Unter aller Glocken Geläute,
War Kaiser Wilhelm der Zweite!
Als der Quirinal
Und der Vatikan
Ihn als König Humberts Gastfreund sah'n!
Und als das geschah,
Wie freute da
Sich seiner ganz Italia!

Lätitia.

Es freute sich!   Hörst du's, Apoll?!
O, Freude!   Freude!   Auch heute soll
Kein Schatten uns're Feier trüben!

Apoll.

Das wäre schön!   Doch steht's in Zeus' Belieben.

Italia.

Uns waren alle Götter hold!
In aller Herzen Sonnengold!
Und welch ein Jubel, welche Lust!
Und welch Frohlocken aus aller Brust!
Wie hätt's auch können anders sein?!
Mit ihm zog ja Alldeutschland ein,  
Meine teure Freundin Germania,
Geführt an ihres Kaisers Hand,
Im Glück und Unglück uns so nah'
Und so schicksalsverwandt!

In beiden Ländern zur selben Zeit,
War's nicht dieselbe Zerrissenheit?!
Dasselbe Ringen nach Einigkeit?!
Für beide Länder nach blutigem Krieg'
Derselbe schöne und herrliche Sieg?'
Und als dann der Segen des Friedens kam
Und dann uns der Tod unsern König nahm,
Viktor Emanuel, so vielgeliebt,
Wie hat es den alten Kaiser betrübt!  

Und wen hat sein Herz uns da gesandt?
Einen Siegfried, der wie Sonnenglanz!
Und was trug seine schwerterprobte Hand?
Einen wunderherrlichen Lorbeerkranz,  
Ihn als der Liebe und Freundschaft Zeichen
Des deutschen Kaisers zu überreichen!

Und als er dann, auf seinem Arm
Unsers neuen Königs kleinen Sohn,
Hinaustrat vor des Volkes Schwarm,
Das Kind ihm zeigend vom Balkon,
Das ausgestreckt nach dem Volk' die Hände,  
Da war der Jubel schier ohne Ende!

Dann kam er später noch einmal her,  
Und ach, es war zum letztenmal!  
Da wohnt' er nicht im Quirinal,  
In einem Städtchen, fern am Meer,  
Alldeutschlands edler Kronprinz er,  
Des großen Kaisers Wilhelm Sohn  
Und selbst dann Deutschlands Kaiser schon  
Und geprüft wie kaum ein Mensch so schwer!

Lätitia.

(Sehr bewegt.)

Halt ein!   Ich bitte dich, nicht mehr
An diesem Ort' davon zu sprechen!
Sieh, wenn ich nicht die Freude wär',
So würd' ich dich nicht mehr unterbrechen!

Italia.

Nun denn,   nicht mehr!   Es sei genug,
Wie Schweres auch sein edles Herz ertrug.

Lätitia.

Ja! Ja! genug!

Italia.

Und dann, eh' noch das Jahr entfloh'n,
Meines Königs Gast sein edler Sohn!
Und die deutsche Kaiserkrone sein!  
Und dann nach wenig Monden schon
In Berlin zog König Humbert ein!
Und zu aller Freude    

Lätitia.

Zu aller Freude!

Italia.

Welche Tage der Feste,
Als sie nun beide,
Mein teurer König und sein Sohn,
Des deutschen Kaisers teure Gäste!
Und dann       noch einmal in jüngster Zeit,
Mit welcher Freud' und Innigkeit,  

Lätitia.

Freud' und Innigkeit!

Italia.

Begrüßte Italiens Herrscherpaar
In Monza den deutschen Kaiseraar,
Als deiner voll      

Lätitia.

Meiner voll!

Italia.

Zum Hochzeitsfeste ganz Hellas war!
Des Kaisers Hand in des Königs Hand,
Ward da geknüpft der Freundschaft Band!
Und zwei Königinnen,   so holde Frauen,
Wie Rosen und Lilien nicht schöner zu schauen,
Auch die schlossen Freundschaft aus Herzensgrund!
O gesegnete Stund!
Und gesegneter Bund!
Vereint, was doch einst sich gemieden!
Und Zu der Zwei
Noch die mächtige Drei
Nach dem Rat' der Götter beschieden!
Kein andrer Bund, welcher diesem gleich!
Italien, Deutschland und Österreich
Der Welt erhaltend den Frieden!
(Zu Lätitia gewendet.)
Und rings der Freude gold'ner Sonnenschein!

Lätitia.

Der Freude gold'ner Sonnenschein

Italia.

Gott segne Kaiser Wilhelm den Zweiten!
Und du wollest sein Leben begleiten!

(Links ab.)

Lätitia.

(Mit Pathos nachrufend.)

Ich?!   Allzeit und immer!
Im Herzen, im Blick!
Wen ich begleite im rosigen Schimmer,
Dem lächelt das Glück!!

Musik: Walzer »An der schönen, blauen Donau.«)

Aber horch, was hör' ich wieder?!
Welch' ein übermütig Lied!  
Nein!     so klingen keine Lieder!
Sage mir, was nun geschieht.

Apoll.

Polyhymnia muß ich preisen!
Gern sei ihr der Scherz verzieh'n,
Gibt sie mal nach ernsten Weisen
Uns so lust'ge Melodie'n!

Lätitia.

Paßt denn das zu unserm Feste?
Solcher Klänge wilder Flug!
Heute, mein ich, wär' das Beste
Gerade für uns gut genug!

