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Capitel XIV.

Die Franzosen in Tahiti.

Da ich die Insel gerade in einem sehr interessanten Zustand ihrer politischen Verhältnisse betrat, so ist es vielleicht hier am Platz eine kurze Nachricht über die Franzosen selbst und ihr Verfahren auf diesem Eilande zu geben. Die Nachrichten dazu erhielt ich von den Eingeborenen selbst, und es sind die damals in Umlauf befindlichen Gerüchte von dem bestätigt, was ich bei einem späteren Besuch und auch endlich bei meiner Rückkehr in die Heimath erfuhr.

Es scheint, als ob schon seit einiger Zeit die Franzosen wiederholte Versuche gemacht hätten, eine römisch-katholische Mission hier zu gründen, was ihnen aber nie gelang, denn oft wurden sie sogar mit offner Gewalt daran verhindert, und jedesmal mußten die, die sich besonders dabei betheiligt hatten, die Insel verlassen. Einmal z. B. wurden zwei Priester, Laval und Caset, nachdem sie unendliche Verfolgungen erduldet, von den Eingeborenen überfallen und an Bord eines kleinen Handelsschooners geschleppt, der sie endlich auf der Insel Wallis, einem entsetzlich wilden Platz und etwa 2000 Miles westlich gelegen, aussetzte.

Daß die damals dort befindlichen englischen Missionäre die Verbannung dieser Priester betrieben, ist eine Thatsache die sie jetzt nicht einmal mehr leugnen, auch wurde mir von mehreren Seiten versichert, sie haben durch ihre Reden jenen Tumult, der dem Segeln des Schooners voraus ging, herbeigeführt. So viel bleibt gewiß, sie konnten bei dem Einfluß, den sie damals über die Eingeborenen ausübten, mit leichter Mühe jene Gewaltthat verhindern, wenn das überhaupt in ihrer Absicht gelegen.

So traurig solch ein Beispiel von Intoleranz auf Seiten der protestantischen Missionäre erscheinen mag, so ist es leider keineswegs das Einzige seiner Art; doch ich will hier darauf nicht weiter eingehen, denn mehrere Reisende haben das in letzter Zeit schon weitläufig berührt.

Die Behandlung dieser beiden Priester bildete nun den Hauptgrund – vielleicht den einzigen gerechten – auf welchen hin Du Petit Thouars Genugthuung verlangte, was denn endlich zur ganzen Besitznahme der Insel führte. Auch warf er noch auf, daß Merenhouts, des Konsuls, Flagge verschiedene Male beschimpft und das Eigenthum eines gewissen französischen Bürgers auf Tahiti von der Regierung gewaltsam in Beschlag genommen worden sei. In dem letztern Falle hatten die Eingeborenen vollkommen Recht, denn das Verbot gegen den Handel mit spirituösen Getränken, dann und wann aufgehoben, befand sich damals gerade in Kraft und da sie eine große Quantität derselben auf dem Lager dieses Victor – eines überhaupt gemeinen, schurkischen Avanturiers von Marseille, – fanden, so erklärten sie es als dem Gesetz anheim gefallen.

Für diese und ähnliche vorgegebene Beleidigungen wurde ein ungeheurer Geldersatz (10000 Dollars) verlangt, und da kein Schatzmeister vorhanden war, so nahmen sie die ganze Insel. Allerdings schlossen sie dabei einen Vertrag ab, das war aber jedenfalls nur zum Schein, denn er wurde dem Häuptling vom Kanonendeck der Du Petit Thouars'schen Fregatte diktirt. Der Sturz der Pomaren war einmal in den Tuilerien beschlossen und dieser Vertrag auf jeden Fall nur ein Mantel, der für jetzt ihre wirkliche Absicht verdecken sollte.

Nachdem sie das Protektorat, wie es genannt wurde, errichtet hatten, segelte der Contre-Admiral wieder ab und ließ Mr. Bruart als Gouverneur zurück, während Mr. Merhout, der frühere Consul, zum königlichen Kommissionär emporstieg. Dem Gouverneur beigegeben waren die beiden Herrn Reine und Carpeigne, Mitglieder des Raths und von den Eingeborenen nicht ungern gesehen, die dagegen Bruart und Merenhout förmlich haßten. Bei mehreren Zusammenkünften mit der armen Königin suchte sie dieser gefühllose Gouverneur förmlich zu dem einzuschüchtern, was er von ihr verlangte und schlug mit der Hand an sein Schwert, drohte mit der Faust und fluchte gotteslästerlich. In einem Briefe an Louis Philipp schrieb Pomare: »O König einer großen Nation, nimm diesen Mann hinweg; ich und mein Volk können seine bösen Handlungen nicht mehr ertragen; er ist ein schamloser Mann.«

Obgleich sich die Aufregung unter den Eingeborenen nach des Contre-Admirals Abreise noch keineswegs gelegt hatte, so fiel doch unmittelbar keine Gewaltthätigkeit vor. Die Königin war nach Imeeo geflohen und die Uneinigkeit zwischen den Häuptlingen, wie die schlechten Rathschläge der Missionäre, hinderten eine Vereinigung nach gewöhnlichem Vertheidigungsplan. Die große Masse des Volks aber, ebensowohl als ihre Königin, hoffte vertrauungsvoll auf eine schleunige Einmischung Englands; eine Nation, die durch manche Bande an sie gekettet war und ihnen mehr als einmal ihre Unabhängigkeit feierlich zugesichert hatte.

