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Am »singenden Wasser«

Heigh-day! War das eine Überraschung, als heute vor Job Hallers armseligem Blockhaus ganz unerwartet dessen jüngster Bruder Ralph, der Westmann, den er jahrelang nicht gesehen hatte, und eine junge, schöne Lady sich von den Pferden schwangen! Job sprang schnell hinaus, um Ralph mit Macht um den Hals zu fallen; dieser ließ das über sich ergehen und sagte dann: »Gib auch Amely einen Kuß, alter Boy! Sie ist seit zwei Wochen meine Frau, das einzige Kind von Bent Harrison, dem Besitzer der Clear-River-Silbermine. – Verstanden?«

Job war zunächst sprachlos; dann rief er um so lauter: »Bent Harrison? Heavens! Das einzige Kind einer Silbermine, die im vorigen Jahre reine zweimalhunderttausend Dollar ergeben hat, deine Frau? Und du ein armer Teufel! Mylady, sister-in-law, das ist ein wunderschöner Streich von Euch, und ich heiße Euch tausendmal willkommen!«

Er gab ihr einen lauten Kuß oder vielmehr Schmatz auf die blühende Wange und führte dann beide ins Innere des Blockhauses, wo sie von seiner braven Frau und den vier Kindern tüchtig »gehandschüttelt« wurden, ehe sie sich auf die alten Holzschemel setzen durften.

Während des Nachmittags hatte man vor lauter Neuigkeiten nichts erfahren können. Jetzt war es Abend geworden; auf dem Herd loderte das Holzfeuer, auf dem Tisch stand ein mächtiger Krug mit Ingwerbier, und nun kam Job endlich zu der Frage, die ihm längst auf den Lippen geschwebt hatte, wie sein Bruder, der arme Scout, zu der reichen Frau gekommen sei. Ralph setzte sich mit Würde zurecht, nickte seiner Amely liebevoll zu, was von ihr freundlich erwidert wurde, und antwortete: »Wir haben uns droben in den Bighornbergen gefunden, an einer Stelle, die von den Indianern Kai-p'a, das ›singende Wasser‹ genannt wird. Und das ging folgendermaßen zu:

Ihr wißt wohl, daß der Yellowstone-Nationalpark jetzt nicht mehr nur von kühnen Jägern und Trappern durchzogen wird, er ist vielmehr in neuer Zeit eine von Reisenden häufig besuchte Gegend geworden. Man begegnet mitunter sogar ganzen Gesellschaften von ihnen, bei denen sich auch Ladies befinden, die die Wunder des Nationalparks kennenlernen wollen. Diese Leute haben meist keine Ahnung von der Gefahr, in der sie zuweilen schweben.

Die Indianer, die das ungeheuer reiche Gebiet haben hergeben müssen, sinnen auf Rache; sie umschleichen die Reisenden, und wehe dem, der in ihre Hände fällt! Besonders haben sie es dabei auf die Ladies abgesehen, um sie zu entführen und dann zu zwingen, ihre Squaw zu werden, was für eine gebildete Dame schlimmer als der Tod ist.

Ich war von der Bighole-Prärie herüber nach dem Park gekommen, hatte diesen nach allen Richtungen durchwandert und war dabei auf die Spuren vieler einzelner Indianer gestoßen, die einem zu irgendwelchem Zweck verstreuten Jagdtrupp anzugehören schienen. Zuletzt kam ich an den überaus fischreichen wunderbaren Yellowstonesee, den ich genau kannte. Bei meiner letzten Anwesenheit hatte ich mir, um zu fischen, ein Rindenkanu gebaut und dieses, als ich die Gegend verließ, gut versteckt. Jetzt fand ich es unversehrt wieder und nahm es sofort in Gebrauch. Ich ruderte mich einige hundert Yards Yard = 0,9 Meter vom Ufer fort und warf dort die Angeln aus. Eben als ich das tat, stieg links von mir eine ungeheure Masse heißen Wassers auf, wohl fünf Minuten lang und zwanzig Yards hoch; dann sank der Riesensprudel in sich zusammen, und die Stelle war glatt wie vorher. Das war der Quarter-Hour-Geiser.

Ihr müßt nämlich wissen, daß die Geiser des Nationalparks sich nicht nur am Land befinden, sondern auch unter dem See tätig sind und in meist ganz genauen Zeitabschnitten ihre kochenden Fluten weit über die Wasserfläche emportreiben. Wer den See im Kanu befährt, muß diese gefährlichen Stellen kennen, sonst kann es leicht geschehen, daß er mit emporgeschleudert und dann als verbrühte Leiche in die Tiefe gerissen wird. Ich kannte den Quarter-Hour-Geiser und wußte, daß seine Stöße in Zwischenräumen von genau fünfzehn Minuten erfolgten.