Apoll.

Lassen wir die Musen walten!
Dies auch haben sie erdacht!  
Wär' nicht Freude drin enthalten,
Hätten sie es nicht gebracht!

8. Szene.

Piffke. König Bell. Die Vorigen.

Piffke.

(Hinter der Szene rufend.)

Komm, Bell,   der Walzer!

Bell.

(Hinter der Szene.)

Yes! Der Walzer!

(Beide kommen, sich halb umschlungen haltend und nach der Melodie schaukelnd, von rechts auf die Bühne.)

Apoll.

Heda!   Ihr beiden, wo wollt ihr hin?

Piffke.

Na nu!?   Wie so denn!?   Ooch mal rin,
Vons eene Lokal ins andere Lokal
Un ooch mal rin in'n Musensaal!

Bell.

Yes! Musensaal!

Piffke.

Da draußen, da stand so eene kleene,
Schöne Sirene janz alleene
Un tät uns freundlich nicken und winken,
Als wollt' sie'n Kleenen mit uns trinken!

Bell.

Yes! Trinken!

Apoll.

Wie sah sie aus?

Piffke.

Det Jelocke kraus!
Pechkohlenschwarzes Rabenhaar!
Und et hing ihr runter ufs Jewand!
Und 'ne Maske hielt sie in die Hand,
Als wollt' sie eben zur Maskerade!

Apoll.

Kein Zweifel, daß es Thalia war!

Piffke.

Da jingen wir rin   und mit eenem Mal
Fuit!   (pfeift) weg war det Fräulein!   Det is schade!

Bell.

Yes! Schade!

Apoll.

Wer seid ihr denn?

Piffke.

Na nu?!   Ick meene: solltst du mir nich kenn'n?!
Betrachte mir!
Ick bin een preußischer Unteroffizier!
Und da druf bild ick mir wat ein!
Keen Beruf kann edler und schöner sein!
Denn wenn der stramme, preußische Unteroffizier nich wär',
Wat wäre denn wohl det Militär
Und det janze Heer?!  
Und denn hätten wir ooch ja keen Deutschland nich mehr!
Ick bin et, der et zusammenhält!  
Und mir estimiert die janze Welt!  
Und die janze Jugend, die muß sick mir fügen!
Und et macht mir en unjeheures Verjnügen,
So den rechten Drill da hineinzukriegen!
Frag' nur mal nach, wer mir nich kennt!
Der Künstler, der Professor, der Dokter, der Student,
Der Kommis und der Bauer, der Jesell und der Knecht!
Und die Einjährig-Freiwilligen,   na, die erst recht!
Wenn sie kommen, alle dummer als det liebe Vieh!
Ick mach' erst die rechten Menschen aus sie!

Apoll.

Mir scheint, es spricht der Wein aus dir,
Sonst wärst du nicht so vorlaut hier!

Piffke.

Der Wein? Ne! Viel zu teuer mir!
Wir trinken nischt als Jrog und Bier!

Bell.

Yes! Jrog und Bier!

Lätitia.

Ich tad'le darum nicht die beiden  
Und heiße sie auch so willkommen!
Und wenn sie sich auch übernommen,
Sie sind doch nur berauscht vor Freuden!

Piffke.

Berauscht?   I, Jott bewahre, ne!
Noch janz uffee und stante pe!
Und den hab ick mir mitjenommen!
Er ist direkt von die Schwarzen jekommen,
Aus Afrika, von Kamerun!  

Bell.

Yes! Kamerun.

Piffke.

Aber nüchtern is er ooch, nich die Bohne dun!
Der reene Zufall, det wir uns trafen!
Ick schlenderte da so rum an'n Hafen
Und holte mit geschickten Kniff
Mir'n runter von en jroßes Kohlenschiff.
Sie waren da mit Jewalt beim Löschen
Und hatten wohl janz den Jeburtstag verjessen!
Mensch, sag' ick, nu arbeit', wer arbeiten mag!
In janz Alldeutschland is'n Feiertag!
Komm mit, du oller Kohlenjesell,
Ick staffier dich aus als König Bell!

Bell.

Yes! König Bell!

Piffke.

Jesagt, jetan!   Ick war sein Mann!
Er schloß sich mir mit Freuden an!
Da nahm ick'n denn erst nach Bitense Theatergarderobier. mit rein,
Und der ließ die Fünfe mal jrade sein,
Weil doch mal Kaisers Jeburtstag ischt!
Die janze Kledasche kost mir nischt!
Und wo noch nicht vom Kohlenstaub
War schwarz jenug det edle Haupt,
Da haben wir ooch jesorgt davor
Mit Kienruß ausm Ofenrohr!

Bell.

Yes! Ofenrohr!

Piffke.

Sieh so!   Und nun wir zwee im Bunde
Arm in Arm uff die jroße Runde!
Abjekloppt die janze Stadt,
Und rin in jedes Tanzlokal!
Und Jux jemacht und jetanzt allemal!
Und wat der für'n Glück bei die Mächens hat!

Bell.

Yes! Mächens hat!

Piffke.

's ist kolossal!          

Apoll.

Schon gut! Schon gut!   Doch was wollt ihr hier?

Piffke.

So fragst du mir?!
Frag' die, die uns hereinjewunken!
Ist hier denn nicht heute ooch wat los?
Man feiert doch'n Kaiserjeburtstag nicht blos
Wo nur jetanzt wird und jetrunken!
Et is doch ooch in die Zeitung jewesen!
Ick Hab' et noch heute Morjen jelesen?
Wie heeßt man noch det Jeburtstagsstück?      

