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Capitel Xlll.

Sie nehmen uns ans Ufer. Was dort geschah. Die Calabouse Beretanee.

Wenn ich mich recht erinnere, so befanden wir uns etwa fünf Tage und Nächte an Bord der Fregatte. Am Nachmittag des fünften wurde uns jedoch angekündigt, daß sie am nächsten Morgen nach Valparaiso segeln würde. Erfreut darüber, beteten wir nur um eine schnelle Fahrt, wie es sich aber erwies, so schien uns der Konsul keineswegs so leichten Kaufs fortlassen zu wollen. Zu unserm nicht geringen Erstaunen kam gegen Abend ein Offizier an Bord und ließ unsre Eisen abnehmen. Im Gangweg wurden wir dann gemustert, in einen dicht daneben liegenden Kutter gethan und ans Ufer gerudert.

Wilson begegnete uns, da wir den Strand erreichten, und übergab uns einer zahlreichen Wache von Eingeborenen, von denen wir zu einem nicht fernen Hause geführt wurden. Hier mußten wir, dicht davor im Schatten, Platz nehmen und dann schritten der Consul und zwei andere ältliche Europäer an uns vorüber und in das Haus.

Nach einigem Zögern während dem uns die gutmüthige Lustigkeit unstet Wache sehr amüsirte, wurde Einer von uns aufgerufen und ihm befohlen, das Haus allein zu betreten.

Als er ein paar Augenblicke nachher zurückkam, sagte er uns, wir hätten nicht viel zu befürchten, er wäre nur einfach gefragt worden, ob er noch auf seinem frühern Starrsinn beharre, worauf sie etwas niedergeschrieben und ihn wieder herausgeschickt hätten. Als alle darin gewesen waren, kam die Reihe auch zuletzt an mich.

Wilson saß mit seinen beiden Freunden sehr feierlich an einem Tisch, und ein Tintenfaß, einige Federn und ein großer Bogen Papier gaben dem Gemach etwas geschäftsmäßiges. Diese drei Gentlemen in Rock und Hose sahen übrigens besonders achtbar in einem Lande aus, wo volle Kleidung so selten gesehen wird. Einer der Gegenwärtigen wollte gern ehrwürdig aussehen; da er aber einen kurzen Nacken und ein volles Gesicht hatte, so gelang ihm das gar nicht und er sah höchstens albern aus.

Es war dies ein Individuum, das sich herabließ ein väterliches Interesse an mir zu bezeugen, denn nachdem ich, meine unabänderliche Meinung, das Schiff betreffend, erklärt und mich eben, wie die Uebrigen, zurückziehen wollte, so wandte sich dieser Fremde nach mir um und sagte salbungsvoll:

– Warten Sie einen Augenblick; Mr. Wilson, lassen Sie mich ein paar Worte mit diesem Jüngling reden. – Kommt hierher, mein junger Freund. Es thut mir sehr leid, daß ich Euch mit diesen bösen Menschen vereinigt sehe. Wißt Ihr, wie das enden wird?

O, das ist der Bursche, der den runden Robin geschrieben hat, unterbrach ihn hier der Consul. Er und der schurkische Doktor sind die Ursache dieser ganzen, niederträchtigen Geschichte – Geht hinaus, Sir.

Ich zog mich wie aus königlicher Gegenwart zurück und bekomplimentirte mich rückwärts vor die Thür.

Dieses augenscheinliche Vorurtheil Wilsons gegen mich und den Doktor war mir übrigens leicht erklärlich. Ein Mann von einiger Erziehung vor dem Mast wird von seinem Capitän nie gern gesehen; er mag sich noch so ruhig verhalten, so schreibt man ihm doch jede Störung zu, die irgendwie stattfinden sollte und glaubt stets, daß er auf irgend eine Art den Offizieren entgegen zu wirken suche.

So wenig ich nun auch von Capitän Guy gesehen hatte, so wußte ich doch wie er gegen mich gesinnt war, nachdem ich kaum eine Woche an Bord gewesen. Doch mochte in diesem Fall seine Feindschaft auch wohl noch dadurch gegen mich erweckt sein, daß ich mich an den langen Doktor anschloß, den er von Grund der Seele aus haßte und zugleich fürchtete.