Ich glaubte, in der weiten Gegend allein zu sein. Denkt euch nun mein Erstaunen, als ich plötzlich ein Kanu erblickte, das vom jenseitigen Ufer herüberkam und auf die Geiserstelle zuhielt. Außer dem Ruderer saßen zwei Männer und eine Lady darin. Sie gehörten zu einer drüben lagernden Reisegesellschaft, hatten den Geiser speien sehen und eilten herbei, um den nächsten Ausbruch aus der Nähe zu betrachten. Aber sie kannten den Punkt nicht genau, blieben gerade über dem unterseeischen Krater halten und waren, wenn sie dort blieben, unbedingt verloren.

Natürlich ruderte ich rasch näher, um sie zu warnen – hielt mich aber wohlweislich außerhalb des Geiserkreises – und rief ihnen Vorsicht zu. Ich bekam zur Antwort, daß ich sie nicht belästigen, sondern mich davontrollen möge. Sie waren vornehme Leute, während ich ein ziemlich verwildertes Aussehen zeigte. In drei Minuten mußte der Geiser wieder hochkommen; es war also keine Zeit zu verlieren. Als ich meinen Zuruf wiederholte, wurde ich ausgelacht; also mußte ich, um sie zu retten, Zwang anwenden. Ich legte daher mein Gewehr auf den lautesten der Lacher an und drohte, ihn zu erschießen, wenn das Kanu nicht gewendet werde – vergeblich. Da zielte ich sorgfältig, um ihm einen Streifschuß in den Arm zu geben, und drückte ab. Die Kugel traf; die Insassen des Bootes schrien wütend auf, aber der Ruderer legte sich schnell in die Riemen, um aus dem Bereich meiner Büchse zu kommen. Einige Sekunden später stieg zwischen ihnen und mir die kochende Wassermasse in die Höhe, die ganze Umgebung in heißen Brodem hüllend – doch die Leute waren gerettet. Als der Ausbruch vorüber war, sah ich sie zurückrudern. Ich folgte ihnen, um sie vor ähnlichem zu warnen und mich ihnen als kundigen Führer anzubieten.

Aber wie wurde ich von der Gesellschaft, die aus über dreißig Personen bestand, empfangen! Keiner sah ein, daß ich nur durch die wirkliche Verwundung des einen ihn und die anderen hatte retten können. Sie hatten einige Dragoner aus Old Fort Hall als Schutzwächter mit, und diese Soldaten wollten kurzen Prozeß mit mir machen und mich einfach erschießen. Schon machte ich mich aufs Äußerste gefaßt, da nahm sich die Lady meiner an. Sie allein glaubte meiner Versicherung, reichte mir dankend die Hand und brachte es so weit, daß ich mich entfernen durfte.

Was soll ich sagen? Ich will nicht viel Worte machen, aber von diesem Augenblick an mußte ich fort und fort an die guten, dankbaren Augen denken, mit denen sie mich verwilderten Kerl angestrahlt hatte. Ich näherte mich am nächsten Tag dem Lagerplatz; er war verlassen. Die Fährte der Gesellschaft führte nach Südosten, ungefähr in der Richtung auf den Owl-Creek Eulenbach zu. Dort wußte ich die Schlangenindianer, die gerade jetzt wieder einmal das Kriegsbeil ausgegraben hatten. Es war bekannt, daß ihr Häuptling Avaht-uitsch, das Große Messer, geschworen hatte, nicht eher zu ruhen, als bis er hundert Skalpe der Bleichgesichter erobert und zehn weiße Frauen für seinen Wigwam gefangen habe. Sollte die Lady mit den unvergeßlichen Augen etwa auch in seine Hände fallen? Nein und abermals nein! Ich versteckte mein Kanu wieder und brach dann auf, um der Spur zu folgen. Sie führte über den Owl-Creek hinüber, als ob die Leute beabsichtigten, Lander-City zu erreichen. Dann aber wich sie östlich ab und zeigte nach den Bighornbergen, deren landschaftliche Schönheiten wohl wert sind, von Reisenden genossen zu werden. Zu diesen Schönheiten gehört eine enge Quellenschlucht, in der sich eine Stelle befindet, die den Namen Kai-p'a, das ›singende Wasser‹, führt. Der Bach stürzt sich da von einer hohen Felsenkante herab, rauscht eine kurze Strecke zwischen mächtigen Steintrümmern hin und füllt dann einen kleinen, tiefen Kessel an, aus dem es keinen anderen Ausweg gibt als durch ein enges Loch von röhrenartiger Gestalt; hier hat sich das Wasser durch den Stein gefressen. Ist nun nach einem Regen oder überhaupt in der nassen Jahreszeit der Bach angeschwollen und der Kessel voll, so wird das Wasser mit großer Gewalt durch diese Röhre gedrängt, und es werden durch die Reibung oder auf irgendeine andere Weise Töne erzeugt, die dem fernen Gesang einer menschlichen Stimme gleichen. Daher der vorhin erwähnte Name.