Lätitia.

»Lätitia« heißt es!   War's nicht so?

Piffke.

Lätitia!   Richtig!   Verjnügt und froh!

Bell.

Yes! Verjnügt und froh!

Piffke.

Lätitia heißt uf deutsch die Freude!
Det hat mir unser Leutnant jesagt,
Den ick heut' morjen danach jefragt,
Und det war' so recht wat für uns allebeide!
So recht kreuzfidel und ausjelassen heut'!
Det sind wir ja beide vor lauter Freud'!

Lätitia.

Um so herzlicher sollt ihr willkommen sein!

Piffke.

Siehste, wo du biste?!   Schon sind wir dein!
Und wollt'st du uns mit für dein Spiel verwenden,
Wir würden dir nicht die Feier schänden!
Denn ick vertrete mit meinem Jenie,
Als Unteroffizier von die Infanterie
Den Kaiser seine janze Landarmee!  
Und der da in seinem Neglischee,
Womit ick 'n König Bell jemacht aus ihn,
Vertritt die deutschen Kolonien!

Bell.

Yes! Kolonien!

Lätitia.

Bravo! Das habt ihr gut gemacht!
Viel besser, als ich's mir gedacht!

Apoll.

Und dir und ihm gestatten wir,
Das Fest mit zu verleben hier!

Piffke.

Det möchste wohl,   Ick danke dir!

Apoll.

Gefällt es euch denn nicht bei mir?

Piffke.

Bei dich?   Na, nu!   (Auf Lätitia zeigend.) Wohl mehr bei ihr!

Bell.

Yes! Bei ihr!

Apoll.

Ich bin Apoll!

Piffke.

Apoll?! Wer's jlauben tut!   Jawohl!
Det kann am Ende 'n jeder sagen,
Wer'n langen Mantel umjeschlagen
Und so'n Ieleyer in die Hand!  
Dir ist mein Herz nicht zujewandt!
(Nach Lätitia zeigend.)
Die aber tut so schelmisch lachen
Und blitzt so lustig mit de Ojen
Und hat so'n liebliches Jesicht,
Wie Rosen und Verjißmeinnicht!
Zu die fühl' ick mir hingezogen!

Bell.

Yes! Hinjezogen!

Lätitia.

(Schelmisch, die Hand hinhaltend.)

Komm'! küß mir die Hand!

(Piffke zögert.)

Nun?   Küß' mir die Hand!

(Piffke küßt ihr die Hand. Bell nach ihm desgleichen. Beide machen unmittelbar nach dem Kuß einen möglichst großen Sprung in die Höhe.)

Piffke.

(nach dem Sprung.)

Himmeldonnerwetter!

Bell.

(Ebenso.)

Yes! Himmeldonnerwetter!

Piffke.

Nun jibt's aber'n Brand!

Bell.

Yes! 'n Brand!

Piffke.

Wie Feuer sprühte det in mir rein!
Und brennt eenen durch wie'n elektrischer Funken!
Da wird man alleene schon von betrunken!
Nun muß ick noch mal so fidele sein.

Bell.

Yes! Fidele sein!

Musik: derselbe Walzer.

Piffke.

Bell, der Walzer!

Bell.

Yes! Der Walzer!

(Beide singen die Melodie mit und schaukeln wie bei ihrem Auftreten, sich halb umschlungen haltend, in die Kulisse links ab.)

Lätitia.

(Nachrufend.)

So recht!    
Wie schade! schon vorüber!
Der Lust entflieht so schnell die Zeit!
Ich sah, je länger sie, je lieber
In ihrer Ausgelassenheit!

Apoll.

Was muß ich von Lätitia hören?!
Sieh, als sie kamen, bat'st du mich,
Den Zutritt ihnen zu verwehren,
Und nun ergötzten beide dich?!

Lätitia.

Verzeih'!   Genießt es nur mit Maßen,
Ergötzt mich auch das Volk im Tanz!
Sogar auf Märkten und auf Straßen
Durchflatt're ich den Mummenschanz!

Apoll.

Wo du erscheinst, magst du durchdringen
Des Menschen Herz als flücht'ger Gast!
Ach, gar zu schnell sind deine Schwingen,
Und gar zu kurz ist deine Rast!  

Musik: Ein Trauermarsch.

Lätitia.

Horch!   Was sind das für ernste Töne?!
Es seufzt ein Herz,   ein Auge weint!  

Apoll.

Es ist die trauernde Komöne,
Melpomene, die nun erscheint!

Lätitia.

Ich bitt' dich, ich fleh', o laß sie draußen!
Sie stört die Feier gar zu sehr!  
Wo Trauer, Gram und Kummer hausen,
Da ist für mich kein Weilen mehr!

Apoll.

Ich kann dir nicht den Wunsch gewähren,  
Denn, was Melpomene erseh'n,
Wird's auch den Jubel nicht vermehren,
Die Feier wird es uns nicht stören,
Im Gegenteil, sie nur erhöh'n!

(Tristitia von rechts auftretend.)

9. Szene.

Tristitia. Die Vorigen.

Lätitia.

Weh mir!   Weh mir!   Was wird gescheh'n?!  
Es kommt der Schmerz!   Es naht das Leid!  
Da seh' ich schon die Traurigkeit,
Die ernste, dunkle vor uns steh'n!
(Zur Tristitia.)
Wie heißt du?