Was die Missionäre anbetrifft, so trotzten sie dem französischen Gouverneur ganz offen und verkündeten, kindischer Weise, Flotten und Armeen von England. Was ist aber die Wohlfahrt eines Flecks wie Tahiti gegen das mächtige Interesse von Frankreich und England. Von der einen Seite kam eine Remonstration, von der andern eine Antwort und damit blieb die Sache ruhen. In dieser Sache wenigstens, so oft sie auch sonst zusammen gezankt, gingen St. Denys und St. George Hand in Hand und wollten nicht Tahiti's halber die Degen kreuzen.

Während ich mich auf der Insel aufhielt, ließ sich eine Veränderung in der Regierung kaum erkennen; die einmal bestehenden Gesetze waren in Kraft, und die Missionäre wanderten ungehindert umher. Ruhe schien überall zu herrschen. Nichts destoweniger hörte ich oft, wie sich die Eingeborenen hart und bitter über die Franzosen äußerten, – die, beiläufig gesagt, in ganz Polynesien nicht gern gesehen werden – und wie sehr sie bedauerten, daß die Königin nicht gleich von Anfang an Stand gehalten.

Im Hause des Häuptlings Adea fanden häufige Unterredungen statt, ob die Insel im Stande sein würde, es mit den Franzosen aufzunehmen. Die Zahl der streitbaren Männer und die, der unter die Eingeborenen vertheilten Musketen, wurde berechnet, ebenso wie die Versicherung gegeben, daß mehrere Papeetee überwachende Höhen besetzt und vertheidigt werden könnten. Damals schrieb ich diese kecken Pläne dem Grimm über die erst frisch erlittene Niederlage, nicht einem entschlossenen Geiste des Widerstandes zu, und ahnte wenig den tapfern, wenn gleich nutzlosen Krieg, der meiner Abreise bald folgen sollte.

Die Insel, die früher in neunzehn Distrikte getheilt worden, und in jedem einen eingeborenen Häuptling zum Anführer hatte, wurde durch Bruart, als Gouverneur und Richter, in vier zusammengezogen und über diese setzte er eben so viele abtrünnige, nichtswürdige Häuptlinge, um ihrer Hülfe in der Ausführung seiner Pläne gewiß zu sein.

Das erste in einem regelmäßigen Kampf vergossene Blut floß zu Mahanar, auf der Halbinsel von Taraiboo und wurde durch einen Frauenraub herbeigeführt, den die Mannschaft eines französischen Kriegsschiffes ausführte. Bei dieser Gelegenheit fochten die Insulaner wie Verzweifelte und tödteten, während sie selbst etwa neunzig Mann verloren, fünfzig ihrer Feinde. Die französischen Soldaten und Matrosen gaben keinen Pardon, sollen aber, wie der Bericht später einlies, damals berauscht gewesen sein. Die überlebenden Wilden konnten sich nur dadurch retten, daß sie in die Gebirge flüchteten.

Hiernach folgten die Gefechte von Hararparpi und Fararar, in denen die Eroberer jedoch nur geringen günstigen Erfolg hatten.

Bald nach der Schlacht von Hararparpi wurden in einem Bergthal drei Franzosen überfallen und erschlagen; einer von diesen war Lefevre, ein berüchtigter Schurke und Spion, den Bruart ausgesandt hatte, einen gewissen Major Fergus, – man sagt, es sei ein Pole gewesen – zu dem Versteck von vier Häuptlingen zu fuhren, die er zu fangen und hinzurichten wünschte.

Dieser Umstand entflammte natürlich noch mehr die, auf beiden Seiten herrschende, Feindseligkeit.

Etwa in dieser Zeit wurde Kitoti, ein abgefallener Häuptling, (das willige Werkzeug Bruarts) von diesem vermocht, ein großes Fest in dem Paren-Thal zu geben, wohin er alle seine Landsleute einladen solle. Der Gouverneur beabsichtigte augenscheinlich damit die Uebrigen seinem eignen Interesse zu gewinnen und schaffte Wein und Brandy in Ueberfluß dorthin; viehische Unmäßigkeit blieb aber die einzige Folge dieses Gelags; vorher wurden jedoch von den Insulanern noch einige Reden gehalten. Eine von diesen brachte ein alter Krieger, wenn auch schon taumelnd, vor, und sie lautete etwa in folgender Art:

– Dies ist ein sehr gutes Fest und der Wein ist auch sehr gut, aber ihr Bösgesinnten Wee-Wees (Franzosen) und ihr falschherzigen Männer von Tahiti seid alle sehr schlecht.

Den letzten Nachrichten zufolge weigern sich viele der Insulaner noch immer, die Oberherrschaft der Franzosen anzuerkennen. Wohl können auch diese Feindseligkeiten noch lange hingehalten werden, die Folge davon muß aber doch endlich die Vernichtung der ganzen Race sein.

Außer den Offizieren, die Du Petit Thouars nach dem Vertrage zurückließ, blieben auch einige französische Priester am Land, deren Sicherheit und freie Ausübung ihres Berufs noch ganz besonders festgestellt war. Keiner konnte aber natürlich gezwungen werden, sie zu unterstützen und zu beherbergen und obgleich sie genug Geld bei sich hatten, so war das für die Insulaner Taboo, und die frommen Männer mußten auf Nebucadnezars Art existiren. Ihr Geld erkaufte ihnen aber doch später christliche Gastfreundschaft; und wenn auch hierin die englischen Missionäre getadelt werden konnten, daß sie diesen Personen selbst einen anständigen Empfang verweigerten, so durften sich diese auch eigentlich nicht darüber wundern, denn sie kamen hierher sich einem Volke förmlich aufzuzwingen, das schon größtentheils zur christlichen Religion bekehrt worden, und doch lagen noch tausend und tausend Inseln umher, wo ihr frommer (?) Eifer einen thätigen Schauplatz finden konnte.


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