Nach dieser Schlucht führte die Fährte, und ich mußte annehmen, daß die Gesellschaft da angehalten hatte, um das singende Wasser zu hören. In der Nähe angekommen, verließ ich die Spur, denn ich konnte mich nicht gut sehen lassen, weil die Leute mir nicht freundlich gesinnt waren. Während ich mich so zwischen Felsen und Bäumen hinschlich, gewahrte ich die Fährte eines Mokassins; es befanden sich also Indianer in der Nähe. Ich folgte ihr in vorsichtiger Weise; sie war nur dem Auge eines scharfsichtigen Westmanns bemerkbar und führte gerade auf den Kessel zu. In seiner Nähe hörten auf dieser Seite die Bäume auf; ich legte mich also, um weniger leicht bemerkt zu werden, auf die Erde nieder und kroch langsam weiter. Dabei hörte ich jetzt ganz deutlich die Töne des ›singenden Wassers‹. Das mußte mir auffallen, denn es war wochenlang sehr trockenes Wetter gewesen, und der Bach konnte unmöglich so viel Wasser haben, wie zur Hervorbringung der Töne nötig war. Hier mußte irgendeine Teufelei im Spiel sein. Ich schlich zunächst wieder zurück, um mich meines Pferdes, das ich ziemlich weit zurückgelassen und angebunden hatte, zu versichern und es in größerer Nähe unterzubringen. Vielleicht war es nötig, schnell in den Sattel zu kommen. Dann kroch ich wieder vorwärts, leise, vorsichtig, dem Rande des Bergkessels zu.

Die Schlucht lag nun offen vor mir. Im Hintergrund wurde sie durch die kahle Masse des Terminus Peak scheinbar abgeschlossen; links zog sich eine mit Tannen und Zedern spärlich bewachsene Höhe heran, die hart am Wasserkessel in einen kahlen, zerrissenen Steinkoloß auslief, und rechts stieg ein ebenso zerklüfteter Felsenriese scheinbar bis in die Wolken auf. An dessen Fuß stand eine Gruppe vom Wetter zerfetzter Weimutskiefern, deren einige vom Sturm gebrochen und von der Hochflut bis hinunter zum Wasser gerissen worden waren. Weiter vorn, rechts, sah ich unter weit auseinanderstehenden Bäumen, zwischen denen hindurch der Blick auf offenes, grasiges Gelände fiel, die Reisenden mit ihrer Schutzwache lagern. Sie hatten allem Anschein nach den Kessel des Kai-p'a schon besichtigt, und ihre Pferde waren in der Nähe angebunden; nur ein mit einem Damensattel versehenes lief frei umher und knusperte die Blätter von den wenigen Zweigen, die es gab; es war das der Lady mit den schönen, guten Augen.

Aber auf derselben Seite, nur noch weiter zurück, sah ich etwas, was die Weißen wegen der dazwischen liegenden Felsen nicht bemerken konnten, nämlich eine Schar von wohl über vierzig Indianern, von denen jeder bei seinem Pferd stand, bereit, augenblicklich in den Sattel zu springen und sich auf die Bleichgesichter zu werfen. Schon wollte ich mich zu diesen schleichen, um sie zu warnen, da wurden die Töne des ›singenden Wassers‹ stärker. Das waren keine Naturlaute, sondern das war eine menschliche Stimme; sie erklang unweit von mir vom Wasser herauf. Zugleich erblickte ich die Lady, die, von den Tönen herbeigelockt, den Lagerplatz verließ und nach dem Wasser kam. Dort ließ sie sich nieder, um den Punkt zu erlauschen, wo der Gesang entstand. Ihr Pferd war ihr nachgelaufen und blieb drüben bei den Weimutskiefern stehen.

Ich schob mich weiter vor, bis an den hohen Rand des Wasserkessels, und sah hinab. Dort lag – ein Indianer eng zusammengeduckt hinter mehreren Steinen und ahmte mit geschlossenem Mund durch die Nase den Klang des ›singenden Wassers‹ nach. Es war Avaht-uitsch, der Häuptling der Schlangenindianer; ich kannte ihn.