Tristitia.

Ich?   Tristitia!
Und du?  

Lätitia.

Ich!   Lätitia!
Ich bin die Freud'!

Tristitia.

Und ich das Leid!    

Lätitia.

Und warum bist du hier erschienen,
Wo heute doch nur Lust und Freud'?

Tristitia.

Warum?     Weil ich gehör' zu ihnen,
Denn ihre Schwester ist das Leid!

Lätitia.

Nimmermehr!

Tristitia.

Und doch, wie sehr!  
Wo deine, ist auch meine Spur,
Es lebt in unser beider Bann,  
Siehst du mit rechten Augen nur
Die Welt und ihre Wesen an!
Was heute rot,
Oft morgen tot!
Und schon verglüht,
Was heut' noch blüht!
So folgt die Nacht
Des Tages Pracht,
Der Abend so dem Morgen!
Und so dem Glück
Das Mißgeschick
Mit seinen schwarzen Sorgen!
Und die Nornen sinnen!
Und die Parzen spinnen!  
Und pfeilschnell rinnen
Die Jahre von hinnen!
Und die gesegnet die himmlische Gnad'
Wohl mehr als nach Menschenerhoffen,
Wie oft hat sie später auf irdischem Pfad'
Des Verhängnisses Macht noch getroffen!
Kaiser Wilhelm tot!   Kaiser Friedrich tot!  
Noch hör' ich die Glocken läuten!

Lätitia.

Und ich seh' im rosigen Morgenrot'
Auf der Väter Thron
Den Enkel und Sohn
Leuchtend stehn: Kaiser Wihelm den Zweiten!

Tristitia.

Und ist nicht auch Augusta schon dahin,
Des neuen Reiches erste Kaiserin
Und Ahnfrau eines neuen Kaiserhauses?!
Ihr langes, schönes Menschenleben war
Dem Volk' ein Born des Segens;   denn was sie
Durch all die Jahre froh begann und tat,
Das war Barmherzigkeit und Liebe!

Lätitia.

Ja!
Wie gut und edel war sie stets, und wo
Beglückend sie bedrängten Menschen nahte,
Da folgte ihrer Spur auch ich,   die Freude!
Doch ist nicht auch, die nun als Kaiserin
Das ganze deutsche Reich so froh verehrt
Und innig liebt, die Mutter ihres Volks
Im schönsten Sinn?!   denn seit Augusta tot
Und auch Viktoria, so schmerzgebeugt
Im Witwenschleier von der goldnen Höh'
Des Thrones stieg, steht nun an beider Statt
Alldeutschlands neue Kaiserin, nicht minder
Auch ihres Volkes Stolz und Trost und Freude!

Apollo.

Und ging denn auch Augusta nun
Dahin, wo die zwei teuren Kaiser ruh'n,
Es weckt die Toten keine Klage,
Und Friede sei um ihre Sarkophage!

Lätitia.

(Zu Tristitia.)

Sieh, was die Norne sinnt und beut,
Nicht immer ist's das Freudenlose!
Und wo geweint die Träne heut',
Blüht oft schon morgen eine Rose!

Lätitia.

Und heut' ist ja ein Tag der Freud',
Wie ihre Feuer lohen!
O Schwester, laß das Trauern heut'
Und freu' dich mit den Frohen!

Tristitia.

Ich kenn' den Schmerz nur und die Not,
Sonst würd' ich anders heißen!
Für mich blüh'n keine Rosen rot,
Mir blühen nur die weißen!

Lätitia.

Dann flieh' von hier!
(Zum Apoll.)
Ich bitt', Apoll, befiehl es ihr!
Sie paßt doch heut' nicht neben mir!

Apoll.

Doch!   wenn sie deine Schwester ist,
Darf sie auch kommen, wo du bist!

Lätitia.

(Unwillig.)

Ah!

Apoll.

Laß sie gewähren!

Tristitia.

Laß mich gewähren!

Apoll.

Die Toten zu ehren
Und ihrer liebend zu gedenken,
Zumal zur Zeit des Glückes auch,
Ist überall ein schöner, frommer Brauch!
Zur sanften Wehmut wird das Leid,  
Hier soll kein hartes Wort dich kränken,
Du edle, schöne Traurigkeit!
Und angesichts der höchsten Freud'
Darfst du in ihres Reiches Glanz
Auch heute deine Schritte lenken!

Tristitia.

Um der Erinnrung grünen Kranz
Drei lieben teuren Toten still zu schenken!
(Links ab.)

Lätitia.

Die arme Schwester! Wenn auch alles sich freut,
Sie trägt doch das Herz voller Sehnen
Und bleibt doch immer die Traurigkeit,
Das Auge umdunkelt von Tränen!
Mir gar zu ernst klang ihr mahnend Wort,
Ich jub'le auf, nun sie wieder fort!

(Musik: » Rule Britannia«.)

Horch!   Das klingt ganz anders wieder
Als die Trauermelodien!

Apoll.

And're Menschen,   and're Lieder,
Aus der Muse Hand verlieh'n.

Lätitia.

Wieder Frohes darf ich hören,
Und die heit're Muse nah!

Apoll.

Leid soll dich nicht wieder stören,
Schau' nur hin, Lätitia.
(Nach der Kulisse rechts zeigend.)

Lätitia.