Nach dem Examen traten Wilson und seine Freunde in die Thür, und der Erstere, einen gar majestätischen Ausdruck annehmend, erklärte unsern beharrlichen Trotz und Widerstand als schändliche Empörung. Auch sagte er, daß uns jetzt keine Aussicht auf Rettung mehr bliebe; die Gelegenheit, Verzeihung zu erlangen, sei vorüber, und wenn wir ihn jetzt auch auf den Knieen bitten würden zu ihm in Dienst zurückzukehren, so wäre es vergebens.

– O geht zum Teufel, Rathsherr, knurrte der schwarze Dan, darüber entrüstet daß Jener nur eine solche Idee fassen könnte; der Consul aber, in seiner Würde gekränkt, donnerte ihn an ruhig zu sein, rief dann einen fetten, alten Eingeborenen zu sich und befahl ihm auf tahitisch, uns zu einem sichern Bewahrungsort zu bringen.

Hierauf wurden wir in Reih und Glied gestellt, und mit dem Alten an der Spitze und unter dem Geschrei der uns Begleitenden, auf einem wundervollen Pfade hingeführt, der durch weite Haine von Cocospalmen und Brodfruchtbäumen lief.

Die uns umgebende Scenerie war entzückend. Der tropische Abend rückte heran und von da aus, wo wir uns befanden, glich die Sonne einem rothen ungeheuren Feuer, das in dem Holzland brannte. Ihre Strahlen fielen schräg hindurch diese schattigen Baumgruppen und jedes Blatt war mit flüssigem Gold übergössen.

Für uns nun noch besonders, die wir eben aus dem dumpfigen Deck der Fregatte kamen, athmete die Luft nur Wohlgerüche, während unsre Begleitung in herrlicher guter Laune nebenher trabte und uns in ihrem gebrochenen Englisch fortwährend dabei zu verstehen zu geben suchte, daß sie Wilson auch nicht leiden möchten, wir aber wackere Burschen wären, weil wir so gut ausgehalten hätten.

Als wir weiter vorrückten, überraschte mich mehr und mehr der pittoreske Anblick der weiten überschatteten Straße.

Hier und da dehnten sich dauerhafte Holzbrücken über nicht unbedeutende Wasser und manchmal überspannte auch ein einzelner steinerner Bogen den Strom. An jeder Stelle hatten aber drei Reiter bequem neben einander hinreiten können.

Dieser herrliche Weg – jedenfalls das Beste, was die Civilisation für die Insel gethan hat, – wird von Fremden die Besenstraße genannt – warum? weiß ich selber nicht. Ursprünglich wurde sie zur Bequemlichkeit der Missionäre angelegt, damit die von einer Station nach der andern könnten; jetzt aber umzieht sie fast die ganze größere Halbinsel, während sie wohl über sechzig Miles lang an der See hin die fruchtbare Niederung einschließt. Nur an der Seite bei Tairboo durchschneidet sie ein schmales abgeschlossenes Thal und kreuzt so in dieser Richtung die Insel.

Das unbewohnte Innere, fast unzugänglich durch die stark bewaldeten Schluchten, fürchterlichen Abgründe und scharfe Bergrücken, ist selbst von den Eingeborenen nur wenig gekannt, und anstatt also den geraden Weg von einem Dorf zum andern einzuschlagen, folgen sie der Besenstraße lieber rund herum.

Wie weit übrigens die Unwissenheit der Eingeborenen, ihr eigenes Land betreffend, geht, davon kann ich als Beispiel anführen, daß ein bedeutender Binnensee Whaiherea mit Namen existiren soll, obgleich die Nachrichten darüber ungemein verschieden lauten. Einige sagten mir, daß er keinen Grund und keinen Aus- und Einfluß habe. Andere, daß er die Ströme der ganzen Insel ernähre. Ein englischer Matrose jedoch, ein Bekannter von mir, wollte ihn mit einer Entdeckungstruppe vom Bord einer englischen Kriegsschaluppe aus besucht haben, und hat ihn höchst wunderbar in jeder Hinsicht gefunden. Sehr klein, tief und grün bildet er einen förmlich in die Gebirge hineingedrängten Brunnen, mit Unmassen der herrlichsten Fische.