Ich begriff, daß er es zunächst auf die Lady abgesehen hatte; er wollte sie vom Lager weglocken, damit sie beim Überfall nicht verwundet oder gar getötet werden sollte. Er wollte sie unbeschädigt nach seinem Wigwam bringen. Jetzt war sie am Wasser, und ich wußte, daß er in wenigen Augenblicken das Kriegsgeheul als Zeichen zum Angriff erschallen lassen werde. Das mußte verhütet werden. Schießen durfte ich nicht, da sonst die Indianer sich sofort aus ihrem Versteck auf die ahnungslosen Weißen geworfen hätten; darum ergriff ich einen schweren neben mir liegenden Stein, um ihn dem gerade unter mir befindlichen Häuptling auf den Kopf zu werfen. Ich traf so gut, daß der Rote wie tot zusammenbrach.

Da ich mich dabei hatte halb aufrichten müssen, war ich von der Lady erblickt worden. Sie fuhr betroffen in die Höhe. Wie sie mir später sagte, hatte sie mich sofort erkannt. Ich glaubte sie gerettet, hatte mich aber geirrt. In ihrer Nähe lagen einige große Steine, hinter denen zwei weitere Rote verborgen gewesen waren. Diese hatten meinen Angriff auf ihren Häuptling bemerkt; sie sprangen hervor, ergriffen die Lady und zerrten sie eiligst hinauf nach den Weimutskiefern, wo das Pferd stand. Die Überfallene ließ keinen Laut hören, sie war sprachlos vor Schreck. Auch die beiden Indianer verhielten sich still und zögerten, den Kriegsruf hören zu lassen, da sie sich noch zu nahe bei den Weißen befanden. Ich richtete mich auf, um zu schießen, mußte das aber bleiben lassen, denn die Kerls bildeten mit dem Mädchen eine so verschlungene Gruppe, daß ich die schönen, guten Augen leicht hätte für immer auslöschen können. Ich schnellte mich also zu meinem Pferd, sprang in den Sattel, trieb es in einem weiten Sprung über den Bach und jagte auf die Weißen zu. An ihnen vorüberfliegend, deutete ich nach hinten und schrie: »Zu den Waffen, dort sind Indianer!« Sie sprangen auf, um sich zu verteidigen; ich aber jagte weiter, um der Lady zu helfen.

Diese war bis zu ihrem Pferd geschleppt worden. Einer der Roten stieg auf; er riß sie zu sich empor und sprengte mit ihr fort, während der andere hinter Felsen und Bäumen verschwand. Ich sah den Reiter mit seiner Beute nach der vorhin erwähnten offenen Prärie galoppieren und ritt ihm nach, kaum zweihundert Schritt hinter ihm. Der Damensattel war ihm hinderlich, er mußte die Lady so halten, daß er seine Reitkunst nicht ganz entwickeln konnte. Ich kam ihm immer näher. Nach zwei Minuten hatte ich ihn bis auf hundert, nach drei Minuten bis auf siebzig Schritt eingeholt. Er sah sich um und bemerkte mich. Die Lady begann sich zu wehren; das störte ihn noch mehr. Er griff zum Messer und erhob die Hand wie zum Stoß, um ihr anzudeuten, daß sie sich ruhig zu verhalten habe, und zugleich mir durch diese Gebärde zu sagen, daß er sie lieber töten als mir überlassen werde. Vom Pferd aus durfte ich nicht schießen. Ich wartete also, bis ich mich ihm auf fünfzig Schritt genähert hatte, hielt dann an, sprang aus dem Sattel und richtete das Gewehr auf ihn. Meine Hand zitterte nicht. Um die Lady nicht zu treffen, mußte ich möglichst hoch, nach seinem Kopf, zielen. Das war ein schwerer Schuß – er krachte; der Rote machte eine Bewegung nach vorn, als ob er von hinten einen Schlag erhalten habe; die Lady entglitt seinen Armen und fiel zur Erde. Ich war gar nicht wieder aufgestiegen, sondern hinterher gerannt. Schon stand ich bei ihr und hob sie auf. Sie war unverletzt, aber vor Entsetzen so schwach, daß ich sie an mich drücken mußte. Sie hielt die Augen geschlossen, doch, alter Job, du kannst mir glauben, sie war auch ohne den warmen Augenstrahl so reizend, daß es meinen bärtigen Mund mit unwiderstehlicher Gewalt auf ihre Lippen zog. Der erste Kuß in meinem Leben – by God, der letzte noch lange nicht! Doch davon nichts weiter! Ich will nur sagen, daß ich ihr Pferd einfing, sie in den Sattel hob, dann auf das meinige stieg und mit ihr zurückkehrte.