(Dahinsehend.)

Ha! Wie groß, wie hold, wie hehr,
Leuchtet dort, was ich erschau'!
Nein, nun bangt mein Herz nicht mehr,
Doch wer ist die holde Frau?
(Britannia tritt auf, von rechts kommend.)

10. Szene.

Britannia. Die Vorigen.

Apoll.

Sei mir gegrüßt, du Stolze, Mächtige,
Und bei den Musen freundlich aufgenommen!
Du Hoheitstrahlende und Prächtige!
Von ganzem Herzen bist du uns willkommen!

Lätitia.

Von ganzem Herzen!

Britannia.

Habt Dank für euren Gruß!   Und froh bewegt
Laßt mich euch sagen, wer mich hat entsandt:
Sie ist es, die zwei gold'ne Kronen trägt,
Zwei gold'ne Szepter hält in starker Hand!
Viktoria!   Indiens Kaiserin und zugleich
Die Königin vom grünen Inselreich
Britannia,   das meines Namens Ehre,
Und meerumrauscht beherrschet alle Meere!
Alt-Englands Königin,      

Apoll und Lätitia.

(Zugleich, rasch.)

Gott segne sie!

Britannia.

Ob sie mit Deutschland auch getrauert,
Mit ihm sein Kaiserhaus bedauert,
Geweint um Kaiser Friedrich,
Sie freut doch auch von Herzen sich
An ihrer teuren Tochter teurem Sohne,
Der auf dem Königs- und dem Kaiserthrone
So schaffensfroh und kraftbewußt,
So mild und mit so mut'ger Lust
Trägt zwiefach nun die Last der goldnen Krone!
Und als er gar nach England kam,
Die Königin Viktoria
Als deutscher Kaiser zu begrüßen
Und ihr, die ihm verwandt so nah,
Und darum doppelt teuer ja,
Die königliche Hand zu küssen,
Und dann mit teil an unserm Kriegsspiel' nahm
Und dann mit einemmal
Der deutsche Kaiser Englands Admiral,  
Da wollt' die Freud' schier überfließen!

Lätitia.

Ja, das ist wahr!   Auch ich war da,
Lätitia!
Denn wo die Freude weilt, da bin ich ja!  
Doch auch im großen deutschen Reich
War sie nicht kleiner und der euren gleich!

Apoll.

So war's, Lätitia!   Auch Apoll
War von dir voll
Ob dem, was da sein Auge sah!

Britannia.

Und voller Freude auch Britannia!
Und eh mein Fuß
Von dieser Stätte scheiden muß,
Die dein, du hoher Gott Appoll,
Ruf laut ich und begeistrungsvoll:
Aus der Angeln Land
Kamen über das Meer
Die Könige Hengist und Horsa daher!
Nach der Angeln Land
Ward England genannt!  
Und, ihm blutsverwandt,
Drückt dem deutschen Volk' mein Volk die Hand!
Und mit diesem Wunsch sei geschieden:
Daß es jeglichem Teil
Sei zum Segen und Heil
Und den Völkern zum dauernden Frieden!

(Britannia links ab.)

Musik: Die russische Nationalhymne.

Lätitia.

Horch, wie schön auch diese Weise,
(Nach der Kulisse rechts schauend.)
Ha, wie herrlich, was ich schau'!

Apoll.

Abermals naht unser'm Kreise
Eine hohe, stolze Frau!

Lätitia.

Schwarz, orange und weiß die Zeichen,
Welche schmücken ihr Gewand!

Apoll.

Und auch die sucht ihresgleichen!
Groß ihr Volk und groß ihr Land!

(Russia, von rechts auftretend.)

11. Szene.

Russia. Die Vorigen.

Lätitia.

Sag' an! Woher?   Wohin?   Und sprich,
Wer entsandte dich,
Du stolzes Weib?
Gar schöne Farben schmücken deinen Leib!

Russia.

Woher?   Aus einem gewaltigen Reich'!
Wohin?   In des Mächtigen Nähe!
Wer mich entsandte?   Ihm ist er gleich
An irdischer Macht und Höhe!
Mein stolzer Fürst ist der Reußen Zar,
Dessen Gast der Kaiser von Deutschland war,
Dem Heil und Segen geschehe!

Als gekettet der Korse Alldeutschland in Schmach,
Der von Ruhmsucht und Eitelkeit trunken,  
Da hob sich der Aar, der im Sterben schon lag,  
Und es wurden zu Flammen die Funken,  
Da waren selbander auf siegreichem Pfad'
Der Preuße und Russe ja Kriegskamerad,
Bis der Stern des Erob'rers gesunken!

Und es gab eine Zeit,   und noch ist sie nicht weit
Wo gehetzt ward,   verleumdet,   gelogen,  
Um zu trüben die Freundschaft und Einigkeit,
Die so lang die zwei Reiche gepflogen!
Und fast schien es, als hätten's die Götter gewollt,
Daß aufblitzen Bellona, die blutige, sollt'
Übers Land hin und über die Wogen!  

Und eh' Kaiser Wilhelm die Augen schloß,
Und eh' das Herz ihm gebrochen,
Vernahm der mutige Zollernsproß,
Was der sterbende Kaiser gesprochen:
»In Frieden und Freundschaft mit Rußlands Macht,
Des traget Sorge und habet acht!«        
Und dann kam er nach wenigen Wochen  

Nach wenigen Wochen durchs nordische Meer
Mit der deutschen Flotte gefahren,
Und, ein Ölblatt bringend, so landete er
Und gewann die Liebe des Zaren!
Und dann kam der Zar und besuchte ihn,
Und was hüben und drüben noch trügerisch schien,
Nun schwand's vor der Wahrheit, der klaren!