Diese Straße wird jedoch keineswegs bloß von Fußgängern bereist, Pferde giebt es jetzt in großer Anzahl und zwar von Chili eingeführte, die alle die Lebhaftigkeit, Schnelle und Gelehrigkeit der spanischen Race in sich vereinigen und den höheren Klassen der Insel, unter denen es gar wackere Reiter giebt, ganz unentbehrlich geworden sind. Die Missionäre und Häuptlinge denken jetzt gar nicht daran eine Reise zu machen außer im Sattel, und jede Stunde im Tag kann man besonders die Letztern im vollen Galopp die Straße dahinsprengen sehen.

Meile nach Meile habe ich auf dieser Besenstraße zurückgelegt, und bin in diesem ewig sich ändernden Scenenwechsel nie ermüdet. Nur eines bleibt, ob Ihr durch niederen Wald oder grasige Ebenen, oder über mit Palmen bedeckte Hügel wandert, immer habt Ihr die blaue herrliche See an der einen Seite und an der andern steigen schroff und steil die hohen felsigen Kuppen der Insel empor.

Etwa eine Meile von der Stadt machten wir Halt.

Es war ein wundervoller Fleck. Ein Bergstrom murmelte am Fuß eines grasigen Hügels hin, bis sich die Wasser auf einem Bett von funkelnden Kieseln plätschernd in die See ergossen; in das Land hinein jedoch sich wie ein silberner Faden zwischen den dunkeln Schatten der Palmen verlor.

Der zunächst der Straße gelegene Platz war von einer niedern Steinmauer umgeben, und auf dem Gipfel der dahinterliegenden Abdachung stand ein großes Haus, nach Art der Eingeborenen errichtet, mit blendend weißem und ovalem Dach.

Calabousa Beretanee (das englische Gefängniß), rief unser Führer und deutete auf das Gebäude.

Diese Calabouse war schon seit einigen Monaten von dem Konsul für seine widerspenstigen Matrosen benutzt und deshalb, um es von den andern ähnlichen Gebäuden in Papeetee zu unterscheiden, so genannt. Obgleich übrigens in seiner Lage sehr romantisch, zeigte sich doch, als wir näher kamen, daß es häusliche Bequemlichkeiten sehr entbehre. Es war wirklich eine bloße Schale und zwar erst kürzlich gebaut und noch nicht einmal beendet, auch überall offen, und hie und da im Innern, selbst an einigen Stellen unter dem Dach, wuchs Gras. Das einzige Möbel, das im ganzen Zimmer stand, war der Fußblock, eine unbeholfene Maschine, die dazu bestimmt ist, widerspenstige Leute in ein und derselben Stelle fest zu halten und wohl nur noch in wenigen Ländern angewandt wird. Die Spanier in Südamerika benutzen ihn jedoch noch und von diesen haben ihn die Tahitier abgesehen. Auch die Namen, womit alle Gefängnisse bezeichnet werden, sind spanisch.

Die Fußblöcke bestanden höchst einfacher Weise aus nichts anderem als zwei starken Balken, etwa 20 Fuß lang und vollkommen egal; einer lag mit dem Rand auf dem Boden und der andere dicht über ihm, während in gewissen Zwischenräumen die bösartigen runden Löcher keinen Zweifel über seinen Zweck gestatteten. Jetzt machte uns auch unser Führer damit bekannt, daß er »Capin Bob« (Kapitän Bob) hieß und ein gemüthlicher alter Bob war es auch, der Name paßte prächtig für ihn. Von dem ersten Augenblicke an hatten wir ihn gern und überließen uns mit dem größten Vergnügen seiner Leitung und fügten uns seiner Autorität.