Da hörten wir Schüsse knallen und das Geheul der Indianer. Ich durfte meine Lady nicht neuen Gefahren aussetzen, suchte also schnell ein gutes Versteck für sie, ließ die Pferde bei ihr und rannte nach dem Kampfplatz. Die Dragoner hatten sich tapfer gewehrt, aber die Reisenden waren weder Kriegs- noch Westmänner, sie schossen beharrlich daneben. Doch, cheer up, meine Büchse begann ein Wort mitzusprechen, und schon nach kurzer Zeit machten sich die Roten aus dem Staub. Es hatte Opfer gekostet. Zwei Dragoner und drei Reisende waren tot und leidlich viele verwundet. Ich selbst hatte ein Kugelloch im Schenkel und einen tüchtigen Streifer über der Hüfte. Dennoch ritt ich zurück, die Miß, um die es große Sorge gab, zu holen. Ihr Vater war auch verletzt, er hatte einen Pfeil in die Schulter erhalten, ein ziemlich unangenehmes Ding für einen, der nicht Westmann ist.

Natürlich sah ich nun auch nach dem Häuptling. Er lag noch wie tot am Wasser und wurde heraufgezogen. Das Singen war ihm schlecht bekommen. Später kam er zu sich und wurde gut gefesselt, um als Geisel bei uns zu bleiben und dann von den Dragonern mit nach Old Fort Hall genommen zu werden. Ich wurde jetzt mit anderen Augen betrachtet. Man nannte mich den Retter nicht nur der Lady, sondern der ganzen Gesellschaft, wogegen ich mich auch gar nicht sträubte. Tausendmal lieber aber waren mir die Blicke, mit denen die Augen der Miß immer und immer wieder auf mir ruhten. Und ich – nun, ich hätte mir ihr schönes, liebes Gesicht bis in alle Ewigkeit hinein betrachten können; doch dazu gab es keine Zeit. Die Toten mußten begraben, die Verwundeten verbunden werden. Diese waren der Pflege sehr bedürftig, aber wir durften der Rachsucht der Indianer wegen nicht am Kai-p'a bleiben. Wir machten uns also, so gut es ging, nach Mc. Kinney, der nächsten bewohnten Stelle, wo wir gute ärztliche Behandlung fanden. Bent Harrison tat es nicht anders, ich mußte in einem Zimmer mit ihm liegen und mich ebenso wie er von Amely pflegen lassen. Sie hat alles Mögliche getan, aber ich schätze, daß ich noch mehr aus Liebe so schnell wieder auf die Beine gekommen bin. Ich war überglücklich, als ich von ihr hörte, daß sie mir den Kuß da draußen am ›singenden Wasser‹ nicht verübelt habe, und als das ihr Vater erfuhr, war er der Meinung, daß sie mir das auch fernerhin beweisen müsse – all by all, sie hat mir gesagt, daß sie lieber ihre schönen, guten Augen für immer auf mir ruhen lassen, als die Squaw des Großen Messers werden wolle, und hat den armen Scout zu einem Mann gemacht, der fast gar nicht weiß, wohin und wohinaus mit seinem Glück. Oder nicht, Amely?«

Ralph war mit seiner Erzählung zu Ende und blickte bei seiner Frage strahlenden Auges zu seiner »Lady« hinüber. Diese erhob sich, kam zu ihm herüber, legte ihre Wange an die seinige und antwortete:

»My darling, ich muß dir ja gehören, weil ich ohne dich verloren gewesen und sicherlich gestorben wäre.«

»Beim Himmel!« rief da Job gerührt, »Du brauchst gar keine Silbermine, um glücklich zu sein!«

»Nein, wirklich nicht, mein alter Job. Die Mine ist ganz überflüssig, sie macht uns schwere Sorgen, denn es fehlen die Hände, täglich so einen Haufen Dollars abzuzählen. Darum sind wir gekommen, um euch abzuholen. Wollt ihr uns helfen?«

Da sprang Job auf, schleuderte mit dem Fuß seinen Schemel fort und jauchzte:

»Sofort, sofort! Frau, Kinder, die Not hat ein Ende. Laß dich umarmen, alter Ralph! In Zukunft werden wir jährlich einmal nach den Bighornbergen wandern, um deinem ›singenden Wasser‹ unseren Dank zu bringen.«


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