Verstummt ist der Lüge gehässiger Mund,
Und das Herz ist verschlossen dem Neide!  
Erneut ist der alte, der heilige Bund,
Zu Germaniens, zu Russias Freude!
Und nun sendet der Zar ihm den Herzensgruß!
Und nun sendet der Zar ihm den Bruderkuß!
Und Gott schütze, Gott segne sie beide!

(Russia links ab.)

Lätitia.

(Sehr froh erregt.)

Den Herzensgruß und Bruderkuß des Zaren!
Ein schön Geschenk, das sie zum Fest' ihm beut!
In Lieb' so nah', die fast schon fern sich waren!
Wie das wohl heut' sein Kaiserherz erfreut!  
O, daß der Freundschaftsbund nach vielen Jahren
Noch fortbesteh', so fest und schön wie heut'!
Das wünschet auch Lätitia für beide!
Nur weiter!   Weiter!   Komme nichts als Freude!

Musik: Vorspiel zum Matrosenliede.
(Lätitia horcht freudig auf.)

Apoll.

Horch!   Also ist's!   Auch die verkünden sie,
Die nun ihr frohes Lied dir wollen singen!
Harmonisch flutet seine Melodie,  
Laß sie an deinem Ohr vorüberklingen!
Was Polyhymnia ihrer Brust verlieh,
Das wollen sie Lätitia wiederbringen!
Ein Lied der Freude ist's, daß sich erlabe
Dein pochend Herz an ihrer frohen Gabe!

12. Szene.

Acht Matrosen. Die Vorigen.

Lätitia.

(Verwundert.)

Was seh' ich?! Matrosen?!

Apoll.

Die führte uns Thalia her!
Wie auf dem Lande, so auf dem Meer'
Blüh'n heut' nur deine Rosen!

Lätitia.

(Zu den Matrosen.)

Laßt hören, wo ist euer schwimmend Haus?
Ihr seht ja so stattlich, so lustig aus!

Erster Matrose.

Kein Wunder!   Uns ward ja das Glück zu teil
Unsern Kaiser Wilhelm den Zweiten,
So oft er zu Schiff ging für Deutschlands Heil,
Durch das wogende Meer zu begleiten!

Zweiter Matrose.

Zuerst gen Kronstadt, die Ostsee hinauf,
Zum Besuch' bei dem russischen Zaren,  
Und dann querüber gerichtet den Lauf,
Nach der Hauptstadt der Schweden gefahren!

Dritter Matrose.

Und vor Stockholm, was passierte da?!
Kanonengedonner und (die Mütze schwenkend) Vivat Hurra!

Die andern.

(Die Mütze schwenkend.)

Hurra!

Dritter Matrose.

Unserm Kaiser ein kleiner Prinz geboren,
Und König Oskar zum Paten erkoren!

Lätitia.

Richtig!   Ein kleiner Prinz geboren,
Und König Oskar zum Paten erkoren!

Apoll.

Das hat mein Herz gar froh bewegt,
Dank hohem Götterrate!
König Oskar,   der selbst die Laute schlägt
Und ruhmvoll meinen Lorbeer trägt,
Des kleinen Prinzen Pate!

Dritter Matrose.

Und nun schon wieder ein kleiner Sohn!
Die Sechse voll um den Kaiserthron!
Noch eben vor Torschluß im alten Jahr!
Wir bringen auch ihm unser Vivat dar!

Alle.

(Die Mützen schwenkend.)

Hurra!

Vierter Matrose.

Und von da zurück nach Kopenhagen
Mußten uns weiter die Wogen tragen!
Dem tapfern Dänenvolk', einst unserm Feind',
Und seinem König, nun längst unser Freund,
Doch auch mal »Guten Tag« zu sagen!

Erster Matrose.

Und damit Punktum im ersten Jahr'!
Im zweiten bald schon wieder klar,  
Zur neuen Nordfahrt die Anker gelichtet
Und nach Norwegens Küste den Kurs gerichtet.

Zweiter Matrose.

Ja, freilich!   Da haben wir uns ausgeruht!
Solche Sommerfrische, die tut einem gut!
Sie stärkt die Nerven und gibt Appetit!
Man merkt's ordentlich, wie's durch den Körper zieht!
Und mit frischer Kraft wieder aufgebrochen
Und nach dem Nordkap in See gestochen!

Lätitia.

Hu!   Muß es da aber kalt sein!

Zweiter Matrose.

Nun ja!   Das wär wohl nichts für Mamsell!
Da hüllt man sich ins Bärenfell,
Fängt Robben auf dem eis'gen Plan,  
Und wenn man Durst hat, trinkt man Tran!
Seine Majestät hat sich gar nicht geniert
Und das edle Gesöff mit uns probiert!

Die andern.

(Lachen.)

Dritter Matrose.

Glaubt's nicht, Mamsell und Herr Apoll,
Er nimmt das Mundwerk stets so voll!
Und aufzuschneiden und zu lügen,
Das war von jeher sein Vergnügen!

Lätitia.

Schon gut! Schon gut! Nur weiter!

Apoll.

Ja!  
Laßt hören, was noch mehr geschah!