Sobald wir das Gebäude betreten hatten, mußten wir eine Menge trockener Blätter herbei bringen, um hinter den Fußblöcken ein Lager zu bereiten. Der Stamm eines kleinen Cocosbaums wurde dann als eine Art Polster dahinter gelegt – freilich ein hartes Kissen, doch sind die Eingeborenen daran gewöhnt. Anstatt des Kopfkissens gebrauchen sie auch ein etwas ausgehöhltes Stück Holz mit vier kurzen Füßen, eine Art Kopfschemel.

Nachdem diese Vorbereitungen getroffen worden, ging Capitän Bob daran uns für die Nacht fest zu machen; der obere Balken dieser kunstreichen Maschinerie wurde aufgehoben, unsere Knöchel in die halbrunden Oeffnungen des untersten gelegt und der erste dann wieder niedergelassen, wonach man sie an beiden äußersten Enden mit einem eisernen Ring befestigte. Diese Einfügung fand jedoch unter dem lärmenden Jubel der Eingeborenen statt und amüsirte uns selbst nicht wenig.

Capitän Bob fuhr jetzt herum wie eine alte Frau die ihre Kinder zu Bett gebracht hat; ein Korb gebackener »Taro« oder indianische Rüben wurde dann gebracht und wir bekamen Jeder ein Stück. Hiernach breiteten die Eingeborenen ein langes Stück roher brauner Tappa über uns Alle hin und nach verschiedenen Ermahnungen zu » moee-moee und maitai« zu sein, d. h. zu schlafen und uns wie gute Kinder zu betragen, wurden wir allein gelassen und waren also auch wirklich zu Bett gebracht und zugedeckt.

Ein ziemlich lebhaftes Gespräch fand nun im Allgemeinen, und zwar unsre künftigen Lebensaussichten betreffend, statt. Der Doktor und ich aber, die neben einander lagen, hielten die Gelegenheit für besser geeignet zu Betrachtungen und schwiegen deshalb still; es dauerte auch nicht lange, so schliefen alle Uebrigen und als ich selbst einmal später den Versuch machte den Doktor anzureden, träumte der aus Leibeskräften. Wecken wollte ich ihn nicht und folgte also seinem Beispiel.

Wie sich die Uebrigen in dieser Nacht befanden, weiß ich nicht, mir wurde es aber sehr sauer einzuschlafen, denn das Bewußtsein seine Füße da zu haben, wo man sie nicht wieder wegbekommen kann, ist, das wenigste zu sagen, höchst unangenehm. Außerdem wurde es auf die Länge der Zeit eben so peinlich fortwährend auf dem Rücken zu liegen, was aber doch gar nicht anders geschehen konnte, wir hätten uns denn an unsern Knöcheln wie ein Warrel Warrel, nautischer Ausdruck für Drehring oder Wirbel. herumdrehen können. Sobald ich nun ein klein wenig einschlief, fing ich auch schon an allerlei tolle Sachen zu träumen. Wenn ich mich nur bewegen wollte, fühlte ich auch den Zwang an den Füßen und fuhr dann gewöhnlich erschreckt empor, und es war mir immer als ob mir Jemand die Füße ausreißen wolle.

Capitän Bob und seine Freunde wohnten in einem kleinen, nicht weit von uns entfernten Dörfchen, und sobald der Morgen im Osten dämmerte, kam auch schon der alte Gentleman in derselben Richtung aus einem Hain hervor und begrüßte uns laut und fröhlich.

Da er Alle erwacht fand, setzte er uns in Freiheit, führte uns an den Fluß hinunter und befahl uns zu baden.

All Hand's, mei Bursch! rief er – Hanna – Hanna wasch – Bob war einmal zu seiner Zeit zur See gewesen, wie er uns gar zu gern erzählte, und gebrauchte nicht selten die Seeausdrücke auf höchst komische Art.

In diesem Augenblicke befanden wir uns Alle allein mit ihm und es wäre nichts leichter gewesen als zu entlaufen; daran schien er aber gar nicht zu denken, und behandelte und so ehrlich und freundschaftlich, daß wir, hätten wir so etwas beabsichtigt, uns wirklich geschämt haben würden, es auszuführen. Er wußte übrigens recht gut – und uns selber konnte das auch nicht verborgen bleiben – daß jeder Plan zur Flucht, wenn wir nicht früher Anstalt getroffen die Insel zu verlassen, scheitern mußte.

Da Bob übrigens ein Original in jeder Hinsicht war, so möchte ich hier wohl etwas Weiteres über ihn sagen. Seine Gestalt maß über sechs Fuß und sein Umfang war verhältnißmäßig, wie denn überhaupt die Tahitier nicht selten wegen ihrer starken Körperbildung berühmt geworden sind. Auch seine sonstigen Verhältnisse sicherten ihm ein gutes Auskommen; außerdem, daß er als englischer Gefängnißwärter galt, bewirthschaftete er auch noch ein kleines Tahitien-Gut, d. h. er war der Eigenthümer von mehrern Brodfrucht- und Cocosgruppen und hinderte nie deren Wachstum. Dicht dabei hatte er auch ein kleines Tarofeld, welches er gelegentlich besuchte. Bob verkaufte übrigens selten etwas von seinen eignen Produkten, sondern verconsumirte gewöhnlich Alles selber.

Ein Freund von Bob erzählte mir einmal, daß seines entsetzlichen Appetits wegen die benachbarten Inseln seinen Besuch ordentlich fürchteten, denn nach Tahitischer Gewohnheit und Sitte findet völlige Gastfreundschaft statt, die in gewöhnlichen Fällen allerdings erwiedert wird; in diesem Falle war daran aber gar nicht zu denken, denn die Verwüstung, die Bob in einer Speisekammer der Eingeborenen bei einer einzigen Morgenvisite anrichtete, würde dieser nicht wieder haben ausgleichen können und wenn er sich die ganzen Feiertage bei ihm einquartirt hätte.

Der alte Mann war, wie ich schon oben angedeutet, ein oder zweimal mit auf dem Wallfischfang gewesen und deshalb nicht wenig stolz auf sein Englisch; da er übrigens alles, was er davon wußte, nur im Vorcastle erbeutet, so schmeckte seine Sprache auch bedeutend danach und klang wunderlich genug.

Ich frug ihn eines Tages, wie alt er sei. – Altie? erwiederte er und nahm eine sehr wichtige Miene an, daß er eine solche verwickelte Sprache verstand. – O sehr altie, tausend J–ahr. Großer Mann, wenn Capin Tuti (Cook) Hove in Sicht (in der Seesprache »sichtbar wurde«).

Das war unmöglich, doch meine Unterhaltung dem Manne anpassend, fuhr ich fort: Ah, Ihr saht Captain Tuti? nun, wie gefiel er Euch?

O! er maitai (gut) Freund von mich – und kennt mein Weib.

Als ich ihm nun auseinandersetzte, daß er damals noch gar nicht geboren sein konnte, erklärte er sich dahin, daß er die ganze Zeit von seinem Vater gesprochen hätte, und dann konnte er eher Recht haben.

Es ist übrigens eine sonderbare Thatsache, daß Alt und Jung versichert den großen Seefahrer persönlich gekannt zu haben, und wenn man ihnen zuhört, so erzählen sie in kurzer Zeit eine Menge der wunderlichsten Anekdoten von ihm. Dies entsteht jedoch nur aus ihrem Verlangen dem, mit dem sie sprechen, eine Freude zu machen, da sie wissen, daß dies für einen Weißen die angenehmste Unterhaltung ist. Auf einen Anachronismus kommt es ihnen dabei nicht an, Tag und Jahre sind ihnen ganz gleichgültig.

Nach unserm Morgenbad brachte uns Bob wieder in die Fußblöcke, wobei er übrigens fast zu Thränen gerührt war, daß er uns einem solchen Leiden unterziehen mußte; er sagte aber, er dürfe nicht anders handeln, oder er würde des Consuls höchsten Zorn auf sich ziehen. Wie lange wir noch gefangen gehalten werden sollten und was man später mit uns angeben würde, wußte er natürlich nicht.

Da der Nachmittag heranrückte und noch immer keine Zeichen einer Mahlzeit zu sehen waren, so frug endlich einer der Unsern, ob wir im Hotel der Calabouse eben so gut Kost als Logis zu erwarten hätten.