Dritter Matrose.

Das war die zweite Reise!   Und dann
Ging's in den Kanal, als die dritte begann!
Hinüber nach der Angeln Land,
Wo die Wogen schäumen gen Spitheads Strand!

Vierter Matrose.

Und auch das war schön, was da geschah,
Wieder Kanonendonner und (die Mütze schwenkend) Vivat Hurra!

Die andern.

(Die Mütze schwenkend.)

Hurra!

Vierter Matrose.

Jawohl, Hurra! Und noch einmal!
Unser Kaiser englischer Admiral!

Die andern.

(Die Mütze schwenkend.)

Hurra!

Lätitia.

Ich weiß, wie sehr ihn das gefreut!

Zweiter Matrose.

Und uns erst recht! Und alle Leut'!  
Und zum zweitenmal
Unser teurer Kaiser schon Admiral!
Es war dort in Norwegia
Beim König von Schweden, wo das geschah!

Alle.

(Die Mütze schwenkend.)

Hurra!

Erster Matrose.

Und nun ging's los zum viertenmal!
Glück auf! Herr Kaiser-Admiral!
Durchs Mittelmeer und nach Athen!
War das eine Reise!   Die war schön!

Lätitia.

(Zu Apoll.)

Dein Heimatland!

Apoll.

Wo froh geknüpft ward Hymens Band!
Konstantin und Sophie!
Die Götter schirmen sie!
Und schirmen mein herrliches Griechenland!

Die Matrosen.

(Die Mütze schwenkend.)

Vivat Hurra!

Zweiter Matrose.

Und nach der Hochzeit   bei den Türken!
Direktement zum Muselmann!
Was läßt sich alles nicht erwirken!
Da sah'n wir uns den Harem an!
Ja, der war gut!   Sonst manches faul!

Die Matrosen.

(Lachen.)

Dritter Matrose.

Schweig, lasterhaftes Lügenmaul!
Wer das Decorum hier verletzt
Vor dieser lieblichen Gestalt,
Dem rufen wir gebieterisch: Halt!
Sonst wird er an die Luft gesetzt!

Die Matrosen.

(Lachen.)

Lätitia.

Habt Dank für eure Höflichkeit!
Doch weiter, weiter!   Es drängt die Zeit!

Vierter Matrose.

Nun wohl!   Dann nach Venetia,
Wie auf dem Hinweg, so zurück!
Und welch eine Freude, welch ein Glück!

Lätitia.

Ja! Ja!

Erster Matrose.

Und ein Gedonner! Ein Hurra!
Die Vivats waren schier ohne Zahl!
Doch gar zu schnell die Zeit dahin,
Dem Kaiser und der Kaiserin,
Dem König und dem hold Gemahl!
All right zur Fahrt!   Und Abschied genommen!    
Wann wird je so was wiederkommen!      

Zweiter Matrose.

Doch ewig grün und ewig jung
Im Herzen die Erinnerung!

Lätitia.

Im Herzen die Erinnerung!

Erster Matrose.

Und auch an die drei anderen Reisen!
Wer müßte sie nicht alle preisen!

Zweiter Matrose.

Ja, das ist wahr!   Doch die vor allen
Mehr als die andern mir gefallen,
Das war die erste!   und warum?
Weil es die erste war!   Darum!
Und weil unser Prinz sie kommandiert
Und selbst die Hohenzollern geführt,
Seine besten Leute um sich geschart!    
Eine echte Hohenzollernfahrt!  
Der Kaiser unser Passagier!  
Und seine Staatsmatrosen wir!  
Prinz Heinrich unser Kommandeur!
Hei, welche Ehr'!
Und gen Kronstadt ging's durch das brausende Meer,  
Und all' die großen Panzer dicht hinter uns her!

Die andern.

Ja, das war schön!

Zweiter Matrose.

Und dann rief Prinz Heinrich: »He, Jungens, nun schwingt
Die Mützen dem deutschen Kaiser
(Alle schwingen die Mützen.)
und singt
Euer Jubellied ihm zu Ehren!«
(Zu Apoll.)
Das hat ein Leutnant auf der Wacht
In einer schönen Mondscheinnacht
Gar fein ersonnen und ausgedacht
Und seiner Liebsten mitgebracht,      
Und wenn ihr's wollt, sollt ihr's hören!

Lätitia.

(Zu Apoll.)
Ein Lied!   Ein Lied!   Hörst du's, Apoll?!

Apoll.

Ich hör's!   Und dir zur Freude soll
Es gleich vor uns erschallen!
(Zu den Matrosen.)
Sitzt's auch noch fest bei allen?

Die Matrosen.

Turmpanzerfest!

Zweiter Matrose.

Erlaubt uns, das zu zeigen!

Apoll.

Turmpanzerfest?!   Wohlan, so laßt es steigen.

Dritter Matrose.

Na, Johann, denn man los!

Die andern.

(Schreiend.)

Johann       los!

Vierter Matrose.

(Vortretend.)

Gott bewahre, schreit doch nicht so!   Ihr schreit mir ja meinen Tenor heiser!  

All right, boys?

Die andern.

Yes! All right!

Vierter Matrose.

Very well!

(Nimmt die Mütze ab und tritt vor. Die andern ebenso, hinter ihm im Halbkreise stehend.)

Musik: Vorspiel.

(Er singt.)