– Wart bischen, sagte Bob, kow-kow (Nahrung) kommt nach Schiff.

Und wahrhaftig, gar nicht lange dauerte es, so kam Ropey mit einem hölzernen Eimer, voll von der Julia niederträchtigem Zwieback, während er grinsend sagte, es sei ein Geschenk von Mr. Wilson und Alles, was wir für heute bekommen würden. Ein wilder Zornesruf tönte ihm entgegen und gut war es für den Landlubber, daß er ein paar Beine hatte und wir die unsern nicht gebrauchen konnten, Einer wie Alle erklärten wir aber, daß wir den Zwieback nicht berühren würden und das theilten wir auch den Eingeborenen mit.

Hierbei hatten wir es aber ziemlich glücklich getroffen, denn nichts essen diese lieber als gerade Schiffszwieback; je härter er ist, desto lieber ist er ihnen; sie erboten sich also auch augenblicklich zu einem Tausch, und brachten uns für unsern Zwieback jeden Tag eine Quantität gebackener Brodfrucht und indianischer Rüben. Wir befanden uns sehr gut dabei und Bob und seine Freunde saßen jetzt den ganzen Tag vom Morgen bis zum Abend und kauten.

Nachdem unser sehr frugales Mahl beendet worden, watschelte Capitän Bob zu uns heran und brachte ein paar lange Stangen mit Haken am oberen Ende und mehrere Körbe von geflochtenen Cocosnußzweigen.

Nicht weit davon befand sich nemlich ein umfangreicher Orangenhain, der jetzt eine Unmasse der reifsten Früchte trug und ich und ein Anderer wurden ausgesucht, mit ihm zu gehen und einen Vorrath für die Unsern einzubringen. Einen größern Reichthum an Frucht habe ich aber im Leben nicht gesehen. Die Aeste bogen sich unter der süßen Last und die Lüfte waren geschwängert von den herrlichsten Wohlgerüchen.

An manchen Stellen bildeten die Bäume einen dichten Schatten, der mit den dunkelgrünen Zweigen und den goldglänzenden Aepfeln ein wundervolles Dach formt, während an andern Stellen die schweren Orangen die Zweige völlig niederzogen und den einzelnen Bäumen den Anblick eines grünen, golddurchwirkten Zeltes gaben.

Um die Früchte nicht zu drücken und sie am Faulen zu verhindern, bog Bob die Zweige mit seinem Haken herunter und schüttelte sie gleich in den Korb, das genügte uns aber nicht; wir ergriffen Stamm und Zweige und schüttelten so gewaltig, daß sich unser fetter Freund nur mit Mühe aus dem hageldick fallenden Schauer retten konnte. Allen Vorstellungen ungeachtet lagerten wir uns dann in den Schatten und aßen nach Herzenslust; dann füllten wir die Körbe und kehrten zu unsern Kameraden zurück, die uns natürlich mit einem Hurrahschreien empfingen. Es dauerte nicht lange, so war von den mitgebrachten Orangen nichts weiter als die Schale übrig geblieben.

So lange wir uns in der Calabouse aufhielten, bekamen wir so viel von dieser Frucht, als wir essen konnten und dies mag wohl auch die Ursache sein, daß sich die Kranken so schnell wieder von ihren Leiden erholten.

Die Orange von Tahiti ist delikat – klein und süß mit einer dünnen trocknen Rinde; obgleich sie jetzt sich überall im Ueberfluß findet, so kannte sie doch vor Cooks Zeit Niemand, denn ihm haben die Indianer diesen Segen zu verdanken. Eben sowohl führte er mehre andere Arten von Früchten ein, wie die Feige, die Ananas und die Citrone, die jedoch nur sehr wenig fortgekommen oder angepflanzt sein müssen. Außer Früchten brachten aber auch die ersten Besucher der Gesellschaftsinseln auch noch Rindvieh und Schafe, die sie an verschiedenen Stellen aussetzten, und Cook wie Vancouver waren gewiß, wenn Europäer überhaupt als solche betrachtet werden können, die größten Wohlthäter dieser Inseln.


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