Als Kaiser Wilhelms erste Meerfahrt war,
Wie ließ da die Hohenzollern,
An deren Großmast hing der Kaiseraar,
Den König Dampf erbrausen und kollern!
Das war ein herrlicher Kaiserzug,
Den die Möven jauchzend umflogen!
|: Und wie froh aufschäumt' das Meer am Bug
Und bekränzte das Schiff, das es trug,
Mit den grünen, weißblühenden Wogen!:|
Und von des Zollernschiffs Kommandobrück'
Auf die stolze Flotte hernieder
Zwei Hohenzollern schau'n im hohen Glück',
Zwei Kaisersöhne!   Zwei Brüder!
Der Kaiseraar hoch drüber wie am Turm'!  
Welch' ein Schauspiel dem Meeresgotte!  
|: Kaiser Wilhelm in Admirals-Uniform!  
Und Prinz Heinrich ihn führend durch den Sturm
Mit dem Kaiserschiff und der Flotte!:|
Und jeder weiß, es war vor Zeiten mal,
Was wir erstrebten aller Welt zum Spotte!
Nun ist der deutsche Kaiser Admiral!
Und sein die stolze, schöne, deutsche Flotte!
Und kräht mal wieder der gallische Hahn
Und ruft Alldeutschland dann zum Kriege,
|: Im weiten Felde und auf weiter See alsdann
Zwei Hohenzollern dem deutschen Volk voran!
Und so geht es zum Kampf und zum Siege!:|
(Die Matrosen ab.)

Lätitia.

(Sehr begeistert ihnen nachrufend.)

Ach! Bleibt!   Ich bitt' euch,   kehrt zurück!
Wie schön war dieser Augenblick!
Und noch einmal singt mir das Lied,
Das von der Freude überquoll!
Wovon mein Herz und mein Gemüt
Und meine Seele nun so voll!
Ihr hört mich nicht, und achtet's nicht,
Was doch die Freude zu euch spricht?!
Könnt ihr nicht meine Bitte fassen,
So folg' ich euch!   Ich kann's nicht lassen!
(Eilt links ab.)

Musik: »Es braust ein Ruf, wie Donnerhall.«

Apoll.

Sie eilte mir davon, die doch mit mir
Zur Kunst gehört, in der vereinigt wir!
Ich bleibe, wenn auch sie davongegangen
O, war' sie hier, nun die mit zu empfangen!
Borussia kommt!   Germania kommt mit ihr!
Und wo ein Künstler sie geschaffen mir,
Die herrlichen Gestalten alle beide,
Wann fehlte jemals sie, die süße Freude?!
(Nach der Kulisse links hinrufend.)
Bist du auch fort,   du bleibst mir doch zurück!
Du flammst und strahlest ja aus beider Blick!
Und daß sie heut' auch hier sich uns vereinen,
Das dank ich dir!    
Nun mögen sie erscheinen!

(Borussia und Germania von rechts auftretend.)

13. Szene.

Borussia. Germania. Apoll.

Apoll.

Seid mir gegrüßt!

Borussia.

Wir danken dir, Apoll!

Apoll.

Und herzlichst seid mir beid' hier willkommen!

Germania.

Wo ist sie denn? von der auch wir so voll?!

Apoll.

Im Augenblick der Freude mir genommen!

Borussia.

Und uns hierher gerufen hat sie beide?!

Germania.

Und nun wir beide kamen,   sie nicht da?!

Borussia und Germania.

Wo weilt sie denn, die holde, süße Freude?!

Apoll.

Auch hier noch weilt sie, wenn auch nur im Geist'!
Doch sollt ihr auch in Wirklichkeit sie sehen,
Wenn unser Lied den teuren Kaiser preist,
Auf meines Berges fernen Sonnenhöhen!
Auch dort ist sie noch eures Kaisers Hort,
Nach all' den trüben, bang durchlebten Tagen!
Wohlan!   Uns tragen schon die Rosse fort,  
Und aufwärts geht's in meinem Sonnenwagen!

(Der Hintergrund geht rasch in die Höhe.)

Unten im Cypressengrün auf Piedestalen die Büsten der beiden hochseligen Kaiser Wilhelm I. und Friedrich III. Zwischen ihnen, ein wenig zurück und ein wenig höher, ebenso die Büste der hochseligen Kaiserin Augusta. Vor diesen drei Büsten in halbliegender, malerischer Stellung einen großen Lorbeerkranz mit weißer oder schwarzer Schleife in der Rechten, die trauernde Tristitia. Höher hinauf, aus blühenden Gewächsen emporragend, die Büsten des Kaisers Wilhelm II. und der Kaiserin Augusta Viktoria, vor denen im Halbkreise, zwischen den Blumen halb versteckt und zu den Büsten hinaufschauend, sechs kleine Genien von verschiedener Größe liegen. Hinter beiden Büsten und noch höher als diese Lätitia, eine Rosenguirlande über den Büsten haltend. Alle übrigen Personen, zunächst die der sechs Reiche zu beiden Seiten des Mittelbaues und eventuell einige auch dazwischen, malerisch und passend gruppiert. Apoll, Borussia und Germania, die auf der Bühne bleiben, haben während ihrer Szene sich so zu stellen, daß sie mit zum Vordergrunde des Gruppenbildes passen.

Hymne.

Kaiser und König, dir
Wünschen das Beste wir,
Werd's dir zu teil!
Dir sei Lätitia
Heute und immer nah,
Dir und Germania
Segen und Heil!


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